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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Dr. Lehofer und Mag. Nedwed als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Ing. D S, in B, vertreten durch Mag. Eduard Aschauer und Mag. Petra Aschauer, Rechtsanwälte in 4400 Steyr, Sierningerstraße 174a, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Steiermark vom 13. September 2021, Zl. LVwG 30.7-1383/2021-16, betreffend eine Übertretung nach dem COVID-19-Maßnahmengesetz (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Hartberg), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis erkannte das Landesverwaltungsgericht Steiermark den Revisionswerber - in Bestätigung eines entsprechenden Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Hartberg-Fürstenfeld - einer Übertretung von § 8 Abs. 3 COVID-19-Maßnahmengesetz (COVID-19-MG) in Verbindung mit § 9 Abs. 1 der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung für schuldig und verhängte über ihn eine Geldstrafe von EUR 3.000,-- (4 Tage 4 Stunden Ersatzfreiheitsstrafe). Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
2 Dem Revisionswerber wurde zur Last gelegt, als Inhaber eines Fitnessstudios an einem näher bezeichneten Standort, welches eine Sportstätte gemäß § 3 Z 11 Bundes-Sportförderungsgesetz 2017 (BFSG 2017) sei, am 15. Februar 2021 nicht dafür Sorge getragen zu haben, dass die Sportstätte zum Zweck der Ausübung von Sport nicht betreten wurde, obwohl dies durch die 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung in der Zeit vom 8. bis 17. Februar 2021 untersagt gewesen sei. Ein Ausnahmegrund von diesem Betretungsverbot gemäß § 9 Abs. 2 und 3 der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung habe nicht vorgelegen. Zum Tatzeitpunkt habe sich C K im Fitnessstudio aufgehalten und trainiert, obwohl er weder Berufs- noch Spitzensportler gewesen sei.
3 Dagegen erhob der Revisionswerber zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Diese lehnte die Behandlung der Beschwerde mit Beschluss vom 30. November 2021, E 3946/2021-7, ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 4. Jänner 2022, E 3946/2021-9, ab.
4 In der vorliegenden außerordentlichen Revision wird geltend gemacht, der Revisionswerber sei durch das angefochtene Erkenntnis in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt worden, da er entgegen den gesetzlichen Bestimmungen zur Leistung einer Geldstrafe verpflichtet worden sei. Die Zulässigkeit der Revision sieht der Revisionswerber darin begründet, dass eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliege, weil die Landesverwaltungsgerichte ein und denselben Sachverhalt teilweise unterschiedlich entscheiden würden. Soweit ersichtlich sei die hier zu lösende Rechtsfrage vom Verwaltungsgerichtshof noch nicht beantwortet worden. Die Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung lauteten:
„Sind die §§ 8 Abs 3, 3 Abs 1 COVID-19-MG iVm § 9 Abs. 1, 4. COVID_19-SchuMaV, BGBl. II Nr. 58/2021 ausreichend determiniert um dem Bestimmtheitserfordernis des Artikel 7 EMRK zu genügen?
Darf dem Revisionswerber mittels Verordnung auferlegt werden, die Erhebung personenbezogener Daten seiner Mitglieder abzufragen, ohne in irgendeiner Art und Weise zu determinieren, wie er dies gesetzeskonform auch im Hinblick auf die Datenschutzgrundverordnung zu tun hätte, geschweige denn, ihm ein durchsetzbares Mittel dazu in die Hand zu geben?
Wie kann ein Fitnessstudiobetreiber dessen Fitnessstudio 24 Stunden am Tag sieben Tage in der Woche geöffnet hat, seiner Sorgfaltspflicht zumutbarerweise nachkommen, als in der Weise, die der Revisionswerber gewählt hat?
Welches zumutbare Mittel ist dem Revisionswerber zuzumuten, ohne dass es zu einer Überspannung der Sorgfaltspflichten kommt?
