TE Vwgh Erkenntnis 2022/3/30 Ra 2022/01/0007

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Veröffentlicht am 30.03.2022
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Index

10/16 Sonstiges Verfassungsrecht
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AdelsaufhG 1919 §1
AdelsaufhV 1919 §2 Z1
AVG §66 Abs4
AVG §68 Abs1
VwGVG 2014 §28 Abs1
VwGVG 2014 §28 Abs2
VwGVG 2014 §28 Abs5

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Enzenhofer und die Hofräte Dr. Kleiser und Dr. Fasching als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Kienesberger, über die Revision des Österreichischen Generalkonsulats München gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Niederösterreich vom 26. November 2021, Zl. LVwG-AV-643/001-2021, betreffend Ausstellung eines Personalausweises (mitbeteiligte Partei: E P in T, vertreten durch Barbara Riedl, Rechtsanwältin in 80333 München [Deutschland], Sophienstraße 1), zu Recht erkannt:

Spruch

Der Revision wird Folge gegeben.

Das angefochtene Erkenntnis wird dahin abgeändert, dass die Beschwerde der Mitbeteiligten gegen den Bescheid des Österreichischen Generalkonsulats München vom 17. Februar 2021, GZ. München-GK/KONS/0505/2021, als unbegründet abgewiesen wird.

Begründung

1        Mit Bescheid der belangten Behörde (der Amtsrevisionswerberin; im Folgenden: Generalkonsulat) vom 17. Februar 2021 wurde der Antrag der Mitbeteiligten, einer österreichischen Staatsbürgerin, auf Ausstellung eines Personalausweises auf den Familiennamen „von P“ gemäß einer näher bezeichneten Bestimmung des Bundesgesetzes betreffend das Passwesen für österreichische Staatsbürger, BGBl. 839/1992 in der Fassung BGBl. I Nr. 161/2013 (im Folgenden: PassG 1992), iVm § 1 der Verordnung der Bundesministerin für Inneres über die Gestaltung der Reisepässe und Passersätze, BGBl. Nr. 861/1995 idF BGBl. II Nr. 42/2014 (im Folgenden: PassV), unter Beachtung des § 1 des Gesetzes über die Aufhebung des Adels, der weltlichen Ritter- und Damenorden und gewisser Titel und Würden, StGBl. Nr. 211/1919 idF BGBl. Nr. 1/1920 (im Folgenden: Adelsaufhebungsgesetz), iVm § 2 Z 1 der Vollzugsanweisung des Staatsamtes für Inneres und Unterricht und des Staatsamtes für Justiz, im Einvernehmen mit den beteiligten Staatsämtern, über die Aufhebung des Adels und gewisser Titel und Würden, StGBl. Nr. 237/1919 (im Folgenden: Vollzugsanweisung), abgewiesen.

2        Begründend führte das Generalkonsulat im Wesentlichen aus, nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (Hinweis u.a. auf VfGH 1.3.2018, E 4354/2017) sei die Führung des Wortes „von“ grundsätzlich geeignet, den Eindruck von Vorrechten zu erwecken; das Wort „von“ dürfe daher auch dann nicht als Teil des Familiennamens geführt werden, wenn die konkrete Namens- oder Familiengeschichte tatsächlich keinen historischen Adelsbezug aufweise.

3        Der dagegen von der Mitbeteiligten am 22. März 2021 erhobenen Beschwerde gab das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich (Verwaltungsgericht) mit dem angefochtenen Erkenntnis Folge und hob den angefochtenen Bescheid ersatzlos auf (1.). Eine ordentliche Revision wurde für nicht zulässig erklärt (2.).

Begründend führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die Mitbeteiligte habe 1979 den in Italien geborenen W von P geheiratet und sei mit diesem 1984 nach Deutschland gezogen, wo sie ihren ständigen Aufenthalt und Lebensmittelpunkt begründet habe. Das Generalkonsulat habe 2000 und 2010 den Pass der Mitbeteiligten jeweils auf den Namen „von P“ ausgestellt; diesen - bisher im guten Glauben geführten - Nachnamen wolle die Mitbeteiligte weiterführen.

