TE Lvwg Erkenntnis 2022/1/10 LVwG-751725/2/ER/SW

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Veröffentlicht am 10.01.2022
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Entscheidungsdatum

10.01.2022

Norm

NAG 2005 §20 Abs1a
NAG 2005 §41a Abs9
AsylG 2005 §55 Abs1
IntG §10 Abs2 Z4

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erkennt durch seine Richterin Dr. Reitter über die Beschwerde des E O, StA der M, vertreten durch O O, L, gegen die Erteilung des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ (vom 17. September 2021 [Bewilligungsdatum], Kartennummer: A42278010) für die Dauer von zwölf Monaten durch den Bürgermeister der Stadt Linz

zu Recht:

I.     Der Beschwerde wird stattgegeben und der dem Beschwerdeführer erteilte Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ (vom 17. September 2021 [Bewilligungsdatum], Kartennummer: x) wird dahingehend abgeändert, dass dieser für die Dauer von drei Jahren erteilt wird.

II.    Gegen diese Entscheidung ist eine Revision zulässig.

Entscheidungsgründe

I.1. Im Rahmen eines über Antrag des Beschwerdeführers (im Folgenden: Bf) eingeleiteten Verlängerungsverfahrens erteilte der Bürgermeister der Stadt Linz (im Folgenden: belangte Behörde) dem Bf durch Ausfolgung einer Karte den Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ (Bewilligungsdatum: 17. September 2021, Kartennummer: X) für die Dauer von zwölf Monaten, sohin mit einer Gültigkeit bis 17. September 2022.

I.2. Gegen diese Titelerteilung erhob der Bf rechtzeitig Beschwerde und beantragte die Abänderung dahingehend, dass der für ihn erteilte Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ eine Gültigkeitsdauer von drei Jahren aufweist.

Begründend führte der Bf aus, dass diesem die „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ am 14. September 2021 ausgefolgt worden sei. Er sei zwölf Jahre alt und daher als unmündiger Minderjähriger vom Nachweis der A2-Deutschprüfung befreit. Der Bf sei seit zwei Jahren durchgehend in Österreich niedergelassen, da sich im Wege einer systematischen Interpretation aus § 45 Abs 2 S 2 NAG ergebe, dass diese Bestimmung auch auf § 20 Abs 1a Z 2 NAG anzuwenden sei. Daher sei der Aufenthaltszeitraum mit dem Aufenthaltstitel „Aufenthaltsberechtigung plus“ als „Niederlassung“ iSd Bestimmung anzusehen.

I.3. Mit Schreiben vom 4. Oktober 2021, eingelangt am 11. Oktober 2021, legte die belangte Behörde die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich zur Entscheidung vor. Eine Beschwerdevorentscheidung wurde nicht erlassen.

I.4. Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in die Beschwerde und den bezughabenden Verwaltungsakt. Von der Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte gemäß § 24 Abs 4 VwGVG abgesehen werden, da die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und dem Entfall der Verhandlung weder Art 6 Abs 1 EMRK noch Art 47 GRC entgegenstehen.

I.5. Es steht folgender entscheidungsrelevanter S a c h v e r h a l t fest:

Der Bf ist am x geboren und ein Staatsangehöriger der Mongolei.

Der Bf besucht die Musikmittelschule X (H L). Der Bf wurde im Unterrichtsgegenstand „Deutsch“ im Jahreszeugnis 2020/2021 (der Musikmittelschule 12; 5. Schulstufe, Mittelschule) vom 9. Juli 2021 mit der Note „Befriedigend (3)“ beurteilt.

Der Bf war von 16. September 2019 bis 15. September 2020 aufgrund einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 55 Abs 1 AsylG im Bundesgebiet aufhältig. Von 16. September 2020 bis 16. September 2021 hatte der Bf eine „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“, Kartennummer: X, inne, welche durch Ausfolgung des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ (Bewilligungsdatum: 17. September 2021, Kartennummer: X) für die Dauer von zwölf Monaten, sohin befristet bis 17. September 2022, verlängert wurde.

Eine kürzere als die gesetzliche Dauer des Aufenthaltstitels wurde nicht beantragt. Das Reisedokument des Bf weist eine Gültigkeitsdauer bis 21. April 2025 auf.

II. Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich widerspruchsfrei und unbestritten aus dem bezughabenden Verwaltungsakt und der Beschwerde.

