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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer sowie den Senatspräsidenten Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des G in S, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in S, gegen den Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 12. September 1994, Zl. 0/92-8693/19-1994, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Land Salzburg Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 12. September 1994 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 11. Mai 1992 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft gemäß § 39 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985, BGBl. Nr. 311, i.d.g.F. (StbG) "in Verbindung mit § 10 (1) Z 1 und (3) sowie § 11 leg. cit." abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Unbestritten ist, daß der (im Jahre 1956 geborene) Beschwerdeführer die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG nicht erfüllt, weil er - ausgehend von der von der belangten Behörde getroffenen, vom Beschwerdeführer nicht bekämpften Feststellung, daß er "seit 7.9.1988 mit ordentlichem Wohnsitz in Österreich gemeldet" sei - noch nicht seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen seinen ordentlichen Wohnsitz im Gebiet der Republik hat. Von dieser Voraussetzung kann aber gemäß § 10 Abs. 3 StbG abgesehen werden, wenn es sich um einen Minderjährigen handelt oder wenn der Fremde seit mindestens vier Jahren ununterbrochen seinen ordentlichen Wohnsitz im Gebiet der Republik hat und ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft vorliegt, wobei bemerkt wird, daß der Verfassungsgerichtshof dem auch in der gegenständlichen Beschwerdesache gestellten Antrag auf Aufhebung der zuletzt genannten Bestimmung als verfassungswidrig mit Erkenntnis vom 4. Dezember 1995, G 68/95 u.a., nicht Folge gegeben hat. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers handelt es sich bei der Beurteilung der Frage, ob ein "besonders berücksichtigungswürdiger Grund" im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG vorliegt, um eine zwingende Verleihungsvoraussetzung, was zur Folge hat, daß im Falle ihrer Verneinung das Vorliegen der für die Verleihung der Staatsbürgerschaft weiters erforderlichen Voraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 StbG nicht mehr zu prüfen ist und erst dann, wenn alle diese Verleihungsvoraussetzungen, einschließlich der nach § 10 Abs. 3 StbG, gegeben sind, eine nach § 11 StbG vorzunehmende Ermessensentscheidung in Betracht kommt (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 22. Juni 1994, Zl. 93/01/1255, mit weiteren Judikaturhinweisen). Die diesbezüglich gegenteiligen Beschwerdeausführungen sind daher von vornherein verfehlt.
Auch die belangte Behörde hat sich auf § 11 StbG bezogen, und zwar im Hinblick auf dessen zweiten Satz, wonach bei der Verleihung der Staatsbürgerschaft gegebenenfalls besonders auf den Umstand Bedacht zu nehmen ist, daß der Fremde Flüchtling im Sinne der Konvention vom 28. Juli 1951, BGBl. Nr. 55/1955, oder des Protokolls, BGBl. Nr. 78/1974, über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ist. Dabei hat sie - wie der Beschwerdeführer zutreffend rügt - in Verkennung der Rechtslage (vgl. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. September 1994, Zl. 93/01/0397) trotz Vorliegens eines rechtskräftigen Bescheides aus dem Jahre 1988, mit dem festgestellt worden war, daß der Beschwerdeführer Flüchtling in dem erwähnten Sinne ist, eigenständige Ermittlungen hierüber angestellt und ist - unter Außerachtlassung der von diesem Bescheid ausgehenden Bindungswirkung - zu dem Schluß gelangt, daß die Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers nicht mehr aufrecht bestehe. Dadurch wurde aber der Beschwerdeführer noch nicht in seinen Rechten verletzt, stellt doch das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes - wie der Beschwerdeführer selbst einräumt - für sich allein keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund gemäß § 10 Abs. 3 StbG dar (vgl. u.a. die beiden bereits zitierten Erkenntnisse zur Zl. 93/01/1255 und zur Zl. 93/01/0397).
