Norm
BDG 1979 §43 Abs2Schlagworte
VertrauenswahrungText
Der Disziplinarsenat 44 der Bundesdisziplinarbehörde hat am 22.11.2021 durch den Senatsvorsitzenden Bgdr Mag. iur. Mario Franz SCHAFFER und den weiteren Senatsmitgliedern Vzlt Bernhard WIDI und Vzlt Helmut GÖDL (vom ZA bestellt) im Wege eines Umlaufbeschlusses beschlossen:
Gegen den Disziplinarbeschuldigten wird hinsichtlich des in der Disziplinaranzeige vom N.N., GZ N.N., dargelegten Verdachtes einer Pflichtverletzung auf Grund eines Verstoßes gegen § 43 Abs. 2 BDG (Vertrauenswahrung) gemäß § 72 Abs. 2 Z 2 HDG iVm. § 62 Abs. 3 Z 2 HDG
das Senatsverfahren nicht eingeleitet und das Disziplinarverfahren eingestellt.
BEGRÜNDUNG
Sachverhalt
Gang des Disziplinarverfahrens
Mit Schreiben, GZ N.N., vom N.N. wurde der Disziplinarbeschuldigte in Kenntnis gesetzt, dass ein Disziplinarverfahren gegen ihn eingeleitet wird. Diesem Schreiben ist zusammengefasst zu entnehmen:
Mit gleichem Datum wurde der Dienststellenausschuss beim JaKdo schriftlich in Kenntnis gesetzt, dass gegen den Bediensteten die Erlassung einer Disziplinaranzeige beabsichtigt ist.
Mit Bescheid, GZ N.N., vom N.N. wurde der Disziplinarbeschuldigte gemäß § 40 Abs. 1 Z 2 HDG vorläufig vom Dienst enthoben.
Der Disziplinaranzeige vom N.N., GZ N.N., ist zusammengefasst folgendes zu entnehmen:
(…) „II. SACHVERHALT:
Kommando JaKdo wurde vom Abwehramt mit der GZ N.N. datiert vom N.N. vom Sachverhalt wie folgt in Kenntnis gesetzt. Mit gleicher GZ wurde die Prüfbescheinigung der erweiterten Verlässlichkeit entzogen. Der Disziplinarbeschuldigte ist dringend verdächtig, dass er Unterstützer und Sympathisant der Gruppierung N.N. und Unterstützer der Gruppierung N.N. ist. Beide angeführten Organisationen sind durch das BMI/BVT als rechtsextrem bzw. verfassungsfeindlich eingestuft.
Er hat/hatte somit Kontakt zu verfassungsfeindlichen Gruppierungen und es ist daher davon auszugehen, dass er die Ideologie dieser Organisationen teilt und auch verinnerlicht hat.
Der Sachverhalt ist durch die bisherigen Erhebungen, durch seine persönlichen Angaben und den Entzug der erweiterten Verlässlichkeit ausreichend erhoben. Im Wesentlichen wird ihm vorgeworfen, dass er Sympathisant und aktiver Unterstützer der Bewegung N.N. ist. Er hat zumindest bei einer Kundgebung dieser Bewegung (am N.N. zum Thema „MIGRATIONSÜBERFLUTUNG“) aktiv beim Verteilen von Flyern teilgenommen und darüber hinaus diese Bewegung mit zumindest einer Spende von 70€ unterstützt. Er hat persönlichen Kontakt zu führenden Personen der Gruppierung N.N. bzwN.N. wie z.B. zu A.A. und B.B. und hat an 3 bis 4 Bürgertreffpunkten der N.N. in Lokalen in WIEN teilgenommen. Darüber hinaus stehen er mit Personen der Gruppierung über Soziale Medien, wie Instagram, Telegram in Kontakt. Bereits am N.N. haben er an einer Kundgebung der Gruppierung N.N. in WIEN teilgenommen („Kundgebung gegen den Bevölkerungsaustausch, Was habt ihr aus Wien gemacht!). Beim Auskunftsverlangen haben er zugegeben, dass er ebenfalls bereits Zahlungen an die rechtsextreme N.N. geleistet hat. Die Zahlungen - weniger als 10mal - erfolgten in bar an C.C. der N.N.. Den Beitritt zur N.N. als Heimatschützer vom N.N. unter der Angabe seiner Kontodaten und des Förderbeitrages von €10/pro Monat, hat Sie nach eigenen Angaben am darauffolgenden Tag telefonisch zurückgezogen.
