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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
AuslBG AnlBBetreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision der Regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Bregenz, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 9. Dezember 2020, I406 2235601-1/9E, betreffend Zulassung als Fachkraft in einem Mangelberuf gemäß § 12a Ausländerbeschäftigungsgesetz (mitbeteiligte Partei: A B in C), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Mit Bescheid vom 3. August 2020 versagte die gemäß § 20d Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) mit dem Antrag des Mitbeteiligten, einem bosnisch-herzegowinischen Staatsangehörigen, vom 17. Jänner 2020 auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Rot-Weiß-Rot - Karte“ für die Beschäftigung als GWH-Installateur bei der X GmbH befasste vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde (nunmehrige Revisionswerberin) die Zulassung als Fachkraft in einem Mangelberuf gemäß § 12a AuslBG.
2 Dieser Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass die erforderliche Mindestpunkteanzahl gemäß Anlage B zum AuslBG von 55 Punkten nicht erreicht werde, weil (insgesamt) nur 44 Punkte angerechnet werden könnten.
3 Der dagegen vom Mitbeteiligten erhobenen Beschwerde gab das Bundesverwaltungsgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis statt, behob den Bescheid und trug der Revisionswerberin auf, der nach dem NAG zuständigen Behörde gemäß § 20d Abs. 1 vierter Satz AuslBG zu bestätigen, dass „die Zulassungsvoraussetzungen als Fachkraft gemäß § 12a Z 1 AuslBG“ erfüllt seien. Die Revision wurde für nicht zulässig erklärt.
4 Begründend führte das Bundesverwaltungsgericht im Wesentlichen aus, die belangte Behörde habe nicht berücksichtigt, dass dem Mitbeteiligten bereits einmal eine „Rot-Weiß-Rot - Karte“ für die Beschäftigung als HLS-Installateur bei der Y GmbH erteilt worden war, und zwar am 21. Jänner 2019 mit Gültigkeit bis zum 20. Jänner 2021. Die Y GmbH existiere nicht mehr. Der Mitbeteiligte habe innerhalb des Bewilligungszeitraumes einen neuerlichen Antrag auf Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot - Karte“ für eine Beschäftigung bei der X GmbH gestellt. In derartigen Fällen eines Arbeitgeberwechsels innerhalb des Bewilligungszeitraumes müsse nach herrschender Lehre das gesamte Verfahren von Neuem durchlaufen werden, wobei die Kriterien gemäß Anlage A, B und C nicht noch einmal zu prüfen seien. Daher spiele es im gegenständlichen Fall keine Rolle, ob der Mitbeteiligte die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage B angeführten Kriterien erreiche.
5 Das Vorliegen der Voraussetzungen des § 12a Z 1 AuslBG (einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung), § 12a Z 3 AuslBG (Entlohnung) sowie § 4 Abs. 1 AuslBG mit Ausnahme der Z 1 bejahte das Bundesverwaltungsgericht mit näherer Begründung. Daher sei der Beschwerde stattzugeben und die Bestätigung durch die Revisionswerberin zu erteilen.
6 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die außerordentliche Revision wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes. In dem vom Verwaltungsgerichtshof durchgeführten Vorverfahren wurde keine Revisionsbeantwortung erstattet.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:
7 In der Amtsrevision wird zur Zulässigkeit vorgebracht, die zunächst ausgestellte „Rot-Weiß-Rot - Karte“ sei nach Zulassung als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1 AuslBG erfolgt, das gegenständliche Verfahren sei jedoch auf Erteilung einer Rot-Weiß-Rot-Karte als Fachkraft in einem Mangelberuf gemäß § 12a AuslBG gerichtet. Es würden dabei unterschiedliche Punkteschemata zur Anwendung gelangen.
