TE Lvwg Beschluss 2022/1/31 LVwG-370021/3/AL – 380003/3

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 31.01.2022
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Entscheidungsdatum

31.01.2022

Norm

B-VG Art130 Abs1 Z2
B-VG Art130 Abs1 Z3
ABGB §209
VwGVG §8

Text

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich fasst durch seine Richterin Dr. Lukas über die Beschwerden der mj. E L vertreten durch G L, G, wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch die Bezirkshauptmannschaft Freistadt (Abteilung Kinder- und Jugendhilfe) zurechenbare Organe in Form von Handlungen vom 29.7.2020, 26.8.2020 sowie 22.7.2021 als gerichtlich gemäß § 277 Abs 2 ABGB bestellter Kollisionskurator sowie wegen Verletzung der Entscheidungspflicht „bei der Erledigung Unterhaltsdurchsetzung für die mj. E L“ den

BESCHLUSS

I.       Die Beschwerden werden als unzulässig zurückgewiesen.

II.      Gegen diese Entscheidung ist eine Revision unzulässig.

Entscheidungsgründe

I.       Verfahrensgang:

I.1. Mit Schreiben vom 20.1.2022 erhob der Vater der Beschwerdeführerin für die mj. Beschwerdeführerin (in der Folge: Bf) Beschwerde beim Landesverwaltungsgericht Oberösterreich wegen

I. a.) Verletzung in Rechten infolge Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Frau S M am 29.07.2020, 26.08.2020 in F

b.) Verletzung in Rechten infolge Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt durch Frau B Gl am 22.07.2021 in F

II. Verletzung der Entscheidungspflicht bei der Erledigung Unterhaltsdurchsetzung für die mj. E L als Unterhaltsberechtigter G L ab 08/2019 im Verfahren BHFR_KJH_2013-103492/GRB bzw. 1PU147/16m der Bezirkshauptmannschaft Freistadt Kinder.- Jugendhilfe“.

Dabei legt die Bf auf mehr als 15 Seiten ausführlich die bisherige Verfahrensgenese ihres gerichtlichen Unterhalts- und Obsorgeverfahrens dar. Hinsichtlich der von der Bf als Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt angeführten Daten wird in der Beschwerde Folgendes wörtlich ausgeführt:

Am 29.07.2020 wurde von der Bezirkshauptmannschaft Freistadt Kinder.- und Jugendhilfe das Exekutionsverfahren weitergeführt, obwohl der Betrag schon längst bezahlt wurde.

Mit Eingabe ON 29 vom 29.07.2020 bzw. mit der Aufbesserung dieses Schriftsatzes vom 26.08.2020 BHFR-KJH-2016-103492 des Kollisionskurator BH Freistadt Frau S M wurde die rechtswidrige (vom Landesgericht beurteilt) Rechtshandlung der Exekution des Rechtsanwaltes Mag. T H nachträglich genehmigt, obwohl den Kindesvater weder eine Ratenzahlung ermöglicht wurde, vom Rechtsanwaltes Mag. T H die Zahlung auf ein Sparbuch so berichtigt wurde bzw. die Kinder.- und Jugendhilfe durch die Hoheitsgewalt keinen Anwalt braucht.

[...]

Mit der Rekursbeantwortung vom 22.07.2021 zu diesem Rekurs stellte sich die Bezirkshauptmannschaft Freistadt Kinder.- und Jugendhilfe Frau B G entgegen."

I.2. Seitens der Bezirkshauptmannschaft Freistadt (im Folgenden: belangte Behörde) wurde mit E-Mail vom 26. Jänner 2022 die von der Bf auch bei der belangten Behörde eingebrachte Beschwerde dem Landesverwaltungsgericht Oberösterreich vorgelegt. Darin wird ausgeführt, dass die Kinder- und Jugendhilfe der Bezirkshauptmannschaft Freistadt mit Gerichtsbeschluss zum Kollisionskurator zur Durchsetzung der Unterhaltsrückstände des Vaters der Bf bestellt worden sei. Zusätzlich wurden umfangreiche Aktenteile übermittelt.

II.      Sachverhalt, Beweiswürdigung:

Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in die Beschwerde, die Vorlage durch die belangte Behörde sowie den übermittelten Verwaltungsakt. Die Durchführung einer öffentlichen mündlichen Verhandlung konnte entfallen, da die gegenständlichen Beschwerden als unzulässig zurückzuweisen sind (§ 24 Abs 2 Z 1 und Z 2 VwGVG).

