Entscheidungsdatum
22.03.2022Norm
FPG §15Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich erkennt durch seine Richterin Dr. Reitter über die Beschwerde der L Z, geb: x, vertreten durch ihre Eltern Z und A Z, S Straße, N, Deutschland, gegen das Straferkenntnis der Landespolizeidirektion Oberösterreich vom 28. Juni 2021, GZ: VStV/921300930007/2021, wegen Übertretung des Fremdenpolizeigesetzes (FPG)
zu Recht:
I. Der Beschwerde wird insoweit stattgegeben, als die Geldstrafe auf 50 Euro und die Ersatzfreiheitsstrafe auf 16 Stunden herabgesetzt wird.
Ansonsten wird die Beschwerde mit der Maßgabe als unbegründet abgewiesen, dass die verletzte Rechtsvorschrift § 120 Abs 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl I Nr 100/2005 idF BGBl I Nr 70/2015, iVm § 15 Abs 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl I Nr 100/2005 idF BGBl I Nr 87/2012, und die Strafnorm § 120 Abs 1 Fremdenpolizeigesetz, BGBl I Nr 100/2005 idF BGBl I Nr 70/2015, lautet.
II. Die Beschwerdeführerin hat zusätzlich zum Beitrag zu den Kosten des Verwaltungsstrafverfahrens keinen Beitrag zu den Kosten des Beschwerdeverfahrens zu leisten.
III. Gegen diese Entscheidung ist eine Revision unzulässig.
Entscheidungsgründe
I.1. Mit Strafverfügung vom 2. Juni 2021, VStV/921300930007/2021, verhängte die Landespolizeidirektion Oberösterreich (im Folgenden: belangte Behörde) über die nunmehrige Beschwerdeführerin (im Folgenden: Bf), eine Geldstrafe in Höhe von 100,00 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 1 Tag und 9 Stunden), da sie als Fremde (§ 2 Abs 4 Z 1 FPG) am 21. Mai 2021 um 10:30 Uhr in 4975 Suben, Innkreisautobahn A8, ehemaliger GÜG, PKW Einreise, in das Bundesgebiet von Österreich eingereist und am 21. Mai 2021 in Suben 25 betreten worden sei, ohne im Besitz eines gültigen Reisedokuments zu sein, obwohl Fremde, soweit durch das Bundesgesetz oder durch eine zwischenstaatliche Vereinbarung nichts anderes bestimmt ist oder nicht anderen internationale Gepflogenheiten entspricht, zur rechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet ein gültiges Reisedokument benötigen (Passpflicht). Die Bf habe daher § 120 Abs 1 FPG iVm § 15 Abs 1 FPG verletzt.
I.2. Gegen diese Strafverfügung erhob die Bf am 15. Juni 2021 Einspruch. Darin führt sie aus, dass der kroatische Personalausweis der Bf nicht verlängert werden habe können, da durch Corona keine Einreise in den letzten Monaten in das Land Kroatien möglich gewesen sei. Das Konsulat in Stuttgart erstelle grundsätzlich keinen Personalausweis, sondern nur Reisepässe.
