TE Vwgh Beschluss 2022/4/20 Ra 2021/14/0218

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Veröffentlicht am 20.04.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof

Norm

B-VG Art133 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Beachte


Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2021/14/0219
Ra 2021/14/0220
Ra 2021/14/0221
Ra 2021/14/0222

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Mag. Bayer als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in den Revisionssachen der 1. R M, des 2. K S, der 3. D S, der 4. N S, und der 5. A S, alle vertreten durch MMag. Dr. Franz Stefan Pechmann, Rechtsanwalt in 1040 Wien, Prinz-Eugen-Straße 70/2/1.1, gegen die Erkenntnisse des Bundesverwaltungsgerichts vom 7. Juni 2021, 1. L519 2204006-1/17E, 2. L519 2204011-1/15E, 3. L519 2204009-1/13E, 4. L519 2204014-1/12E und 5. L519 2204007-1/12E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revisionen werden zurückgewiesen.

Begründung

1        Die Revisionswerber sind irakische Staatsangehörige. Die Erstrevisionswerberin und der Zweitrevisionswerber sind verheiratet und die Eltern der minderjährigen Dritt- bis Fünftrevisionswerber. Die Revisionswerber beantragten am 2. August 2016 internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005.

2        Mit Bescheiden vom 17. Juli 2018 wies das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl die Anträge der Revisionswerber zur Gänze ab, erteilte ihnen keine Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen sie eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass ihre Abschiebung in den Irak zulässig sei und gewährte jeweils eine Frist für die freiwillige Ausreise.

3        Mit den angefochtenen Erkenntnissen wies das Bundesverwaltungsgericht - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung - die dagegen erhobenen Beschwerden der Revisionswerber als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

4        Mit Beschluss vom 15. Dezember 2021, E 4195-4199/2021-5, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen diese Erkenntnisse gerichteten Beschwerden gemäß Art. 144 Abs. 1 B-VG ab und trat diese gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab.

5        In der Folge brachten die Revisionswerber die gegenständlichen Revisionen ein.

6        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

7        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

8        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

9        In der Zulässigkeitsbegründung bringen die Revisionswerber vor, bei den vom Bundesverwaltungsgericht angenommenen Widersprüchen und Ungereimtheiten im Fluchtvorbringen handle es sich lediglich um Details, die keinesfalls geeignet seien, ihrem Vorbringen die Glaubwürdigkeit abzusprechen, weil die fluchtauslösenden Ereignisse im Kern stets gleichbleibend geschildert worden wären. Der angestellte Vergleich der Aussagen der Revisionswerber in der Erstbefragung mit ihren Einvernahmen beim Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl begründe einen unvertretbaren Fehler der Beweiswürdigung und weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab. Zudem habe das Bundesverwaltungsgericht keine ganzheitliche Würdigung des Vorbringens unter dem Gesichtspunkt der Konsistenz der Angaben, der persönlichen Glaubwürdigkeit und der objektiven Wahrscheinlichkeit des Vorbringens vorgenommen. Bei Heranziehung aktueller Länderberichte wäre das Bundesverwaltungsgericht zu einem anderen, für die Revisionswerber günstigeren, Ergebnis gelangt.

10       Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist dieser als Rechtsinstanz tätig und im Allgemeinen nicht zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Einzelfall berufen. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 13.1.2022, Ra 2021/14/0386 bis 0390, mwN).

11       Das Bundesverwaltungsgericht hat sich nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung, in der es sich einen persönlichen Eindruck von den Revisionswerbern verschaffen konnte, in einer umfangreichen Beweiswürdigung mit den Verfahrensergebnissen, insbesondere den Angaben der Erstrevisionswerberin und des Zweitrevisionswerbers sowie deren Plausibilität auseinandergesetzt. Dem Fluchtvorbringen sprach es unter mehreren Gesichtspunkten die Glaubwürdigkeit ab und zeigte im Einzelnen auf, welche Aspekte nach Ansicht des Gerichtes gegen eine tatsächliche Verfolgung sprechen würden. Soweit die Revision in diesem Zusammenhang die Einbeziehung von Widersprüchen zwischen der Erstbefragung und der Einvernahme rügen, ist darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof zwar wiederholt Bedenken gegen die unreflektierte Verwertung von Beweisergebnissen der Erstbefragung erhoben hat, weil sich diese Einvernahme nicht auf die näheren Fluchtgründe zu beziehen hat. Gleichwohl ist es aber nicht generell unzulässig, sich auf eine Steigerung des Fluchtvorbringens zwischen der Erstbefragung durch Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes und der weiteren Einvernahme eines Asylwerbers zu stützen (vgl. VwGH 21.6.2021, Ra 2021/14/0096 bis 0100, mwN). Das Bundesverwaltungsgericht ging in der gebotenen Gesamtschau auf Widersprüche zwischen der Einvernahme vor der Behörde und jener vor dem Bundesverwaltungsgericht ein. Dass die beweiswürdigenden Erwägungen in ihrer Gesamtheit unvertretbar wären, vermag die Revision mit ihrem bloß allgemein gehaltenen Ausführungen nicht aufzuzeigen.

12       Indem die Zulässigkeitsbegründung lediglich vorbringt, bei Heranziehung aktueller Länderberichte wäre das Bundesverwaltungsgericht zu einer anderen, für die Revisionswerber günstigeren Entscheidung gelangt, wird sie den Anforderungen an die Relevanzdarstellung des behaupteten Verfahrensmangels nicht gerecht (vgl. VwGH 26.1.2021, Ra 2020/14/0587, zu den Anforderungen einer Relevanzdarstellung VwGH 4.10.2021, Ra 2021/14/0216, mwN).

13       In den Revisionen werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revisionen waren daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.

Wien, am 20. April 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021140218.L00

Im RIS seit

16.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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