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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
B-VG Art130 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Degischer sowie den Senatspräsidenten Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Bernegger und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde der E in W, vertreten durch Mag. O, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 2. Jänner 1995, Zl. MA 61/IV-E 126/94, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Land Wien Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid der Wiener Landesregierung vom 2. Jänner 1995 wurde der Antrag der Beschwerdeführerin vom 13. April 1994 auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft "gemäß § 10 und 11 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985", BGBl. Nr. 311 (StbG), abgewiesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Unbestritten ist, daß die (im Jahre 1971) geborene Beschwerdeführerin die Verleihungsvoraussetzung des § 10 Abs. 1 Z. 1 StbG im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht erfüllt hat, weil sie - ausgehend von der in Übereinstimmung mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin getroffenen Feststellung der belangten Behörde, daß die Beschwerdeführerin "seit Juni 1985 in Österreich lebt" - noch nicht seit mindestens zehn Jahren ununterbrochen ihren Hauptwohnsitz (vor dem 1. Jänner 1995 ordentlichen Wohnsitz; siehe Art. VII Z. 2 in Verbindung mit Art. VIII Z. 5 des Hauptwohnsitzgesetzes, BGBl. Nr. 505/1994) im Gebiet der Republik hatte. Von dieser Voraussetzung kann aber gemäß § 10 Abs. 3 StbG abgesehen werden, wenn es sich um einen Minderjährigen handelt oder wenn der Fremde seit mindestens vier Jahren ununterbrochen seinen ordentlichen Wohnsitz im Gebiet der Republik hat und ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund für die Verleihung der Staatsbürgerschaft vorliegt, wobei bemerkt wird, daß der Verfassungsgerichtshof dem auch in der gegenständlichen Beschwerdesache gestellten Antrag auf Aufhebung der zuletzt genannten Bestimmung als verfassungswidrig mit Erkenntnis vom 4. Dezember 1995, G 68/95 u.a., nicht Folge gegeben hat. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (vgl. u.a. das Erkenntnis vom 22. Juni 1994, Zl. 93/01/1255, mit weiteren Judikaturhinweisen) handelt es sich bei der Beurteilung der Frage, ob ein "besonders berücksichtigungswürdiger Grund" im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG vorliegt, um eine zwingende Verleihungsvoraussetzung, weshalb eine nach § 11 StbG vorzunehmende Ermessensentscheidung erst dann in Betracht kommt, wenn - zusätzlich zu den weiters erforderlichen Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z. 2 bis 8 StbG - jene nach § 10 Abs. 3 StbG gegeben ist.
Mit der Frage, ob ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG vorhanden ist, hat sich die belangte Behörde - die davon ausgegangen ist, daß die Beschwerdeführerin "auch noch keinen zehnjährigen ununterbrochenen ordentlichen Wohnsitz in Österreich aufweisen kann" - nicht auseinandergesetzt, sondern abschließend lediglich zum Ausdruck gebracht, daß "zwar im vorliegenden Fall kein im § 10 StbG expressis verbis aufgezähltes Einbürgerungshindernis" vorliege, doch sei "die Verleihungsbehörde gehalten, bei der ihr eingeräumten Ermessensübung auf die im Gesetz vorgegebenen Prämissen und die unbestrittene Entscheidungspraxis in gleichgelagerten Fällen vorzugehen". Sie hat allerdings in der Begründung des angefochtenen Bescheides (entsprechend der Aktenlage) einleitend festgestellt, daß die Beschwerdeführerin eine "als Konventionsflüchtling anerkannte türkische Staatsangehörige" sei, und in ihrer Gegenschrift betont, daß ein besonders berücksichtigungswürdiger Grund für eine vorzeitige Einbürgerung gemäß § 10 Abs. 3 StbG "in der Flüchtlingseigenschaft der Bewerberin gesehen werden könnte". Wäre dies die Rechtsauffassung der belangten Behörde, so wäre sie aber einem Rechtsirrtum unterlegen, stellt doch das Vorliegen der Flüchtlingseigenschaft für sich allein keinen besonders berücksichtigungswürdigen Grund im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG dar, sondern ist erst bei der Ermessensübung gemäß § 11 zweiter Satz StbG "gegebenenfalls besonders auf den Umstand Bedacht zu nehmen, daß der Fremde Flüchtling im Sinne der Konvention ist" (vgl. außer dem bereits zitierten Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes zur Zl. 93/01/1255 beispielsweise noch jenes vom 21. September 1994, Zl. 93/01/0397).
