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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Hinterwirth sowie die Hofrätinnen Mag. Rossmeisel und Mag. I. Zehetner als Richterinnen, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Gnilsen, in der Revisionssache des A R, vertreten durch Dr. Max Kapferer, Dr. Thomas Lechner & Dr. Martin Dellasega, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Jänner 2021, W122 2207887-1/16E, betreffend Angelegenheiten nach dem AsylG 2005 und dem FPG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 Der Revisionswerber, ein Staatsangehöriger des Iran, stellte am 5. Juni 2016 einen Antrag auf internationalen Schutz nach dem Asylgesetz 2005 (AsylG 2005).
2 Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl wies diesen Antrag mit Bescheid vom 26. September 2018 zur Gänze ab, erteilte dem Revisionswerber keinen Aufenthaltstitel aus berücksichtigungswürdigen Gründen, erließ gegen ihn eine Rückkehrentscheidung, stellte fest, dass seine Abschiebung in den Iran zulässig sei, und legte für die freiwillige Ausreise eine Frist von 14 Tagen ab Rechtskraft der Rückkehrentscheidung fest.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 15. Jänner 2021 wies das Bundesverwaltungsgericht die dagegen erhobene Beschwerde des Revisionswerbers nach Durchführung einer Verhandlung als unbegründet ab und sprach aus, dass die Erhebung einer Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis erhob der Revisionswerber Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der deren Behandlung mit Beschluss vom 5. Oktober 2021, E 3147/2021-5, ablehnte und die Beschwerde dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abtrat. In der Folge wurde die gegenständliche außerordentliche Revision eingebracht.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Zu ihrer Zulässigkeit bringt die Revision zunächst zusammengefasst vor, dass das Bundesverwaltungsgericht von näher zitierter ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Begründungspflicht abgewichen sei und nimmt auf näher zitierte Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes Bezug, an die sich das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der Beurteilung der vorgebrachten Konversion des Revisionswerbers zu halten gehabt hätte. Entgegen den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts seien die Antworten des Revisionswerbers in der Verhandlung zu Wissensfragen nicht falsch gewesen und habe er seinen Abfall vom Islam sowie seine Zuwendung zum Christentum, die Bedeutung der Taufe und die Aufgabe der Missionierung nachvollziehbar dargelegt.
9 Soweit die Revision zu ihrer Zulässigkeit einen Begründungsmangel des Bundesverwaltungsgerichts geltend macht, bekämpft sie in der Sache dessen Beweiswürdigung.
10 Nach der hier maßgeblichen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kommt es bei der Beurteilung eines behaupteten Religionswechsels und der Prüfung einer Scheinkonversion auf die aktuell bestehende Glaubensüberzeugung des Konvertiten an, die im Rahmen einer Gesamtbetrachtung anhand einer näheren Beurteilung der vorliegenden Beweismittel, etwa von Zeugenaussagen und einer konkreten Befragung des Asylwerbers zu seinen religiösen Aktivitäten, zu ermitteln ist. In Bezug auf die asylrechtliche Relevanz einer Konversion zum Christentum ist nicht entscheidend, ob der Religionswechsel durch die Taufe erfolgte oder bloß beabsichtigt ist. Wesentlich ist vielmehr, ob der Fremde bei weiterer Ausübung seines (behaupteten) inneren Entschlusses, nach dem christlichen Glauben zu leben, im Fall seiner Rückkehr in seinen Herkunftsstaat mit maßgeblicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen müsste, aus diesem Grund mit die Intensität von Verfolgung erreichenden Sanktionen belegt zu werden. Maßgebliche Indizien für einen aus innerer Überzeugung vollzogenen Religionswechsel sind beispielsweise das Wissen über die neue Religion, die Ernsthaftigkeit der Religionsausübung, welche sich etwa in regelmäßigen Gottesdienstbesuchen oder sonstigen religiösen Aktivitäten manifestiert, eine mit dem Religionswechsel einhergegangene Verhaltens- bzw. Einstellungsänderung des Konvertiten sowie eine schlüssige Darlegung der Motivation bzw. des auslösenden Moments für den Glaubenswechsel (vgl. VwGH 31.8.2021, Ra 2020/14/0061, mwN).
