TE Vwgh Beschluss 2022/4/8 Ro 2022/03/0030

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Veröffentlicht am 08.04.2022
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren
82/02 Gesundheitsrecht allgemein

Norm

AVG §38
EpidemieG 1950 §32 Abs1 Z1
EpidemieG 1950 §7

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Mag. Samm und Dr. Himberger als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision der Bezirkshauptmannschaft Lienz, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Tirol vom 22. Dezember 2021, Zl. LVwG-2021/44/3243-1, betreffend einen Vergütungsanspruch nach dem Epidemiegesetz 1950 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Lienz; mitbeteiligte Partei: I KG in K), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Mitbeteiligte hatte mit Schreiben vom 27. Jänner 2021 einen Antrag auf Vergütung von geleisteten Entgeltzahlungen für die behördliche Absonderung eines bei ihr beschäftigten Dienstnehmers nach § 32 Epidemiegesetz 1950 (EpiG) gestellt, dabei als Absonderungszeitraum in Kalendertagen „10 (6 AT)“ und die beantragte Vergütung mit € 1.779,45 angegeben.

2        Mit Bescheid der belangten Behörde und nunmehrigen Amtsrevisionswerberin vom 9. November 2021 wurde der Mitbeteiligten eine Vergütung von € 1.657,49 für den Absonderungszeitraum 19. bis 23. November 2020 (sohin fünf Tage) gewährt und das Mehrbegehren abgewiesen. Dem legte die Behörde im Wesentlichen zu Grunde, dass der Dienstnehmer auf Grund einer zunächst fernmündlichen Mitteilung vom 19. November 2020 und einem am selben Tag ergangenen Absonderungsbescheid (nur) für den genannten Zeitraum behördlich abgesondert gewesen sei. Eine Absonderung vor dem 19. November 2020 sei nicht erfolgt.

3        Über die dagegen von der Mitbeteiligten erhobene Beschwerde entschied das Verwaltungsgericht mit dem nun in Revision gezogenen Erkenntnis dahin, dass der Mitbeteiligten der volle von ihr beantragte Betrag von € 1.779,45 zugesprochen werde; die ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt.

4        Das Verwaltungsgericht ging begründend davon aus, dass der Dienstnehmer der Mitbeteiligten nach dem Spruch des Bescheides der belangten Behörde vom 19. November 2020 „mit sofortiger Wirkung für mindestens 10 Tage (ab positiver Testung auf SARS-CoV-2), sohin jedenfalls bis einschließlich 23.11.2020, sofern zu diesem Zeitpunkt eine Symptomfreiheit für mindestens 48 Stunden bezogen auf eine akute COVID-19-Erkrankung vorliegt“ abgesondert worden sei. Durch die ausdrückliche Festlegung, dass die Absonderung für mindestens 10 Tage ab positiver Testung bis zum 23. November 2020 andauern soll, sei die Absonderung zum Teil auch rückwirkend für einen Zeitraum vor der Bescheiderlassung ausgesprochen worden, während die Verfügung „mit sofortiger Wirkung“ sich lediglich auf die sofortige Vollstreckbarkeit des Bescheides beziehe. Eine rückwirkend verfügte Absonderung widerspreche zwar der (später ergangenen) Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, sie sei aber in Rechtskraft erwachsen.

5        Es bestehe daher ein Vergütungsanspruch nicht nur für den Zeitraum vom 19. bis 23. November 2020, sondern auch für die ab positiver Testung am 13. November 2020 rechtskräftig angeordnete Absonderung. Dem Antrag der Mitbeteiligten, die eine Vergütung für sechs Arbeitstage angesprochen habe, sei daher vollinhaltlich stattzugeben, wobei sich im Hinblick auf die Bindung an den verfahrenseinleitenden Antrag ein Eingehen auf die Frage, ob der Mitbeteiligten ein Anspruch für mehr als sechs Tage zugestanden wäre, erübrige.

6        Die ordentliche Revision sei zulässig, weil es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage fehle, ob auch für eine rückwirkend ausgesprochene Absonderung ein Vergütungsanspruch nach § 32 EpiG besteht.

7        Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Amtsrevision, die zu ihrer Zulässigkeit ausschließlich auf die Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichtes hinweist.

8        Damit zeigt die Revision nicht auf, dass sie von der Lösung einer Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG abhinge.

9        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

10       Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

11       Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden.

12       Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist die Zuständigkeit des Verwaltungsgerichtshofes zur Kontrolle der Entscheidungen der Verwaltungsgerichte nicht nur für den Fall einer außerordentlichen Revision, sondern auch bei ordentlichen Revisionen auf die Wahrnehmung von Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne dieser Bestimmung begrenzt. Wird in der Zulässigkeitsbegründung des Verwaltungsgerichts das Vorliegen einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung nicht dargestellt und auch vom Revisionswerber nicht (gesondert) dargelegt, dass die Entscheidung der Revision von der Beantwortung einer (anderen als der vom Verwaltungsgericht angesprochenen) Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung abhängt, so ist auch eine ordentliche Revision zurückzuweisen (vgl. VwGH 20.12.2021, Ro 2021/03/0003, mwN).

13       Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision - außerhalb der gesonderten Zulässigkeitsbegründung - anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit der Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. VwGH 24.2.2022, Ra 2022/03/0040, mwN).

14       Die vom Verwaltungsgericht und der Revision zur Zulässigkeit allein aufgeworfene Rechtsfrage, ob auch für eine rückwirkend ausgesprochene Absonderung ein Vergütungsanspruch nach § 32 EpiG besteht, ist in der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes jedoch bereits geklärt:

15       Zwar hat eine Absonderung durch Bescheid nach § 7 EpiG in die Zukunft gerichtet zu sein und es besteht keine rechtliche Grundlage dafür, im Nachhinein - und damit rückwirkend - eine Absonderung durch Bescheid auszusprechen (vgl. VwGH 23.11.2021, Ra 2021/09/0173). Liegen aber rechtskräftige Bescheide vor, die über die Zeiträume der Absonderung absprechen, binden diese Bescheide (ungeachtet der Frage ihrer Rechtmäßigkeit), weil die Rechtsfrage, ob und in welchem zeitlichen Umfang eine anspruchsbegründende Absonderung vorlag, eine für die Berechnung von Vergütungen notwendige Vorfrage darstellt (vgl. VwGH 22.9.2021, Ra 2021/09/0189 bis 0190, und die daran anknüpfende Folgejudikatur, jüngst etwa VwGH 10.2.2022, Ro 2022/03/0002).

16       Die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichtes steht mit dieser Judikatur auch in Einklang.

17       In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

Wien, am 8. April 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2022030030.J00

Im RIS seit

16.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

17.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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