RS Vfgh 2021/2/25 WI12/2020

JUSLINE Rechtssatz

Veröffentlicht am 25.02.2021
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Index

L0350 Gemeindewahl, Bürgermeisterwahl

Norm

B-VG Art141 Abs1 lita
Stmk GdWO §8, §55, §70, §79, §80, §86
VfGG §7 Abs1, §67

Leitsatz

Keine Stattgabe der Anfechtung der Gemeinderatswahl der Marktgemeinde St. Peter am Ottersbach; kein Einfluss auf das Wahlergebnis durch unrichtige Beurkundung des Beginns und Endes der Wahlhandlung sowie Zusammenrechnung und Überprüfung von Sprengelwahlergebnissen in Anwesenheit nicht aller Mitglieder der Gemeindewahlbehörde; keine Feststellung "identer Schriftzüge" auf den Vorzugsstimmen und keine Verschiebung der Mandate selbst bei Wegfall dieser Vorzugsstimmen; keine Darlegung und Begründung des Vorbringens in der Anfechtungsschrift hinsichtlich ungültig beantragter und nicht in die Auszählung einbezogener Wahlkarten; keine Zulässigkeit des Vorbringens betreffend die Zählung von Vorzugsstimmen mangels Erschöpfung der zur Verfügung stehenden Rechtsmittel

Rechtssatz

Der VfGH erachtet es als erwiesen, dass Mitglieder der Gemeindewahlbehörde durch Schließung der Bürotür von der Zusammenrechnung der Sprengelwahlergebnisse und der Ermittlung des Gesamtergebnisses der Gemeinderatswahl der Marktgemeinde Sankt Peter am Ottersbach vom 28.06.2020 ausgeschlossen wurden. Dies wurde vom Gemeindewahlleiter auch nicht bestritten, vielmehr führt dieser selbst aus, dass sich zu dem Zeitpunkt nur vier Personen in dem Büro aufgehalten hätten. Das sei an der Größe des Büros, der COVID-19 Pandemie und der für die Ermittlung des Gesamtwahlergebnisses nötigen Konzentration gelegen. Da alle Mitglieder der Gemeindewahlbehörde die Niederschrift, aus der die Ergebnisse dieser Berechnungen und somit das Gesamtwahlergebnis hervorgehen, unterschrieben haben, geht der VfGH weiters davon aus, dass die Gemeindewahlbehörde nach der Zusammenrechnung der Sprengelwahlergebnisse und der Ermittlung des Gesamtwahlergebnisses zusammengetreten ist. Es waren daher lediglich bei der Berechnung und Ermittlung des Gesamtwahlergebnisses nicht alle Mitglieder der Gemeindewahlbehörde anwesend.

Die Anfechtungswerberin wendet sich mit ihrem Vorbringen ausdrücklich nur gegen die "Niederschrift zur Zusammenrechnung der Sprengelwahlergebnisse". Da einerseits der Beginn der - vor der Ermittlung des Gesamtergebnisses stattfindenden - Prüfung der Wahlkarten in der Niederschrift "zur Prüfung der brieflich eingelangten Wahlkarten" ebenfalls mit 8:00 Uhr angegeben ist und andererseits die Ergebnisse der Sprengelwahlbehörden den Niederschriften der Sprengelwahlbehörden zufolge zwischen 13:00 und 14:00 Uhr bei der Gemeindewahlbehörde eingelangt sind, kann die Ermittlung des Gesamtwahlergebnisses nicht - wie in der "Niederschrift zur Zusammenrechnung der Sprengelwahlergebnisse" angegeben - um 8:00 Uhr begonnen haben.

Nach der stRsp des VfGH ist einer Wahlanfechtung nicht schon dann stattzugeben, wenn die behauptete Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens erwiesen wurde; sie muss darüber hinaus auch auf das Wahlergebnis von Einfluss gewesen sein: Im vorliegenden Fall kann ein Einfluss auf das Wahlergebnis aber ausgeschlossen werden: Die Gemeindewahlbehörde hat nach §80 Stmk GWO die ihr von den Sprengelwahlbehörden übermittelten Ergebnisse zusammenzurechnen, die von den Sprengelwahlbehörden übermittelten Niederschriften rechnerisch zu überprüfen, etwaige Irrtümer in den zahlenmäßigen Ergebnissen zu berichtigen sowie auf Grund der Sprengelwahlergebnisse das Gesamtwahlergebnis und die von jeder wahlwerbenden Person erreichte Zahl der Vorzugsstimmen in der Gemeinde festzustellen. Es handelt sich dabei um eine rein rechnerische Tätigkeit, die lediglich auf Grundlage der bereits von den Sprengelwahlbehörden ermittelten und in eigenen Niederschriften beurkundeten Ergebnisse durchgeführt wird. Wie der "Niederschrift zur Zusammenrechnung der Sprengelwahlergebnisse" entnommen werden kann, wurden die Ergebnisse der rechnerisch ermittelten Zahlen von den die Niederschrift unterzeichnenden Mitgliedern der Gemeindewahlbehörde nicht beanstandet. Für die Mitglieder wäre es außerdem jedenfalls ohne Schwierigkeiten möglich gewesen, die rechnerisch ermittelten Zahlen zu überprüfen bzw - unter Angabe des entsprechenden Grundes - die Unterfertigung der Niederschrift zu unterlassen. Die rechnerische Richtigkeit der Ergebnisse wurde auch von der Landeswahlbehörde überprüft. Bei der rechnerischen Überprüfung des Gesamtwahlergebnisses durch den VfGH sind ebenfalls keine Rechenfehler hervorgekommen. Es ist daher auszuschließen, dass es zu einer Manipulation oder zu einer unrichtigen Zusammenrechnung der Ergebnisse gekommen ist.