11 Weiters entspricht es der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes, dass dieser als Rechtsinstanz zur Überprüfung der Beweiswürdigung im Allgemeinen nicht berufen ist. Im Zusammenhang mit der Beweiswürdigung liegt eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nur dann vor, wenn das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hat. Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht berechtigt, die Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts mit der Begründung zu verwerfen, dass auch ein anderer Sachverhalt schlüssig begründbar wäre (vgl. VwGH 8.7.2021, Ra 2021/20/0224, mwN).
12 Das Bundesverwaltungsgericht führte eine Verhandlung durch, in der es sich einen persönlichen Eindruck vom Revisionswerber verschaffte sowie ihn zu seiner Motivation für den Glaubenswechsel, Inhalten des christlichen Glaubens und zum Praktizieren seines Glaubens befragte. Das Bundesverwaltungsgericht gelangte auf dieser Grundlage mit ausführlicher Begründung zu dem Ergebnis, dass die Angaben des Revisionswerbers zu seiner Konversion als nicht glaubwürdig zu qualifizieren seien und stellte fest, dass es sich um eine Scheinkonversion handle. Der Revision, die einzelne Aspekte der beweiswürdigenden Erwägungen anspricht, gelingt es nicht darzulegen, dass die Beweiswürdigung insgesamt fallbezogen unvertretbar wäre.
13 Dem weiteren Vorbringen der Revision, das Bundesverwaltungsgericht hätte aufgrund der festgestellten Taufe des Revisionswerbers zur Beurteilung gelangen müssen, dass ihm im Herkunftsstaat eine asylrelevante Verfolgung drohe, in eventu, dass im Iran für den Abfall vom Islam durch die Taufe die Todesstrafe drohe und es dabei unwesentlich sei, ob es sich um eine Scheinkonversion handle, ist entgegenzuhalten, dass das Bundesverwaltungsgericht in seiner Beweiswürdigung vertretbar zu dem Ergebnis gelangte, dass nicht anzunehmen sei, dass die vorgebliche Konversion des Revisionswerbers den iranischen Staatsorganen bereits bekannt geworden sei und nicht davon ausgegangen werden könne, dass er im Rückkehrfall in den Fokus der iranischen Behörden geraten könnte.
14 Soweit die Revision moniert, dass die dem Revisionswerber vom Bundesverwaltungsgericht in der Verhandlung gestellten Fragen großteils nicht geeignet gewesen seien, um feststellen zu können, ob bei ihm eine innere Verbundenheit mit dem Christentum vorliege, sowie dass das Bundesverwaltungsgericht noch weitere Ermittlungen hätte durchführen müssen, ob sich tatsächlich Angehörige der Sepa unter den Followern des Revisionswerbers auf Instagram befinden, macht die Revision Verfahrensmängel geltend.
15 Werden solche Mängel als Zulassungsgründe ins Treffen geführt, muss auch schon in der abgesonderten Zulässigkeitsbegründung die Relevanz dieser Verfahrensmängel, weshalb also bei Vermeidung des Verfahrensmangels in der Sache ein anderes, für den Revisionswerber günstigeres Ergebnis hätte erzielt werden können, dargetan werden. Dies setzt voraus, dass - auch in der gesonderten Begründung für die Zulässigkeit der Revision zumindest auf das Wesentliche zusammengefasst - jene Tatsachen dargestellt werden, die sich bei Vermeidung des Verfahrensmangels als erwiesen ergeben hätten. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist in konkreter Weise darzulegen (vgl. VwGH 1.10.2021, Ra 2021/14/0236, mwN). Diesen Anforderungen wird die Revision mit ihrem unsubstantiierten Vorbringen nicht gerecht.
16 Darüber hinaus ist darauf hinzuweisen, dass das Bundesverwaltungsgericht den Revisionswerber in der Verhandlung zu seinen Followern auf Instagram und deren möglicher Sepa-Zugehörigkeit befragte und in seiner Beweiswürdigung den Instragram-Auftritt des Revisionswerbers berücksichtigte. Die Frage, ob das Verwaltungsgericht im Rahmen seiner amtswegigen Ermittlungspflicht weitere Ermittlungsschritte setzen muss, unterliegt einer einzelfallbezogenen Beurteilung. Eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung läge insoweit nur dann vor, wenn diese Beurteilung grob fehlerhaft erfolgt wäre (vgl. VwGH 26.2.2021, Ra 2021/14/0044, mwN). Dies zeigt die Revision fallbezogen nicht auf.
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 19. April 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021140058.L00Im RIS seit
11.05.2022Zuletzt aktualisiert am
01.06.2022