Der primäre Schutzzweck des PassG 1992 bestehe offensichtlich in der Gewährleistung einer amtlichen Feststellung der Personenidentität sowie der behördlichen Kontrolle des grenzüberschreitenden Personenverkehrs „und nicht in der Durchsetzung gesellschaftspolitisch motivierter Regelungen wie den Adelsaufhebungsbestimmungen“.

Es scheine „im Rahmen einer authentischen oder teleologischen Interpretation ... überschießend und einzelfallbezogen nicht anwendbar, das Adelsaufhebungsgesetz dahingehend auszulegen, dass österreichischen Staatsbürgern die Führung dieses Zusatzes ... schlechthin und auch dann zu untersagen ist, wenn dieser im Einzelfall - gegenständlich - faktisch nicht als Adelszeichen zu qualifizieren ist.“

Der Zusatz „von“ weise im vorliegenden Fall ausschließlich auf die örtliche Herkunft des (verstorbenen) Ehegatten der Mitbeteiligten hin (der in italienischen Dokumenten im Übrigen zweisprachig, sowohl mit dem Namen „von P“ als auch „de P“, tituliert worden sei). Es handle sich zudem um einen Sachverhalt mit Unionsrechtsbezug; im Sinne einer unionsrechtskonformen Auslegung und Vollziehung erscheine es daher geboten, auch das Verhältnismäßigkeitsprinzip zu berücksichtigen.

Das öffentliche Interesse an der Vermeidung einer „potentiellen Konnotation von Adelsvorzügen“ trete im vorliegenden Fall in den Hintergrund, sodass die Versagung der Ausstellung eines Personalausweises im Ergebnis unverhältnismäßig erscheine.

Bemerkenswert sei auch, dass eine korrekte Unterscheidung zwischen echten Adelszeichen und ähnlichen Namenszusätzen im gesellschaftlichen Alltag ohnedies möglich erscheine und beispielsweise „auch Persönlichkeiten wie der österreichische Bundespräsident einen entsprechend strukturierten und daher ebenfalls potentiell missverständlichen fremdsprachig herrührenden Namensbestandteil zum Familiennamen tragen.“

Der Beschwerde sei daher Folge zu geben und der angefochtene Bescheid „mangels Erfüllung des verfahrensgegenständlich herangezogenen Versagungstatbestandes“ ersatzlos aufzuheben gewesen.

4        Dagegen richtet sich die vorliegende Amtsrevision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, das angefochtene Erkenntnis widerspreche der gefestigten Rechtsprechung des Verfassungs- und Verwaltungsgerichtshofes, wonach die Führung der Bezeichnung „von“ grundsätzlich geeignet sei, den Anschein einer adeligen Herkunft und damit entsprechender Vorrechte hervorzurufen (Hinweis ua. auf VfGH 1.3.2018, E 4354/2017, sowie VwGH 28.2.2019, Ra 2019/01/0028; 15.10.2019, Ra 2019/01/0375-0378).

5        Der Verwaltungsgerichtshof hat - nach Durchführung des Vorverfahrens, in dem die Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattete - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

