TE Vwgh Beschluss 2022/4/20 Ro 2021/06/0017

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Veröffentlicht am 20.04.2022
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Index

L82000 Bauordnung
L82005 Bauordnung Salzburg
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §8
BauPolG Slbg 1997 §7a
BauPolG Slbg 1997 §9 Abs1 Z6
BauRallg
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §12a
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §12a Abs1 lita
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §12a Abs1 litb
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §24 Abs3
BebauungsgrundlagenG Slbg 1968 §25 Abs3
B-VG Art133 Abs4
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache des E W in N, vertreten durch die K-B-K Kleibel Kreibich Bukovc Hirsch Rechtsanwälte GmbH & Co KG in 5020 Salzburg, Erzabt-Klotz-Straße 4/2, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 25. Mai 2021, 405-3/782/1/32-2021, betreffend Einwendungen gegen ein Bauvorhaben (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Infrastrukturausschuss der Gemeindevertretung der Stadtgemeinde Neumarkt am Wallersee, vertreten durch die Dr. Heinz Häupl Rechtsanwalts GmbH in 4865 Nußdorf, Stockwinkl 18; weitere Partei: Salzburger Landesregierung; mitbeteiligte Partei: W GmbH, vertreten durch Dr. Michael Langhofer, Rechtsanwalt in 5201 Seekirchen, Wallerseestraße 4), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Der Revisionswerber hat der Stadtgemeinde Neumarkt am Wallersee Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

1        Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

2        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

3        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

4        Die Mitbeteiligte ist Eigentümerin des Grundstückes Nr. X, KG N (im Folgenden: Baugrundstück); das Grundstück ist im Flächenwidmungsplan als Gewerbegebiet ausgewiesen. Der Revisionswerber ist Eigentümer des im Norden unmittelbar an das Baugrundstück angrenzenden Grundstückes Nr. Y (im Folgenden: Nachbargrundstück), ebenfalls als Gewerbegebiet ausgewiesen, sowie der südlich und westlich an das Baugrundstück angrenzenden Privatstraße, die dem öffentlichen Verkehr gewidmet ist (Verkehrsfläche).

5        Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde N. vom 21. Mai 1996 wurde die aus dem Jahr 1987 stammende Bauplatzerklärung dahingehend geändert, dass die Grundstücke Nr. X und Nr. Y, die damals beide im Eigentum des Revisionswerbers standen, zu einem gemeinsamen Bauplatz erklärt wurden (im Folgenden: Bauplatzerklärung 1996).

6        Mit Eingabe vom 27. Juli 2020 beantragte die Mitbeteiligte die Erteilung einer Baubewilligung für den Neubau einer Gewerbehalle auf dem nunmehr in ihrem Eigentum stehenden Baugrundstück; am 3. August 2020 stellte sie den Antrag, das Baugrundstück zum Bauplatz zu erklären.

7        Der Revisionswerber erhob im Baubewilligungsverfahren Einwendungen, dem Verfahren betreffend die Bauplatzerklärung wurde er nicht beigezogen.

8        Mit Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde N. vom 27. August 2020 wurde der Mitbeteiligten die Baubewilligung erteilt; mit Bescheid gleichen Datums wurde das Baugrundstück zum Bauplatz erklärt (im Folgenden: Bauplatzerklärung 2020).

9        Der Revisionswerber erhob gegen beide Bescheide Berufung, die schließlich vom Infrastrukturausschuss der Gemeindevertretung der Stadtgemeinde N. hinsichtlich der Baubewilligung als unbegründet abgewiesen wurde; über die Berufung betreffend die Bauplatzerklärung war zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses noch nicht entschieden worden.

10       Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Salzburg (LVwG) die Beschwerde des Revisionswerbers im Baubewilligungsverfahren mit der Maßgabe ab, dass seine Einwendungen betreffend die Verletzung von Abstandsverletzungen und die Höhenvorschriften abgewiesen, jene betreffend die Unvollständigkeit der Antragsunterlagen, die Verletzung der Bestimmungen über die Ausnutzbarkeit der Grundfläche, die Festlegung der Baufluchtlinie, den unzureichenden Nachweis von Kfz-Stellplätzen, die mangelnden Aufstellflächen auf der Bauliegenschaft, die Nichteinhaltung von bautechnischen Bestimmungen im Zusammenhang mit dem Brandschutz, der Belichtungsflächenberechnung und der Heizung zurückgewiesen wurden. Eine ordentliche Revision wurde für zulässig erklärt.

Begründend führte das LVwG - soweit für das gegenständliche Verfahren relevant - aus, dem gegenständlichen Baubewilligungsverfahren sei die Bauplatzerklärung 1996 zugrunde zu legen, weil das Berufungsverfahren betreffend die Bauplatzerklärung 2020 noch nicht abgeschlossen und diese somit nicht rechtskräftig sei. Der diesbezügliche Antrag der Mitbeteiligten werde zurückzuweisen sein, weil eine Antragsvoraussetzung, nämlich die Unterschrift des Revisionswerbers als Eigentümer des von der zu ändernden Bauplatzerklärung 1996 mit umfassten Nachbargrundstückes fehle (Hinweis auf VwGH 12.8.2014, 2013/06/0011).