III. Verletzte Pflicht(en) (insbesondere fachspezifische Verordnungen, Erlässe):
Der Disziplinarbeschuldigte ist Soldat in einem öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis. Eine mangelnde Verfassungstreue und Loyalität zur Republik Österreich die sich aus der Unterstützung der oa. Gruppierungen ableiten lässt steht im Widerspruch zu:
§ 43 Abs. 1 und 2 BDG 1979: Dienstpflichten des Beamten, Allgemeine Dienstpflichten
§ 41 Abs. 7 WG 2001: Treuegelöbnis als Soldat
§ 3 ADV Abs. 1 und 2: Allgemeine Pflichten des Soldaten in Bezug auf allgemeines Verhalten, Ansehen des Bundesheeres und das Vertrauen der Bevölkerung in die Landesverteidigung, Treueverhältnis zur Republik Österreich und der demokratischen Einrichtungen.
§ 7 ADV : Gehorsam
§ 2 Abs. 1 HDG 2014: Pflichtverletzung eines Soldaten
Der § 43 Abs. 1 und 2 BDG fordert: Der Beamte ist verpflichtet, seine dienstlichen Aufgaben unter Beachtung der geltenden Rechtsordnung treu, gewissenhaft, engagiert und unparteiisch mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln aus eigenem zu besorgen bzw. der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt. iVm der Angelobung als Beamter, § 7 Abs. 1 BDG (Ich gelobe, dass ich die Gesetze der Rep Ö befolge und alle mit meinem Amte verbundenen Pflichten treu und gewissenhaft erfüllen werde). Der § 41 Abs. 7 WG 2001 (Treuegelöbnis als Soldat) fordert: Ich gelobe, mein Vaterland, die Republik Österreich und sein Volk zu schützen und mit der Waffe zu verteidigen. Ich gelobe den Gesetzen und den gesetzmäßigem Behörden Treue und Gehorsam zu leisten, alle Befehle meiner Vorgesetzten pünktlich und genau zu befolgen und mit allen meinen Kräften der Republik Österreich und dem österreichischen Volke zu dienen und der § 3 Abs. 1 und 2 ADV fordert: Es ist alles zu unterlassen, was das Ansehen des Bundesheeres und das Vertrauen der Bevölkerung in die Landesverteidigung beeinträchtigen könnte bzw. Der Soldat steht auf Grund der ihm übertragenen Aufgabe, sein Vaterland und sein Volk zu schützen und mit der Waffe zu verteidigen, in einem besonderen Treueverhältnis zur Republik Österreich. Er ist im Rahmen dieses Treueverhältnisses insbesondere zur Verteidigung der Demokratie und der demokratischen Einrichtungen sowie zu Disziplin, Kameradschaft, Gehorsam, Wachsamkeit, Tapferkeit und Verschwiegenheit verpflichtet.
Der § 7 ADV normiert den Gehorsam, wobei erteilte Befehle nach besten Kräften vollständig, gewissenhaft und pünktlich zu befolgen sind.
Das im Verdachtsbereich vorliegende pflichtverletzende Verhalten stellt einen massiven Einbruch in das Vertrauen der Allgemeinheit und in die Grundfesten der Landesverteidigung dar. Disziplin und Ordnung sind nicht Selbstzweck, sondern notwendige Basis der militärischen Auftragserfüllung. Ein Unteroffizier des Jagdkommandos, der für seine unterstellten Soldaten die Verantwortung zu übernehmen und sie bei der Auftragserfüllung anzuleiten und zu unterstützen hat, jedoch im Verdacht steht, mit verbotenen bzw. verfassungsfeindlichen Gruppierungen zu sympathisieren und diese zu unterstützen ist eine Gefahr für die Disziplin und Ordnung des Verbandes und das Ansehen des gesamten Bundesheeres.
Das Jagdkommando ist ein Eliteverband der Streitkräfte und steht mit seinem Wahlspruch „Numquam retro“ (dt: Niemals zurück) nach innen und außen für Stabilität und Aufgabenerfüllung unter schwersten Bedingungen.
Die Disziplin und Ordnung im Jagdkommandos wäre dadurch gefährdet, da den ho eingesetzten Soldaten nicht verständlich gemacht werden kann, dass ein Unteroffizier, dem die verfahrensgegenständlichen Pflichtverletzungen zur Last gelegt werden, weiterhin seinen Dienst dort versieht.
