Entscheidungsdatum
12.03.2021Index
27/01 RechtsanwälteNorm
RAO §10 Abs3Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Verwaltungsgericht Wien erkennt durch seinen Richter Mag. Dr. Kienast über die Beschwerde des Herrn A. B. gegen den Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien (Plenum), …, vom 8.9.2020, betreffend Bestellung eines Rechtsanwalts gemäß § 10 Abs. 3 RAO,
zu Recht:
I. Gemäß § 28 Abs. 1 VwGVG wird der Beschwerde stattgegeben und der bekämpfte Bescheid behoben.
II. Gegen dieses Erkenntnis ist gemäß § 25a VwGG eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig.
Entscheidungsgründe
I. Verfahrensgang:
Mit am 13.11.2009 an den belangten Ausschuss übermittelten Antrag vom 3.11.2019 ersuchte der Beschwerdeführer die Rechtsanwaltskammer Wien um Bekanntgabe einer rechtsanwaltlichen Vertretung für die Einbringung einer Beschwerde an den VfGH.
Mit Schreiben vom 21.11.2019 teilte die Abteilung III des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien dem Beschwerdeführer mit, dass die Bestellung eines entgeltlichen Vertreters gemäß § 10 Abs. 3 RAO nur bei Vorliegen näher genannter Voraussetzungen erfolgen kann.
Mit E-Mail vom 27.11.2019 präzisierte der Beschwerdeführer, wofür er einer anwaltlichen Vertretung bedürfe.
Mit E-Mail vom 3.12.2019 teilte die Rechtsanwaltskammer Wien dem Beschwerdeführer mit, sie benötige einen Nachweis über die Vertretungsablehnungen, weil sonst kein Rechtsanwalt bestellt werden könne.
Mit E-Mail vom 3.1.2020 gab der Beschwerdeführer der Rechtsanwaltskammer Wien die Namen von vier Rechtsanwälten bekannt, die jeweils seiner Anfrage, für ihn beim VfGH eine Beschwerde einzubringen, abgesagt hätten.
Mit Bescheid vom 14.1.2020 bestellte der belangte Ausschuss Rechtsanwalt Dr. C. D. gemäß § 10 Abs. 3 RAO zum entgeltlichen Vertreter des Beschwerdeführers zur Einbringung einer Beschwerde beim VfGH.
Mit E-Mail vom 29.1.2020 teilte der Beschwerdeführer der Rechtsanwaltskammer Wien mit, dass er und der bestellte Rechtsanwalt Dr. D. hinsichtlich des Honorars uneins waren.
Mit Schreiben vom 30.1.2020 teilte Rechtsanwalt Dr. D. dem belangten Ausschuss mit, dass er mit dem Beschwerdeführer über die in § 10 Abs. 3 RAO angesprochenen Vertretungsgebühren keine Einigung erzielen konnte.
Mit Schreiben vom 13.3.2020 teilte Rechtsanwalt Dr. D. dem belangten Ausschuss mit, dass der Beschwerdeführer die von ihm für die Eingabe an den VfGH veranschlagten € 30.000,-- nicht überwiesen habe, und ersuchte um Enthebung von seiner Bestellung.
Mit E-Mail vom 19.3.2020 teilte der Beschwerdeführer der Rechtsanwaltskammer Wien mit, dass Rechtsanwalt Dr. D. „weder die Vorgaben des VfGH betr. Honorar beachtet, noch seine Einreichung akzeptiert“ habe, und ersuchte „um rasche Bestellung eines Anwaltes“.
Mit Bescheid vom 26.5.2020 gab der belangte Ausschuss dem Antrag des Rechtsanwalts Dr. D. vom 13.3.2020 auf Enthebung statt; dieser Bescheid war nicht an den Beschwerdeführer adressiert; ihm wurde lediglich eine Kopie zur Kenntnis übermittelt.
Mit E-Mail vom 17.7.2020 teilte der Beschwerdeführer der Rechtsanwaltskammer Wien mit, dass er an diesem Tag den Enthebungsbescheid erhalten habe, und beantragte – da seine „Rechtsvertretung zum Einbringen eines juristischen Antrags in den Verfassungsgerichtshof wieder offen“ sei – neuerlich die „Zuweisung eines Anwaltes gemäß § 10 Abs. 3 RAO“; er habe bereits 13 schriftliche Ablehnungen von Rechtsanwälten erhalten.