In weiterer Folge prüfte das LVwG das Bauvorhaben anhand der in der Bauplatzerklärung 1996 festgelegten Gebäudehöhe und gelangte zu dem Ergebnis, dass die Höhenfestlegungen nicht verletzt würden und die diesbezüglichen Einwendungen des Revisionswerbers daher abzuweisen gewesen seien.

Hinsichtlich der Einhaltung der Grundflächenzahl und der Baumassenzahl - so das LVwG - könne der Revisionswerber kein subjektiv-öffentliches Recht geltend machen, weil er ein solches auf Einhaltung der Abstandsvorschriften und der Gebäudehöhe habe (Hinweis auf VwGH 23.3.2020, Ra 2019/06/0249; 17.12.2009, 2008/06/0080); dem Nachbarn komme in Bezug auf die Ausnutzbarkeit der Grundfläche (Gebäudedichte) nur dann ein Mitspracherecht zu, wenn die Gebäudehöhe und der Abstand nicht festgelegt seien. § 25 Abs. 7 lit. c Bebauungsgrundlagengesetz (BGG) sehe jedoch eine „negative“ Festlegung des Abstandes insofern vor, als für Betriebsbauten innerhalb der im Flächenwidmungsplan als Gewerbegebiet ausgewiesenen Gebiete hinsichtlich des Abstandes zueinander die in § 25 BGG festgelegten Abstandsbestimmungen nicht anzuwenden seien; diese Ausnahme beziehe sich nicht nur auf die innerhalb desselben Bauplatzes zueinander einzuhaltenden Gebäudeabstände, sondern auch auf die in § 25 Abs. 3 BGG angeordneten Grenzabstände (Hinweis auf VwGH 26.9.2002, 2001/06/0009). Die auf dem Nachbargrundstück im Betriebsobjekt befindliche Betriebswohnung ändere nichts daran, dass der vordergründige Verwendungszweck des Gebäudes eine betriebliche Nutzung sei. Darüber hinaus dienten die Festlegungen über die bauliche Ausnutzbarkeit des Bauplatzes auch nicht dem Nachbarschutz, „wenn es sich um einen gemeinsamen Bauplatz handelt“.

Die Zulassung der ordentlichen Revision wurde damit begründet, dass in der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes noch nicht geklärt sei, „ob die Festlegung und Einhaltung der baulichen Ausnutzbarkeit der Grundfläche im Sinn des § 56 Abs. 1 ROG 2009 durch Baumassen-, Geschoßflächen- oder Grundflächenzahl in der Bauplatzerklärung dann eine ‚dem Nachbarschutz dienende Festlegung in der Bauplatzerklärung‘ darstellt, wenn es sich um einen gemeinsamen und zum Teil bereits bebauten Bauplatz handelt, womit der Nachbar die Einhaltung der Bestimmung des § 24 Abs 2 BGG im Baubewilligungsverfahren geltend machen könnte (vgl dazu auch VwGH 13.10.2010, 2010/06/0148).“

11       Sowohl die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht als auch die Mitbeteiligte beantragten die Zurück- bzw. Abweisung der Revision.

12       Der Revisionswerber formulierte in der Zulässigkeitsbegründung die Frage, ob es sich bei der Festlegung der Größe der baulichen Ausnutzbarkeit um eine Festlegung handle, die auch dem Nachbarschutz diene; es bedürfe klärender Rechtsprechung, „ob bzw. dass ein Mitspracherecht bei der Festlegung der Größe der baulichen Ausnutzbarkeit im gemeinsamen Bauplatz besteht und dem Nachbarn diesbezüglich ein subjektiv-öffentliches Recht zukommt.“

13       Auch in einer ordentlichen Revision hat der Revisionswerber von sich aus die Zulässigkeitsgründe gesondert darzulegen, wenn die Begründung der Zulässigkeit der Revision durch das Verwaltungsgericht für die Beurteilung deren Zulässigkeit nicht ausreicht oder der Revisionswerber andere Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung für gegeben erachtet (vgl. VwGH 30.9.2021, Ro 2018/06/0013, Rn. 18, mwN).

14       Zunächst ist festzuhalten, dass dem Revisionswerber als Eigentümer eines von der Bauplatzerklärung 1996 betroffenen Grundstücke im Verfahren zur Erklärung des Baugrundstückes zum Bauplatz Parteistellung zukommt. Der diesbezügliche Antrag der Mitbeteiligten wird daher - wie das LVwG zutreffend ausführte - mangels Vorliegen einer Antragsvoraussetzung zurückzuweisen sein (vgl. VwGH 12.8.2014, 2013/06/0011).