Es steht folgender entscheidungsrelevanter S a c h v e r h a l t fest:

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Freistadt vom 3.3.2020, 1E 281/20y-10, wurde der Einspruch des Vaters der Bf als verpflichtete Partei gegen die Exekutionsbewilligung vom 25.2.2020 (betreibende Partei: die mj Bf) abgewiesen.

Mit Beschluss des Bezirksgerichts Freistadt vom 13.3.2020, 1 Pu 147/16m-74, wurde die Bezirkshauptmannschaft Freistadt, Kinder- und Jugendhilfe, gem. § 277 Abs 2 ABGB zum Kollisionskurator für die mj. E L zur Festsetzung und Durchsetzung sämtlicher Unterhaltsansprüche bestellt. Mit Beschluss des Landesgerichts Linz vom 9.6.2020, 15R 143/20k, wurde dieser Beschluss des Bezirksgerichts Freistadt dahingehend abgeändert, dass das Land Oberösterreich als Kinder- und Jugendhilfeträger gemäß § 277 Abs 2 ABGB zum Kollisionskurator für die mj. E L zur Durchsetzung der Unterhaltsrückstände bestellt wird.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 29.7.2020 teilte diese dem Bezirksgericht Freistadt mit, dass das Land Oberösterreich in der Exekutionssache gegen den Vater der Bf in die bestehende Exekution anstelle des bisherigen Betreibendenvertreters eintrete.

Mit Schreiben der belangten Behörde vom 26.8.2020 teilte diese dem Bezirksgericht Freistadt mit, dass das Land Oberösterreich als bestellter Kollisionskurator nachträglich die Exekution 1 E 281/20y-2 genehmige.

Mit Schreiben vom 22.7.2021 teilte die belangte Behörde dem Bezirksgericht Freistadt in Rekursbeantwortung mit, dass ersucht werde, den Beschluss des Bezirksgerichts Freistadt, 1 Pu 147/16m 141, vom 17.6.2021 vollinhaltlich aufrecht zu halten.

III.     In rechtlicher Hinsicht ist Folgendes auszuführen:

III.1. Gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG erkennen die Verwaltungsgerichte über Beschwerden gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit sowie gem. Z 3 Art.cit. wegen Verletzung der Entscheidungspflicht durch eine Verwaltungsbehörde.

Nach Art 132 Abs 2 B-VG kann gegen die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt wegen Rechtswidrigkeit Beschwerde erheben, wer durch sie in seinen Rechten verletzt zu sein behauptet. Nach Abs 3 Art.cit. kann gegen die Verletzung der Entscheidungspflicht Beschwerde erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt zu sein behauptet.

Gemäß § 28 Abs 1 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, die Rechtssache durch Erkenntnis zu erledigen.

Gemäß § 28 Abs 6 VwGVG hat das Verwaltungsgericht, wenn im Verfahren wegen Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt gemäß Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG eine Beschwerde nicht zurückzuweisen oder abzuweisen ist, die Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt für rechtswidrig zu erklären und gegebenenfalls aufzuheben.

III.2. § 209 ABGB lautet wie folgt:

Ist eine andere Person mit der Obsorge für einen Minderjährigen ganz oder teilweise zu betrauen und lassen sich dafür Verwandte oder andere nahe stehende oder sonst besonders geeignete Personen nicht finden, so hat das Gericht die Obsorge dem Jugendwohlfahrtsträger zu übertragen. Gleiches gilt, wenn einem Minderjährigen ein Kurator zu bestellen ist.“

Im 6. Hauptstück des ABGB (§§ 268 ff) wird die Bestellung eines Kurators näher geregelt (Voraussetzungen für die Bestellung eines Sachwalters oder Kurators). Auch die Haftung des Kurators wird in diesem Hauptstück geregelt.

III.3. Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Beschwerde nach Art 130 Abs 1 Z 2 B-VG ist, dass überhaupt ein Akt der Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt (AuvBZ) vorliegt, der sich gegen die Person gerichtet hat, die als Beschwerdeführer im Verfahren vor dem Landesverwaltungsgericht auftritt und dass die Verletzung eines subjektiven Rechts des Beschwerdeführers zumindest möglich ist (vgl VwGH vom 20. Dezember 1995, 95/03/0288, 0289; 18. Dezember 2013, 2013/17/0293; 9. März 2018, Ra 2017/03/0054).

Im vorliegenden Fall liegt kein verwaltungsbehördliches Handeln vor. Vielmehr ist das Handeln der belangten Behörde aufgrund der Bestellung des Landes Oberösterreich zum Kollisionskurator durch die ordentliche Gerichtsbarkeit dieser zuzurechnen.

Schon mangels Vorliegens eines verwaltungsbehördlichen Aktes waren die gegenständlichen Maßnahmenbeschwerden daher zurückzuweisen.