Als Beamter und Soldat des Jagdkommandos sind besondere Kriterien der Verlässlichkeit zu erfüllen. Das Vertrauen und die Achtung der Mitarbeiter im Jagdkommando, welche für die Aufgabenerfüllung innerhalb der Dienststelle benötigt werden, sind erheblich beeinträchtigt, wobei der pflichtverletzende Verdacht Sie vorerst aus der sozialen Wertegemeinschaft der Soldaten und Mitarbeiter ausschließt. Eine darauffolgende Isolierung setzt sich auch im engsten Dienstbetrieb fort. Darüberhinausgehend sind jedoch auch andere dienstliche Interessen, wie das Betriebsklima, Teamfähigkeit und die Funktionalität der Arbeitsabläufe, als wesentliche Interessen schützenswert.
Alle Mitarbeiter und Vorgesetzte müssen darauf vertrauen können, dass ein Unteroffizier des Jagdkommandos ein Garant für eine tadellose Dienstausübung mit entsprechendem Verhalten ist und eine Vorbildfunktion für Auszubildende als auch jedwede Mitarbeiter ausübt, und keine Verstöße gegen die Dienstpflicht der Vertrauenswahrung begeht. Ein Zweifel an der unumschränkten Integrität mangels Vorbildwirkung und Verantwortungsbewusstsein bringt eine Beeinträchtigung des Betriebsklimas und daraufhin eine Störung der Arbeitsabläufe bis hin zur Herabsetzung der Einsatzbereitschaft des gesamten Verbandes mit sich.
Der Sachverhalt im Zusammenhang mit dem verfahrensgegenständlichen Verdacht entspricht nicht den Anforderungen, die an einen Unteroffizier und Beamten gestellt werden und widerspricht auch gröblich den Dienstpflichten.
Es besteht der begründete Verdacht, dass er Pflichtverletzungen im Sinne des § 2 Abs. 1 Z. 1 HDG 2014 begangen hat. Nach dem Wortlaut des § 40 Abs 1 HDG 2014 sind die dienstlichen Interessen dem Schutzzweck der Norm unterstellt und werden insbesondere durch die Aufrechterhaltung der Disziplin und Ordnung determiniert.
Das Disziplinarverfahren wurde am N.N. eingeleitet.
Die Mitteilung an die Personalvertretung wurde mit Schreiben vom N.N. durchgeführt.
Aufgrund der Art der Pflichtverletzung war es nicht möglich, den Disziplinarbeschuldigten im Dienst zu belassen, da das Ansehen des Amtes sowie wesentliche Interessen des Dienstes, insbesondere die Aufrechterhaltung der Disziplin und Ordnung, durch die Belassung im Dienst gefährdet wären. Somit wurde die vorläufige Dienstenthebung am N.N. ausgesprochen. (…)“
Mit Bescheid, GZ N.N., vom N.N. wurde der Disziplinarbeschuldigte gemäß § 40 Abs. 1 Z 2 HDG vorläufig vom Dienst enthoben. Da sich die Ausführungen in der Disziplinaranzeige im Wesentlichen mit jenen der vorläufigen Dienstenthebung decken, wird an dieser Stelle auf eine nochmalige Wiedergabe verzichtet.
Am N.N. wurden der Bundesdisziplinarbehörde die Unterlagen des Abwehramtes hinsichtlich des Entzuges der Verlässlichkeit (iSd. § 23 MBG) des Bediensteten übermittelt und am N.N. erfolgte die Übersendung der Niederschrift des Abwehramtes vom N.N., worin der Disziplinarbeschuldigte als Auskunftsperson befragt wurde.
Am N.N. hat der Disziplinarsenat 44 der Bundesdisziplinarbehörde nach Durchführung einer nichtöffentlichen Verhandlung (rechtskräftig) beschlossen (GZ N.N. vom N.N.), dass der Disziplinarbeschuldigte nicht vom Dienst enthoben wird.
Am N.N. wurde (in Form eines Umlaufbeschlusses) durch den Disziplinarsenat 44 der Bundesdisziplinarbehörde der gegenständliche Beschluss über die die Nicht-Einleitung des Senatsverfahrens und Einstellung des Disziplinarverfahrens gegen den Disziplinarbeschuldigten getroffen.
