Index
DE-22 Zivilprozess Deutschland;Norm
B-VG Art94;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Dolp und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des H in USA, vertreten durch Dr. L, Rechtsanwalt in G, gegen den Bescheid des Bundesministers für Justiz vom 27. April 1992, Zl. 839.593/1-I 9/92, betreffend Anerkennung eines ausländischen Ehenichtigkeitsurteiles (mitbeteiligte Partei: A in W, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von S 12.860,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid vom 27. April 1992 stellte die belangte Behörde auf Antrag des Bezirksgerichtes für Zivilrechtssachen Graz fest, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Entscheidung des District Court, Clark County, Nevada/USA, vom 16. Mai 1991, Zahl D 93139, mit welchem die am 16. August 1986 in Las Vegas zwischen dem Beschwerdeführer und der mitbeteiligten Partei (mP) geschlossene Ehe auf Klage des Beschwerdeführers für nichtig erklärt worden ist, nicht vorlägen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und ebenso wie die mP eine Gegenschrift erstattet und Gegenanträge gestellt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die belangte Behörde hat den angefochtenen Bescheid damit begründet, daß der Anerkennung des Ehenichtigkeitsurteiles die Versagungsgründe des sinngemäß anzuwendenden § 328 Abs. 1 Z. 2 und 3 dZPO entgegenstünden. So habe sich die mP als Beklagte in das (in den USA geführte) Verfahren nicht eingelassen und sei im Prozeßstaat keine eigenhändige Zustellung an sie erfolgt. Eine Zustellung im Wege österreichischer Rechtshilfe sei von vornherein nicht in Betracht gekommen, weil die mP zur Zeit der Klagseinbringung in den USA und später in Brasilien gelebt habe; eine solche Zustellung sei auch von keiner Seite behauptet worden. Ein Zustellung durch Bekanntmachung, wie sie im Ehenichtigkeitsverfahren erfolgt sei, entspreche den angeführten gesetzlichen Vorschriften nicht, weshalb es auf sich beruhen könne, ob die mP infolge der öffentlichen Bekanntmachung tatsächlich vom Verfahren Kenntnis erlangt habe. Auch sei durch die Entscheidung des amerikanischen Gerichtes zum Nachteil der mP von den Vorschriften des österreichischen internationalen Privatrechtes abgewichen worden, weil aus österreichischer Sicht die Nichtigkeitsklage nach österreichischem Recht zu entscheiden gewesen wäre, wohingegen mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit davon auszugehen sei, daß das amerikanische Gericht auf der Basis amerikanischen Rechtes entschieden und somit falsches Recht angewendet habe. Dies habe deshalb zu einem unrichtigen Ergebnis geführt, weil die Täuschung über den Ehewillen gemäß §§ 20 bis 25 des Ehegesetzes keinen Nichtigkeitsgrund darstelle. Der daraus für die mP resultierende Nachteil ergebe sich schon daraus, daß diese mit dem Nichtigkeitsurteil nicht einverstanden sei und daß sie eine Widerklage auf Scheidung aus dem alleinigen Verschulden des Beschwerdeführers erhoben habe. Aus der erfolgreichen Widerklage würden sich im Vergleich zu den Folgen einer Nichtigerklärung positive Unterhaltsfolgen für die mP knüpfen.
Gemäß Abs. 1 des mit "Anerkennung ausländischer Entscheidungen in Ehesachen" überschriebenen § 24 der als österreichische Rechtsvorschrift weiterhin in Geltung stehenden
4. Durchführungsverordnung zum Ehegesetz vom 25. Oktober 1941, deutsches Reichsgesetzblatt I, Seite 654 (DfVO), sind Entscheidungen, durch die im Ausland eine Ehe für nichtig erklärt, aufgehoben, dem Bande nach oder unter Aufrechterhaltung des Ehebandes geschieden oder durch die das Bestehen oder Nichtbestehen einer Ehe zwischen den Parteien festgestellt ist, in Österreich nur wirksam, wenn der Bundesminister für Justiz oder die von ihm bestimmte Stelle festgestellt hat, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für die Anerkennung der Entscheidung gegeben sind. Dabei ist § 328 der (deutschen) "Reichs-Zivilprozeßordnung" anzuwenden. Trifft der Bundesminister eine derartige Feststellung, so ist diese für Gerichte und Verwaltungsbehörden bindend.