Darüber hinaus liegt eine Ausübung unmittelbarer verwaltungsbehördlicher Befehls- und Zwangsgewalt nach der höchstgerichtlichen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs auch nur dann vor, wenn einseitig in subjektive Rechte des Betroffenen eingegriffen und hierbei physischer Zwang ausgeübt wird oder die unmittelbare Ausübung physischen Zwanges bei Nichtbefolgung eines Befehls droht (vgl VwGH 29. Juni 2000, 96/01/0596 mwN; 18. Oktober 2017, Ra 2017/02/0041 mwN; 7. August 2018, Ro 2018/02/0010).

Die von der Bf als Maßnahmen bekämpften Handlungen der belangten Behörde sind allesamt in Zusammenhang mit dem gerichtlichen Exekutions- und Unterhaltsverfahren ergangene Schreiben. Weder im Eintritt in die Exekution durch die belangte Behörde (Schreiben an das BG Freistadt vom 29.7.2020), noch in der Genehmigung des Exekutionsantrages (Schreiben an das BG Freistadt vom 26.8.2020), noch in der Rekursbeantwortung (Schreiben an das BG Freistadt vom 22.7.2021) ist behördliche Befehls- oder Zwangsgewalt zu erkennen. Vielmehr handelt es sich dabei um Akte, die von einem Kollisionskurator in einem gerichtlichen Verfahren zu setzen sind. Im Übrigen ist ein allfälliger Rechtsschutz in diesem Zusammenhang im ABGB selbst (Haftungsregelung) vorgesehen.

Auch aus diesem Grund waren die vorliegenden Maßnahmenbeschwerden daher als unzulässig zurückzuweisen.

Zudem ist darauf hinzuweisen, dass die Beschwerden für die mj. Bf erhoben wurden, sich die von der mj. Bf als Maßnahmen qualifizierten Handlungen allerdings – wenn überhaupt – so allein gegen den Vater der Bf richten. Hingewiesen sei dabei darauf, dass im Exekutionsverfahren 1E 281/20y beim BG Freistadt die mj. Bf die betreibende Partei ist, der Vater der mj. Bf die verpflichtete Partei. Auch insofern sind die Maßnahmenbeschwerden der Bf daher unzulässig.

III.4. Auch die Säumnisbeschwerde der Bf ist nicht zulässig. Gemäß § 8 VwGVG kann eine Säumnisbeschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht gemäß Artikel 130 Abs. 1 Z 3 B-VG erhoben werden, wenn die Behörde die Sache nicht innerhalb von sechs Monaten, wenn gesetzlich eine kürzere oder eine längere Entscheidungsfrist vorgesehen ist, innerhalb dieser, entschieden hat. Die Säumnisbeschwerde setzt damit zunächst voraus, dass die Behörde in einem „Verwaltungsverfahren“, in dem der Beschwerdeführer „Partei“ ist, ihre „Entscheidungspflicht“ verletzt hat. Sie bedingt damit, dass die Behörde zur Erlassung eines Bescheides verpflichtet und damit säumig ist (vgl. dazu mwN aus Lehre und Rechtsprechung Leeb in Hengstschläger/Leeb, AVG-Kommentar, Rz 5, § 8 VwGVG [Stand 15.2.2017, rdb.at]).

Eine solche Säumnis der belangten Behörde in einem Verwaltungsverfahren liegt im gegenständlichen Fall aber nicht vor. Wie bereits ausgeführt, handelt es sich bei den Handlungen der belangten Behörde um Handlungen, die der gerichtlichen Bestellung zum Kollisionskurator zuzurechnen sind. Es handelt sich bei dem Exekutions- und Unterhaltsverfahren um ein Verfahren der ordentlichen Gerichtsbarkeit, weshalb eine Säumnis iSd § 8 VwGVG schon mangels Vorliegens eines „Verwaltungsverfahrens“ ausscheidet. Ferner ist für das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich auch nicht erkennbar, inwiefern die belangte Behörde in diesem Verfahren zur Erlassung eines Bescheides verpflichtet wäre.

Auch die Säumnisbeschwerde war somit als unzulässig zurückzuweisen.

IV.      Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:

Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.

Schlagworte

Zurückweisung einer Beschwerde; Maßnahmenbeschwerde; Säumnisbeschwerde; Kollisionskurator; ordentliche Gerichtsbarkeit

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGOB:2022:LVwG.370021.3.AL.380003.3

Zuletzt aktualisiert am

11.05.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Oberösterreich LVwg Oberösterreich, http://www.lvwg-ooe.gv.at
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