Index
40/01 VerwaltungsverfahrenNorm
AVG §45 Abs2Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma sowie die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, in der Revisionssache der Gemeinde L, vertreten durch Mag.a Julia Lang, Rechtsanwältin in 6020 Innsbruck, Stiftgasse 23/III, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 24. Juni 2019, LVwG-2017/31/0745-8, betreffend Versagung der aufsichtsbehördlichen Genehmigung für die Änderung eines Flächenwidmungsplanes (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Tiroler Landesregierung), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
2 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegen der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen.
3 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
4 Die Beurteilung der Zulässigkeit der Revision erfolgt ausschließlich anhand des Vorbringens in der Zulassungsbegründung. Der Verwaltungsgerichtshof ist weder verpflichtet, Gründe für die Zulässigkeit einer Revision anhand der übrigen Revisionsausführungen gleichsam zu suchen, noch berechtigt, von Amts wegen erkannte Gründe, die zur Zulässigkeit einer Revision hätten führen können, aufzugreifen (vgl. für viele VwGH 1.2.2022, Ra 2021/05/0171, mwN).
5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol (LVwG) wurde die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den Bescheid der Tiroler Landesregierung vom 20. Februar 2017, mit welchem dem Beschluss des Gemeinderates der Gemeinde L. (in der Folge: Gemeinderat) vom 1. Dezember 2015 betreffend die Änderung eines näher bezeichneten Flächenwidmungsplanes die aufsichtsbehördliche Genehmigung versagt worden war, nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet abgewiesen (1.). Gleichzeitig wurde ausgesprochen, dass gegen dieses Erkenntnis eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG unzulässig sei (2.).
6 Begründend führte das LVwG dazu zusammengefasst aus, laut Erläuterungsbericht zur gegenständlichen Flächenwidmungsplanänderung sollten mit dieser die raumordnungsrechtlichen Voraussetzungen für die Errichtung einer „Kochhütte“ geschaffen werden. Sonderflächen für land- und forstwirtschaftliche Gebäude und Anlagen müssten gemäß § 47 Abs. 1 lit. a TROG 2016 für einen bestehenden land- und fortwirtschaftlichen Betrieb betriebswirtschaftlich erforderlich sein. Nach der „Kochhütten-Richtlinie“ (Anmerkung: des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 29. März 2006) habe das Ausmaß der tatsächlich bewirtschafteten Flächen mindestens einen Hektar aus im Eigentum des Betreibers stehendem Grund zu betragen. Dass bloße Pachtflächen für die Begründung einer betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit nicht ausreichten, sei aus näheren Gründen nachvollziehbar. Im durch das LVwG ergänzten Ermittlungsverfahren sei der beigezogene argarfachliche Amtssachverständige u.a. zum Ergebnis gekommen, dass im Eigentum stehende bewirtschaftete Flächen des Widmungswerbers im Ausmaß von einem Hektar nach wie vor nicht vorlägen. Die Revisionswerberin selbst habe auf die Kriterien der „Kochhütten-Richtlinie“ bei ihrer mit Bescheid der belangten Behörde vom 10. Oktober 2016 genehmigten Änderung des örtlichen Raumordnungskonzeptes verwiesen. Eine restriktive Handhabung der Widmungsvoraussetzungen des § 47 TROG 2016 sei auch insofern geboten, als selbst bei Wegfall der „Standortgunst“ und im Fall der Rückwidmung derartiger Sonderflächen im Freiland § 42 Abs. 1 TROG 2016 umfangreiche Erweiterungsmaßnahmen derartiger ehemaliger land- und forstwirtschaftlicher Gebäude ermögliche. Der Revisionswerberin sei darin beizupflichten, dass die genannte „Kochhütten-Richtlinie“ keine