TE Dok 2022/3/3 2022-0.109.922

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Veröffentlicht am 03.03.2022
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Norm

BDG 1979 §43 Abs2

Schlagworte

Sexuelle Belästigung

Text

Die Bundesdisziplinarbehörde hat am 03.03.2022 in Anwesenheit des Beamten, des Verteidigers, des Disziplinaranwaltes und der Schriftführerin durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Beamte ist schuldig,

er hat zu einem nicht näher bekannten Zeitpunkt zwischen dem 25.07.2020 und dem 26.07.2020 in N.N, Almhütte N.N., die am A.A. geborene A.A. durch eine geschlechtliche Handlung vor ihr unter Umständen, unter denen dies geeignet ist, berechtigtes Ärgernis zu erregen, belästigt, indem er in ihrer Gegenwart an seinem Penis Masturbationsbewegungen mit der Hand durchführte, wobei er sie aufforderte, ihm dabei zuzusehen, und auch versuchte, sie zu sich zu ziehen.

Er hat dadurch Dienstpflichtverletzungen des § 43 Abs 2 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979,
BGBl. Nr. 333 (BDG 1979), begangen.

Über den Beamten wird gemäß § 51 Z 2 HDG 2014 die Disziplinarstrafe der Geldbuße in der Höhe von Euro 1.000.- verhängt.

Der Beamte schuldet gem. § 38 Abs. 1 HDG 2014 dem Bund einen Kostenbeitrag in der Höhe von Euro 100,-

Begründung

Der Verdacht, Dienstpflichtverletzungen begangen zu haben, gründet sich auf die Disziplinaranzeige des Disziplinarvorgesetzten vom 27.01.22.

Darstellung des Sachverhaltes

1.   Der Einheitskommandant hat am 04. November 2021 wegen der im Spruch geschilderten Handlungen das Disziplinarverfahren eingeleitet. Dem Dienststellenausschuss des N.N. wurde am 26. Jänner 2022 die beabsichtigte Erstattung einer Disziplinaranzeige mitgeteilt.

2.   Die Disziplinaranzeige wurde durch den Kdt N.N als Disziplinarvorgesetzter am 27. Jänner 2022 erstattet und langte am selben Tag bei der Bundesdisziplinarbehörde (BDB) ein, wo sie aufgrund der am 30.11.2021 erlassenen Geschäftseinteilung für das Kalenderjahr 2022 dem Senat 45 zugewiesen wurde. Ihr wurde der im Spruch dargelegte Sachverhalt zugrunde gelegt. Der Kdt N.N. wies darauf hin, dass der Beamte dadurch das Vergehen der sexuellen Belästigung und öffentlichen geschlechtlichen Handlungen nach § 218 Abs 1 Ziffer 2 StGB begangen habe und das Strafverfahren durch Zahlung von € 3.500 mit Diversion beendet wurde.

Aus seiner Sicht sei dem zu Grunde liegenden Sachverhalt ein disziplinarrechtlicher Überhang zu entnehmen und das Strafausmaß einer Geldbuße daher nicht mit der Tat vereinbar, weshalb Disziplinaranzeige erstattet wurde. Der Disziplinaranzeige wurden an Beilagen angeschlossen:

Mitteilung an die Personalvertretung, Strafakt mit Abschlussbericht LPD N.N. vom 10.10.2021, Personalblatt, Strafregisterauszug, Beschuldigtenvernehmung, Zeugenvernehmung des A.A. und Opfervernehmung der A.A., Strafantrag der StA N.N., die Verantwortung des Angeklagten A.A., eingebracht durch den Strafverteidiger, die Verhandlungsmitschrift von der Hauptverhandlung vor dem BG N.N., der Beschluss des Bezirksgerichtes N.N. vom 07. Dezember 2021, wonach das Strafverfahren gegen den Beamten wegen der sexuellen Belästigung nach § 218 Abs 1 Z 2 StGB nach Zahlung eines Geldbetrages zu Gunsten des Bundes von € 3.500.- gemäß § 200 Abs 5 StPO eingestellt werde. Als verletzte Pflicht wurde § 43 Abs 2 BDG 1979 angeführt.