Der Disziplinarsenat 44 der Bundesdisziplinarbehörde hat erwogen
1.) Feststellungen
Der Disziolinarbeschuldtigte befindet sich als Militärperson auf Zeit (MZUO) in einem befristeten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und fällt dementsprechend in den Anwendungsbereich des BDG und des HDG.
Familienstand: N.N.
Geburtsdatum: N.N.
Soz.Vers.Nr.: N.N.
Dienststelle: N.N.
Dienstliche Tätigkeit: N.N.
Einstufung: N.N.
Bruttogehalt: N.N.
Nebeneinkünfte: keine
Vermögen: ---
Schulden: ---
Unterhaltsverpflichtungen: keine
Gerichtliche/disziplinäre Vorstrafen: nein
Gemäß der derzeit gültigen Geschäftseinteilung der Bundesdisziplinarbehörde für das Jahr 2021 ist – für Soldatinnen und Soldaten im Unteroffiziersrang sowie Chargen, deren Disziplinarvorgesetzte ihren Dienstort im Burgenland, Niederösterreich oder Wien haben – der Disziplinarsenat 44 für die Entscheidung über diese Disziplinarangelegenheit zuständig.
Nach Überprüfung des Sachverhaltes konnte seitens des Disziplinarsenates 44 weder eine Verfolgungs- noch Strafbarkeitsverjährung iSd. § 3 Abs. 1 und 2 HDG festgestellt werden.
2.) Entscheidungsrelevanter Sachverhalt
Auf Grund der Eindeutigkeit der Aktenlage kann auf den im Spruch festgestellten Sachverhalt verwiesen werden kann.
3.) Beweiswürdigung
Auf Grund der Vorlage der Einleitung des Disziplinarverfahrens (JaKdo), der Mitteilung an den DA, der Disziplinaranzeige (JaKdo), der vorläufigen Dienstenthebung (JaKdo), der Disziplinaranzeige (JaKdo), der Begründung über den Entzug der Verlässlichkeit (AbwA), der Niederschrift als Auskunftsperson (AbwA), des Vereinsregisterauszuges (Stichtag N.N.) der LPD WIEN und dem Ergebnis der nicht-öffentlichen mündlichen Verhandlung vom N.N. über die Dienstenthebung, des rechtskräftigen Beschlusses vom N.N. (GZ N.N.), konnte aus Sicht des Disziplinarsenates die für den Beschluss maßgeblichen Gründe hinreichend nachgewiesen werden.
Keine der Verfahrensparteien hat die im Akt aufliegenden Beweismittel in Zweifel gezogen.
4.) Rechtliche Beurteilung
Rechtsgrundlagen
§ 43 Abs. 2 BDG lautet:
„(2) Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, daß das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.“
§ 3 Abs. 7 ADV lautet:
„Auch das äußere Verhalten des Soldaten muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die der Dienst als Soldat erfordert. Zu einem solchen Verhalten ist der Soldat gegenüber jedermann verpflichtet, gleichgültig, ob im oder außer Dienst, ob in Uniform oder in Zivil.“
§ 72 Abs. 2 HDG lautet auszugsweise:
(…) „(2) Ist nach Durchführung der notwendigen Erhebungen der Sachverhalt ausreichend geklärt, so hat der Senat
1.
einen Einleitungsbeschluss zu erlassen oder,
2.
sofern ein Einstellungsgrund nach § 62 Abs. 3 vorliegt, das Verfahren mit Beschluss einzustellen.
(…)“
§ 62 Abs. 3 HDG lautet:
„Das Verfahren ist durch die Disziplinarkommandanten formlos einzustellen, wenn
1. der Beschuldigte die ihm zur Last gelegte Pflichtverletzung nicht begangen hat oder diese Pflichtverletzung nicht erwiesen werden kann oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen, oder
2. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Pflichtverletzung darstellt oder
3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder
4. die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutenden Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von weiteren Pflichtverletzungen abzuhalten oder um Pflichtverletzungen anderer Personen entgegenzuwirken.
