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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AuskunftspflichtG 1987 §1 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Dorner und die Hofräte Dr. Kremla, Dr. Händschke, Dr. Dolp und Dr. Rigler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Hajicek, über die Beschwerde des Dr. M in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 22. Februar 1995, Zl. 95.031/1-IV/11/95/GR, betreffend Erteilung einer Auskunft nach dem Auskunftspflichtgesetz, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 5. März 1990 beantragte der Beschwerdeführer, ihm - offenbar im Sinne des Auskunftspflichtgesetzes, BGBl. Nr. 287/1987, iVm Art. 20 Abs. 4 B-VG - Auskunft darüber zu erteilen, ob über ihn "staatspolizeiliche Prioren existieren"; für den Fall der Bejahung dieser Frage wurde angefragt, wann und wo in dieselben eingesehen werden könne.
Mit Schreiben vom 25. April 1990 teilte die belangte Behörde dem Beschwerdeführer den Inhalt von zwei in den Evidenzen der Bundespolizeidirektion Wien enthaltenen staatspolizeilichen Vormerkungen mit. Sie gab dem Beschwerdeführer weiters folgendes bekannt:
"Weitere Vormerkungen betreffen Ihre Kontakte zu dritten Personen, deren Namen aus Gründen der Amtsverschwiegenheit und des Datenschutzes nicht bekanntzugeben sind".
Am 26. Dezember 1990 wurde dem Beschwerdeführer von der belangten Behörde Akteneinsicht betreffend die ihm inhaltlich bereits bekannten Vormerkungen gewährt; die weiteren im Schreiben vom 25. April 1990 erwähnten Vormerkungen über "Kontakte zu dritten Personen" betreffend wurde dem Beschwerdeführer keine Akteneinsicht gewährt.
Der Beschwerdeführer beantragte daraufhin die Erlassung eines Bescheides gemäß § 4 des Auskunftspflichtgesetzes.
Mit ihrem Bescheid vom 22. November 1990 stellte die belangte Behörde fest, daß in einer den Beschwerdeführer betreffenden Vormerkung Interessen dritter Personen im Sinne des Art. 20 Abs. 3 B-VG zu berücksichtigen seien und ihm über diesen Sachverhalt keine Auskunft erteilt werde. Dieser Bescheid wurde mit hg. Erkenntnis vom 17. Juni 1992, Zl. 91/01/0201, wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben, weil der bekämpfte Bescheid eine nachprüfbare Begründung nicht enthalten und die belangte Behörde solcherarts Verfahrensvorschriften außer acht gelassen hatte, bei deren Einhaltung sie zu einem anderen Bescheid hätte kommen können.
Mit dem nunmehr in Beschwerde gezogenen Bescheid vom 22. Februar 1995 wurde über den Antrag des Beschwerdeführers auf Erlassung eines Bescheides gemäß § 4 des Auskunftspflichtgesetzes neuerlich dahingehend entschieden, daß sein "Antrag auf vollständige Auskunftserteilung aus den staatspolizeilichen Evidenzen" abgewiesen, jedoch in der Begründung des bekämpften Bescheides dem Beschwerdeführer mitgeteilt wurde, daß "der bisher nicht beauskunftete Teil der Prioren" unter Weglassung der Daten dritter Personen folgenden Wortlaut habe:
"Dr. M scheint im Adreßbuch des N.N. auf. Aufgrund der darin enthaltenen Aufzeichnungen dürfte N.N. intensive Kontakte zu Aktivisten der Grünen Alternativen Szene haben. 12.IV.88"
Weiter führt die belangte Behörde unter Hinweis auf Art. 20 Abs. 3 B-VG aus, daß eine vollständige Auskunft über den Inhalt der Prioren dann zu erteilen gewesen wäre, wenn nicht ein überwiegendes Interesse der Parteien bzw. einer Partei dagegenstünde. Im gegenständlichen Fall bestehe das Interesse einer Partei - nämlich der Person, in deren Adressbuch der Name des Beschwerdeführers aufscheine - darin, daß nicht bekannt werde, daß sie Gegenstand polizeilicher Ermittlungen gewesen sei, was sich aus dem Inhalt und der Tatsache des Vorliegens dieses Vermerkes klar ergebe.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht wird.
Die belangte Behörde hat eine Gegenschrift erstattet, in
der sie die Abweisung der Beschwerde beantragte.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem bereits erwähnten Erkenntnis vom 17. Juni 1992 dargelegt hat, trifft die einen Bescheid nach § 4 des Auskunftspflichtgesetzes erlassende Behörde zwar die Pflicht zu einer gesetzmäßigen Begründung ihrer Entscheidung, doch dürfen - für den Fall, daß der (vollständigen) Auskunftserteilung die Amtsverschwiegenheit entgegensteht, die Anforderungen an die Bescheidbegründung nicht überspannt werden. Es erfordert eine gesetzmäßige Bescheidbegründung weder, daß der nach Auffassung der um Auskunft ersuchten Behörde von der Amtsverschwiegenheit betroffene Sachverhalt in der Bescheidbegründung dargelegt, noch, daß auf eine solche Art individualisiert werde, daß der geheimzuhaltende Sachverhalt aus der Bescheidbegründung mit Hilfe von dem Auskunftswerber zugängliche Schlußfolgerungen ermittelt werden kann; derartige Anforderungen an die Begründung eines die Auskunft wegen überwiegender Geheimhaltungsinteressen verweigernden Bescheides würde das Gebot der Amtsverschwiegenheit inhaltsleer machen. Allerdings muß die Bescheidbegründung in der Richtung nachprüfbar sein, welche Interessen eines Dritten durch die begehrte Auskunft berührt würden, auf welche Weise dies geschehe und aus welchen - wenigstens abstrakt zu umschreibenden - Umständen die Geheimhaltung der Vormerkung im konkreten Fall unentbehrlich war.