Daraus ergibt sich aber, daß die Beschwerdeführerin dadurch, daß die belangte Behörde ihren Antrag auf (vorzeitige) Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft abgewiesen hat, schon aus diesem Grunde nicht in einem subjektiv-öffentlichen Recht verletzt worden ist, zumal sie weder in ihrem Antrag noch sonst im Verwaltungsverfahren einen maßgeblichen Umstand aufgezeigt hat, aus dem das Vorliegen eines BESONDERS berücksichtigungswürdigen Grundes im Sinne des § 10 Abs. 3 StbG abgeleitet werden könnte. Wenn sie in der Beschwerde - über ihre Flüchtlingseigenschaft und die damit im Zusammenhang stehende Behauptung, sie wäre nicht in der Lage, den Schutz ihres Heimatlandes in Anspruch zu nehmen, hinaus - ins Treffen führt, daß auch ihre engsten Familienangehörigen bereits die österreichische Staatsbürgerschaft besäßen, sie "besondere Bindungen zu Österreich vorzuweisen" habe, ihr gesamter Freundes- und Bekanntenkreis sowie ihre Familie in Österreich lebten, sie in Österreich "vollständig integriert" sei, wobei sie auf ihre berufliche Tätigkeit, auf Grund der sie den Lebensunterhalt für sich und ihre Tochter bestreite, hinweist, und sie "fließend und grammatikalisch fehlerfrei" deutsch spreche, so unterliegt dieses Vorbringen weitgehend dem Neuerungsverbot des § 41 Abs. 1 VwGG, weshalb es insoweit nicht Berücksichtigung finden kann. In den vorgelegten Verwaltungsakten erliegen zwar Staatsbürgerschaftsnachweise der Eltern und des Bruders der Beschwerdeführerin; doch ist der (im übrigen nicht mehr minderjährigen) Beschwerdeführerin entgegenzuhalten, daß dem von ihr in der Beschwerde angesprochenen "Grundsatz der Familieneinheit" bereits in einzelnen Bestimmungen des StbG 1985 (so in den §§ 7, 7a, 11a, 16, 17, 25 Abs. 2 und 27) hinreichend Rechnung getragen worden ist. Daß die Beschwerdeführerin - der Aktenlage nach seit 1991 mit einer zweijährigen Unterbrechung infolge Karenz wegen der Geburt ihrer Tochter - in Österreich beim selben Arbeitgeber beschäftigt ist und auf diese Weise ihren Lebensunterhalt verdient, bedeutet noch nicht zwangsläufig, daß ihre "vollständige Integration" in Österreich angenommen werden müßte, auch wenn hinzukäme, daß die Beschwerdeführerin - was der belangten Behörde bejahendenfalls zumindest anläßlich der mit der Beschwerdeführerin am 7. November 1994 aufgenommenen Niederschrift hätte auffallen müssen - die deutsche Sprache einwandfrei beherrscht. Auf die von der belangten Behörde herangezogene Begründung, die darin bestanden hat, daß sie (erst) im Rahmen der Ermessensübung gemäß § 11 StbG auf Grund der im Jahre 1991 erfolgten, frühestens im April 1996 getilgten Verurteilung der Beschwerdeführerin wegen des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 2 und 15 StbG (Kreditbetrügereien mit Hilfe falscher Arbeitsbestätigungen) zur Abweisung des Antrages gelangt ist, und die sich darauf beziehenden Beschwerdeausführungen war demnach nicht mehr einzugehen.
Da sich somit die Beschwerde als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
ErmessenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996010091.X00Im RIS seit
20.11.2000