15       Sowohl das LVwG als auch der Revisionswerber gingen davon aus, dem gegenständlichen Verfahren sei die Bauplatzerklärung 1996 zugrunde zu legen, weil die Bauplatzerklärung 2020 noch nicht in Rechtskraft erwachsen sei.

Diesbezüglich ist jedoch zu berücksichtigen, dass gemäß § 12a BGG eine Bauplatzerklärung entweder als selbständiger Verwaltungsakt (lit. a) oder als Teil der Baubewilligung (lit. b) beantragt werden kann. Da gemäß § 24 Abs. 3 BGG auf die Genehmigung zur Änderung eines Bauplatzes die Vorschriften über die Bauplatzerklärung sinngemäße Anwendung finden, kann auch ein Antrag auf Änderung einer Bauplatzerklärung entweder selbständig oder gemeinsam mit einem Antrag auf Erteilung einer Baubewilligung eingebracht werden. In letzterem Fall ist die Bauplatzerklärung in den Spruch des Bescheides als von der Baubewilligung gesonderter Teil aufzunehmen (§ 12a Abs. 3 letzter Satz BGG). Bei einer solchen Vorgangsweise liegt zum Zeitpunkt der Entscheidung über die Baubewilligung naturgemäß noch keine Rechtskraft der Bauplatzerklärung vor. Für den Fall, dass die Bauplatzerklärung als selbständiger Verwaltungsakt (lit. a) beantragt wird, enthält das BGG keine abweichenden Bestimmungen hinsichtlich eines Rechtskrafterfordernisses derselben im Hinblick auf eine Berücksichtigung im Verfahren zur Erteilung einer Baubewilligung. Angesichts dessen ist auch dann, wenn eine Bauplatzerklärung im Rahmen eines selbständigen Verfahrens (lit. a) noch nicht rechtskräftig erteilt wurde, diese im Baubewilligungsverfahren zu berücksichtigen.

Den Ausführungen des LVwG im angefochtenen Erkenntnis, wonach zum Zeitpunkt der Erlassung des Erkenntnisses über die Berufung gegen die Bauplatzerklärung 2020 noch kein behördlicher Abspruch erfolgt sei (und diese durch die Berufungsbehörde daher auch nicht aufgehobern worden war), tritt der Revisionswerber nicht entgegen.

Für das gegenständliche Verfahren bedeutet dies, dass das Vorhaben nicht anhand der Bauplatzerklärung 1996, sondern der Bauplatzerklärung 2020 zu beurteilen ist.

16       Angesichts dessen erweisen sich die für die Zulassung einer ordentlichen Revision formulierten Fragen, „ob die Festlegung und Einhaltung der baulichen Ausnutzbarkeit der Grundfläche im Sinn des § 56 Abs. 1 ROG 2009 durch Baumassen-, Geschoßflächen- oder Grundflächenzahl in der Bauplatzerklärung dann eine ‚dem Nachbarschutz dienende Festlegung in der Bauplatzerklärung‘ darstellt, wenn es sich um einen gemeinsamen und zum Teil bereits bebauten Bauplatz handelt“, bzw. „ob bzw. dass ein Mitspracherecht bei der Festlegung der Größe der baulichen Ausnutzbarkeit im gemeinsamen Bauplatz besteht und dem Nachbarn diesbezüglich ein subjektiv-öffentliches Recht zukommt“, als nicht entscheidungsrelevant, weil das Baugrundstück und das Nachbargrundstück unter Zugrundelegung der Bauplatzerklärung 2020 keinen gemeinsamen Bauplatz mehr bilden.

17       Für Konstellationen, wie sie sich bei Anwendung der Bauplatzerklärung 2020 ergeben, besteht eine gefestigte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Salzburger Rechtslage, wonach Nachbarn kein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung der die bauliche Ausnutzbarkeit der Grundfläche regelnden Geschoßflächen-, Grundflächen- oder Baumassenzahl zukommt, weil sie bereits ein subjektiv-öffentliches Recht auf Einhaltung von Abstandsvorschriften und Gebäudehöhen haben (vgl. nochmals VwGH 23.3.2020, Ra 2019/06/0249 bis 0253, Rn. 8, mwN).

18       In der Revision wird somit keine Rechtsfrage aufgeworfen, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme; sie war daher gemäß § 34 Abs. 1 und 3 VwGG zurückzuweisen.

19       Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere § 51 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.

Wien, am 20. April 2022

Schlagworte

Baurecht Nachbar Nachbarrecht Nachbar Anrainer Grundnachbar subjektiv-öffentliche Rechte, Vorschriften, die keine subjektiv-öffentliche Rechte begründen BauRallg5/1/9

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RO2021060017.J00

Im RIS seit

12.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

23.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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