I.3. In der Folge erließ die belangte Behörde ein mit 28. Juni 2021 datiertes Straferkenntnis, mit dem über die Bf wegen der unter I.1. vorgeworfenen Verwaltungsübertretung eine Geldstrafe in Höhe von 100,00 Euro (Ersatzfreiheitsstrafe: 1 Tag und 9 Stunden) verhängt wurde. Begründend wird ausgeführt, dass die Bf am 21. Mai 2021 um 10:30 Uhr dabei betreten worden sei, wie sie in 4975 Suben 25 beim ehemaligen Grenzübergang von Deutschland kommend in das Bundesgebiet von Österreich eingereist sei ohne ein gültiges Reisedokument mit sich zu führen. Der Tatbestand der der Bf zur Last gelegten Verwaltungsübertretung sei durch die eigene dienstliche Wahrnehmung eines Beamten der PI Tumeltsham, der hierüber vorgelegten Anzeige vom 28. Mai 2021 sowie aufgrund des behördlich durchgeführten Ermittlungsverfahrens zweifelsfrei erwiesen. Es stehe daher fest, dass die Bf die im Spruch angeführte Verwaltungsübertretung begangen hat. Für die erkennende Behörde stehe fest, dass die Bf tatsächlich unrechtmäßig in das Bundesgebiet von Österreich eingereist sei, was von der Bf auch nicht bestritten werde und die Bf somit gegen die angeführten Bestimmungen des FPG verstoßen habe, weshalb nun spruchgemäß zu entscheiden gewesen sei. Wie der VwGH in mehreren Erkenntnissen ausgesprochen habe, bestehe ein hohes Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch die Normadressaten im Hinblick auf den Schutz der öffentlichen Ordnung. Die Bf habe in ihrem Einspruch angegeben, dass das kroatische Konsulat in Stuttgart grundsätzlich keine Personalausweise, sondern nur Reisepässe ausstelle. Von der belangten Behörde könne nicht nachvollzogen werden, warum sich die Bf dann keinen Reisepass ausstellen habe lassen, sondern sie dann einfach mit ihrem abgelaufenen Personalausweis gereist sei. Es werde ein gültiges Reisedokument zur rechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet von Österreich benötigt, weshalb die belangte Behörde nicht mit einer Ermahnung gemäß § 45 VStG vorgehen könne, da hierfür das Verschulden der Bf gering sein müsse. Im Falle der Bf sei das Verschulden nicht als gering einzustufen, da die Bf lediglich einen abgelaufenen Personalausweis mitgeführt habe. In diesem Sinne sei bei der Bemessung der Strafe das Ausmaß der mit der Tat verbundenen Schädigung oder Gefährdung derjenigen Interessen, deren Schutz der Strafdrohung dient und der Umstand, inwieweit die Tat sonst nachteilige Folgen nach sich gezogen hat, berücksichtigt worden. Die verhängte Geldstrafe, die sich im untersten Bereich des gesetzlichen Strafrahmens befinde, entspreche dem Unrechts- und dem Schuldgehalt der Tat und erscheine der Behörde notwendig, die Bf in Hinkunft von der Begehung derartiger Übertretungen abzuhalten. Der Milderungsgrund der verwaltungsrechtlichen Unbescholtenheit sei der Bf zugute gekommen. Bei der Strafbemessung sei davon ausgegangen worden, dass die Bf kein hierfür relevantes Vermögen besitze, nicht sorgepflichtig sei und kein Einkommen beziehe.
I.4. Gegen dieses am 1. Juli 2021 zugestellte Straferkenntnis erhob die Bf – durch ihre Eltern Z und A Z vertreten – mittels am 29. Juli 2021 eingebrachtem E-Mail rechtzeitig Beschwerde, in der sie die Aufhebung des Straferkenntnisses beantragte.
Darin wird im Wesentlichen ausgeführt, dass die Personalausweise nicht verlängert werden hätten können, da wegen Corona keine Einreise in das Land Kroatien möglich gewesen sei und das Konsulat in Stuttgart keinen Personalausweis ausstelle. Des Weiteren wurde ein Link des Innenministeriums der Republik Kroatien angehängt, in welchem beschrieben sei, dass während der Corona-Pandemie abgelaufene Reisepässe bzw Personalausweise trotzdem ihre Gültigkeit hätten. Durch die Änderung des Gesetzes sei die Gültigkeitsdauer auf maximal 30 Tage nach dem Datum der Erklärung der Einstellung der Epidemie verlängert worden. Mit dem Ziel, physische Kontakte zu reduzieren und Bürger und Beamte, die Verwaltungsverfahren in Polizeidienststellen und Polizeistationen durchführen, zu schützen, habe das kroatische Parlament am 7. April 2020 dringend das Gesetz zur Änderung des Personalausweisgesetzes (OG 42/20) verabschiedet. Durch die Änderung dieses Gesetzes sei die Gültigkeitsdauer von Personalausweisen, die während der Epidemie in der Republik Kroatien abgelaufen sind, auf maximal 30 Tage nach dem Datum der Erklärung der Beendigung der Epidemie verlängert worden. Da das Ende der Epidemie in der Republik Kroatien noch nicht erklärt worden sei, würden die Bürger, aber auch alle Institutionen und juristischen Personen in der Republik Kroatien darauf aufmerksam gemacht, die zum Zwecke ihrer Geschäftstätigkeit Einsicht in die öffentlichen Dokumente der Bürger suchen, dass die Personalausweise, die nach dem Ausbruch am 11. März 2020 abgelaufen sind, noch gültig seien. Neben dem Gesetz über die Änderungen des Gesetzes über den Personalausweis habe das kroatische Parlament am 7. April 2020 dringend Änderungen des Gesetzes über die Straßenverkehrssicherheit, das Gesetz über den Erwerb und Besitz von Waffen von Bürgern und des Gesetzes über Reisedokumente kroatischer Bürger verabschiedet.