3.   In seiner durch die rechtsfreundliche Vertretung Rechtsanwälte N.N. am 15.11.2021

eingebrachten Verantwortung als Beschuldigter im Strafverfahren führte er aus, dass er sich im Rahmen der für 17.11.2021 angesetzten Hauptverhandlung geständig

verantworten werde. Die Familie der Zeugin A.A. sei ihm seit vielen Jahren bekannt; mit dem Stiefvater der Zeugin, A.A., wäre er bis zu dem gegenständlichen Vorfall praktisch täglich beisammen gewesen. Der inkriminierte Vorfall hätte sich im Rahmen einer Vereinsveranstaltung zugetragen, wobei es sich um das erste Treffen dieses Vereins seit langer Zeit gehandelt hätte. Im Rahmen dieser Veranstaltung sei reichlich Alkohol geflossen. Aufgrund des reichlichen Alkoholkonsums könne der sich nach wie vor nicht erinnern, was konkret an diesem Abend geschehen sei, er habe jedoch keinerlei Zweifel daran, dass die Angaben der Zeugin der Wahrheit entsprechen würden. Sein Handeln an jenem Abend würde ihm sehr leidtun und er habe bislang leider erfolglos versucht, sich bei der Familie der Zeugin zu entschuldigen. Er sei bereit, die Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen und die Konsequenzen für sein völlig unangebrachtes Verhalten der Zeugin A.A. gegenüber zu tragen. Aufgrund des bisher tadellosen Vorlebens und der bereits ohnehin bereits gegebenen massiven sozialen und auch disziplinarrechtlichen Konsequenzen seines Handelns würde er vorab um eine diversionäre Erledigung der vorliegenden Strafsache ersuchen.

4.   Mit Schreiben vom 02. Februar 2022 erteilte der Senatsvorsitzende einen Erhebungsauftrag an den Kdt N.N. nach § 72 Abs 1 HDG 2014 und ersuchte um Vorlage einer Niederschrift mit dem Disziplinarbeschuldigten, seine Arbeitsplatzbeschreibung, Monatsnachweis, Einleitung des Disziplinarverfahrens mit Unterschrift oder Amtssignatur und dem Zustellnachweis. Als Termin für die Erledigung (Vorlage der Dokumente) wurde der 09. Februar 2022 avisiert.

5.   Das Kdo N.N. legte die Unterlagen am 07.02.2022 vor, aus der Beschuldigtenniederschrift geht hervor, dass der Disziplinarbeschuldigte das Urteil (Anm.: die Diversion) des Bezirksgerichts zur Kenntnis nehme, jedoch keinen Zusammenhang mit dem Verhalten im Bundesheer erkenne und er sich im Sinne des § 43 Abs 2 BDG 1979 als nicht schuldig bekenne. Begründend führt er aus, dass er seit April 1984 im Bundesheer diene und sich mit Ausnahme eines Führerscheinentzuges im zivilen Bereich, das mit einem Disziplinarverfahren abgeschlossen wurde, bisher nichts zu Schulden habe kommen lassen. Die Erledigung des Gerichtes sei nicht veröffentlicht worden und hätte keine dienstlichen Auswirkungen, da weder Präsenzdiener noch Mitarbeiter/Unteroffiziere Kenntnis erlangt hätten. Er versichere, dass dies ein einmaliger „Ausrutscher“ seinerseits gewesen sei.

6.   Die Bundesdisziplinarbehörde (BDB), Senat 45, erließ mit Bescheid vom 07. Februar 2022 einen Einleitungsbeschluss, der am 08. Februar 2022 zu eigenen Handen über den Kdt N.N. zugestellt wurde.