Mit Bescheid vom 8.9.2020 wies der belangte Ausschuss den Antrag des Beschwerdeführers vom 20.7.2020 auf Bestellung eines Rechtsanwalts gemäß § 10 Abs. 3 RAO zur Einbringung einer Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zurück und begründete dies im Wesentlichen damit, dass der Beschwerdeführer bereits einen gleichartigen Antrag gestellt hatte, über den bereits mit Bescheid vom 14.1.2020 entschieden worden sei, weshalb der neuerliche Antrag vom 20.7.2020 auf Bestellung eines entgeltlichen Vertreters aufgrund der in dieser Sache bereits ergangenen Entscheidung vom 14.1.2020 zurückgewiesen werde.
Mit Schriftsatz vom 3.1.2020 zog der Beschwerdeführer diesen Bescheid, der ihm nach eigenen Angaben am 21.12.2020 zugestellt wurde (aus der Aktenlage ergeben sich keine gegenteiligen Anhaltspunkte), rechtzeitig in Beschwerde.
Mit Note vom 8.3.2021 informierte der Ausschuss der Rechtsanwaltskammer Wien, Abteilung III, das erkennende Verwaltungsgericht, dass in der Ausschusssitzung vom 2.3.2021 entschieden wurde, von einer Beschwerdevorentscheidung abzusehen, und übermittelte ihm den bezughabenden Akt, wo er am 8.3.2021 einlangte. In diesem Verwaltungsakt sind weder Zustellscheine betreffend die Bescheidzustellungen noch die Niederschriften über jene Sitzungen enthalten, in denen die drei im Verfahrensgang erwähnten Bescheide beschlossen wurden.
II. Das Verwaltungsgericht Wien hat erwogen:
1. Der belangte Ausschuss bestellte über Antrag des Beschwerdeführers vom 3.11.2019 gemäß § 10 Abs. 3 RAO mit Bescheid vom 14.1.2020 Rechtsanwalt Dr. C. D. zum entgeltlichen Vertreter des Beschwerdeführers zu Einbringung einer Beschwerde beim VfGH.
Der Beschwerdeführer war nicht bereit, Rechtsanwalt Dr. D. das von diesem veranschlagte Honorar in der Höhe von € 30.000,-- für die Erarbeitung dieser Eingabe an den VfGH zu überweisen.
Über seinen Antrag vom 13.3.2020 enthob der belangte Ausschuss mit Bescheid vom 26.5.2020 Rechtsanwalt Dr. D. von seiner Vertretung des Beschwerdeführers, weil der Beschwerdeführer das veranschlagte Honorar nicht binnen der gesetzten Frist von 14 Tagen zur Anweisung gebracht habe.
Am 17.7.2020 beantragte der Beschwerdeführer neuerlich die Bestellung eines Rechtsanwalts zur „Einbringung eines juristischen Antrags“ beim VfGH.
Mit dem bekämpften den Bescheid vom 8.9.2020 wies der belangte Ausschuss diesen Antrag des Beschwerdeführers „aufgrund der in dieser Sache bereits ergangenen Entscheidung vom 14.1.2020“ zurück; auch liege die weitere Voraussetzung für die neuerliche Bestellung eines Rechtsanwalts gemäß § 10 Abs. 3 RAO nicht vor, weil „schon aus dem vorangegangenen Verfahren ersichtlich ist, dass der Beschwerdeführer nicht zur Sicherstellung des Honorars bereit / in der Lage ist“.
2. Diese Feststellungen gründen im Verwaltungsakt und sind zwischen den Verfahrensparteien nicht strittig.
3.1. Hat die Behörde einen Antrag zurückgewiesen, dann ist nach ständiger Rechtsprechung des VwGH (z.B. VwGH 18.2.2014, Ra 2014/07/0002) „Sache“ des Beschwerdeverfahrens vor dem Verwaltungsgericht ausschließlich die Rechtmäßigkeit der Zurückweisung.
3.2. Der belangte Ausschuss sieht zwar zutreffend, dass Ausfluss der materiellen Rechtskraft von Bescheiden auch deren Unwiederholbarkeit (auch als Wiederholungsverbot oder Grundsatz des ne bis in idem bezeichnet) ist (vgl. z.B. Leeb, Bescheidwirkungen und ihre subjektiven Grenzen nach dem AVG [2010], 11 ff), sodass die Rechtskraft (bei unverändertem Sachverhalt und unveränderter Rechtslage) das Prozesshindernis der rechtskräftig entschiedenen Sache bewirkt (z.B VwGH 30.5.2006, 2012/06/0066), er übersieht jedoch, dass die Rechtswirkung der Unwiederholbarkeit („ne bis in idem“) mit der Beseitigung des Bescheids endet (VwGH 21.5.2012, 2009/10/0178). Zwar ist der Bestellungsbescheid vom 14.1.2020 nicht formell beseitigt worden, doch wurde ihm durch den Abberufungsbescheid vom 26.5.2020 derogiert, was in Hinblick auf den Wegfall der Unwiederholbarkeit als Aspekt der materiellen Rechtskraft keinen Unterschied macht.
