TE Vwgh Erkenntnis 2022/4/8 Ro 2022/03/0035

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Veröffentlicht am 08.04.2022
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein
16/02 Rundfunk
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §56
AVG §59 Abs1
AVG §68 Abs1
PrivatradioG 2001 §28b
PrivatradioG 2001 §28b Abs1
PrivatradioG 2001 §28c Abs2
PrivatradioG 2001 §28d Abs4
VwRallg

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Dr. Lehofer, Mag. Nedwed, Mag. Samm und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der R GmbH in W, vertreten durch die Keschmann Rechtsanwalts-GmbH in 1090 Wien, Servitengasse 4/20, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 10. Jänner 2022, Zl. W234 2216798-1/30E, betreffend eine Angelegenheit nach dem Privatradiogesetz (PrR-G) (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Kommunikationsbehörde Austria; mitbeteiligte Partei: E Gesellschaft mbH in W, vertreten durch die Pfletschinger.Renzl Rechtsanwalts-Partnerschaft in 1010 Wien, Weihburggasse 26/4), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesverwaltungsgericht (BVwG) eine Beschwerde der revisionswerbenden Partei gegen den Bescheid der Kommunikationsbehörde Austria (KommAustria) vom 20. Februar 2019 betreffend die bundesweite Zulassung für analogen terrestrischen Hörfunk als unzulässig zurück. Die Revision erklärte das BVwG für zulässig.

2        Begründend führte das BVwG zusammengefasst aus, der (Rechtsvorgängerin der) revisionswerbenden Partei sei mit dem genannten Bescheid für die Dauer von zehn Jahren die Zulassung zur Veranstaltung von bundesweitem privaten terrestrischen Hörfunk unter Zuordnung näher bezeichneter Übertragungskapazitäten für ein näher umschriebenes Versorgungsgebiet erteilt worden. Diesbezüglich habe die revisionswerbende Partei einen Rechtsmittelverzicht abgegeben.

3        Gleichzeitig habe die KommAustria jedoch (u.a.) „Zusatzanträge“ der (Rechtsvorgängerin der) revisionswerbenden Partei, der bundesweiten Zulassung auch die bestehenden Zulassungen „Östliches Nordtirol 2“ und „Oberösterreich Mitte“ der mitbeteiligten Partei mit näher bezeichneten Übertragungskapazitäten zuzuordnen, abgewiesen.

4        Zur Begründung dieser Abweisung habe die KommAustria darauf verwiesen, dass die Inhaberin der Zulassungen ihren Sendebetrieb entgegen § 28b Abs. 1 letzter Satz PrR-G noch nicht zwei Jahre ausgeübt habe, weshalb derzeit eine Zuordnung zur bundesweiten Zulassung nicht zulässig sei. Außerdem würde in Bezug auf die Zulassung „Oberösterreich Mitte“ die Zuordnung dieser Übertragungskapazitäten zu einer unzulässigen Doppelversorgung im Zentralraum Oberösterreich führen.

5        Gegen diese (Teil-)Abweisung habe die revisionswerbende Partei Beschwerde an das BVwG erhoben. Das BVwG gehe davon aus, dass der angefochtene Bescheid hinsichtlich der Schaffung der bundesweiten Hörfunkzulassung einschließlich der Festlegung ihres Versorgungsgebiets und der dafür zugeordneten Übertragungskapazitäten rechtskräftig geworden sei. Im Beschwerdeverfahren bezwecke die revisionswerbende Partei, ihr rechtskräftig geschaffenes Versorgungsgebiet um zusätzliche Übertragungskapazitäten zu erweitern. Die gesetzliche Grundlage dafür böte nur § 28d Abs. 4 PrR-G. Begehre die revisionswerbende Partei in einem Verfahren nach § 28b PrR-G hingegen weiterhin eine Änderung ihrer bundesweiten Zulassung zur Vergrößerung des Versorgungsgebiets, stehe diesem Begehren „deren Rechtskraft“ entgegen. Die Beschwerde sei daher zur Gänze als unzulässig zurückzuweisen. Dies gelte auch für die Übertragungskapazitäten der bestehenden Zulassung „Östliches Nordtirol 2“ (hinsichtlich derer im Laufe des Beschwerdeverfahrens auch Gegenstandslosigkeit eingetreten sei).