Ist es zulässig, dass der Gesetzgeber mittels Verordnung hoheitliche Aufgaben, und zwar die Überprüfung und Einhaltung der oben angeführten Gesetzes- und Verordnungsmaterialien auf den Revisionswerber überträgt, dies ohne Zustimmung des Revisionswerbers und unter Androhung und Vollzug von Verwaltungsstrafverfahren?“
5 Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan:
6 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichts die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Hat das Verwaltungsgericht - wie im vorliegenden Fall - im Erkenntnis ausgesprochen, dass die Revision nicht zulässig ist, muss die Revision gemäß § 28 Abs. 3 VwGG auch gesondert die Gründe enthalten, aus denen entgegen dem Ausspruch des Verwaltungsgerichts die Revision für zulässig erachtet wird.
Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision an den Ausspruch des Verwaltungsgerichts nicht gebunden. Er hat die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß § 34 Abs. 1a VwGG im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe zu überprüfen. Liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG danach nicht vor, ist die Revision gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
7 Der Revisionswerber wirft in seiner Zulassungsbegründung die Frage nach der Rechtmäßigkeit von generellen Rechtsvorschriften (wie hier insbesondere des § 9 der 4. COVID-19-Schutzmaßnahmenverordnung) auf. Die Entscheidung dieser Frage fällt gegenständlich allerdings in die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes (Art. 139 ff B-VG), zu ihrer Lösung in der Sache ist der Verwaltungsgerichtshof also nicht zuständig.
Zwar kann der Verwaltungsgerichtshof dann, wenn ihm bei Behandlung einer Revision Bedenken bezüglich der Rechtmäßigkeit genereller Rechtsnormen erwachsen, einen Normprüfungsantrag an den Verfassungsgerichtshof stellen (vgl. Art. 139 Abs. 1 Z 1 und Art. 140 Abs. 1 Z 1 B-VG). Die Zulässigkeit einer Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG kann mit einer solchen Frage jedoch nicht begründet werden, weil sie selbst als Rechtsfrage eben nicht vom Verwaltungsgerichtshof in der Sache „zu lösen“ ist (vgl. etwa VwGH 21.10.2021, Ra 2021/07/0064, mwN).
8 Auch die Prüfung der Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten fällt in die Zuständigkeit des Verfassungsgerichtshofes, weshalb es sich dabei nicht um vor dem Verwaltungsgerichtshof verfolgbare Rechte handelt (vgl. etwa VwGH 30.7.2021, Ra 2021/05/0073, mwN).
9 Dass der Verfassungsgerichtshof im gegenständlichen Fall keinen Grund sah, das angefochtene Erkenntnis im Hinblick auf die vom Revisionswerber geltend gemachten verfassungsrechtlichen Bedenken aufzuheben, sei abschließend nur angemerkt.
10 Mit dem bloßen Hinweis auf eine vermeintlich uneinheitliche Judikatur der Verwaltungsgerichte wird von der Revision ebenfalls noch keine grundsätzliche Rechtsfrage aufgezeigt (vgl. etwa VwGH 20.1.2022, Ra 2021/05/0163, mwN).
11 Im Übrigen entfernt sich die Revision mit ihrer (impliziten) Behauptung, der Revisionswerber habe die ihm zumutbaren Maßnahmen gesetzt, um dem Betretungsverbot für das Fitnessstudio zu entsprechen, begründungslos von den gegenteiligen Feststellungen des Verwaltungsgerichts. Danach konnte die versperrte Tür des Fitnessstudios mit einer aktiven Mitgliedskarte „rund um die Uhr“ geöffnet werden und es war „selten jemand anwesend außer die Trainierenden“. Auch zum Tatzeitpunkt habe der Revisionswerber - so das Verwaltungsgericht - über keinerlei Personal verfügt und die beschriebenen Zutrittsmöglichkeiten zu seinem Fitnessstudio nicht geändert. An der Eingangstür sei lediglich ein Hinweis angebracht worden, dass nur Spitzen- oder Berufssportler trainieren dürften. Dass und weshalb diese Maßnahmen ausreichend gewesen sein sollten, um für einen normkonformen Trainingsbetrieb ausreichend und zumutbar Sorge zu tragen, legt der Revisionswerber nicht dar.
12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 7. April 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022030074.L00Im RIS seit
16.05.2022Zuletzt aktualisiert am
17.05.2022