Unter den in § 10 Abs. 3 RAO angesprochenen „Vertretungsgebühren“, deren Sicherstellung Voraussetzung für die Vertretungspflicht ist, können allein angemessene Kosten verstanden werden. Da der vom VfGH im Falle des Obsiegens als Pauschalsatz zugesprochene Kostenbetrag im Wege einer Durchschnittsbetrachtung dem regelmäßigen Kostenaufwand entspricht (VfSlg 6774/1972) und die Höhe dieses Pauschalsatzes von VfGH selbst von Zeit zu Zeit angepasst wird, kann man sich bei der Beurteilung der Angemessenheit der Vertretungskosten für VfGH-Eingaben durchaus an den Pauschalsätzen orientieren. Mögen auch hochkomplexe, aufwändige Verfahren auch noch eine Höhe von 200 % oder vielleicht auch 300 % des vom VfGH zugesprochenen Pauschalkostenersatz als angemessen erscheinen lassen, so ist dies (unabhängig davon, ob hier so ein Fall überhaupt vorliegt) nach Auffassung des erkennenden Verwaltungsgerichts jedoch keinesfalls bei einem Betrag in einer Höhe, die weit über dem zehnfachen dieses Betrages liegt (im konkreten € 30.000,–), der Fall. Eine Honorarforderungen in dieser Höhe ist nicht angemessen und rechtfertigen daher keinesfalls die Annahme des belangten Ausschusses, der Beschwerdeführer sei nicht zahlungsfähig oder zahlungswillig.
Da somit die vom belangten Ausschuss für die Antragszurückweisung herangezogenen Gründe die Zurückweisung nicht tragen, war der bekämpfte Zurückweisungsbescheid spruchgemäß aufzuheben.
3.3. Das erkennende Verwaltungsgericht erlaubt sich noch an den Beschwerdeführer den Hinweis, dass der im Akt als Beilage 1 einliegende, vom Beschwerdeführer offenbar selbst erstellte Schriftsatz nicht einmal in Ansätzen jenen Formalerfordernissen entspricht, deren Vorliegen Zulässigkeitsvoraussetzung für Beschwerden gemäß Art. 144 B-VG oder Anträge gemäß Art. 140 ist (vgl. nur bspw. die Formalerfordernisse mittels Individualantrags zur Gesetzesprüfung gemäß Art. 144 B-VG Rohregger in Korinek/Holoubek et.al. [Hrsg], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 140 B-VG [6. Lfg 2003]). Dieser Gefahr unzureichender juristischer Qualität sucht auch § 17 Abs. 2 VfGG zu begegnen, indem er ausdrücklich vorsieht, dass Schriftsätze nicht nur von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt einzubringen, sondern auch abzufassen sind.
3.4. Die mündliche Verhandlung konnte in casu auf dem Boden des § 24 Abs. 2 Z 1 VwGVG entfallen. Auch Art. 6 Abs. 1 EMRK steht einem Einfall der mündlichen Verhandlung nicht entgegen, weil es zum einen um eine prozessuale Entscheidung ging (vgl. VwGH 21.12.2016, Ra 2016/12/0056, Rn 34) und zum anderen keine Fragen der Glaubwürdigkeit zu beurteilen waren, die Tatsachen unbestritten sind und das Gericht auf der Grundlage der Aktenlage entscheiden konnte, wobei im konkreten Fall lediglich rechtliche Fragen zu entscheiden sind (vgl. VwGH 21.12.2016, Ra 2016/04/0117 mit Verweis auf das Urteil des EGMR vom 8.11.2016, Nr. 64160/11, Pönkä, Rn 32).
3.5. Die (ordentliche) Revision ist unzulässig, weil keine Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt. Zum einen sind die aufgeworfenen Rechtsfragen an Hand des eindeutigen Wortlauts der heranzuziehenden Bestimmungen zu beantworten, zum anderen besteht zu den maßgeblichen Rechtsfragen Judikatur der Höchstgerichte, die im Erkenntnis zitiert ist. Es liegen keine Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfragen vor.
Schlagworte
Vertretung; Bestellung; Bescheid; Rechtskraft; res iudicataAnmerkung
VwGH v. 8.4.2022, Ra 2021/03/0125; AbweisungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGWI:2021:VGW.101.092.290.2021Zuletzt aktualisiert am
13.05.2022