III. Gesetzliche Grundlagen:

III.1. Das Bundesgesetz über die Niederlassung und den Aufenthalt in Österreich (Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz – NAG), BGBl I 100/2005 idF BGBl I 110/2021, lautet auszugsweise:

„Begriffsbestimmungen

§ 2. (1) Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

1.       Fremder: wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt;

2.       [...]

4.       EWR-Bürger: ein Fremder, der Staatsangehöriger einer Vertragspartei des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR-Abkommen) ist;

5.       [...]

6.       Drittstaatsangehöriger: ein Fremder, der nicht EWR-Bürger oder Schweizer Bürger ist;

[...]

Arten und Form der Aufenthaltstitel

§ 8. (1) Aufenthaltstitel werden erteilt als:

1.       [...]

2.       Aufenthaltstitel ‚Rot-Weiß-Rot – Karte plus‘, der zur befristeten Niederlassung und zur Ausübung einer selbständigen Erwerbstätigkeit und einer unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 AuslBG berechtigt;

[...]

Gültigkeitsdauer von Aufenthaltstiteln

§ 20. (1) Befristete Aufenthaltstitel sind für die Dauer von zwölf Monaten oder für die in diesem Bundesgesetz bestimmte längere Dauer auszustellen, es sei denn, es wurde jeweils eine kürzere Dauer des Aufenthaltstitels beantragt oder das Reisedokument weist nicht die entsprechende Gültigkeitsdauer auf.

(1a) Aufenthaltstitel gemäß § 8 Abs. 1 Z 2, 4, 5, 6, 8, 9 oder 10 sind für die Dauer von drei Jahren auszustellen, wenn der Fremde

1.       das Modul 1 der Integrationsvereinbarung (§ 9 IntG) erfüllt hat und

2.       in den letzten zwei Jahren durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war,

es sei denn, es wurde eine kürzere Dauer des Aufenthaltstitels beantragt oder das Reisedokument weist nicht die entsprechende Gültigkeitsdauer auf.

[...]

Verlängerungsverfahren

§ 24. (1) Verlängerungsanträge (§ 2 Abs. 1 Z 11) sind vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des Aufenthaltstitels, frühestens jedoch drei Monate vor diesem Zeitpunkt, bei der örtlich zuständigen Behörde im Inland einzubringen; § 23 gilt. [...]

(3) Fremden ist im Rahmen eines Verlängerungsverfahrens ein Aufenthaltstitel mit dem gleichen Aufenthaltszweck zu erteilen, wenn die Voraussetzungen für diesen weiterhin vorliegen.

[...]

Aufenthaltstitel ‚Rot-Weiß-Rot – Karte plus‘

§ 41a. (1) [...]

(9) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist ein Aufenthaltstitel ‚Rot-Weiß-Rot – Karte plus‘ zu erteilen, wenn sie

1.       für einen Zeitraum von zwölf Monaten über eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus‘ gemäß §§ 55 Abs. 1 oder 56 Abs. 1 AsylG 2005,

[...]

verfügen und das Modul 1 der Integrationsvereinbarung (§ 9 IntG) erfüllt haben oder zum Entscheidungszeitpunkt eine Erwerbstätigkeit ausüben, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz – ASVG BGBl. Nr. 189/1955 erreicht wird.“

III.2. Das Bundesgesetz zur Integration rechtmäßig in Österreich aufhältiger Personen ohne österreichische Staatsbürgerschaft (Integrationsgesetz – IntG), BGBl I 68/2017 idF BGBl I 42/2020, lautet auszugsweise:

„Modul 1 der Integrationsvereinbarung

§ 9. (1) [...]

(4) Das Modul 1 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

[...]

Die Erfüllung des Moduls 2 (§ 10) beinhaltet das Modul 1.

(5) Ausgenommen von der Erfüllungspflicht gemäß Abs. 1 sind Drittstaatsangehörige,

1. die zum Ende des Zeitraums der Erfüllungspflicht (Abs. 2) unmündig sein werden;

[...]

Modul 2 der Integrationsvereinbarung

§ 10. (1) [...]

(2) Das Modul 2 der Integrationsvereinbarung ist erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige

[...]