7.   Die mündliche Verhandlung wurde am 11. Februar 2022 durch die BDB angeordnet und für den 03. März 2022 anberaumt, nachdem der Beamte auf Anfrage schriftlich darum ersucht hatte. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde dem Disziplinarbeschuldigten über den Leiter der Personalabteilung des Verbandes am 14. Februar 2022 zugestellt.

Als Ergebnis des Beweisverfahrens der mündlichen Verhandlung am 03. März 2022, bei der der Beamte als Beschuldigter ein umfassendes und reumütiges Geständnis zeigte und die im Akt aufliegenden Unterlagen, insbesondere die Beurteilung des N.N. Kommandanten über seine bisherigen dienstlichen Leistungen zur Verlesung gebrachten wurden, ist für die Bundesdisziplinarbehörde, Senat 45, der im Spruch angeführte Sachverhalt erwiesen.

8.   Der Disziplinarbeschuldigte bekannte sich zu Beginn der mündlichen Verhandlung zum vorgeworfenen Verhalten des Einleitungsbeschlusses schuldig, nachdem der Senatsvorsitzende die Rechtsprechung zum strafbaren außerdienstlichen Verhalten erläutert hatte. Er blieb bei seiner unter Ziffer 6 dargestellten Verantwortung und beteuerte glaubhaft, dass es ihm sehr leidtue und ein derartiges inakzeptables Verhalten nicht mehr vorkommen würde. Er hätte die Gelegenheit wahrgenommen, sich bei der betroffenen Familie zu entschuldigen. Seine Frau würde zu ihm stehen und er brauche keine psychiatrische Betreuung, weil er in Zukunft keine Alkoholexzesse machen würde. Einmal wurde ihm die Lenkerberechtigung wegen Alkohol entzogen, aufgrund des Vorfalles mit der Minderjährigen werde er keinen Alkohol in Mengen mehr konsumieren.

9.   Am Ende der Beweisaufnahme verlas der Senatsvorsitzende die dienstliche Beurteilung des N.N. Kommandanten, der dem Disziplinarbeschuldigten eine ausgezeichnete fachliche und soziale Leistung als Mitarbeiter und Vorgesetzter attestierte. Im Dienst wären Probleme mit dem Alkoholkonsum des Beamten noch nie aufgetreten, über sein Verhalten in der Freizeit könne er keine Auskunft geben.

10. In den Schlussworten führte der Herr Disziplinaranwalt beim BMLV (DiszAnw) aus, dass der Disziplinarbeschuldigte durch seine Tathandlung grob fahrlässig gegen seine Dienstpflichten verstoßen habe. Der § 43 Abs 2 BDG 1979 habe die allgemeine Wertschätzung der Beamten und das Vertrauen der Allgemeinheit in die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes als Schutzobjekt zum Ziel. Er erläuterte zunächst, warum der besondere Funktionsbezug gegeben ist, um sodann den allgemeinen Funktionsbezug herzustellen (die sehr gut vorgetragenen Ausführungen zum Funktionsbezug werden unten dargestellt). Der Beamte habe durch ein außerdienstliches Verhalten das Rechtsgut verletzt und hätte bei Bekanntwerden sein Ansehen bei Kameraden, den ihm unterstellten Grundwehrdienern und Ausbildungsdienst leistenden Soldatinnen eingebüßt. Nach der Rechtsprechung des VwGH komme es auf die Kenntnisnahme durch den oa. Personenkreis bzw. die Allgemeinheit nicht an, wiewohl die Familie des Opfers und seine Kommandanten sehr wohl direkt betroffen bzw. von der Tat erfahren haben. Bei der Strafbemessung wäre von einer sehr schweren Dienstpflichtverletzung auszugehen, da von Dienstgeberseite Alkoholexzesse auch in der dienstfreien Zeit verpönt sind. Die Berauschung, die zum vollständigen Kontrollverlust bzw. man nicht mehr weiß, was man tut, wäre als erschwerend zu werten. Generalpräventive Gründe wären gegeben, die spezialpräventiven Aspekte würden ob des einsichtigen Verhaltens und der ehrlich gemeinten Besserungsabsicht in den Hintergrund treten. Nach Darstellung der Milderungsgründe (siehe unten) forderte er eine Geldstrafe in der Höhe von 60% der Bemessungsgrundlage, also € 2.000.-.