§ 328 Abs. 1 dZPO lautet, soweit er für die gegenständliche Entscheidung von Bedeutung ist, wie folgt:
"Die Anerkennung des Urteiles eines ausländischen Gerichtes ist ausgeschlossen,
1.
wenn die Gerichte des Staates, dem das ausländische Gericht angehört, nach den deutschen Gesetzen nicht zuständig sind;
2.
wenn der unterlegene Beklagte ein Deutscher ist und sich auf den Prozeß nicht eingelassen hat, sofern die den Prozeß einleitende Ladung oder Verfügung ihm weder in dem Staate des Prozeßgerichts in Person noch durch Gewährung deutscher Rechtshilfe zugestellt ist;
3.
wenn in dem Urteil zum Nachteil einer deutschen Partei von den Vorschriften des Art. 13 Abs. 1, 3 oder Art. 17, 18, 22 des Einführungsgesetzes zum bürgerlichen Gesetzbuch oder von den Vorschriften des auf den Art. 13 Abs. 1 bezüglichen Teiles des Art. 27 desselben Gesetzes abgewichen ist;
4.
wenn die Anerkennung gegen die guten Sitten oder gegen den Sinn eines deutschen Gesetzes verstoßen würde."
Der Beschwerdeführer macht zunächst geltend, die belangte Behörde habe sich hinsichtlich des Datums der Erhebung der Ehenichtigkeitsklage in den USA lediglich durch die Einholung einer Auskunft des österreichischen Generalkonsuls in Las Vegas informiert, anstelle diesen Umstand anhand der vom District Court von Clark County einzuholenden Akten zu prüfen. Der Beschwerdeführer selbst macht aber nicht klar, inwieweit einer näheren Feststellung des Einbringungszeitpunktes der Nichtigkeitsklage für die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides wesentliche Bedeutung zukommen sollte. Der Verwaltungsgerichtshof vermag in der vom Beschwerdeführer gerügten Vorgangsweise der belangten Behörde keinen Umstand zu erblicken, aus dem auf die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides geschlossen werden könnte.
Der Beschwerdeführer versucht mit dem Hinweis darauf, daß die mP Kenntnis von der vom Beschwerdeführer in den USA eingebrachten Ehenichtigkeitsklage gehabt und selbst ein Ehescheidungsverfahren angestrengt habe, darzulegen, daß der Einhaltung der in § 328 Abs. 1 Z. 2 dZPO normierten Zustellvorschriften im Beschwerdefall keine Bedeutung zukomme. Auch könne an Zustellvorgänge im Ausland nicht der gleiche strenge Maßstab angelegt werden wie dies bei Zustellvorgängen im Inland der Fall sei. Entgegen diesen Ausführungen ergibt schon der Wortlaut des § 328 Abs. 1 Z. 2 dZPO, daß es für das Vorliegen dieses Anerkennungsausschließungsgrundes nicht darauf ankommt, ob der unterlegene Beklagte von dem Prozeß Kenntnis hatte, sondern darauf, daß er sich auf den Prozeß nicht eingelassen hat und daß ihm die den Prozeß einleitende Ladung oder Verfügung weder persönlich im Staate des Prozeßgerichtes noch im Wege der Gewährung von Rechtshilfe zugestellt wurde. Nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten hat eine persönliche Zustellung der im gegenständlichen Ehenichtigkeitsverfahren gegenüber der mP ergangenen Vorladung (Summons) des District Court Clark County, Nevada, nicht stattgefunden und wurde eine solche vom Beschwerdeführer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren auch nicht behauptet. Die vom amerikanischen Gericht offenbar zugrundegelegte Fiktion der Zustellung dieser Vorladung durch mehrfache öffentliche Bekanntmachung in einer lokalen Tageszeitung (Nevada Legal News) erfüllt die in der angeführten Gesetzesstelle genannten Anforderungen an eine Zustellung "in Person" nicht. Dafür, daß eine Zustellung im Wege der Rechtshilfe an die mP erfolgt wäre, sind in den vorgelegten Verwaltungsakten keinerlei Hinweise enthalten und wurde derartiges von den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens auch nicht behauptet. Daraus folgt, daß die belangte Behörde zu Recht davon ausgehen konnte, daß eine Zustellung der Vorladung an die mP nicht erfolgt ist. Eine Streiteinlassung der mP hat der Beschwerdeführer im verwaltungsgerichtlichen Verfahren nicht behauptet und kann eine solche auch aus dem Umstand, daß die mP selbst in den USA einen Rechtsanwalt (mit der Einbringung einer Ehescheidungsklage) beauftragt hat, nicht abgeleitet werden.
