TE Vwgh Beschluss 2022/4/5 Ra 2022/03/0073

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Veröffentlicht am 05.04.2022
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §8
B-VG Art132 Abs1 Z1
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Landes Niederösterreich, vertreten durch Dr. Andrew P. Scheichl, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Wipplingerstraße 20/8-9, gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 13. Jänner 2022, Zl. LVwG-AV-747/001-2021, betreffend die Sicherung einer Eisenbahnkreuzung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptfrau von Niederösterreich; mitbeteiligte Parteien: 1. Ö AG, in W, vertreten durch Walch/Zehetbauer/Motter Rechtsanwälte OG in 1010 Wien, Biberstraße 11; 2. Gemeinde H in M), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Mit Bescheid vom 2. April 2013 ordnete der Landeshauptmann von Niederösterreich an, dass eine näher bezeichnete Eisenbahnkreuzung der Bahnstrecke Wien Praterstern - Rennweg - Wolfsthal, die zuvor nur durch Andreaskreuze und Gewährleisten des erforderlichen Sichtraums gesichert war, künftig durch Lichtzeichen mit Schranken zu sichern sei und legte fest, wie und bis wann die Sicherung im Einzelnen auszuführen sei. Im Spruch und in der Begründung dieser Entscheidung wurde davon ausgegangen, dass die in Rede stehende Eisenbahnstrecke (nur) von einer Gemeindestraße der Gemeinde H gekreuzt wird.

2        Im Folgenden wurde die neue Lichtzeichenanlage mit Schranken von der Ö AG errichtet. Im Anschluss daran entstand ein Rechtsstreit darüber, wer und in welchem Umfang die Kosten für diese Maßnahme zu tragen hat, zumal von der betroffenen Gemeinde geltend gemacht wurde, dass das Land Niederösterreich als Straßenerhalterin anzusehen sei und an den Kosten teilhaben müsse.

3        Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich trug der Behörde im Verfahren betreffend die Kostentragung mit Beschluss vom 21. August 2020 auf, die Angelegenheit nach Klärung der Frage, wer als Trägerin der Straßenbaulast anzusehen sei, neuerlich zu entscheiden. Die dagegen erhobenen Revisionen wies der Verwaltungsgerichtshof mit Erkenntnis vom 8. Februar 2021, Ro 2020/03/0044 bis 0046, als unbegründet ab.

4        Mit Schreiben vom 16. März 2021 übermittelte die Behörde dem Land Niederösterreich, das im Sicherungsverfahren nicht beigezogen worden war, den Sicherungsbescheid vom 2. April 2013 „mit dem Ersuchen um Kenntnisnahme“.

5        Dagegen erhob das Land Niederösterreich mit Schriftsatz vom 15. April 2021 Beschwerde an das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich. Darin führte es im Wesentlichen aus, das Land Niederösterreich gehe davon aus, dass es mit der erfolgten Zustellung des Sicherungsbescheides als Partei dem Verfahren hinzugezogen werde. Das Land Niederösterreich sei aber keinesfalls als Partei des Verfahrens zu qualifizieren, weil es nicht Trägerin der Straßenbaulast einer die Eisenbahnstrecke kreuzenden Straße sei. Die vorliegende Beschwerde erfolge daher aus advokatorischer Vorsicht und werde im Ergebnis - mangels Parteistellung - zurückzuweisen sein. Es werde daher beantragt, die Beschwerde mangels Parteistellung zurückzuweisen, in eventu, den Bescheid der belangten Behörde aufzuheben.

6        Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich diese Beschwerde des Landes Niederösterreich als unzulässig zurück und erklärte die Revision für nicht zulässig.

7        Begründend führte das Verwaltungsgericht aus, nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes seien nur diejenigen natürlichen oder juristischen Personen zu einer Bescheidbeschwerde legitimiert, denen in einem vorangegangenen Verwaltungsverfahren Parteistellung zugekommen sei. Daraus folge, dass einer Beschwerde wie der vorliegenden, die sich allein auf die Behauptung stütze, nicht Partei des vorangegangenen Verwaltungsverfahrens gewesen zu sein, von vornherein die Berechtigung zu ihrer Erhebung fehle.

