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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Dr. Köller, den Hofrat Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Koprivnikar als Richter und Richterin, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Schörner, über die Revision des G in G, vertreten durch Mag. Alexander Todor-Kostic, Mag. Silke Todor-Kostic, Rechtsanwälte in 9220 Velden/Wörthersee, Karawankenplatz 1, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten vom 14. Februar 2022, KLVwG-1821/6/2021, betreffend Übertretung der StVO (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Spittal an der Drau), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Kärnten (Verwaltungsgericht) wurde über den Revisionswerber wegen der Übertretung des § 99 Abs. 1 lit. a StVO iVm. § 5 Abs. 1 StVO eine Geld- sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt sowie der Kostenbeitrag für das Verfahren erster Instanz neu festgesetzt. Die Revision gegen dieses Erkenntnis erklärte das Verwaltungsgericht für unzulässig.
2 Das Verwaltungsgericht stellte fest, dass der Revisionswerber Zulassungsbesitzer eines näher bezeichneten Motorrades sei, das er zum Tatzeitpunkt am Tatort von seiner Wohnadresse zur Adresse eines Mechanikers habe schieben wollen. In einem näher bestimmten Bereich habe er sich auf sein Fahrzeug gesetzt und dieses über das abfallende Straßenstück, welches ca. 25 bis 30 Meter lang gewesen sei, ohne Motorkraft hinunterrollen lassen, wobei er eine Geschwindigkeit von ca. 10 km/h eingehalten habe. Der Revisionswerber habe zum Zeitpunkt des Befahrens des abschüssigen Straßenstückes einen Alkoholgehalt der Atemluft von 0,9 mg/l aufgewiesen. Das Verwaltungsgericht begründete seine Beweiswürdigung und führte rechtlich unter Hinweis auf Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes aus, das Hinunterrollen des Motorrades sei nicht als „Schieben“ des Fahrzeuges, sondern als „Lenken“ im Sinne der StVO zu qualifizieren, weil der Revisionswerber mit dieser Handlung die Fahrgeschwindigkeit und die Richtung des Fahrzeuges beeinflusst habe. Der Revisionswerber habe fahrlässig gehandelt. Im Übrigen begründete das Verwaltungsgericht seine Strafbemessung.
3 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die mit einem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden wurde.
4 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
5 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
6 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
7 Zur Zulässigkeit der Revision wird vorgebracht, es bilde eine erhebliche Rechtsfrage, ob ein derart kurzes „Hinaufsitzen“ auf ein einspuriges Fahrzeug bzw. ein Rollenlassen eines einspurigen Fahrzeuges mit lediglich 10 km/h tatsächlich als „Lenken“ im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO zu qualifizieren sei. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes sei zwar grundsätzlich unter dem Begriff des „Lenkens“ die „Betätigung der hiefür vorgesehenen Einrichtung eines in Bewegung befindlichen Fahrzeuges zu verstehen“ (Hinweis auf VwGH 22.5.1985, 84/03/0400), doch sei das Schieben eines einspurigen Fahrzeuges nicht mit dem „Lenken“ gleichzusetzen und erfülle den Tatbestand des § 5 Abs. 1 StVO nicht (Hinweis auf VwGH 27.11.1963, 2086/62). Wenn jemand wie hier das Motorrad schiebe und nur in einem Streckenabschnitt von 25 bis 30 Metern kurz auf dem Motorrad sitze, um es auf einem steilen Streckenabschnitt zurückhalten bzw. bremsen zu können bzw. mit lediglich 10 km/h über einen sehr kurzen steilen Streckenabschnitt hinunterrollen lasse, sei dies mit einem Schieben gleichzusetzen. Das Verwaltungsgericht weiche daher von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, wonach § 5 Abs. 1 StVO nicht erfüllt sei, wenn eine Person in alkoholisiertem Zustand ein Motorrad schiebe.
8 Gemäß § 5 Abs. 1 StVO darf jemand, der sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befindet, ein Fahrzeug weder lenken noch in Betrieb nehmen. Es handelt sich dabei um zwei voneinander getrennte Tatbestände, die auch unabhängig voneinander erfüllt sein können (vgl. z.B. VwGH 30.4.2007, 2006/02/0305, mwN). Hiezu ist darauf zu verweisen, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. z.B. VwGH 16.3.1994, 93/03/0204) bereits das Ingangsetzen des Motors eine vollendete Inbetriebnahme des Fahrzeuges darstellt, und zwar auch dann, wenn das Fahren mit dem Fahrzeug unmöglich ist. Umgekehrt ist auch das Lenken ohne Anwendung von Maschinenkraft möglich (vgl. z.B. VwGH 28.2.2003, 2002/02/0192, 0193).
9 Bereits im Erkenntnis vom 7. November 1963, 981/62 (Slg. Nr. 6143/A), hat der Verwaltungsgerichtshof zum Ausdruck gebracht, dass eine Person, die ein Motorrad, auf dem sie sitzt, ohne Anwendung von Maschinenkraft zurückrollen läßt, dieses lenkt (vgl. auch VwGH 14.11.1997, 97/02/0453).
10 Auch eine Person, die ein Motorrad, auf dem sie sitzt, mit beiden Füßen anschiebend und daher ohne Anwendung von Maschinenkraft rollen lässt, ist nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes als Lenker zu qualifizieren (VwGH 31.10.1984, 83/03/0121).
11 Zu der vom Revisionswerber formulierten Rechtsfrage, wann Handlungen eines Motorradfahrers als „Lenken“ im Sinne des § 5 Abs. 1 StVO zu qualifizieren sind, liegt daher Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes vor. Es ist nicht ersichtlich, dass das Verwaltungsgericht von dieser Rechtsprechung abgewichen wäre.
12 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher ohne weiteres Verfahren gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 26. April 2022
Schlagworte
Lenken oder Inbetriebnehmen eines KraftfahrzeugesEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022020067.L00Im RIS seit
16.05.2022Zuletzt aktualisiert am
01.06.2022