Auch mit der im Zusammenhang mit der Rüge der Rechtswidrigkeit des Bescheidinhaltes vertretenen Auffassung des Beschwerdeführers, die Anerkennung der Gültigkeit des amerikanischen Ehenichtigkeitsurteiles könne deshalb nicht verweigert werden, weil die mP vor dessen Erlassung vom Prozeß Kenntnis und somit die Gelegenheit gehabt habe, "von der Möglichkeit des Versäumungsurteiles in Amerika Gebrauch zu machen, ohne die Gültigkeit des amerikanischen Urteiles im Ausland irgendwie negativ zu beeinflussen" - soweit damit gemeint sein sollte, der mP wäre es möglich gewesen, durch Einlassung in den Prozeß die Erlassung eines Versäumungsurteiles zu verhindern - gelingt es dem Beschwerdeführer nicht, Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides darzutun. § 328 Abs. 1 Z. 2 dZPO stellt nämlich nicht darauf ab, ob es dem im Prozeß Unterlegenen möglich gewesen wäre, sich in den Prozeß einzulassen, sondern darauf, daß er dies - bei Fehlen einer formgerechten Ladung - nicht getan hat. Daraus folgt, daß die belangte Behörde zu Recht davon ausgegangen ist, daß einer Anerkennung des gegenständlichen Ehenichtigkeitsurteiles der Ausschlußgrund der zuletzt angeführten Gesetzesstelle entgegensteht.
Soweit der Beschwerdeführer geltend macht, der belangten Behörde sei eine Zuständigkeit zur Erlassung des angefochtenen Bescheides deswegen nicht zugekommen, weil auch die mP durch Erhebung einer Widerklage gegen die vom Beschwerdeführer in Österreich gegen sie angestrengte Scheidungsklage zu erkennen gegeben habe, ebenfalls an der Aufhebung der Ehe interessiert zu sein, ist ihm entgegenzuhalten, daß die Zuständigkeit der belangten Behörde zur Feststellung der Wirksamkeit ausländischer Ehenichtigkeitsurteile sich aus § 24 Abs. 1 DfVO ergibt. Sofern diese Ausführungen des Beschwerdeführers dahin zu verstehen sein sollten, daß die mP zufolge ihres durch die Widerklage dokumentierten Willens auf Ehescheidung durch einen Bescheid, mit dem die Rechtswirksamkeit des diese Ehe für nichtig erklärenden ausländischen Urteiles festgestellt würde, nicht in ihren Rechten verletzt werden könnte, verkennt er, daß die Rechtswirkungen von Ehescheidung und Ehenichtigkeit unterschiedlich sind und daß an ein auf einseitiges Verschulden gegründetes Ehescheidungsurteil insbesondere unterhaltsrechtliche Rechtsfolgen geknüpft sein können.
Von Ausführungen zu den von der belangten Behörde zur Begründung des angefochtenen Bescheides auch herangezogenen Bestimmungen des § 328 Abs. 1 Z. 3 dZPO konnte Abstand genommen werden, weil schon der Ausschlußgrund des § 328 Abs. 1 Z. 2 dZPO gegeben ist.
Der Beschwerdeführer hat auch angeregt, beim Verfassungsgerichtshof die Überprüfung der Zuständigkeit der belangten Behörde für die Anerkennung ausländischer Ehenichtigkeitsurteile auf ihre Verfassungsgemäßheit zu beantragen, und dies mit Bedenken hinsichtlich einer Verletzung des Grundsatzes der Trennung von Justiz und Verwaltung und des Grundsatzes der Weisungsfreiheit der Gerichte begründet. Diese Bedenken teilt der Verwaltungsgerichtshof schon allein deshalb nicht, weil die Überprüfung ausländischer Gerichtsurteile durch eine Verwaltungsbehörde schon von vornherein in die auf die inländische Gerichtsbarkeit bezogenen verfassungsgesetzlichen Grundsätze nicht eingreifen kann. Soweit durch diese Ausführungen auf die Bindung österreichischer Gerichte an die Entscheidungen der belangten Behörde gemäß § 24 DfVO Bezug genommen sein sollte, ist darauf hinzuweisen, daß der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach ausgesprochen hat, gegen diese Bindung keine verfassungsrechtlichen Bedenken zu hegen (vgl. die in Dietrich-Tades34, S. 2466 f, zitierte Judikatur); auch der Verwaltungsgerichtshof hegt solche Bedenken nicht. Der als Antrag formulierten Anregung des Beschwerdeführers war daher nicht zu folgen.
Die sich sohin als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Von der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994, insbesondere deren Art. III Abs. 2.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1992010727.X00Im RIS seit
11.07.2001