8 Mit diesem Vorbringen erweist sich die Revision als zulässig; sie ist auch begründet.
9 Die hier maßgeblichen Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes (AuslBG), BGBl. Nr. 218/1975, § 12a in der Fassung BGBl. I Nr. 25/2011 und § 20d sowie die Anlage B in der Fassung BGBl. I Nr. 94/2018, lauten auszugsweise:
„Fachkräfte in Mangelberufen
§ 12a. Ausländer werden in einem in der Fachkräfteverordnung (§ 13) festgelegten Mangelberuf zu einer Beschäftigung als Fachkraft zugelassen, wenn sie
1. eine einschlägige abgeschlossene Berufsausbildung nachweisen können,
2. die erforderliche Mindestpunkteanzahl für die in Anlage B angeführten Kriterien erreichen,
3. für die beabsichtigte Beschäftigung das ihnen nach Gesetz, Verordnung oder Kollektivvertrag zustehende Mindestentgelt zuzüglich einer betriebsüblichen Überzahlung erhalten und
sinngemäß die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 mit Ausnahme der Z 1 erfüllt sind. Die Arbeitsmarktprüfung im Einzelfall entfällt.
...
Zulassungsverfahren für besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte, sonstige Schlüsselkräfte, Studienabsolventen und Künstler
§ 20d. (1) Besonders Hochqualifizierte, Fachkräfte sowie sonstige Schlüsselkräfte und Studienabsolventen haben den Antrag auf eine ‚Rot-Weiß-Rot - Karte‘, Schlüsselkräfte gemäß § 12c den Antrag auf eine ‚Blaue Karte EU‘ und ausländische Künstler den Antrag auf eine ‚Niederlassungsbewilligung - Künstler‘ gemeinsam mit einer schriftlichen Erklärung des Arbeitgebers, die im Antrag angegebenen Beschäftigungsbedingungen einzuhalten, bei der nach dem NAG zuständigen Behörde einzubringen. Der Antrag kann auch vom Arbeitgeber für den Ausländer im Inland eingebracht werden. Die nach dem NAG zuständige Behörde hat den Antrag, sofern er nicht gemäß § 41 Abs. 3 Z 1 oder 2 NAG zurück- oder abzuweisen ist, unverzüglich an die nach dem Betriebssitz des Arbeitgebers zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice zur Prüfung der jeweiligen Zulassungsvoraussetzungen zu übermitteln. Die regionale Geschäftsstelle hat den Regionalbeirat anzuhören und binnen vier Wochen der nach dem NAG zuständigen Behörde - je nach Antrag - schriftlich zu bestätigen, dass die Voraussetzungen für die Zulassung
1. ...
2. als Fachkraft gemäß § 12a,
3. ...
...
erfüllt sind. Die nach dem NAG zuständige Behörde hat die regionale Geschäftsstelle über die Erteilung des jeweiligen Aufenthaltstitels unter Angabe der Geltungsdauer zu verständigen. Bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen hat die regionale Geschäftsstelle die Zulassung zu versagen und den diesbezüglichen Bescheid unverzüglich der nach dem NAG zuständigen Behörde zur Zustellung an den Arbeitgeber und den Ausländer zu übermitteln.
(2) Die Zulassung gemäß Abs. 1 gilt für die Beschäftigung bei dem im Antrag angegebenen Arbeitgeber im gesamten Bundesgebiet. Die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice hat unverzüglich nach Beginn der Beschäftigung die Anmeldung zur Sozialversicherung zu überprüfen. Entspricht diese nicht den für die Zulassung maßgeblichen Voraussetzungen, ist die nach dem NAG zuständige Behörde zu verständigen (§ 28 Abs. 6 NAG). Bei einem Arbeitgeberwechsel vor Erteilung einer ‚Rot-Weiß-Rot - Karte plus‘ (§ 41a NAG) ist Abs. 1 sinngemäß anzuwenden.
(3) ...
...