6        Die Zulässigkeit der Revision begründete das BVwG damit, dass bislang Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage des Verhältnisses der in Rede stehenden Verfahren gemäß § 28b PrR-G und § 28d Abs. 4 PrR-G fehle. Konkret fehle Rechtsprechung dazu, ob nach Eintritt der Rechtskraft der Schaffung einer bundesweiten Zulassung die Erweiterung von deren Versorgungsgebiet ausschließlich in einem Verfahren gemäß § 28d Abs. 4 PrR-G in Betracht komme oder ob eine solche Erweiterung im Wege einer Beschwerde gegen eine Abweisung des Begehrens, der bundesweiten Zulassung die Übertragungskapazitäten weiterer bestehender Zulassungen gemäß § 28b PrR-G zuzuordnen, zulässig sei.

7        Dagegen wendet sich die vorliegende ordentliche Revision, die zur Zulässigkeit auf die Zulassungsbegründung des BVwG verweist. In der Sache macht sie im Wesentlichen geltend, es sei nicht einzusehen, weshalb die revisionswerbende Partei nicht legitimiert sein solle, gegen die (teilweise) Abweisung ihres Antrags Beschwerde zu erheben. Denkunmögliche Konsequenz der Rechtsauffassung des BVwG wäre, dass mit Rechtskraft des stattgebenden Teils einer die bundesweite Zulassung erteilenden Entscheidung, egal wie viele und welche der ursprünglich zur Zuordnung beantragten Übertragungskapazitäten dieser bundesweiten Zulassung zugeordnet würden, der Antragstellerin keinerlei Rechtsmittelverfahren, sondern nur mehr das Verfahren nach § 28d Abs. 4 PrR-G offen stünde. Während des Beschwerdeverfahrens vor dem BVwG sei im Übrigen sowohl die Rechtskraft der Zulassung der mitbeteiligten Partei für das Versorgungsgebiet „Oberösterreich Mitte“ eingetreten als auch die Zweijahresfrist, für die ein Sendebetrieb mit der bestehenden Zulassung mindestens auszuüben sei, abgelaufen.

8        Zu dieser Revision hat die KommAustria eine Revisionsbeantwortung erstattet, in der sie die Zurückweisung, hilfsweise die Abweisung der Revision beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9        Die Revision ist zulässig und begründet.

10       Gemäß § 28b Abs. 1 und 2 PrR-G hat die Regulierungsbehörde über Antrag die Zulassung zur Veranstaltung von bundesweitem privaten terrestrischen Hörfunk (bundesweite Zulassung) unter bestimmten Voraussetzungen zu erteilen und entsprechende Übertragungskapazitäten zuzuordnen. Zu diesem Zweck können abweichend von § 3 Abs. 4 Inhaber bestehender Zulassungen zur Veranstaltung von terrestrischem Hörfunk, wenn der Zulassungsinhaber seit mindestens zwei Jahren seinen Sendebetrieb ausgeübt hat, zum Zweck der Erteilung einer Zulassung an eine Kapitalgesellschaft für die Veranstaltung von bundesweitem terrestrischem Hörfunk ihre Zulassung an diese übertragen.

11       Nach rechtskräftiger Erteilung einer bundesweiten Zulassung können Inhaber bestehender Zulassungen zur Veranstaltung von terrestrischem Hörfunk, wenn der Zulassungsinhaber seit mindestens zwei Jahren seinen Sendebetrieb ausgeübt hat, zugunsten der Erweiterung des bisherigen Versorgungsgebietes einer bundesweiten Zulassung ihre Zulassung auf den Inhaber der bundesweiten Zulassung übertragen. Die Regulierungsbehörde hat dazu die bundesweite Zulassung bei unveränderter Zulassungsdauer dahingehend abzuändern, dass unter Berücksichtigung des § 10 Abs. 2 PrR-G jene Übertragungskapazitäten zugeordnet werden, die bisher von der übertragenen Zulassung umfasst waren (§ 28d Abs. 4 PrR-G).