Der Beschwerdeführer hat anläßlich seiner niederschriftlichen Vernehmung bei der belangten Behörde am 24. November 1993 als besonders berücksichtigungswürdigen Grund für seine vorzeitige Einbürgerung in erster Linie den Umstand ins Treffen geführt, daß er die österreichische Staatsbürgerschaft "für die Vermittlung am Arbeitsplatz dringend benötige". Der Beschwerdeführer war der Aktenlage nach damals arbeitslos und hat die Nostrifizierung seines in Rumänien abgeschlossenen Studiums deshalb nicht betrieben, weil ihm vom Arbeitsamt mitgeteilt worden sei, daß er auch als Biologielehrer keine Chancen am österreichischen Arbeitsmarkt haben würde. Diese Situation hat sich in der Zwischenzeit insofern geändert, als sich der Beschwerdeführer seit 6. Juni 1994 in der Ausbildung zum Pflegehelfer an der Ausbildungsstätte für die psychiatrische Krankenpflege, Landesnervenklinik Salzburg, befindet. Dazu bringt der Beschwerdeführer vor, daß die Ausbildung insgesamt 18 Monate dauere und aus dem diesbezüglich zwischen ihm und dem Land Salzburg abgeschlossenen, im Akt der belangten Behörde erliegenden Sonderdienstvertrag hervorgehe, daß ein Dienstverhältnis auf bestimmte Zeit in der Beschäftigungsart "Pflegehelfer-Schüler-Hilfsdienst" begründet worden sei, welches entweder drei Jahre nach erfolgreicher Beendigung der Ausbildung zum Pflegehelfer oder mit dem Ausscheiden aus dem Ausbildungslehrgang vor erfolgreicher Ablegung der Pflegehelferprüfung ende; der Beschwerdeführer habe sich verpflichtet, dem Land Salzburg nach Absolvierung der Ausbildung zumindest für die Dauer von drei Jahren zur Dienstleistung zur Verfügung zu stehen. Der Beschwerdeführer macht nunmehr auf Grund dieses Sachverhaltes geltend, daß "es sich beim Beruf eines Pflegehelfers im Bereich der psychiatrischen Krankenpflege um einen Mangelberuf handelt, welchen Österreicher derzeit nicht in ausreichendem Maße bereit sind, auszuüben". Damit knüpft der Beschwerdeführer an die das Staatsbürgerschaftsgesetz 1965 betreffenden Gesetzesmaterialien (AB 875 BlgNR 10. GP, S. 4) an, die unter den dort beispielsweise angeführten Fällen eines besonders berücksichtigungswürdigen Grundes im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG auch das Vorliegen eines Mangelberufes nennen. Die darin enthaltene Aufzählung kann bei Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffes des "besonders berücksichtigungswürdigen Grundes" von Bedeutung sein (vgl. abermals das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zur Zl. 93/01/1255).
Die belangte Behörde hat den Umstand, daß der Beschwerdeführer in Ausbildung zum Pflegehelfer steht, "im Hinblick auf die wirtschaftlichen Gegebenheiten am österreichischen Arbeitsmarkt" nicht als besonders berücksichtigungswürdig beurteilt. Dabei hat sie sich auf zwei negative Stellungnahmen gestützt, die eine der Abteilung 9 des Amtes der Salzburger Landesregierung, Gesundheitswesen und Anstaltenverwaltung, vom 4. August 1994, wonach eine Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft für nicht notwendig gehalten werde, da sich die vom Beschwerdeführer gewählte Berufsart in keiner personellen Notlage bzw. in keinem Engpaß befinde, Dienstposten von Pflegehelfern bzw. Stationsgehilfen derzeit an allen landeseigenen Kranken- und Wohlfahrtsanstalten besetzt seien und auch jederzeit für eine Nachbesetzung ein österreichischer Staatsbürger gefunden werden könne, sowie die andere des Landesarbeitsamtes Salzburg vom 30. Juni 1994, mit der eine Einbürgerung aus arbeitsmarktpolitischen Gründen "nicht zuletzt" wegen des bisherigen beruflichen Werdeganges des Beschwerdeführers "strikt abgelehnt" werde. Der Beschwerdeführer hat sich in Ansehung der erstgenannten Stellungnahme trotz hiezu gebotener Gelegenheit bei seiner weiteren niederschriftlichen Vernehmung am 18. August 1994 damit begnügt, auf seine "bereits im Akt befindlichen schriftlichen Mitteilungen" zu verweisen. Diese erschöpfen sich aber insoweit auf sein an die belangte Behörde gerichtetes Schreiben vom 7. Mai 1994, in dem er seine Aufnahme in den Ausbildungslehrgang zum Pflegehelfer an der Landesnervenklinik Salzburg bekanntgegeben hat und wo es abschließend heißt, daß er, "da der Pflegenotstand die Kliniken schon verzweifeln läßt", hoffe, "bis zur Pension mit der Arbeitslosigkeit keine Probleme mehr" zu haben. Damit ist der Beschwerdeführer der im fraglichen Punkt gegenteiligen Stellungnahme nicht auf geeignete Weise entgegengetreten. Aber selbst wenn diese Stellungnahme - ebenso wie jene des Landesarbeitsamtes, die zur Frage des Mangelberufes keine Aussage trifft - der Entscheidung der belangten Behörde nicht hätte zugrunde gelegt werden dürfen, wäre für den Standpunkt des Beschwerdeführers nichts zu gewinnen. Er übersieht nämlich, daß davon, daß jemand in einem Mangelberuf tätig ist, - ungeachtet der weiteren Frage, ob generell bzw. unter welchen Umständen bei einer Beschäftigung in einem Mangelberuf die Annahme, es liege ein solcher besonders berücksichtigungswürdiger Grund im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG vor, gerechtfertigt ist - jedenfalls nicht schon die Rede sein kann, wenn zur Ausübung des betreffenden Berufes eine entsprechende Ausbildung erforderlich und diese noch nicht abgeschlossen worden ist. Darauf, daß der Beschwerdeführer allenfalls nach beendeter Ausbildung einen Mangelberuf ausüben wird, konnte bei Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht Bedacht genommen werden, stand doch noch nicht einmal fest, ob die Ausbildung des Beschwerdeführers positiv zu Ende geführt werden wird.