8        Dagegen wendet sich die vorliegende außerordentliche Revision. Zur Zulässigkeit wird zusammengefasst geltend gemacht, es fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob Personen, die von der Behörde in einem Verfahren gemäß § 49 Abs. 2 EisbG als (vermeintliche) Träger der Straßenbaulast zugezogen würden, ein Rechtsschutzinteresse an der Feststellung zukomme, nicht Träger der Straßenbaulast und daher auch nicht Partei des Sicherungsverfahrens zu sein. Außerdem bedürfe es der Klärung durch den Verwaltungsgerichtshof, ob die - fallbezogen vorgenommene - Zurückweisung mit der beantragten Zurückweisung mangels Parteistellung gleichzusetzen sei. Nicht zuletzt fehle höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob der in einer Beschwerde gestellte Eventualantrag auf Aufhebung des Bescheids auch den Antrag auf Abänderung des Bescheids selbst miteinschließe.

9        Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:

10       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11       Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.

12       Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.

13       Gemäß Art. 132 Abs. 1 Z 1 B-VG kann gegen einen Bescheid einer Verwaltungsbehörde wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch den Bescheid in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Die Beschwerdelegitimation setzt unter anderem voraus, dass eine solche Rechtsverletzung möglich ist; ob dies der Fall ist, ist nach dem Inhalt des angefochtenen Bescheides zu bestimmen (vgl. VwGH 6.12.2021, Ra 2020/03/0067, mwN). Parteistellung im Verwaltungsverfahren und die Befugnis zur Beschwerdeerhebung an ein Verwaltungsgericht hängen nach der innerstaatlichen Rechtslage somit unmittelbar zusammen (vgl. VwGH 30.9.2020, Ra 2019/10/0070, mwN).

14       Der Verfassungsgerichtshof hat zwar ausgesprochen, dass dem Träger der Straßenbaulast im Verfahren über die Anordnung der Sicherung eines Eisenbahnüberganges gemäß § 49 Abs. 1 EisbG Parteistellung gewährt werden müsse, um Einwände gegen die Sicherungsanordnung erheben zu können (vgl. VfGH 26.2.2020, G 179/2019 u.a.).

15       Der fallbezogen in Rede stehende Sicherungsbescheid des Landeshauptmanns von Niederösterreich vom 2. April 2013 enthielt jedoch keinen Hinweis darauf, dass das Land Niederösterreich Trägerin der Straßenbaulast für die gegenständliche Eisenbahnkreuzung sein könnte. Im Gegenteil wurde in diesem Bescheid ausschließlich die Gemeinde H als Trägerin der Straßenbaulast bezeichnet.

16       Es ist daher nicht zu erkennen, dass das Land Niederösterreich durch diesen Bescheid, gegen den es Beschwerde erhoben hat, in seinen Rechten verletzt sein konnte.

17       Die Beschwerde des Landes Niederösterreich an das Landesverwaltungsgericht enthielt auch kein Vorbringen, das die angeordnete Sicherung - für den Fall, dass das Land Niederösterreich doch als Träger der Straßenbaulast anzusehen wäre - als solche in Frage gestellt hätte. Gerade um derartige Einwände zu ermöglichen, wurde vom Verfassungsgerichtshof die Beziehung des Trägers der Straßenbaulast im Sicherungsverfahren aber eingefordert.

18       Ausgehend davon erfolgte die Zurückweisung der Beschwerde mangels Beschwerdelegitimation auf der Grundlage der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Recht.

19       Wenn die Revision letztlich eine Klärung der (erst im Verfahren betreffend die Kostentragung für die Sicherung der Eisenbahnkreuzung aufgeworfenen) Frage anstrebt, ob sie Trägerin der Straßenbaulast für die gegenständliche Kreuzung ist, so ist darauf hinzuweisen, dass diese Frage im Verfahren betreffend die Kostentragung ohnedies als Vorfrage zu klären sein wird, ohne insoweit an den vorangegangenen Sicherungsbescheid gebunden zu sein (vgl. VwGH 8.2.2021, Ro 2020/03/0044 bis 0046).

20       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 5. April 2022

Schlagworte

Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtsanspruch Antragsrecht Anfechtungsrecht VwRallg9/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022030073.L00

Im RIS seit

16.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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