4.       minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Sekundarschule (§ 3 Abs. 4 SchOG) besucht und die positive Beurteilung im Unterrichtsgegenstand „Deutsch“ durch das zuletzt ausgestellte Jahreszeugnis oder die zuletzt ausgestellte Schulnachricht nachweist,

[...]“

III.3. Das Bundesgesetz über die Gewährung von Asyl (Asylgesetz 2005 - AsylG 2005), BGBl I 100/2005 idF BGBl I 110/2021, lautet auszugsweise:

„Arten und Form der Aufenthaltstitel

§ 54. (1) Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen werden Drittstaatsangehörigen erteilt als:

1.       ‚Aufenthaltsberechtigung plus‘, die zu einem Aufenthalt im Bundesgebiet und zur Ausübung einer selbständigen und unselbständigen Erwerbstätigkeit gemäß § 17 Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975 berechtigt, [...]

Aufenthaltstitel aus Gründen des Art. 8 EMRK

§ 55. (1) Im Bundesgebiet aufhältigen Drittstaatsangehörigen ist von Amts wegen oder auf begründeten Antrag eine ‚Aufenthaltsberechtigung plus‘ zu erteilen, wenn

1.       dies gemäß § 9 Abs. 2 BFA-VG zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinne des Art. 8 EMRK geboten ist und

2.       der Drittstaatsangehörige das Modul 1 der Integrationsvereinbarung gemäß § 9 Integrationsgesetz (IntG), BGBl. I Nr. 68/2017, erfüllt hat oder zum Entscheidungszeitpunkt eine erlaubte Erwerbstätigkeit ausübt, mit deren Einkommen die monatliche Geringfügigkeitsgrenze (§ 5 Abs. 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG), BGBl. Nr. 189/1955) erreicht wird.

[...]“

III.4. Das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch – ABGB lautet auszugsweise:

„II. Personenrechte der Minderjährigen und sonstiger schutzberechtigter Personen

§ 21. (1) [...]

(2) Minderjährige sind Personen, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben; haben sie das vierzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet, so sind sie unmündig.“

III.5. Das Bundesgesetz über die Schulpflicht (Schulpflichtgesetz 1985), BGBl 76/1985 idF BGBl I 170/2021, lautet auszugsweise:

„Beginn der allgemeinen Schulpflicht

§ 2. (1) Die allgemeine Schulpflicht beginnt mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September.

[...]

Dauer der allgemeinen Schulpflicht

§ 3. Die allgemeine Schulpflicht dauert neun Schuljahre.“

III.6. Das Bundesgesetz vom 25. Juli 1962 über die Schulorganisation (Schulorganisationsgesetz), BGBl 242/1962 idF BGBl 267/1963 (DFB) idF BGBl I 170/2021, lautet auszugsweise:

„§ 3. Gliederung der österreichischen Schulen

(1) [...]

(4) Sekundarschulen sind

[...]

2.       die Mittelschule,

[...]“

III.7. Das Bundesgesetz über die Ordnung von Unterricht und Erziehung in den im Schulorganisationsgesetz geregelten Schulen (Schulunterrichtsgesetz - SchUG), BGBl 472/1986 idF BGBl I 170/2021, lautet auszugsweise:

„Information der Schülerinnen und Schüler, deren Erziehungsberechtigten und der Lehrberechtigten

§ 19. (1) [...]

(2) Am Ende des 1. Semesters ist für jede Schülerin und jeden Schüler eine Schulnachricht auszustellen. [...]

Jahreszeugnis, Abschlußzeugnis, Schulbesuchsbestätigung

§ 22. (1) Am Ende des Unterrichtsjahres, bei lehrgangs- und saisonmäßigen Berufsschulen am Ende des Lehrganges, ist für jede Schülerin und jeden Schüler ein Jahreszeugnis über die betreffende Schulstufe auszustellen. [...]“

IV. In rechtlicher Hinsicht ist Folgendes auszuführen:

Vorab ist festzuhalten, dass in Form von Karten ausgefolgte Aufenthaltstitel Bescheide im Sinn des AVG sind. Im Fall der Erteilung bewirkt die Ausfolgung (tatsächliche Übergabe und Entgegennahme) des Aufenthaltstitels in der Regel gleichzeitig den Akt der Zustellung, und es entsteht die rechtliche Wirkung des Bescheids erst durch diesen Akt (vgl VwGH 07.12.2016, Fe 2015/22/0001).