Wurde einem Beschuldigten die Einleitung eines Disziplinarverfahrens bereits mitgeteilt, so ist ihm auch die formlose Einstellung des Verfahrens unter Hinweis auf den Einstellungsgrund nach Z 1 bis 4 mitzuteilen.“
Zum Beschluss
a.) Grundsätzliches zur Vertrauenswahrung (§ 43 Abs. 2 BDG) und zu den Einstellungsgründen des § 62 Abs. 3 HDG
Hinsichtlich der Vertrauenswahrung kann festgestellt werden, dass im Sinne der Bestimmung des § 43 Abs. 2 BDG 1979 der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen hat, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt.
In Hinblick auf § 3 Abs. 7 ADV ist immer dann eine Pflichtverletzung zu verorten, wenn der Soldat als Einzelperson ein Verhalten setzt, dass von einem korrekten soldatischen Verhalten bzw. von einem korrekten soldatischen Auftreten massiv abweicht. Eine diesbezügliche qualifizierte Öffentlichkeit dieses Verhaltens ist dabei nicht erforderlich, sondern es genügt die Wahrnehmbarkeit – und eben nicht die faktische Wahrnehmung des Verhaltens – durch andere Personen. Hier wird dementsprechend ein erhöhtes Maß an Korrektheit und Besonnenheit in all jenen Angelegenheiten von Soldaten zu fordern sein – insbesondere in einer Offiziersfunktion – die Außenstehende in einem Zusammenhang mit seiner dienstlichen Tätigkeit beim Bundeheer bringen können (vgl. ua. Löffler, ADV-Kommentar, 29ff).
Der entscheidende Punkt hierbei ist ein inner- oder außerdienstliches Verhalten eines Soldaten, dass bei Dritten Bedenken dagegen auslöst, dass dieser bei der Vollziehung seiner Aufgaben (besonderer Funktionsbezug) rechtmäßig vorgehen werde und damit seine Glaubwürdigkeit einbüßt. Darüber hinaus kann aber auch ein allgemeiner Bezug (allgemeiner Funktionsbezug) zu jenen Aufgaben hergestellt werden, die jedem Beamten zukommen. Damit wird somit das gesamte Verhalten des Beamten erfasst, auch das außerdienstliche Verhalten (vgl. Kucsko-Stadlmayr, Das Disziplinarrecht der Beamten4, 162ff).
Die ständige Judikatur des VwGH legt hinsichtlich des außerdienstlichen Verhaltes eines Soldaten bzw. eines Beamten darüber hinaus fest, dass bei der Prüfung der Frage, ob ein außerdienstliches Verhalten den Dienstbezug des § 43 Abs. 2 BDG 1979 aufweist, ein strengerer Maßstab anzulegen sei, als bei einem dienstlichen Verhalten. Diese Rechtsprechung trägt der ratio legis des § 43 Abs. 2 BDG 1979 insofern Rechnung, als diese Normierung nur in besonders krassen Fällen in das außerdienstliche Verhalten eines Beamten eingreife. Es dürfe sich dabei nicht nur um ein geringfügiges Fehlverhalten handeln (vgl. ua. VwGH 24.2.1999, 93/09/0419; 18.2.1998, 94/09/0344; und viele mehr…).
Hinsichtlich der Einstellungsgründe bei Disziplinarverfahren hat die Rechtsprechung für bestimmte Kategorien von „Fehlverhalten“ die Schwelle zur „disziplinären Erheblichkeit“ bestimmt und nach den Umständen des Einzelfalles jedenfalls dann verneint, wenn die Dienstpflichtverletzung nur aus formalem Fehlverhalten im Organisationsbereich besteht und solcherart kein ethisches Unrecht darstellt. Auch im öffentlichen Dienst stehen ebenso wenig wie in anderen Arbeitsbereichen nur perfekt und fehlerfrei arbeitende „Mustermenschen“ zur Verfügung (vgl. VwGH 21.02.1991, 90/09/0171; diese angeführte Judikatur bezieht sich wohlgemerkt auf das dienstliche Verhalten eines Beamten, Anm. des Senates).
Grundsätzlich ist es jedoch nicht die Aufgabe des Disziplinarrechtes, einen Beamten in moralischer und ethischer Hinsicht zu einem perfekt und fehlerfrei arbeitenden „Mustermenschen“ zu erziehen, sondern es sind nur dann disziplinäre Maßnahmen gegen ihn zu ergreifen, wenn sein Verhalten im Dienst oder in der Öffentlichkeit geeignet ist, Anstoß zu erregen oder sonst Dienstpflichten schuldhaft verletzt werden (vgl. VwGH 21.02.1991, 90/09/0171; ebenfalls bezogen auf ein dienstliches Verhalten, Anm. des Senates).
