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32/01 Finanzverfahren allgemeines Abgabenrecht;Norm
BAO §273 Abs1 litb;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Karger, Dr. Graf, Mag. Heinzl und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde der H GmbH & Co KG in T, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in T, gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Tirol vom 28. April 1992, Zl. 50.184-5/92, betreffend Zurückweisung einer Berufung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Am 3. April 1989 wurden beim Postamt T zwei RSa-Briefsendungen hinterlegt. Inhalt dieser Briefsendungen waren jeweils Bescheide (unter anderem Feststellungsbescheide gemäß § 188 BAO für die Jahre 1983 bis 1986) vom 29. März 1989 an die beschwerdeführende GmbH & Co KG zu Handen AR in T, B-Platz 1. Mit Telegramm vom 5. Mai 1989 erhob die Beschwerdeführerin Berufung gegen diese Feststellungsbescheide.
Diese wurde in der Folge als verspätet zurückgewiesen, weil die Berufungsfrist bereits am 3. Mai 1989 abgelaufen sei.
In der dagegen eingebrachten Berufung wurde vorgebracht, daß die Beschwerdeführerin ihren Sitz in P habe. Der Geschäftsführer AR habe seine Wohnung in T, B-Platz 2. Das Haus B-Platz 1 sei nie der Wohnsitz des Geschäftsführers gewesen. Die Zustellung sei daher mangelhaft gewesen, weshalb gebeten werde, die eingebrachte Berufung als fristgerecht anzuerkennen.
Nach Abweisung der Berufung mit Berufungsvorentscheidung, worin auf die Hinterlegung der Briefsendungen bei der Post nach Zurücklassung einer Verständigung im Briefkasten des Geschäftsführers und die dementsprechende Zustellfiktion des § 17 Abs. 3 ZustellG hingewiesen wurde, stellte die Beschwerdeführerin einen Antrag auf Entscheidung über die Berufung durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Darin wurde unter anderem ausgeführt, daß die Zustellversuche nicht an der Abgabestelle des § 4 ZustellG erfolgt seien. Infolge mangelhafter Zustellung sei § 7 ZustellG anzuwenden. Tatsächlich zugekommen seien die Schriftstücke nicht vor dem 10. April 1989, weshalb sich die Berufung als rechtzeitig erweise.
In weiterer Folge hielt die belangte Behörde der Beschwerdeführerin vor, daß im Betriebsanmeldungsbogen die Adresse des Geschäftsführers mit B-Platz 1 angegeben worden sei und jahrelang Zustellungen an diese Adresse vorgenommen worden seien, ohne daß die Adressierung als unrichtig beanstandet worden sei. Die Beschwerdeführerin stellte dies nicht in Abrede, wies aber darauf hin, daß in zahlreichen Schriftstücken an die Behörde (auch) die (richtige) Adresse B-Platz 2 angegeben worden sei. Anläßlich einer Einvernahme des Zustellers über den tatsächlichen Vorgang der Zustellung habe dieser ausgesagt, daß er den Zustellbezirk, in welchen auch B-Platz 1 und 2 falle, seit Jahren betreue. Aufgrund seiner langjährigen Erfahrung habe er automatisch alle Briefsendungen an die Beschwerdeführerin oder AR, auch wenn sie die Anschrift B-Platz 1 aufwiesen, an die (gegenüberliegende) richtige Adresse B-Platz 2 zugestellt. Er könne ausschließen, daß er die Hinterlegungsanzeige unter der Adresse B-Platz 1 in einem Briefkasten oder sonstwo hinterlegt habe, da unter dieser Adresse kein Briefkasten des AR (und auch nicht - wie die Beschwerdeführerin meint - der Mutter des AR) existiere.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung gegen den Zurückweisungsbescheid als unbegründet ab. Begründet wurde dies im wesentlichen damit, daß unbestritten sei, daß die im Postamt hinterlegten Briefsendungen innerhalb der Abholfrist tatsächlich vom Empfänger behoben worden seien. Weiters bestehe kein Streit darüber, daß der Zusteller unbedenklich Grund zur Annahme gehabt hätte, daß sich der Empfänger regelmäßig an der "Abgabestelle in T, B-Platz 2" aufhalte. Aufgrund der Angaben im Betriebsanmeldungsbogen seien vom Betriebsbeginn im Jahr 1980 an bis zum gegenständlichen Berufungsfall sämtliche Schriftstücke an die Adresse B-Platz 1 adressiert worden, wobei sich aus der Aktenlage kein konkreter Anhaltspunkt dafür ergebe, daß die Adresse jemals als unrichtig beanstandet worden sei. Daran ändere auch der Umstand nichts, daß in einigen Eingaben die Adresse des Geschäftsführers der Beschwerdeführerin mit B-Platz 2 angeführt worden sei, weil gleichzeitig in anderen Eingaben die Adresse mit B-Platz 1 angegeben worden sei. Die (objektiv) unrichtige Adressierung habe die behauptete Mangelhaftigkeit der Hinterlegung auch deshalb nicht bewirkt, weil sich diese nach den Angaben des Zustellers dadurch, daß er die Schriftstücke an der richtigen Adresse zuzustellen versuchte, auf den konkreten Zustellvorgang in keinster Weise nachhaltig ausgewirkt hätte. Mangels bei der Zustellung durch Hinterlegung aufgetretener Mängel, hätten gemäß § 17 Abs. 3 ZustellG die am 3. April 1989 hinterlegten und ab diesem Tag zur Abholung bereitgehaltenen Schriftstücke an diesem Tag als zugestellt gegolten, weshalb die erst am 5. Mai 1989 mittels Telegramm erhobene Berufung verspätet gewesen sei und zurückgewiesen hätte werden müssen.