Auch die geltend gemachte unrichtige Beurkundung in der "Niederschrift zur Zusammenrechnung der Sprengelwahlergebnisse", wonach die Zusammenrechnung und Ermittlung des Gesamtwahlergebnisses um 8:00 Uhr begonnen haben soll, ist nicht von Einfluss auf das Wahlergebnis. Das Erfordernis, dass die Rechtswidrigkeit auf das Wahlergebnis zumindest von Einfluss sein konnte, ist daher ebenfalls nicht erfüllt.

Keine Feststellung "identer Schriftzüge" auf abgegebenen Vorzugsstimmen:

Nach Einsicht in die Gemeindewahlakten und Durchsicht der 16 Vorzugsstimmen für *** (ÖVP) aus dem Wahlsprengel Wittmansdorf, die der wahlwerbenden Partei ÖVP zugerechnet wurden, ist es für den VfGH offensichtlich, dass diese nicht den gleichen Schriftzug aufweisen. Auch bei den in Blockbuchstaben ausgefüllten Stimmzetteln sind augenscheinlich keine Ähnlichkeiten zu erkennen, die auf die gleiche ausfüllende Person hindeuten würden, zumal sich die Schriftzüge durch die Schreibweise zumindest einzelner Buchstaben unterscheiden. Zudem würde selbst der Wegfall aller 16 Stimmzettel aus Wittmansdorf mit Vorzugsstimme für *** nicht zu einer Verschiebung der Mandate führen.

Keine Darlegung und Begründung der (behaupteten) Rechtswidrigkeit des Wahlverfahrens in der Anfechtungsschrift:

Das Vorbringen der Anfechtungswerberin betreffend 20 ungültig beantragter und bereits von der Landeswahlbehörde als ungültig erachteter Wahlkarten sowie die Einbeziehung der Wahlkarten ist vage und allgemein gehalten.Es wird in keiner Weise dargelegt, welche Rechtswidrigkeit - außer der von der Landeswahlbehörde selbst festgestellten nicht ordnungsgemäßen Beantragung von 20 Wahlkarten (die keinen Einfluss auf das Wahlergebnis hat) - konkret vorliege und welche konkreten Wahlkarten bzw Stimmzettel betroffen seien. Vielmehr werden die Feststellungen der Landeswahlbehörde generell wiederholt, und es wird vorgebracht, dass ca 45 Wahlkarten nicht angekommen, nicht unterschrieben bzw nicht in die Auszählung einbezogen worden seien. Die bloße, in keiner Weise näher substantiierte Behauptung, es seien möglicherweise nicht sämtliche Briefwahlstimmen angekommen bzw ausgezählt worden, ist zu abstrakt gehalten. Es wurde auch kein Vorbringen erstattet, das die Niederschrift betreffend die "Prüfung der brieflich eingelangten Wahlkarten" in Zweifel zieht. Aus dem Umstand, dass 20 Wahlkarten nach den Feststellungen der Landeswahlbehörde nicht ordnungsgemäß beantragt wurden, kann jedenfalls nicht generell auf allfällige allgemeine Rechtswidrigkeiten im Wahlverfahren geschlossen werden. Weder dieser Umstand noch der allgemeine Hinweis auf Recherchen der Anfechtungswerberin, wonach etliche Wahlkarten nicht angekommen seien, sind als Konkretisierung für allfällige andere Rechtswidrigkeiten ausreichend. Es wurde auch keinerlei sonstiges Vorbringen in der Anfechtung erstattet, das nahelegen würde, dass ordnungsgemäß eingelangte Briefwahlstimmen tatsächlich nicht in die Auszählung einbezogen worden wären. Im Hinblick auf das mit Schriftsatz vom 08.02.2021 erstattete ergänzende Vorbringen, dass fünf näher genannte Personen ausdrücklich bzw eidesstattlich erklären, ihre Briefwahlstimme ordnungsgemäß abgegeben zu haben, ist festzuhalten, dass dieses Vorbringen schon in der Anfechtungsschrift darzulegen gewesen wäre. Die Anfechtungsbefugnis ist mit der Einbringung der Anfechtungsschrift verbraucht, sodass deren Erweiterung nicht in Betracht kommt.

Unzulässigkeit des Vorbringens betreffend die Zählung von Vorzugsstimmen:

Die Behauptung, dass für einen bestimmten Wahlwerber zwei Vorzugsstimmen abgegeben worden seien, wurde nicht im Einspruch an die Landeswahlbehörde vorgebracht. Die (erstmalige) Geltendmachung der behaupteten Rechtswidrigkeit im Verfahren vor dem VfGH ist mangels Erschöpfung der zur Verfügung stehenden Rechtsmittel in diesem Punkt nicht (mehr) zulässig.

Selbst wenn diese Rechtswidrigkeit bereits im Einspruch geltend gemacht worden wäre, würde eine diesbezügliche Anfechtung jedoch nicht zum Erfolg führen: Der betroffene Wahlwerber hätte auch bei zwei Vorzugsstimmen kein Mandat zugewiesen bekommen, weshalb eine entsprechende Rechtswidrigkeit nicht von Einfluss auf das Wahlergebnis sein könnte.

Entscheidungstexte

Schlagworte

VfGH / Wahlanfechtung, Gemeinderat, Wahlanfechtung administrative, Wahlkarten, Briefwahl, Wahlergebnis, Ermittlungsverfahren, Wahlen, Wahlbehörden

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2021:WI12.2020

Zuletzt aktualisiert am

11.05.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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