Anlage B
Zulassungskriterien für Fachkräfte in Mangelberufen gemäß § 12a
Kriterien
Punkte
Qualifikation
maximal anrechenbare Punkte: 30
abgeschlossene Berufsausbildung im Mangelberuf
20
allgemeine Universitätsreife im Sinne des § 64 Abs. 1 des Universitätsgesetzes 2002, BGBl. I Nr. 120
25
Abschluss eines Studiums an einer tertiären Bildungseinrichtung mit dreijähriger Mindestdauer
30
ausbildungsadäquate Berufserfahrung
maximal anrechenbare Punkte: 20
Berufserfahrung (pro Jahr)
Berufserfahrung in Österreich (pro Jahr)
2
4
Sprachkenntnisse Deutsch
maximal anrechenbare Punkte: 15
Deutschkenntnisse zur elementaren Sprachverwendung auf einfachstem Niveau (A 1)
Deutschkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A 2)
Deutschkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B 1)
5
10
15
Sprachkenntnisse Englisch
maximal anrechenbare Punkte: 10
Englischkenntnisse zur vertieften elementaren Sprachverwendung (A 2)
Englischkenntnisse zur selbständigen Sprachverwendung (B 1)
5
10
Alter
maximal anrechenbare Punkte: 15
bis 30 Jahre
bis 40 Jahre
15
10
Summe der maximal anrechenbaren Punkte
90
erforderliche Mindestpunkteanzahl
55“
10 Das Bundesverwaltungsgericht begründet das Absehen von der Prüfung der Kriterien der Anlage B erkennbar auf Grundlage des § 20d Abs. 2 letzter Satz AuslBG damit, dass im Falle eines Arbeitgeberwechsels zwar das gesamte Verfahren von Neuem durchlaufen werden müsse, die Kriterien der Anlage A, B und C jedoch nicht noch einmal zu prüfen seien.
11 Nach § 20d Abs. 2 letzter Satz AuslBG ist bei einem Arbeitgeberwechsel vor Erteilung einer „Rot-Weiß-Rot - Karte plus“ (§ 41a NAG) Abs. 1 sinngemäß anzuwenden. § 20d Abs. 1 AuslBG enthält nähere Bestimmungen zum Zulassungsverfahren für kombinierte Aufenthalts- und Arbeitserlaubnisse (vgl. ErläutRV 2163 BlgNR XXIV. GP 6). Demnach hat die zuständige regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice den Regionalbeirat anzuhören und binnen vier Wochen der nach dem Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG) zuständigen Behörde - je nach Antrag - schriftlich zu bestätigen, dass die Voraussetzungen für die Zulassung erfüllt sind. Bei Nichtvorliegen der Voraussetzungen hat die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice die Zulassung zu versagen.
12 Für einen Fall wie den vorliegenden, wo der Mitbeteiligte innerhalb des Bewilligungszeitraumes einer bereits ausgestellten „Rot-Weiß-Rot - Karte“ nach Zulassung als Schlüsselkraft gemäß § 12b Z 1 AuslBG für eine Beschäftigung bei der Y GmbH eine Zulassung als Fachkraft in einem Mangelberuf gemäß § 12a AuslBG für eine Beschäftigung bei der X GmbH begehrt, hat eine Prüfung sämtlicher der in § 12a AuslBG genannten Zulassungsvoraussetzungen zu erfolgen. Weder aus dem Gesetz noch aus den Materialien lässt sich entnehmen, dass eine Prüfung der entsprechenden Zulassungskriterien unterbleiben kann. Indem das Bundesverwaltungsgericht bei seiner Entscheidung über die Zulassung als Fachkraft in einem Mangelberuf gemäß § 12a AuslBG eine Prüfung der Zulassungskriterien gemäß Anlage B zum AuslBG unterlassen hat, belastete es daher das Erkenntnis mit Rechtswidrigkeit.
13 Das angefochtene Erkenntnis war somit gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
Wien, am 19. April 2022
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2 Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021090018.L00Im RIS seit
11.05.2022Zuletzt aktualisiert am
17.05.2022