Bei seiner Vernehmung am 24. November 1993 hat der Beschwerdeführer im gegebenen Zusammenhang einen weiteren besonders berücksichtigungswürdigen Grund darin erblickt, daß er seine Eltern in Rumänien besuchen möchte, die er "nun schon seit fünf Jahren nicht mehr gesehen habe". In seiner schriftlichen, bei der belangten Behörde am 2. Dezember 1993 eingelangten Stellungnahme wies er ergänzend darauf hin, daß seine Eltern "alt geworden" und in Rumänien "allein geblieben" seien, da er keine Geschwister mehr habe, er nicht wisse, wielange sie noch leben würden, und seine Mutter krank sei. Die belangte Behörde vertrat die Auffassung, daß auch dadurch eine vorzeitige Einbürgerung nicht gerechtfertigt sei, sei doch "im vorliegenden Fall die Flüchtlingseigenschaft nach der angeführten Konvention und dem Protokoll nicht mehr gegeben", sodaß es dem Beschwerdeführer freistehe, "wenngleich unter Verzicht auf seinen formalen Asylstatus und die damit verbundenen besonderen Rechte, zu welchem Zweck auch immer, nach Rumänien zu fahren". Es kann unerörtert bleiben, ob es der belangten Behörde - ungeachtet dessen, daß sie, wie bereits gesagt, von der Flüchtlingseigenschaft des Beschwerdeführers auszugehen hatte (siehe auch § 25 Abs. 3 Asylgesetz 1991) - verwehrt war, eigene Feststellungen dahingehend zu treffen, ob dem Beschwerdeführer eine Rückkehr in sein Heimatland, ohne dort eine asylrelevante Verfolgung befürchten zu müssen, möglich wäre, und ob diese, vom Beschwerdeführer bekämpften Feststellungen der dem Verwaltungsgerichtshof obliegenden nachprüfenden Kontrolle standhalten würden. Unabhängig davon wäre nämlich dieser vom Beschwerdeführer geltend gemachte Grund nicht als BESONDERS berücksichtigungswürdig im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG anzusehen, käme er doch - wie die belangte Behörde in der Gegenschrift zutreffend betont - grundsätzlich für alle sich in Österreich aufhaltenden Fremden, die nahe Angehörige in ihrem Heimatland zurückgelassen haben, und damit für den Großteil von ihnen in Betracht. Die zuletzt genannte Bestimmung soll aber lediglich als Ausnahme vom Regelfall des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG (mindestens zehnjähriger ununterbrochener ordentlicher Wohnsitz im Gebiet der Republik) Anwendung finden. Auch Alter und Krankheit solcher naher Angehöriger rechtfertigen nicht ein Abgehen vom Regelfall, zumal es sich hiebei ausschließlich um private Interessen der betreffenden Person handelt. Das gleiche gilt für den vom Beschwerdeführer ebenfalls ins Treffen geführten Wunsch nach Reisefreiheit, der sämtlichen Fremden zugebilligt werden müßte.
Da der Beschwerdeführer auch sonst - unter Berücksichtigung seiner gesamten Lebenssituation - keine besonders berücksichtigungswürdigen Gründe im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG aufzuzeigen vermochte, wurde er durch den angefochtenen Bescheid nicht in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt. Die Beschwerde war somit gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996010087.X00Im RIS seit
20.11.2000