I.5. Mit Schreiben vom 11. August 2021 legte die belangte Behörde die Beschwerde samt dem bezughabenden Verwaltungsakt dem Landesverwaltungsgericht OÖ zur Entscheidung vor. Eine Beschwerdevorentscheidung wurde nicht erlassen.
I.6. Auf telefonische Anfrage bei der Konsularabteilung der Botschaft der Republik Kroatien in Wien vom 8. Februar 2022 wurde dem erkennenden Gericht mitgeteilt, dass aufgrund der Covid-19-Pandemie in Kroatien eine Regelung vorgesehen worden sei, wonach kroatische Staatsangehörige – solange die Covid-19-Pandemie nicht offiziell für beendet erklärt ist – auch mit abgelaufenen Personalausweisen nach Kroatien einreisen können. Diese Regelung beträfen jedoch nur die Einreise nach Kroatien, nicht aber die Ein- oder Durchreise in andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union. Es handle sich dabei um kein Gesetz, sondern um eine organisatorische bzw vollzugstechnische Maßnahme.
Mit E-Mail vom 10. Februar 2022 teilte die Botschaft der Republik Kroatien in Wien diesbezüglich Folgendes mit:
„Die Regierung der Republik Kroatien hat Änderungen des Gesetzes über kroatische Personalausweise, sowie über die Reisedokumente der kroatischen Staatsbürger vorgenommen. Die Änderungen sehen vor, dass Personalausweise, die während der COVID-19-EpidemieG abgelaufen sind (ab dem 13. März 2020), noch 30 Tage nach dem die kroatische Regierung die Beendigung der Pandemie erklärt hat, als gültig betrachtet werden. Das gleiche gilt für kroatische Reisepässe. Sollte der kroatische Reisepass während der Epidemie ablaufen sein (also ab dem 13. März 2020), wird er noch 30 Tage nach Beendigung der Epidemie in Kroatien gültig sein. Hiermit wird bestätigt, dass die Regierung der Republik Kroatien die Beendigung der Epidemie noch nicht ausgerufen hat. Dennoch wurde festgestellt, dass eine Reise durch Slowenien mit abgelaufene kroatische Pässe und Personalausweisen nicht möglich sei und auch von den zuständigen Behörden Österreichs nicht anerkannt wird. Kroatische Staatsbürger mit Wohnsitz in Österreich solltem sich an die Botschaft in Wien wenden, um einen neuen Pass zu beantragen.“
I.7. Mit Schreiben vom 22. Februar 2022 wurde das E-Mail der kroatischen Botschaft der Bf zur Kenntnisnahme und allfälligen Stellungnahme bis zum 1. März 2022 übermittelt.
I.8. Die Bf gab keine entsprechende Stellungnahme ab.
I.9. Das Landesverwaltungsgericht OÖ hat Beweis erhoben durch die Einsichtnahme in den vorgelegten Verwaltungsakt, die Beschwerde und in die Homepage des kroatischen Innenministeriums sowie die telefonische Auskunft, über die ein Aktenvermerk angefertigt wurde und das E-Mail der kroatischen Botschaft.
I.10. Es steht folgender entscheidungsrelevanter S a c h v e r h a l t fest:
Die Bf wurde am x geboren und ist kroatische Staatsbürgerin. Sie ist derzeit in N (Deutschland), S Straße, wohnhaft.