6        Die Revision ist zulässig und begründet.

Zur Revisionslegitimation des Generalkonsulats

7        Vorweg sei im Hinblick auf den in der Revisionsbeantwortung vorgebrachten Einwand der „fehlenden Aktivlegitimation“ des Generalkonsulats darauf hingewiesen, dass der belangten Behörde des Verfahrens vor dem Verwaltungsgericht gemäß Art. 133 Abs. 6 Z 2 B-VG die Revisionsbefugnis eingeräumt ist („Amtsrevision“; zur Zuständigkeit des Generalkonsulats im gegenständlichen Verfahren vgl. § 16 Abs. 5 PassG 1992 iVm § 1 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministeriums für europäische und internationale Angelegenheiten über die Ermächtigung bestimmter Vertretungsbehörden zur Vornahme antragsbedürftiger passbehördlicher Amtshandlungen im Interesse der besseren Erreichbarkeit, BGBl. II Nr. 129/2009; vgl. zum Generalkonsulat München auch VwGH 14.11.2019, Ra 2019/22/0201-0202). Entgegen der weiteren Annahme in der Revisionsbeantwortung bestand für das Generalkonsulat für die Einbringung der vorliegenden Amtsrevision auch keine Anwaltspflicht (vgl. § 24 Abs. 2 Z 1 VwGG).

Zur Sache

8        Der Verwaltungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung - an die Rechtsprechung des VfGH anknüpfend - klargestellt, dass das in Österreich im Verfassungsrang stehende Adelsaufhebungsgesetz für österreichische Staatsbürger sowohl den Erwerb von Namensbestandteilen oder -zusätzen, die im Sinne des Adelsaufhebungsgesetz und der dazu ergangenen Vollzugsanweisung Adelsbezeichnungen darstellen, ausschließt als auch dass eine Person, für die eine solche Adelsbezeichnung nach anderem als nach österreichischem Recht Bestandteil ihres Namens ist, diese nach Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft weiterführt (vgl. VwGH 13.8.2019, Ra 2019/01/0216-0218, mwN). In dieser Rechtsprechung hat sich der Verwaltungsgerichtshof auch auf das Erkenntnis des VfGH vom 1. März 2018, E 4354/2017 = VfSlg. 20.234, bezogen.

9        Nach dieser Rechtsprechung des VfGH ist eine entsprechende Führung des durch § 2 Z 1 der Vollzugsanweisung als Namensbestandteil verbotenen Wortes „von“ grundsätzlich geeignet, den Anschein einer adeligen Herkunft und damit entsprechender Vorrechte hervorzurufen, ohne dass es darauf ankommt, ob die konkrete Namens- oder Familiengeschichte tatsächlich einen historischen Adelsbezug aufweist.

10       Die Führung des Namenszusatzes „von“ ist daher, unabhängig davon, ob die im Einzelfall konkrete Namens- oder Familiengeschichte tatsächlich einen historischen Adelsbezug aufweist, durch § 1 Adelsaufhebungsgesetz untersagt (vgl. VfGH 10.3.2020, E 4591/2019, mit Hinweis auf VfSlg. 20.234).

11       Der Verwaltungsgerichtshof hat sich im Hinblick auf das im Verfassungsrang stehende Adelsaufhebungsgesetz diesen Erwägungen angeschlossen (vgl. VwGH 15.10.2019, Ra 2019/01/0375-0378, mit Verweis auf das zitierte Erkenntnis Ra 2019/01/0216-0218, dieses mit Verweis auf VwGH 28.2.2019, Ra 2019/01/0028; vgl. weiters VwGH 2.7.2021, Ra 2021/01/0220).

12       Durch die Rechtsprechung ist im Übrigen weiters klargestellt, dass dem Adelszeichen „von“ im deutschsprachigen Kontext in Österreich eine besondere, unmittelbar mit Vorrechten der Geburt oder des Standes verbundene Bedeutung zukommt, die aber mit von der Übersetzung her ähnlichen ausländischen Namensbestandteilen oder -zusätzen - wie beispielsweise „de“ oder „van“ - typischerweise nicht verbunden sind (vgl. VfGH 2.3.2020, E 4050/2019 = VfSlg. 20.368; darauf Bezug nehmend VwGH 23.9.2020, Ra 2019/01/0358).