12       Im gegenständlichen Verfahren vertritt das BVwG die Rechtsansicht, durch die Abgabe eines Rechtsmittelverzichts seitens der revisionswerbenden Partei in Bezug auf die Erteilung der bundesweiten Zulassung sei es ihr verwehrt, die beantragte, aber unterbliebene Zuordnung einzelner Übertragungskapazitäten im Beschwerdeverfahren zu bekämpfen. Dadurch werde nach Auffassung des BVwG in die Rechtskraft der Zulassungsentscheidung eingegriffen. Weitere Übertragungskapazitäten könnten nur in einem Verfahren nach § 28d Abs. 4 PrR-G zugeordnet werden.

13       Bei dieser rechtlichen Argumentation setzt das BVwG zunächst voraus, dass die Zulassung zur Veranstaltung von bundesweitem privaten terrestrischen Hörfunk (durch Rechtsmittelverzicht) teilrechtskräftig werden konnte, obwohl einzelne beantragte Übertragungskapazitäten von der Regulierungsbehörde nicht zugeordnet worden waren und die Antragstellerin (revisionswerbende Partei) dagegen Beschwerde erhoben hatte. Die KommAustria führt in der Revisionsbeantwortung aus, dass die Teilrechtskraft ihres Bescheides „außer Zweifel“ stehe. Auch die revisionswerbende Partei selbst scheint von der Teilrechtskraft des Zulassungsbescheides der Regulierungsbehörde auszugehen.

14       Dem kann nur dann zugestimmt werden, wenn der abgewiesene Teil des Antrags mit dem weiteren Spruchinhalt keine untrennbare Einheit bildet. Stünde der abgewiesene Teil hingegen sachlich und rechtlich in einem untrennbaren Zusammenhang mit dem stattgebenden Spruchteil, könnten diese nur zusammen bekämpft werden und gemeinsam in Rechtskraft erwachsen.

15       Vor diesem Hintergrund ist zu beurteilen, ob die gegenständliche bundesweite Zulassung ohne Zuordnung der strittigen Übertragungskapazitäten sachlich und rechtlich überhaupt Bestand haben kann.

16       Die Regelungen für Zulassungen zur Veranstaltung von bundesweitem privaten terrestrischen Hörfunk gehen davon aus, dass eine solche Zulassung durch die Zusammenfassung von Übertragungskapazitäten aus (bestehenden) Zulassungen gebildet wird, die bis dahin Grundlage für die Veranstaltung von lokalem oder regionalem privaten terrestrischen Hörfunk waren. Zu diesem Zweck können Inhaber einer bestehenden Zulassung zur Veranstaltung von terrestrischem Hörfunk unter näher bestimmten Voraussetzungen „zum Zweck der Erteilung einer Zulassung an eine Kapitalgesellschaft für die Veranstaltung von bundesweitem terrestrischem Hörfunk ihre Zulassung an diese übertragen“ (§ 28b Abs. 1 letzter Satz PrR-G). Voraussetzung für die Erteilung einer bundesweiten Zulassung ist gemäß § 28c Abs. 2 PrR-G, dass sich auf diese Weise ein Versorgungsgebiet ergibt, das mindestens 60 vH der österreichischen Bevölkerung umfasst (vgl. VfGH 6.10.2021, E 2477/2021).

17       Demnach kommt die bundesweite Zulassung im beschriebenen Sinne ohne Übertragung der erforderlichen bestehenden Zulassungen nicht in Frage. Es wäre daher rechtlich nicht zulässig, eine derartige Zulassung zu erteilen, ohne auch die entsprechenden Übertragungskapazitäten zur Versorgung von mindestens 60 vH der österreichischen Bevölkerung zuordnen zu können bzw. zuzuordnen.

18       Im gegenständlichen Fall wurden die gesetzlich notwendigen Voraussetzungen für die bundesweite Zulassung durch Zuordnung entsprechender Übertragungskapazitäten allerdings unstrittig bejaht. Im Beschwerdeverfahren strittig blieb lediglich die Zuordnung weiterer Übertragungskapazitäten für das Versorgungsgebiet „Oberösterreich Mitte“, die zur Schaffung der Zulassungsvoraussetzungen sachlich und rechtlich nicht unbedingt erforderlich waren, nach Auffassung der revisionswerbenden Partei aber zu einer „nochmals deutlich besseren Versorgung der Bevölkerung Oberösterreichs“ führen würden.