Die Bf reiste am 21. Mai 2021 um 10:30 Uhr, in 4975 Suben, Innkreisautobahn A8, ehemaliger Grenzübergang, PKW Einreise, in das Bundesgebiet von Österreich ein. Sie führte dabei einen bereits abgelaufenen kroatischen Personalausweis, jedoch keinen Reisepass oder ein anderes gültiges Reisedokument mit sich.
Das kroatische Konsulat in Stuttgart stellt kroatische Reisepässe, jedoch keine kroatischen Personalausweise aus.
Die Regierung der Republik Kroatien hat im Rahmen der Bekämpfung der COVID-19-Pandemie und zur Reduzierung von Personenkontakten eine Regelung dahingehend getroffen, dass kroatische Reisepässe bzw Personalausweise, die während der COVID-19-Pandemie ablaufen, erst 30 Tage nachdem die kroatische Regierung die Pandemie für offiziell beendet erklärt, ungültig werden. Diese Sonderregelung gilt für Personen, die trotz abgelaufenem kroatischem Reisepass oder Personalausweis nach Kroatien einreisen wollen. Die kroatische Ausnahmebestimmung berechtigt Personen mit abgelaufenem Reisepass bzw Personalausweis jedoch nicht zur Ein- oder Durchreise in andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
II. Beweiswürdigung:
Der festgestellte Sachverhalt ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt, der Beschwerde und den Stellungnahmen der kroatischen Botschaft in Wien.
Insbesondere führen sowohl die Bf als auch die kroatische Botschaft aus, dass es auch während der COVID-19-Pandemie möglich ist und auch immer möglich war, einen kroatischen Reisepass bei den kroatischen Botschaften bzw Konsulaten zu beantragen.
Im Rahmen der Stellungnahme der kroatischen Botschaft vom 10. Februar 2022 wird überdies glaubhaft versichert, dass die kroatische Regierung zwar eine Sonderregelung für während der COVID-19-Pandemie abgelaufene Reisepässe und Personalausweise vorgesehen hat, dass diese jedoch lediglich Personen mit abgelaufenen Reisepässen bzw Personalausweisen betrifft, die nach Kroatien einreisen wollen, jedoch nicht zur Ein- bzw Durchreise in andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union berechtigt.
Dies ergibt sich auch aus den Ausführungen zum kroatischen Personalausweis, die auf der Internetseite des kroatischen Ministeriums für innere Angelegenheiten (https://mup.gov.hr/osobna-iskaznica-eoi/328) zu finden sind. Demnach ist ein kroatischer Personalausweis ein elektronisches öffentliches Dokument, mit dem ein kroatischer Staatsbürger die Identität, die kroatische Staatsbürgerschaft, das Geschlecht, das Geburtsdatum und den Wohnsitz in der Republik Kroatien nachweist. Alle kroatischen Staatsbürger haben Anspruch auf einen kroatischen elektronischen Personalausweis, unabhängig von ihrem Alter und davon, ob sie in der Republik Kroatien wohnen oder nicht. Ein kroatischer Staatsbürger, der keinen eingetragenen Wohnsitz in der Republik Kroatien hat, kann einen Personalausweis erhalten, in den die Informationen über seinen Wohnsitz außerhalb der Republik Kroatien eingegeben werden, in welchem Fall der Personalausweis nicht als Wohnsitznachweis dient. Der Personalausweis ist ein obligatorisches Dokument für kroatische Staatsbürger über 18 Jahre mit eingetragenem Wohnsitz in der Republik Kroatien. Damit eine Person ununterbrochen einen gültigen Personalausweis besitzt, kann sie diesen bereits vor Ablauf der Gültigkeitsdauer des von ihr gehaltenen Personalausweises beantragen. Das bedeutet, dass er einen Personalausweis mindestens 30 Tage vor Ablauf der Gültigkeit seines Personalausweises beantragen kann, wenn er den Personalausweis im ordentlichen Verfahren erhalten möchte.