Die Beschwerde des Bf gegen die verfahrensgegenständliche Titelerteilung durch Ausfolgung des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ richtet sich sohin – nach der dargelegten Rechtsprechung – gegen einen tauglichen Anfechtungsgegenstand iSd Art 130 Abs 1 Z 1 B-VG.

IV.1. Gemäß § 20 Abs 1a NAG sind Aufenthaltstitel gemäß (ua) § 8 Abs 1 Z 2 NAG – somit (wie vorliegend) ein Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ – für die Dauer von drei Jahren auszustellen, wenn der Fremde das Modul 1 der Integrationsvereinbarung (§ 9 IntG) erfüllt hat (Z 1) und in den letzten zwei Jahren durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war (Z 2), es sei denn, es wurde eine kürzere Dauer des Aufenthaltstitels beantragt oder das Reisedokument weist nicht die entsprechende Gültigkeitsdauer auf (letzter Halbsatz).

Gemäß dem eindeutigen Wortlaut des § 20 Abs 1a NAG müssen die Voraussetzungen dieser Bestimmung kumulativ vorliegen, damit der beantragte Aufenthaltstitel für die Dauer von drei Jahren (bzw kürzer in den Fällen des § 20 Abs 1a letzter Halbsatz NAG) ausgestellt werden kann. Fehlt es aber an einer der in § 20 Abs 1a NAG genannten Voraussetzungen, kommt die Festsetzung der Gültigkeitsdauer nach § 20 Abs 1a NAG nicht in Betracht (vgl VwGH 27.02.2020, Ra 2019/22/0024).

IV.2.1. Ungeachtet der Bestimmungen betreffend die Ausnahme von der Pflicht zur Erfüllung von Modul 1 der Integrationsvereinbarung für Unmündige beinhaltet gemäß § 9 Abs 4 letzter Satz IntG die Erfüllung des Moduls 2 (§ 10) das Modul 1. Soweit also erfüllungspflichtige Drittstaatsangehörige Modul 2 der Integrationsvereinbarung erfüllen, ist das als Nachweis zur Erfüllung von Modul 1 der Integrationsvereinbarung ausreichend (vgl Peyrl in Abermann/Czech/Kind/Peyrl, NAG2 § 9 IntG Rz 7).

Gemäß § 10 Abs 2 Z 4 IntG ist das Modul 2 der Integrationsvereinbarung erfüllt, wenn der Drittstaatsangehörige minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht eine Sekundarschule (§ 3 Abs 4 SchOG) besucht und die positive Beurteilung im Unterrichtsgegenstand „Deutsch“ durch das zuletzt ausgestellte Jahreszeugnis oder die zuletzt ausgestellte Schulnachricht nachweist.

Gemäß § 21 Abs 2 ABGB sind Minderjährige Personen, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Gemäß § 2 Abs 1 Schulpflichtgesetz beginnt die allgemeine Schulpflicht mit dem auf die Vollendung des sechsten Lebensjahres folgenden 1. September. Die allgemeine Schulpflicht dauert gemäß § 3 Schulpflichtgesetz neun Schuljahre. Gemäß § 3 Abs 4 Z 2 SchOG sind Sekundarschulen ua Mittelschulen. Gemäß § 19 Abs 2 SchUG ist am Ende des 1. Semesters für jede Schülerin und jeden Schüler eine Schulnachricht auszustellen. Gemäß § 22 Abs 1 SchUG ist am Ende des Unterrichtsjahres für jede Schülerin und jeden Schüler ein Jahreszeugnis über die betreffende Schulstufe auszustellen.

Der Bf ist als Staatsangehöriger der Mongolei ein Drittstaatsangehöriger (iSd § 2 Abs 1 Z 6 NAG). Nachdem er am X geboren wurde, befindet er sich im dreizehnten Lebensjahr, sodass er minderjährig ist und im Rahmen der allgemeinen Schulpflicht die Musikmittelschule X (H L) – sohin eine Sekundarschule (§ 3 Abs 4 SchOG) – besucht. Beim zuletzt ausgestellten Jahreszeugnis oder der zuletzt ausgestellten Schulnachricht handelt es sich im gegenständlichen Fall um das Jahreszeugnis des Unterrichtsjahres 2020/2021. Der Bf wurde im Unterrichtsgegenstand „Deutsch“ im Jahreszeugnis 2020/2021 (der Musikmittelschule 12; 5. Schulstufe) vom 9. Juli 2021 mit der Note „Befriedigend (3)“ – sohin positiv – beurteilt.