In diese Richtung gehend ist auch der § 62 Abs. 2 Z 4 HDG 2014 zu verstehen, wenn er anordnet, dass ua. ein Kommandantenverfahren dann einzustellen ist, wenn die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutenden Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von weiteren Pflichtverletzungen abzuhalten oder um Pflichtverletzungen anderer Personen entgegenzuwirken (vgl. BVwG 18.06.2015, W116 2011965-1/2E).
b.) Zum konkreten Verhalten des Beschuldigten
Es darf an dieser Stelle vorangestellt werden, dass der zu beurteilende Sachverhalt des Disziplinarverfahrens naturgemäß dem Sachverhalt des Dienstenthebungsverfahrens entspricht.
Den verfahrensauslösenden Umstand der Einleitung des Disziplinarverfahrens (und der vorläufigen Dienstenthebung) durch den Disziplinarvorgesetzten, stellte die Teilnahme von dem Disziplinarbeachuldigten an einer Flyerverteilung der Gruppierung N.N. am N.N. (Samstag) in N.N. dar.
Der Disziplinarbeschuldigte gab in der mündlichen Verhandlung vom N.N. (also im Dienstenthebungsverfahren) diesbezüglich an, dass er tatsächlich beim Informationsstand dieser Gruppierung anwesend war und auch bei der Flugzettelverteilung teilgenommen hat. Der Bedienstete sagte auch weiters glaubhaft aus, dass er zu keiner Zeit versucht habe, andere Kameraden/Soldaten dazu zu gewinnen, dass diese sich auch bei den Gruppierungen N.N. und N.N. betätigen und dass seine privaten Betätigungen im Dienst kein Thema gewesen sind.
Bei der oa. Flugzettelverteilung hat ihn der Psychologe des Jagdkommandos gesehen und hinsichtlich seiner Betätigung auch angesprochen. Am Montag darauf (N.N.) musste der Disziplinarbeschuldigte zum Rapport beim Kommandanten des Jagdkommandos (Disziplinarvorgesetzter).
Ebenfalls am N.N. musste der Bedienstete eine erweiterte Verlässlichkeitserklärung (eVLE) – es darf darauf hingewiesen werden, dass der Bedienstete seit dem Jahr 2017 bereits zwei eVLE ausgefüllt hat und diese wären der ho. Amtskenntnis entsprechend für fünf Jahre gültig – abgeben.
Warum der Bedienstete bei dieser neuerlichen bzw. letzten Erklärung durch den S2 des Jagdkommandos „angeleitet“ wurde und entsprechend dessen Vorgaben die diesbezüglichen Fragestellungen befüllte, kann vom Disziplinarsenat 44 bis dato nicht nachvollzogen werden! Die Problemstellung, ob eine solche unter „Anleitung“ abgegebene Erklärung überhaupt eine Gültigkeit hat, bleibt an dieser Stelle hintangestellt und wäre von den zuständigen Stellen im BMLV zu klären!
Es kann jedenfalls an dieser Stelle festgehalten werden, dass dem im Akt aufliegenden Vereinsregisterauszug (Stichtag 30.08.2021) des LPD WIEN entnommen werden kann, dass die N.N. (Identitäre Bewegung – Verein zur Erhaltung und Förderung der kulturellen Identität), ein Verein (ZVR-Zahl 380600847) im Sinne des österreichischen Vereinsgesetztes (Vereinsgesetz 2002 –VerG) ist, welcher am N.N. gegründet bzw. ins Vereinsregister eingetragen wurde. Die Gruppierung DIE N.N. – DO5 wurde den Ausführungen des AbwA folgend – und die diesbezügliche Recherche des Senates erzielte dasselbe Ergebnis – Ende 2019 bzw. Anfang 2020 von der N.N. gegründet, um zusammenfassend eine Bewegung zu schaffen, die unabhängig vom Lebensalter allen Personen offensteht. Die Ziele der N.N. sind mit jenen der Bewegung DIE N.N. nahezu deckungsgleich und beide Organisationen wurden vom BMI/BVT ua. als rechtsextrem eingestuft.