unmittelbaren normativen Wirkungen für den gegenständlichen Fall entfalte. Derartige Richtlinien, Leitlinien oder nicht für verbindlich erklärten Ö-Normen stellten keine verbindlichen Rechtsgrundlagen dar, ihnen könne jedoch Bedeutung insoweit zukommen, als es sich dabei um „objektivierte“, also generelle Gutachten handle und von der Behörde dargetan werde, dass die in diesen enthaltenen Aussagen auch auf den konkreten Einzelfall zuträfen (Verweis auf näher bezeichnete Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Gegenständlich sei vom beigezogenen Amtssachverständigen dargelegt worden, dass die im Eigentum des Widmungswerbers stehenden bewirtschafteten Flächen tatsächlich unter 0,5 ha lägen; es sei geradezu als evident anzusehen, dass die Errichtung einer „Kochhütte“ dann und nur dann als betriebswirtschaftlich erforderlich anzusehen sei, wenn Größe und Umfang des dahinter stehenden landwirtschaftlichen Betriebes eine Kochstelle und gegebenenfalls eine (Not-)Unterkunft während der Heuarbeiten rechtfertigten. Dass eine eher unter den Titel „Liebhaberei“ zu subsumierende Mäheigenfläche von 4.500 m² bis 4.900 m² für die Errichtung einer „Kochhütte“ nicht als hinreichend zu qualifizieren sei, sei durch den Sachverständigen und die belangte Behörde schlüssig belegt worden; bereits seitens des vor der belangten Behörde beigezogenen agrarfachlichen Amtssachverständigen habe in dessen Stellungnahme vom 5. Oktober 2015 die Notwendigkeit für die Errichtung einer „Kochhütte“ nicht bestätigt werden können.
7 Mit Beschluss vom 9. Juni 2020, E 3024/2019-9, lehnte der Verfassungsgerichtshof die Behandlung der gegen dieses Erkenntnis an ihn erhobenen Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zu Entscheidung ab.
8 Nunmehr richtet sich gegen dieses Erkenntnis die vorliegende außerordentliche Revision, die zusammengefasst vorbringt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu der Frage, ob eine Sonderflächenwidmung für eine „Kochhütte“ auch betriebswirtschaftlich notwendig sei, wenn eine oder mehrere der in der „Kochhütten-Richtlinie“ aufgestellten Voraussetzungen nicht vorlägen. Zudem liege, „wie sich aus den Ausführungen zu Punkt E. dieser Revision ergibt“, eine unvertretbare Beurteilung des LVwG in Zusammenhang mit § 47 Abs. 1 lit. a TROG 2016 vor.
Mit diesem Vorbringen wird die Zulässigkeit der Revision nicht dargetan.
9 Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits vielfach ausgesprochen hat, genügt ein Verweis in den Revisionszulässigkeitsgründen auf die sonstigen Ausführungen der Revision zur Darlegung der Zulässigkeit der Revision nicht (vgl. VwGH 12.8.2020, Ra 2020/05/0135 oder auch 27.4.2016, Ra 2016/05/0017, mwN), ebenso nicht auf Vorbringen im Beschwerdeverfahren (VwGH 24.1.2017, Ra 2017/05/0005, mwN). Auch begründet der bloße Umstand, dass eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes zu einem vergleichbaren Sachverhalt oder einer bestimmten Rechtsnorm fehlt, für sich allein noch keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung (vgl. VwGH 12.6.2020, Ra 2020/05/0070, 0071, 24.2.2015, Ro 2014/05/0097, jeweils mwN, vgl. zum Ganzen VwGH 31.8.2020, Ra 2020/05/0118).
10 Nach § 47 Abs. 1 TROG 2016 ist die Widmung von Grundflächen als Sonderflächen für sonstige land- und forstwirtschaftliche Gebäude und Anlagen, wie unter anderem Kochhütten, nur zulässig, wenn die Gebäude oder Anlagen nach Größe, Ausstattung und sonstiger Beschaffenheit für einen bestehenden land- und forstwirtschaftlichen Betrieb betriebswirtschaftlich erforderlich sind und die Widmung insbesondere den Zielen der örtlichen Raumordnung nach § 27 Abs. 2 lit. f, g, h, i und j leg. cit. nicht widerspricht.