13       Lediglich angemerkt sei daher fallbezogen, dass der Umstand, dass mit dem italienischen Namensbestandteil „de“ (des verstorbenen Ehegatten der Mitbeteiligten) allenfalls in Österreich keine adelige Herkunft assoziiert wird (vgl. auch dazu VwGH Ra 2019/01/0358), an der Unzulässigkeit des Wortes „von“ nichts zu ändern vermag.

14       Durch die Rechtsprechung ist schließlich - entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts - auch klargestellt, dass keine Bedenken bzw. Unvereinbarkeiten in Bezug auf das Unionsrecht bestehen (vgl. auch dazu VwGH Ra 2019/01/0028, mwN; vgl. weiters VwGH 28.1.2019, Ra 2018/01/0509; 28.1.2020, Ra 2019/01/0501, 0502, jeweils mit Hinweis auf EuGH 22.12.2010, Sayn-Wittgenstein, Rs C-208/09). Ebenso wenig bestehen im Lichte des Art. 8 EMRK Bedenken im Hinblick auf die Verhältnismäßigkeit (vgl. auch dazu VfSlg 20.234, mwN).

15       Das Generalkonsulat hat demnach die Ausstellung eines auf den Eintrag „von P“ als Familiennamen der Mitbeteiligten lautenden Personalausweises nach dem PassG 1992 zu Recht verweigert (zum Erfordernis der im Lichte des Adelsaufhebungsgesetzes verfassungskonform anzuwendenden einschlägigen Bestimmungen des materiellen Rechts vgl. bereits VfGH 26.6.2014, B 212/2014 ua. = VfSlg. 19.891).

16       Demgegenüber hat das Verwaltungsgericht, das die erwähnte eindeutige Rechtsprechung - trotz der bereits im erstinstanzlichen Bescheid enthaltenen einschlägigen Rechtsprechungshinweisen - ignoriert hat, sein Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.

17       Das angefochtene Erkenntnis erweist sich zudem auch aus folgendem Grund als rechtswidrig:

18       Die ersatzlose Behebung des verwaltungsbehördlichen Bescheids hat zur Folge, dass die Verwaltungsbehörde über den Gegenstand nicht mehr neuerlich entscheiden darf. Liegt dem verwaltungsbehördlichen Bescheid aber ein Parteiantrag zugrunde, kommt eine bloße Kassation nicht in Betracht; es muss der Parteiantrag erledigt werden (vgl. etwa VwGH 30.9.2020, Ra 2020/10/0026, mwN).

19       Im angefochtenen Erkenntnis hat das Verwaltungsgericht unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass der angefochtene Bescheid des Generalkonsulats vom 17. Februar 2021 ersatzlos zu beheben gewesen sei. Dabei wird übersehen, dass der verfahrenseinleitende Antrag der Mitbeteiligten solcherart unerledigt bleibt und über diesen jedenfalls abzusprechen ist. Indem das Verwaltungsgericht den verwaltungsbehördlichen Bescheid dennoch ersatzlos behoben hat, hat es sein Erkenntnis auch aus diesem Grund mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet (vgl. abermals VwGH Ra 2020/10/0026).

20       Gemäß § 42 Abs. 4 VwGG kann der Verwaltungsgerichtshof in der Sache selbst entscheiden, wenn sie entscheidungsreif ist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt. Diese Voraussetzungen liegen hier angesichts der übereinstimmenden und eindeutigen Rechtsprechung der Höchstgerichte (vgl. VwGH 15.10.2019, Ra 2019/01/0375-0378, Rn. 14) vor. Der Verwaltungsgerichtshof konnte daher in der Sache selbst entscheiden und die Beschwerde der Mitbeteiligten als unbegründet abweisen (vgl. auch VwGH 23.10.2015, Ra 2015/02/0029).

Wien, am 30. März 2022

Schlagworte

Inhalt der Berufungsentscheidung Kassation Rechtskraft Umfang der Rechtskraftwirkung Allgemein Bindung der Behörde

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022010007.L00

Im RIS seit

12.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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