11. Der Disziplinarbeschuldigte betonte nochmals, dass ihm die Sache leidtue und er nicht noch einmal in so eine Situation kommen würde. Seit vielen Jahren würde er als Unteroffizier und Vorgesetzter auch mit Grundwehrdienst leistenden Wehrpflichtigen und auch weiblichen Personen im Ausbildungsdienst seine Arbeit zur vollsten Zufriedenheit der Kommandanten erbringen. Er stehe zu den Fehlern, schloss sich der rechtlichen Beurteilung des Herrn DiszAnw an und bekundete, dass er eine Strafe wie gefordert verdiene. Er ersuchte abschließend um eine milde Bestrafung.

12. Der Senatsvorsitzende befragt am Ende der mündlichen Verhandlung die Parteien, ob die Aufnahme des Schallträgers wiedergegeben werden soll. Auf das Abspielen der Aufzeichnung wird verzichtet. Auf die Verlesung der Verhandlungsschrift wird von den Parteien verzichtet.

Der Disziplinarsenat hat erwogen:

Rechtliche Grundlagen in Bezug auf die Dienstpflichtverletzungen:

§ 43 Abs 2 BDG 1979 (Allgemeine Dienstpflichten; Vertrauenswahrung):

„Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt“.

§ 2 Abs. 1 HDG 2014: „Soldaten sind disziplinär zur Verantwortung zu ziehen wegen

1.   Verletzung der Ihnen im Präsenzstand auferlegten Pflichten oder 2. ...........“.

§ 62 Abs. 3 HDG 2014: „Das Verfahren ist …. einzustellen, wenn

1.       der Beschuldigte die ihm zu Last gelegte Pflichtverletzung nicht begangen hat oder

diese Pflichtverletzung nicht erwiesen werden kann oder Umstände vorliegen, die die Strafbarkeit ausschließen, oder

2. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Pflichtverletzung darstellt, oder

3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder

4. die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den Beschuldigten von weiteren Pflichtverletzungen abzuhalten oder um Pflichtverletzungen anderer Personen entgegenzuwirken.“

Zur rechtlichen Würdigung:

Beweiswürdigung (Feststellungen):

13.  Das Disziplinarrecht erfüllt eine Ordnungsfunktion. Es soll einer durch ein Dienstvergehen verursachten Störung des beamtenrechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses mit dem Ziel begegnen, die Sauberkeit und die Leistungsfähigkeit des österreichischen Beamtentums zu erhalten und sein Ansehen zu wahren. (VwGH 14. 1. 1980 SlgNF 10.007 A).