In Anbetracht dessen, dass ein Personalausweis für über achtzehnjährige kroatische Staatsbürger, die ihren Wohnsitz in Kroatien haben, obligatorisch ist und insbesondere dem Nachweis der Identität, der kroatischen Staatsbürgerschaft, des Geschlechts, des Geburtsdatums und des Wohnsitzes in der Republik Kroatien dient, ist naheliegend, dass die Sonderregelung betreffend die COVID-19-Pandemie primär der innerstaatlichen Fortführung dieser Nachweismöglichkeiten dient. In diesem Sinne ist auch entsprechend der Auskunft der kroatischen Botschaft, wonach abgelaufene Dokumente noch 30 Tage nach dem offiziellen Ende der Pandemie in Kroatien gültig sind, schlüssig, dass die aufgrund der COVID-19-Pandemie geschaffene kroatische Sonderregelung lediglich für Personen gilt, die trotz abgelaufenem kroatischem Reisepass oder Personalausweis nach Kroatien einreisen wollen, nicht jedoch für die Durchreise durch andere Staaten.
III. Gesetzliche Grundlagen:
Die maßgeblichen Bestimmungen des Fremdenpolizeigesetzes – FPG, BGBl I Nr 100/2005 idF BGBl I Nr 206/2021, lauten wie folgt:
„Begriffsbestimmungen
§ 2. [...]
(4) Im Sinn dieses Bundesgesetzes ist
1.
Fremder: wer die österreichische Staatsbürgerschaft nicht besitzt;
2.
Einreise: das Betreten des Bundesgebietes;
2a.
Ausreise: das Verlassen des Bundesgebietes;
3.
Durchreise: das Durchqueren des Bundesgebietes samt den hiefür unerlässlichen Unterbrechungen;
4.
Reisedokument: ein Reisepass, ein Passersatz oder ein sonstiges durch Bundesgesetz, Verordnung oder auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarungen für Reisen anerkanntes Dokument; ausländische Reisedokumente genießen den strafrechtlichen Schutz inländischer öffentlicher Urkunden gemäß §§ 224, 224a, 227 Abs. 1 und 231 des Strafgesetzbuches (StGB), BGBl. Nr. 60/1974;
5.
ein Reisedokument gültig: wenn es von einem hiezu berechtigten Völkerrechtssubjekt ausgestellt wurde, die Identität des Inhabers zweifelsfrei wiedergibt, zeitlich gültig ist und dessen Geltungsbereich die Republik Österreich umfasst; außer bei Konventionsreisepässen und Reisedokumenten, die Staatenlosen oder Personen mit ungeklärter Staatsangehörigkeit ausgestellt werden, muss auch die Staatsangehörigkeit des Inhabers zweifelsfrei wiedergegeben werden; die Anbringung von Zusatzblättern im Reisedokument muss bescheinigt werden;
[...]
Rechtmäßigkeit der Einreise und Ausreise, Passpflicht und Visumpflicht
Voraussetzungen für die rechtmäßige Ein- und Ausreise
§ 15. (1) Fremde benötigen, soweit durch Bundesgesetz oder durch zwischenstaatliche Vereinbarung nicht anderes bestimmt ist oder nicht anderes internationalen Gepflogenheiten entspricht, zur rechtmäßigen Einreise in das Bundesgebiet und Ausreise aus diesem ein gültiges Reisedokument (Passpflicht).
[...]
(4) Die Einreise eines Fremden ist ferner dann rechtmäßig,
1.
wenn kein Vertragsstaat über ihn einen Zurückweisungsgrund mitgeteilt hat;
2.
wenn der Fremde, obwohl ein Vertragsstaat über ihn einen Zurückweisungsgrund mitgeteilt hat, einen Aufenthaltstitel eines Vertragsstaates oder einen Einreisetitel Österreichs besitzt;
3.
wenn die Einreise an der allenfalls zur Benützung vorgeschriebenen Grenzübergangsstelle erfolgt;
4.
wenn der Fremde auf Grund eines Rückübernahmeabkommens (§ 19 Abs. 4) oder internationaler Gepflogenheiten rückgenommen werden musste, im Rahmen einer Durchbeförderung (§ 45b Abs. 1) oder auf Grund einer Durchlieferungsbewilligung gemäß § 67 des Bundesgesetzes vom 4. Dezember 1979 über die Auslieferung und die Rechtshilfe in Strafsachen (Auslieferungs- und Rechtshilfegesetzes – ARHG), BGBl. Nr. 529, eingereist ist; oder
5.