Die Beschwerdeführerin erachtet sich durch diesen Bescheid in ihrem Recht auf Stattgebung der gegen den Zurückweisungsbescheid erhobenen Berufung verletzt und beantragt dessen Aufhebung wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Beide Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens gehen davon aus, daß die Anschrift des Empfängers auf den die Bescheide vom 29. März 1989 enthaltenden behördlichen Sendungen (objektiv) unrichtig war. Während aber die belangte Behörde die Ansicht vertritt, daß diesem Umstand insbesondere deswegen, weil der Postzusteller aufgrund seiner Kenntnis der richtigen Anschrift des Empfängers die Zustellungen an dieser versuchte, keine entscheidende Bedeutung beizumessen ist, meint die Beschwerdeführerin im Ergebnis, daß eine Hinterlegung die Zustellfiktion des § 17 Abs. 3 ZustellG nur dann bewirkt, wenn in den Sendungen die richtige Abgabestelle genannt ist.
Gemäß § 4 ZustellG ist Abgabestelle im Sinne dieses Bundesgesetzes der Ort, an dem die Sendung dem Empfänger zugestellt werden darf; das ist die Wohnung oder sonstige Unterkunft, die Betriebsstätte, der Sitz, der Geschäftsraum, die Kanzlei oder der Arbeitsplatz des Empfängers, im Falle einer Zustellung anläßlich einer Amtshandlung auch deren Ort.
Im Beschwerdefall ist unbestritten, daß die Zustellversuche - nämlich sowohl der erste Zustellversuch mit Ankündigung eines zweiten Zustellversuches, als auch der zweite Zustellversuch unter Hinterlegung einer Hinterlegungsanzeige im Briefkasten des Empfängers - an der Adresse T, B-Platz 2 erfolgten, und sich an dieser Adresse die Wohnung des Empfängers befindet. Die Zustellversuche erfolgten somit an einer nach dem Zustellgesetz zulässigen Abgabestelle. Dem Umstand, daß die Abgabenbehörde auf den Sendungen und den Rückscheinen die Adresse T, B-Platz 1 angeführt hat, kommt im Hinblick darauf, daß dem Zusteller die richtige Anschrift des Empfängers bekannt war, und die Zustellversuche daher an dieser (richtigen) Adresse erfolgten, keine entscheidungsrelevante Bedeutung zu. Der Gerichtshof teilt daher die Ansicht der Beschwerdeführerin nicht, daß die falsche Adresse einer Abgabestelle allein einen die Zustellwirkung der Hinterlegung gemäß § 17 Abs. 3 ZustellG verhindernden Zustellmangel bedeutet. Die gerügte inhaltliche Rechtswidrigkeit haftet dem angefochtenen Bescheid daher nicht an.
Als Verletzung von Verfahrensvorschriften rügt die Beschwerdeführerin, die belangte Behörde habe sich mit dem Vorbringen im Berufungsverfahren, auf dem Formular 3 sei nicht angegeben, wann die Abholfrist zu laufen beginne und wie lange diese Frist laufe, sowie auf die Wirkung der Hinterlegung sei nicht hingewiesen worden, nicht auseinandergesetzt. Darin ist aber ein wesentlicher Verfahrensmangel, bei dessen Vermeidung die belangte Behörde zu einem anderen Spruch hätte gelangen können, nicht zu erkennen, weil es sich beim Formular 3 um den Zustellnachweis (Zustellschein, Rückschein) im Sinne des § 22 Abs. 1 ZustellG handelt, welcher Informationen für die versendende Behörde, nicht aber die für den Empfänger erforderlichen Daten im Sinne des § 17 Abs. 2 ZustellG enthält. Der Bekanntgabe dieser Daten dient die Hinterlegungsanzeige (Formular 1), in welcher bereits im Vordruck auch auf die Zustellwirkung der Hinterlegung hingewiesen wird. Daß der Beschwerdeführerin die ordnungsgemäß ausgefüllte Hinterlegungsanzeige nicht zugekommen wäre, wurde in der Beschwerde aber nicht behauptet.
Die Beschwerde erweist sich daher ingesamt als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1992140095.X00Im RIS seit
20.11.2000