Im Dienstenthebungsverfahren zu diesem Sachverhalt wurde ebenfalls erhoben, dass es im BMLV keine einschlägigen Erlässe oder konkrete Weisungen, etc. gibt, die eine Betätigung von Bediensteten dieses Ressorts bei den oa. Organisationen verbieten würde. In diesem Sinne ist daher eine weiterführende Prüfung, ob der Beschuldigte ggf. gegen die Gehorsamspflicht verstoßen habe – wie es ua. auch in der Disziplinaranzeige angeführt wurde –, mangels konkreter (normativer bzw. verwaltungsinterner) Regelung obsolet.
Da weder dem Sachverhalt, aber auch nicht den Beweismitteln, Anhaltspunkte dafür zu entnehmen sind, dass der Disziplinarbeschuldigte gegen ein Straf- oder Verwaltungsstrafgesetz in Zusammenhang mit diesen oa. Organisationen verstoßen hätte und er bis zur Einleitung des Disziplinarverfahrens offensichtlich zumindest ein maßstabsgetreuer Bediensteter – der Disziplinaranzeige ist zu entnehmen, dass sich der der Disziplinarbeschuldigte in der Einsatzausbildung für Spezialkräfte beim Jagdkommando befand. Den diesbezüglichen Ausführungen in der Disziplinaranzeige aber auch der vorläufigen Dienstenthebung folgend, ist das Jagdkommando ein Eliteverband der Streitkräfte. In diesem Sinne und auf der ho. Amtskenntnis basierend muss der Disziplinarbeschuldigte ein Bediensteter mit herausragenden soldatischen Fähigkeiten sein – war, kommt hinsichtlich der Prüfung der Pflichtverletzung, ausschließlich ein Verstoß gegen die Vertrauenwahrung iSd. § 43 Abs. 2 BDG iVm. § 3 Abs. 1 und 7 ADV in Betracht.
Der Disziplinarbeschuldigte hat sich in seiner Freizeit (arg. der N.N. war ein Samstag) und in Zivil und ohne offenkundigen Bezug zu seiner dienstlichen Tätigkeit bei diesen oa. Organisationen betätigt und im Sinne der eingangs angeführten Judikatur müsste diesbezüglich schon ein besonders krasser Fall eines außerdienstlichen Verhalten (arg. schwerwiegende Pflichtverletzung) vorliegen, um den in § 43 Abs. 2 BDG normierten Dienstbezug auf- und nachzuweisen.
Dem in der Disziplinaranzeige vorgebrachten Argument, dass im Falle des Aufweisens einer „auffälligen nationalsozialistischen und fraglichen demokratischen Grundhaltung“ eines Bundesheerangehörigen, sogar die Disziplinarstrafe der Entlassung dem Gesetz entspricht (VwGH 30.06.1987; 87/11/0076), kann jedenfalls entgegengehalten werden, dass – wie auch schon oa. – in casu dem Sachverhalt weder ein Bezug zu einem strafrechtlichen oder verwaltungsstrafrechtlichen Tatbestand noch zu einem strafrechtlichen Tatbestand im Sinne des Verbotsgesetzes entnommen werden kann.
Wenn es schon nicht die Aufgabe des Disziplinarrechtes ist, einen Beamten in moralischer und ethischer Hinsicht zu einem perfekt und fehlerfrei arbeitenden „Mustermenschen“ zu erziehen und sich dieser von der Judikatur vorgegebene Grundsatz va. auf Handlungsweisen im Dienst bezieht (vgl. VwGH 21.02.1991, 90/09/0171), so muss dieser Grundsatz erst recht beim Freizeitverhalten eines Beamten berücksichtigt werden.
Im Umstand, dass sich der Disziplinarbeschuldigte in seiner Freizeit bei einem Verein nach dem Vereinsgesetz (konkret N.N.) betätigt und an einer Flugzettelverteilung der Gruppierung DIE N.N. beteiligt hat, konnte vom Disziplinarsenat 44 der Bundesdisziplinarbehörde keine Pflichtverletzung auf Grund eines Verstoßes gegen die Vertrauenswahrung erkannt werden. Es liegt eben kein besonders krasser Fall eines außerdienstlichen Verhaltens vor und damit konnte der in § 43 Abs. 2 BDG normierte Dienstbezug auch nicht hergestellt bzw. nachgewiesen werden.
Es war daher spruchgemäß zu entscheiden und das am N.N. im Kommandantenverfahren eingeleitete Disziplinarverfahren einzustellen.
Zuletzt aktualisiert am
11.05.2022