19       Ausgehend davon ist ein untrennbarer Zusammenhang der Entscheidung über die Zuordnung dieser Übertragungskapazitäten mit der Zulassungsentscheidung als solcher nicht zu erkennen. Der Verwaltungsgerichtshof tritt daher der Rechtansicht des BVwG und der Verfahrensparteien, wonach die Zulassung zur Veranstaltung von bundesweitem privaten terrestrischen Hörfunk zumindest teilrechtskräftig geworden ist, nicht entgegen. Das bedeutet, dass die bundesweite Zulassung rechtskräftig erteilt worden ist und die mit der behördlichen Entscheidung erfolgten Übertragungen wirksam geworden sind (vgl. § 28b Abs. 4 PrR-G).

20       Wenn das BVwG allerdings allein wegen dieser Teilrechtskraft des behördlichen Bescheides die Beschwerde der revisionswerbenden Partei gegen die beantragte, aber unterbliebene Zuordnung von weiteren Übertragungskapazitäten für unzulässig erachtet, kann dem nicht gefolgt werden.

21       Zu Recht weist die revisionswerbende Partei darauf hin, dass sie in ihrem Zulassungsantrag gemäß § 28b PrR-G auch die Zuordnung der strittigen Übertragungskapazitäten begehrt hat und ihrem Antrag insoweit von der KommAustria nicht stattgegeben worden ist. Dass die Teilrechtskraft des behördlichen Bescheids dazu führen sollte, dass sich im (noch) laufenden Beschwerdeverfahren die rechtlichen Grundlagen für die Zuordnung der Übertragungskapazitäten ändern und die revisionswerbende Partei gezwungen sein sollte, einen neuen (auf § 28d Abs. 4 PrR-G gestützten) Antrag zu stellen, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht nachzuvollziehen, und zwar insbesondere für den (möglichen) Fall, dass - was hier nicht abschließend zu beurteilen ist - die abgelehnte Zuordnung der strittigen Übertragungskapazitäten durch die KommAustria rechtswidrig gewesen sein sollte. Eine rechtskräftig entschiedene Sache, die eine Überprüfung des angefochtenen Bescheides in diese Richtung nicht mehr ermöglicht hätte, lag daher nicht vor.

22       Die (rechtskräftige) Erteilung der bundesweiten Zulassung hat allerdings zur Folge, dass „Sache“ des Beschwerdeverfahrens nur mehr die Frage war, ob die Zuordnung der strittigen weiteren Übertragungskapazitäten auf der Grundlage des Sachverhalts im Zeitpunkt der Entscheidung der KommAustria zu Recht verneint wurde. Sachverhaltsänderungen, die sich erst im Beschwerdeverfahren ereignet haben und - anders als im Zeitpunkt der Zulassungsentscheidung durch die KommAustria - nunmehr eine Zuordnung von weiteren Übertragungskapazitäten rechtfertigen würden, sind für die Entscheidung über die Beschwerde nicht relevant (vgl. dazu auch die Gesetzesmaterialien zu § 28b PrR-G [IA 430/A, 22. GP, S. 28f], wonach die Zulassungsvoraussetzungen spätestens im Entscheidungszeitpunkt der ersten Instanz gegeben sein müssen und das Rechtsmittelverfahren nicht dazu dienen soll, eine Fristerstreckung hinsichtlich des Vorliegens der zentralen Voraussetzungen zu gewähren). Solche Sachverhaltsänderungen sind vielmehr in einem neuen Antrag gemäß § 28d Abs. 4 PrR-G geltend zu machen.

23       Der angefochtene Beschluss war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

24       Von der beantragten mündlichen Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z 6 VwGG abzusehen.

25       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 8. April 2022

Schlagworte

Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Individuelle Normen und Parteienrechte Rechtswirkungen von Bescheiden Rechtskraft VwRallg9/3 Trennbarkeit gesonderter Abspruch

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2022030035.J00

Im RIS seit

16.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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