wenn der Fremde Inhaber eines Aufenthaltstitels für unternehmensintern transferierte Arbeitnehmer gemäß ICT-Richtlinie eines anderen Mitgliedstaates ist, der das SDÜ nicht vollständig anwendet;
6.
wenn der Fremde gemäß der Forscher und Studenten-Richtlinie Inhaber eines Aufenthaltstitels ‚Forscher‘ eines anderen Mitgliedstaates ist, der das SDÜ nicht vollständig anwendet, oder als dessen Familienangehöriger Inhaber eines Aufenthaltstitels eines anderen Mitgliedstaates ist, der das SDÜ nicht vollständig anwendet;
7.
wenn der Fremde gemäß der Forscher und Studenten-Richtlinie Inhaber eines Aufenthaltstitels ‚Student‘ eines anderen Mitgliedstaates ist, der das SDÜ nicht vollständig anwendet, und an einem Unions- oder multilateralen Programm mit Mobilitätsmaßnahmen teilnimmt oder für ihn eine Vereinbarung zwischen zwei oder mehreren Hochschuleinrichtungen besteht.
[...]
Einschränkung der Passpflicht
§ 17. [...]
(4) EWR-Bürger und Schweizer Bürger erfüllen die Passpflicht auch mit einem Personalausweis und dürfen auf Grund eines solchen Reisedokumentes einreisen, sich im Bundesgebiet aufhalten und ausreisen.
[...]
Rechtswidrige Einreise und rechtswidriger Aufenthalt
§ 120. (1) Wer als Fremder nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet einreist, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 100 Euro bis zu 1 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Wochen, zu bestrafen. Wer wegen einer solchen Tat bereits einmal rechtskräftig bestraft wurde, ist mit Geldstrafe von 1 000 Euro bis zu 5 000 Euro, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu drei Wochen, zu bestrafen. Als Tatort gilt der Ort der Betretung; bei Betretung in einem öffentlichen Beförderungsmittel die nächstgelegene Ausstiegsstelle, an der das Verlassen des öffentlichen Beförderungsmittels gemäß dem Fahrplan des Beförderungsunternehmers möglich ist. Die Verwaltungsübertretung gemäß erster Satz kann durch Organstrafverfügung gemäß § 50 VStG in der Höhe von bis zu 200 Euro geahndet werden.
[...]“
IV. In rechtlicher Hinsicht ist Folgendes auszuführen:
IV.1. Gemäß § 120 Abs 1 FPG begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit Geldstrafe von 100,00 Euro bis zu 1.000,00 Euro (Ersatzfreiheitstrafe: bis zu zwei Wochen) zu bestrafen, wer als Fremder nicht rechtmäßig in das Bundesgebiet einreist. Eine rechtmäßige Ein- bzw Ausreise in das Bundesgebiet setzt – sofern nicht ein Ausnahmetatbestand des § 15 Abs 4 FPG erfüllt ist – nach der Bestimmung des § 15 Abs 1 FPG voraus, dass der Fremde über ein gültiges Reisedokument verfügt.
Als Reisedokument gilt gemäß § 2 Abs 4 Z 4 FPG ein Reisepass, ein Passersatz oder ein sonstiges durch Bundesgesetz, Verordnung oder auf Grund zwischenstaatlicher Vereinbarungen für Reisen anerkanntes Dokument. Gemäß § 17 Abs 4 FPG dürfen EWR-Bürger und Schweizer Bürger auch mit einem Personalausweis einreisen, sich im Bundesgebiet aufhalten und ausreisen.
Von der Gültigkeit des jeweiligen Reisedokumentes kann nach § 2 Abs 4 Z 5 FPG grundsätzlich dann ausgegangen werden, wenn es von einem hiezu berechtigten Völkerrechtsubjekt ausgestellt wurde, die Identität des Inhabers sowie dessen Staatsangehörigkeit zweifelsfrei wiedergibt, zeitlich gültig ist und dessen Geltungsbereich die Republik Österreich umfasst.