Der Bf erfüllt somit gemäß § 10 Abs 2 Z 4 IntG das Modul 2 der Integrationsvereinbarung. Zumal die Erfüllung des Moduls 2 der Integrationsvereinbarung das Modul 1 der Integrationsvereinbarung beinhaltet, erfüllt der Bf die Voraussetzung des § 20 Abs 1a Z 1 NAG.

IV.2.2. Der Bf hatte von 16. September 2020 bis 16. September 2021 eine „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“, Kartennummer: X, inne und war somit in diesem Zeitraum gemäß § 8 Abs 1 Z 2 NAG zur befristeten Niederlassung nach dem NAG berechtigt.

Von 16. September 2019 bis 15. September 2020 war der Bf aufgrund einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 55 Abs 1 AsylG im Bundesgebiet aufhältig.

Eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ (§§ 54 ff AsylG) ist ein Aufenthaltstitel, der aus berücksichtigungswürdigenden Gründen erteilt wird. Zwar spricht § 54 Abs 1 Z 1 AsylG in Zusammenhang mit einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ von „Aufenthalt“, jedoch ist bei einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 55 Abs 1 AsylG, die bis 31. Dezember 2013 als Niederlassungstitel gemäß § 41a Abs 9 NAG idF BGBl I 50/2012 („Rot-Weiß-Rot – Karte plus“) erteilt wurde, eine Niederlassung iSd NAG anzunehmen, da eine Verschlechterung der Rechtsposition der Betroffenen bei der Neugestaltung nicht beabsichtigt war: Die Materialien zu BGBl I 87/2012 führen klar aus, dass die neuen Aufenthaltstitel gemäß §§ 54 ff AsylG – sohin auch eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 55 Abs 1 AsylG – „nach dem Berechtigungsumfang“ den alten Titeln (hier: der „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ gemäß § 41a Abs 9 NAG) entsprechen (vgl Peyrl in Abermann/Czech/Kind/Peyrl, NAG2 § 45 Rz 6; ErläutRV 1803 BlgNR 24. GP 44 f).

Ferner führen die Gesetzesmaterialien unmissverständlich aus, dass der Aufenthalt – konkret: aufgrund einer „Aufenthaltsberechtigung plus“ – nach dem AsylG einer Niederlassung nach dem NAG gleichzusetzen ist (vgl ErläutRV 1803 BlgNR 24. GP 78).

Daher war der Bf von 16. September 2019 bis 15. September 2020 aufgrund der „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 55 Abs 1 AsylG und von 16. September 2020 bis 16. September 2021 aufgrund einer „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“, welche durch Ausfolgung des Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ (Bewilligungsdatum: 17. September 2021, Kartennummer: X) für die Dauer von zwölf Monaten, sohin befristet bis 17. September 2022, verlängert wurde, niedergelassen iSd § 20 Abs 1a Z 2 NAG, sodass der Bf in den letzten zwei Jahren durchgehend rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war und damit die Voraussetzung des § 20 Abs 1a Z 2 NAG erfüllt.

IV.3. Zumal der Bf die kumulativen Voraussetzungen des § 20 Abs 1a NAG erfüllt, eine kürzere als die gesetzliche Dauer des Aufenthaltstitels nicht beantragt wurde und das Reisedokument des Bf eine Gültigkeitsdauer bis 21. April 2025 aufweist, war dem Bf der Aufenthaltstitel „Rot-Weiß-Rot – Karte plus“ für die Dauer von drei Jahren zu erteilen.

V. Zulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist zulässig, da im gegenständlichen Verfahren eine Rechtsfrage zu lösen war, der iSd Art 133 Abs 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt, weil keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Rechtsfrage existiert, ob eine „Aufenthaltsberechtigung plus“ gemäß § 55 Abs 1 AsylG als Niederlassung iSd § 20 Abs 1a Z 2 NAG zu werten ist.

Schlagworte

Rot-Weiß-Rot – Karte plus; Aufenthaltsberechtigung plus; Niederlassung; Ausfolgung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGOB:2022:LVwG.751725.2.ER.SW

Zuletzt aktualisiert am

11.05.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Oberösterreich LVwg Oberösterreich, http://www.lvwg-ooe.gv.at
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