14. § 43 Abs. 2 BDG 1979 fordert die Sachlichkeit der Amtsführung. Darunter versteht der Sprachgebrauch eine solche, die der "Sache", dem "Gegenstand" der Tätigkeit entspricht und sich ausschließlich auf das "Wesentliche" bezieht. Bei einer Berufsmilitärperson kommt es auf die sachliche "Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben" an; da diese jedoch sehr weitgehend durch die Rechtsordnung bestimmt sind, wird durch § 43 Abs. 2 BDG 1979 in erster Linie das Vertrauen in die rechtmäßige Aufgabenerfüllung geschützt. Diese Pflicht verletzt der Soldat immer dann, wenn er durch ein inner- oder außerdienstliches Verhalten Bedenken dagegen auslöst, dass er bei der Vollziehung rechtmäßig vorgehen werde, und damit seine "Glaubwürdigkeit" einbüßt. Demgemäß ist ganz allgemein ein Verhalten verboten, dass das einfließen lassen anderer als dienstlicher Interessen auf die Vollziehung vermuten lässt (vgl. VwGH vom 21.12.1999, 93/09/0122). Der Beamte muss jeden Anschein vermeiden, er werde nicht zur „Sache“ gehörende Interessen einfließen lassen. Das von dieser Bestimmung geschützte Rechtsgut liegt nach Ansicht der Rechtsprechung in der allgemeinen Wertschätzung die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genießt, damit in der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und des dafür erforderlichen Ansehens der Beamtenschaft. Die genannten Rückschlüsse können von einem Verhalten gezogen werden, das mit dem Aufgabenbereich des Beamten in konkretem Zusammenhang steht. Dabei besteht ein Bezug zu den besonderen Aufgaben des jeweiligen Soldaten (besonderer Funktionsbezug). Darüber hinaus kann auch ein allgemeiner Bezug zu Aufgaben hergestellt werden, die jedem Beamten zukommen, insofern stellt § 43 Abs. 2 BDG auch eine für alle Beamten gemeinsame Verhaltensrichtlinie dar (allgemeiner Funktionsbezug) (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarecht der Beamten4 2010, S 163f.). Die im Spruch geschilderte Tathandlung ist nicht zu akzeptieren und stellt einen schuldhaften Verstoß gegen die Bestimmung des § 43 Abs 2 BDG 1979 dar. Er hat den jungen Erwachsenen deren Vorgesetzter er ist und die verpflichtend ihren Wehrdienst zu leisten haben, ein Vorbild an Pflichterfüllung zu sein. Ein derartiges Verhalten (Berauschung in der dienstfreien Zeit sodass er nicht mehr weiß, was er tut, Masturbation vor einer mündigen Minderjährigen) ist geeignet, die Achtung vor den Kameraden – die auch Kinder oder Enkelkinder haben und sich vom Täter abwenden würden- zu verlieren und daher geeignet, den Betriebsfrieden (die kameradschaftliche Zusammenarbeit) zu stören. Nach der Rechtsprechung des VwGH kommt es nicht darauf an, ob der Untergebenen- bzw. Kameradenkreis oder die Öffentlichkeit tatsächlich Kenntnis erlangt hat.

15. Ein Verhalten außer Dienst kann aufgrund der besonderen Aufgaben des Beamten die Bedingungen für die Annahme einer Dienstpflichtverletzung nach § 43 Abs 2 BDG 1979 erfüllen, wenn diese Umstände in ihrer Art, Ausgestaltung und Gewichtung einem besonderen Funktionsbezug vergleichbar sind. Eine solche Konstellation, die einem besonderen Funktionsbezug gleichkommt, wird vor allem dann gegeben sein, wenn aufgrund von Auswirkungen des außerdienstlichen Verhaltens der Beamte in der Ausübung seiner dienstlichen Tätigkeit beeinträchtigt ist." (VwGH 15.09.2011, 2011/09/0019) Ein solcher Funktionsbezug ist hier gegeben. Auch wenn Soldaten nicht vordergründig zum Schutz vor Verstößen gegen das Strafrecht berufen sind, kommt ihnen dennoch gemäß § 2 Abs 1 lit. b Wehrgesetz 2001 über den Bereich der militärischen Landesverteidigung hinaus unter anderem auch die Aufrechterhaltung der Ordnung und Sicherheit im Inneren als Aufgabe zu. Des Weiteren definiert § 3 Abs. 2 der allgemeinen Dienstvorschrift für Soldaten den Schutz der Bevölkerung als eine der primären Aufgaben eines Soldaten. Dementsprechend verletzt ein Soldat, der gegenüber einer mündigen Minderjährigen eine Straftat nach § 218 StGB begeht, Rechtsgüter, deren Schutz im weiteren Sinne auch zu seinen dienstlichen Aufgaben gehört. Darüber hinaus ist auch davon auszugehen, dass die Auswirkungen eines solchen außerdienstlichen Verhaltens aufgrund der konkreten Umstände und der besonderen Aufgaben eines Berufsunteroffiziers und militärischen Vorgesetzten diesen jedenfalls in der Ausübung seiner dienstlichen Aufgaben beeinträchtigen. Derartige Taten sind gesellschaftlich in besonderem Maße verpönt und daher auch geeignet, die für einen militärischen Vorgesetzten notwendige Vertrauensstellung und Vorbildfunktion nachhaltig zu schädigen und damit den geordneten militärischen Dienstbetrieb massiv zu stören. Die hier konkret vorliegenden Umstände sind in ihrer Art und Gewichtung mit dem besonderen Funktionsbezug jedenfalls vergleichbar. Wie der Herr Disziplinaranwalt beim BMLV richtig darlegte, ist auch der allgemeine Funktionsbezug zu bejahen. Die Rechtsprechung des VwGH hat die Beeinträchtigung des Vertrauens der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Obliegenheiten bei Beamten, die sich Alkoholexzessen hingeben und ihre Dienstfähigkeit beeinträchtigen, angenommen. Wenn ein Berufsunteroffizier Alkohol in derartigen Mengen konsumiert, dass er offenkundig nicht mehr Herr seiner Sinne ist und eine minderjährige weibliche Person sexuell belästigt, dann löst er Bedenken im Sinne des § 43 Abs 2 BDG 1979 aus.