IV.2. Zur Erfüllung des objektiven Tatbestandes des § 120 Abs 1 iVm § 15 Abs 1 FPG ist sohin gefordert, dass ein Fremder ohne ein iSd § 2 Abs 4 Z 5 FPG gültiges Reisedokument in das österreichische Bundesgebiet ein- oder ausreist.
Im konkreten Fall steht fest, dass die Bf am 21. Mai 2021 mit einem bereits abgelaufenen kroatischen Personalausweis in das österreichische Bundesgebiet eingereist ist und die Bf im Zuge der Kontrolle durch die PI Tumeltsham auch kein anderes (gültiges) Reisedokument vorzeigen konnte.
Die Gültigkeit eines Reisedokuments setzt gemäß § 2 Abs 4 Z 5 FPG auch dessen zeitliche Gültigkeit voraus, weshalb die Bf durch das Mitführen eines bereits abgelaufenen kroatischen Personalausweises jedenfalls nicht die in § 15 Abs 1 FPG normierte Voraussetzung für eine rechtmäßige Einreise in das österreichische Bundesgebiet erfüllt.
Daran vermag auch der von der Bf im Rahmen ihrer Beschwerde vorgebrachte Umstand nichts zu ändern, dass die Regierung der Republik Kroatien eine Regelung dahingehend getroffen hat, dass kroatische Reisepässe bzw Personalausweise, die während der COVID-19-Pandemie ablaufen, erst 30 Tage nachdem die kroatische Regierung die Pandemie für offiziell beendet erklärt, ungültig werden. Die kroatische Ausnahmebestimmung berechtigt Personen mit abgelaufenen Reisepass bzw Personalausweis nämlich nicht zur Ein- oder Durchreise in andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union.
Die Bf ist daher unter Verwendung eines zeitlich ungültigen Personalausweises unrechtmäßig in das Bundesgebiet eingereist und hat somit den objektiven Tatbestand der vorgeworfenen Verwaltungsübertretung erfüllt.
IV.3. Das FPG enthält keine eigene Regelung hinsichtlich des Verschuldens, weshalb § 5 Abs 1 VStG zur Anwendung kommt, wonach zur Strafbarkeit fahrlässiges Verhalten genügt. Fahrlässigkeit ist bei Zuwiderhandeln gegen ein Verbot oder bei Nichtbefolgung eines Gebotes dann ohne weiteres anzunehmen, wenn zum Tatbestand einer Verwaltungsübertretung der Eintritt eines Schadens oder einer Gefahr nicht gehört und der Täter nicht glaubhaft macht, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden trifft (Ungehorsamsdelikt).
Auch die gegenständliche Verwaltungsübertretung stellt ein Ungehorsamsdelikt dar. Es genügt daher fahrlässige Tatbegehung. Nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes hat ein Beschuldigter initiativ alles darzulegen, was für seine Entlastung spricht. Dies hat in erster Linie durch geeignetes Tatsachenvorbringen und durch Beibringung von Beweismitteln oder Stellung konkreter Beweisanträge zu geschehen. Bloßes Leugnen oder allgemein gehaltene Behauptungen reichen für die "Glaubhaftmachung" nicht.
Die Bf behauptet im Rahmen ihrer Beschwerde, dass sie ihren Personalausweis nicht verlängern konnte, da aufgrund der COVID-19-Pandemie keine Einreise in das Land Kroatien möglich gewesen sei und das Konsulat in Stuttgart keinen Personalausweis, sondern lediglich Reisepässe ausstelle. Damit zeigt die Bf bereits selbst auf, dass es ihr durch Beantragung eines Reisepasses beim kroatischen Konsulat in Stuttgart durchaus möglich gewesen wäre, ein gültiges Reisedokument zu erhalten und damit bei der Einreise nach Österreich die geltenden fremdenrechtlichen Bestimmungen einzuhalten. Überdies hätte sich die Bf bereits vor Antritt der Reise über die Tatsache informieren müssen, dass die von der kroatischen Regierung erlassene Regelung betreffend abgelaufene kroatische Reisepässe und Personalausweise lediglich die Einreise nach Kroatien, nicht jedoch die Ein- und Durchreise in andere Mitgliedstaaten der Europäischen Union ermöglicht. Die Bf ließ jedenfalls die erforderliche und zumutbare Sorgfalt außer Acht, indem sie mit einem bereits abgelaufenen und damit ungültigen Personalausweis in das österreichische Bundesgebiet einreiste. Im Ergebnis ist daher auch das Vorliegen der subjektiven Tatseite zu bejahen.