Die belangte Behörde hat im nunmehr bekämpften Bescheid die einer vollständigen Auskunftserteilung entgegenstehenden überwiegenden Interessen einer Partei darin als gegeben erachtet, als sie davon ausging, daß diese ein Interesse daran habe, daß nicht bekannt werde, daß sie Gegenstand von (staatspolizeilichen) Ermittlungen gewesen sei. Dem hält der Beschwerdeführer im wesentlichen entgegen, daß die Tatsache der Aufnahme des Namens des Beschwerdeführers in das Adreßbuch der hier in Rede stehenden Person "geradezu darauf hindeute", daß diese den Beschwerdeführer gerade in dem Fall kontaktieren wollte, daß sie Gegenstand polizeilicher Ermittlungen werden würde. Die Kenntnis des Beschwerdeführers von polizeilichen Ermittlungen gegen diese Person sei also gerade beabsichtigt gewesen. Dem ist - abgesehen davon, daß es sich hiebei um eine Hypothese handelt - zunächst entgegenzuhalten, daß - selbst von dieser Hypothese ausgehend - die betreffende Person im Fall einer Kontaktierung des Beschwerdeführers in seiner Eigenschaft als Rechtsanwalt davon ausgehen könnte, daß die Tatsache, daß sie Gegenstand polizeilicher Ermittlungen geworden sei, keinen weiteren Personen bekannt würde, wäre der Beschwerdeführer doch in einem solchen Fall zur Verschwiegenheit iS des § 9 Abs. 2 der Rechtsanwaltsordnung verpflichtet. Anders stellte sich die Rechtslage dar, würde der Name des Betreffenden dem Beschwerdeführer in Stattgebung seines Antrages durch eine Auskunft der belangten Behörde zur Kenntnis gelangt sein; diesfalls wäre er durch keine Vorschrift verpflichtet, die Tatsache, daß die betreffende Person Gegenstand polizeilicher Ermittlungen gewesen ist, niemand anderem zugänglich zu machen. Da sich die Annahme der belangten Behörde, die betreffende Partei habe ein Interesse daran, daß nicht bekannt werde, daß sie Gegenstand polizeilicher Ermittlungen gewesen sei, als - mit den allgemeinen Lebenserfahrungen in Einklang stehend - durchaus zutreffend erweist, kann der Verwaltungsgerichtshof nicht erkennen, die belangte Behörde habe durch ihre Begründung den an eine nachvollziehbare Bescheidbegründung zu stellenden Anforderungen nicht entsprochen. Da weiters das Interesse des Beschwerdeführers an der Auskunft, welche Person konkret seinen Namen in ihrem Adreßbuch vermerkt hat, als gering zu bewerten ist, erweist sich auch die von der belangten Behörde vorgenommene Abwägung, daß das Interesse des Beschwerdeführers an einer vollständigen Auskunftserteilung geringer zu bewerten ist, als das Geheimhaltungsinteresse der betreffenden Partei, als zutreffend und die diesbezüglichen Beschwerdeausführungen, wonach "die Zahl der Eintragung in Adreßbüchern sicherlich kein geeignetes Maß" sei, "um es mit dem Interesse der in Evidenz genannten Person an der Geheimhaltung ihres Namens" abzuwägen, als nicht zielführend.
Den übrigen vom Beschwerdeführer angestellten Überlegungen zu dem oben erwähnten, im ersten Rechtsgang erlassenen Bescheid der belangten Behörde kommt für das gegenständliche Verfahren keine Bedeutung zu. Es ist - worauf die belangte Behörde in ihrer Gegenschrift zutreffend hinweist - unter dem Gesichtspunkt einer Rechtsverletzung durch den bekämpften Bescheid nur von Bedeutung, daß die belangte Behörde ihre Begründung für die Ablehnung des Antrages, die begehrte Auskunft vollständig zu erteilen, unter Berücksichtigung und Einbeziehung des erwähnten hg. Erkenntnisses vom 17. Juni 1992 auf eine dem Gesetz entsprechende Grundlage gestellt hat.
Da sich die Beschwerde aus den genannten Gründen als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
Schlagworte
Begründung Allgemein Begründungspflicht und Verfahren vor dem VwGH Begründungsmangel als wesentlicher VerfahrensmangelEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995010084.X00Im RIS seit
25.01.2001