11 Die im angefochtenen Erkenntnis zitierte, intern an die Gemeinden des Bundeslandes Tirol gerichtete „Kochhütten-Richtlinie“ des Amtes der Tiroler Landesregierung vom 29. März 2006 sieht unstrittig vor, dass die Frage, ob eine betriebswirtschaftliche Erforderlichkeit der Errichtung einer Kochhütte gegeben sei, von einem landwirtschaftlichen Sachverständigen zu beurteilen sei. Weiters sind in dieser Richtlinie Kriterien angeführt, von denen bei der Beurteilung dieser Frage auszugehen sei.
12 Richtlinien, Leitlinien oder auch (nicht für verbindlich erklärte) Ö-Normen stellen nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes keine verbindlichen Rechtsquellen dar (vgl. etwa VwGH 2.11.2016, Ra 2014/06/0034 oder auch 26.2.2004, 2003/07/0060, jeweils mwN). Dem LVwG ist beizupflichten - wovon auch alle Verfahrensparteien einschließlich der Revisionswerberin übereinstimmend ausgehen - dass es sich bei der genannten Richtlinie nicht um Regelungen mit normativer - also rechtsgestaltender oder die Rechtslage verbindlich feststellender - Wirkung handelt.
13 Die Berufung auf die „Kochhütten-Richtlinie“ allein reicht somit nicht aus, um festzustellen, ob eine betriebswirtschaftliche Notwendigkeit im Sinne des § 47 TROG 2016 vorliegt. Dieser kann für den Revisionsfall Bedeutung nur insoweit zukommen, als es sich dabei um ein im Sinne der Rechtsprechung „objektiviertes“, d.h. generelles Gutachten handelt und von der Behörde dargetan wird, dass die darin enthaltenen Aussagen auch auf den konkreten Einzelfall zutreffen (vgl. nochmals VwGH 26.2.2004, 2003/07/0060).
14 Fallbezogen sind sowohl die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht als auch das LVwG selbst diesem Erfordernis nachgekommen, indem sie jeweils amtssachverständige Stellungnahmen zur Frage der betriebswirtschaftlichen Notwendigkeit der verfahrensgegenständlichen Sonderflächenwidmung eingeholt haben.
15 Die Würdigung eines Sachverständigengutachtens, und damit auch die Frage, ob ein Verwaltungsgericht einem Gutachten folgt oder nicht, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes Teil der Beweiswürdigung. Der Verwaltungsgerichtshof ist als Rechtsinstanz tätig und zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen. Auch kann einer Rechtsfrage nur dann grundsätzliche Bedeutung zukommen, wenn sie über den konkreten Einzelfall hinaus Bedeutung besitzt. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung läge eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (vgl. VwGH 29.11.2017, Ra 2015/04/0014, mwN).
16 In der Zulässigkeitsbegründung der vorliegenden Revision wird keine Unschlüssigkeit des eingeholten Sachverständigengutachtens vorgebracht; die Revision behauptet auch nicht, dass die Würdigung der der Entscheidung zugrundegelegten Gutachten durch das LVwG in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise erfolgt wäre. Inwieweit die vom LVwG durchgeführte Beweiswürdigung fallbezogen unvertretbar wäre, legt die Revision mit dem allgemeinen Vorbringen in ihren Zulässigkeitsgründen daher nicht dar und zeigt damit weder einen vom Verwaltungsgerichthof aufzugreifenden Verfahrensmangel, noch eine diesbezügliche Relevanz auf (vgl. für viele VwGH 2.5.2019, Ra 2019/05/0067, oder auch 24.3.2015, Ra 2015/05/0010, jeweils mwN).
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 20. April 2022
Schlagworte
Beweiswürdigung Wertung der Beweismittel Gutachten Beweiswürdigung der Behörde Gutachten ParteiengehörEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020060157.L00Im RIS seit
12.05.2022Zuletzt aktualisiert am
23.05.2022