IV.4. Gemäß § 19 VStG sind Grundlage für die Bemessung der Strafe die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat. Im ordentlichen Verfahren (§§ 40 bis 46) sind überdies die nach dem Zweck der Strafdrohung in Betracht kommenden Erschwerungs- und Milderungsgründe, soweit sie nicht schon die Strafdrohung bestimmen, gegeneinander abzuwägen.
Auch auf das Ausmaß des Verschuldens ist besonders Bedacht zu nehmen. Unter Berücksichtigung der Eigenart des Verwaltungsstrafrechtes sind die §§ 32 bis 35 Strafgesetzbuch sinngemäß anzuwenden. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse und allfällige Sorgepflichten des Beschuldigten sind bei der Bemessung von Geldstrafen ebenso zu berücksichtigen.
Die belangte Behörde würdigte bei der Strafbemessung einerseits die einschlägige Unbescholtenheit der Bf, andererseits verwies sie auf das hohe Interesse der Allgemeinheit an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften durch die Normadressaten im Hinblick auf den Schutz der öffentlichen Ordnung. Die Bf erstattete kein Vorbringen hinsichtlich der Strafhöhe. Die belangte Behörde hat lediglich die gesetzliche Mindeststrafe verhängt.
Gemäß § 45 Abs 1 Ziffer 4 VStG hat die Behörde von der Einleitung oder Fortführung eines Strafverfahrens abzusehen und die Einstellung zu verfügen, wenn die Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und die Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat und das Verschulden des Beschuldigten gering sind. Anstatt die Einstellung zu verfügen, kann die Behörde dem Beschuldigten im Fall der Z 4 unter Hinweis auf die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens mit Bescheid eine Ermahnung erteilen, wenn dies geboten erscheint, um ihn von der Begehung strafbarer Handlungen gleicher Art abzuhalten.
Das Verschulden ist geringfügig, wenn – unabhängig von der Schuldform (Vorsatz oder Fahrlässigkeit) – das tatbildmäßige Verhalten des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt erheblich zurückbleibt (vgl etwa VwGH 12. September 2001, 2001/03/0175). Die unrechtmäßige Einreise in das Bundesgebiet ist aber gerade der typische Fall des nach der Strafbestimmung des § 120 Abs 1 FPG verpönten Verhaltens, sodass von einer Geringfügigkeit nicht ausgegangen werden und daher nicht von der Verhängung einer Strafe abgesehen werden kann.
Gemäß § 20 VStG kann bei beträchtlichem Überwiegen der Milderungsgründe oder für den Fall, dass der Beschuldigte ein Jugendlicher ist, die Mindeststrafe bis zur Hälfte unterschritten werden.
Die Bf, die am x geboren wurde, war zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt noch nicht 18 Jahre alt und daher noch jugendlich. Aufgrund des jugendlichen Alters der Bf zum vorgeworfenen Tatzeitpunkt konnte daher die Mindeststrafe unterschritten werden, wobei aufgrund ihrer Unbescholtenheit und ihres fehlenden Einkommens mit der Herabsetzung auf die Hälfte der Mindeststrafe das Auslangen gefunden werden kann.
V. Es war daher im Ergebnis spruchgemäß zu entscheiden. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 52 Abs 8 VwGVG.
VI. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist unzulässig, da keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung im Sinne des Art 133 Abs 4 B-VG vorliegt. Zur zu lösenden Rechtsfrage liegt einheitliche Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs vor, von der in der ggst Entscheidung nicht abgewichen wurde.
Schlagworte
Reisedokument; zeitliche Gültigkeit; COVID-19-Pandemie; Unterschreiten der MindeststrafeEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGOB:2022:LVwG.701190.6.ER.NiFZuletzt aktualisiert am
11.05.2022