Zum Grad des Verschuldens:

16. Der Disziplinarbeschuldigte hat ein grob fahrlässiges Verhalten gezeigt, weil er sich durch übermäßigen Alkoholkonsum in einen enthemmten Zustand versetzt hat, in dem er nicht mehr wusste, dass er vor einer minderjährigen weiblichen Person masturbierte und sie berührte, was letztlich sein Ansehen und die Dienstpflicht zur Vertrauenswahrung verletzte.

Zur Strafbemessung:

17. Die Strafe war vom erkennenden Senat im Sinne der nachstehenden Erwägungen gemäß § 6 HDG 2014 nach Maßgabe der im Strafgesetzbuch festgelegten Gründe zu bemessen (§§ 32-35 StGB). Nach gewissenhafter Abwägung aller für bzw. wider den Beamten sprechenden Umstände gelangte der erkennende Senat in der Frage der zu verhängenden Strafart und Strafhöhe angesichts der im Folgenden darzulegenden Überlegungen zu dem im Spruch ersichtlichen Ergebnis. Grundlage für die Strafbemessung war die im Beweisverfahren zweifelsfrei erwiesene Schuld des Disziplinarbeschuldigten A.A. durch grob fahrlässige Tatbegehung. Seine Dispositions- und Diskretionsfähigkeit stehen für den Senat wie oben ausgeführt außer Zweifel. Die objektive Schwere der Pflichtverletzung ist im mittleren bis oberen Bereich einzustufen. Dies deshalb, weil der Schutzzweck der Norm das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben zum Ziel hat, das Ansehen und das Vertrauen in eine ordentliche Aufgabenerfüllung durch Beamte seitens der Bevölkerung wichtig ist. Er hat durch das gezeigte Verhalten diese Bestrebungen des Dienstgebers konterkariert. Spezialpräventive Gründe um ihn vor weiteren gleichgelagerten Dienstpflichtverletzungen abzuhalten sind zwar gegeben, treten jedoch ob der einsichtigen Verantwortung und der ehrlich gemeinten Distanzierung von der Tat in den Hintergrund. Generalpräventive Gründe waren zu berücksichtigen, weil allen Bediensteten vor Augen zu führen ist, dass ein derartiges Verhalten vom Dienstgeber nicht geduldet wird. Von einem Unteroffizier darf erwartet werden, dass er sich nicht in einen Zustand versetzt, in dem er nicht mehr weiß, was er tut bzw. hat er andere Menschen respektvoll zu behandeln und so das Leitbild des Bundesheeres nach „Schutz und Hilfe“ für die Bevölkerung mitzutragen. Ein Kommandant hat zudem durch Vorbild zu führen. Das gezeigte Verhalten ist daher nicht hinzunehmen.

Straferschwerend wurde gewertet:

? Negative Vorbildwirkung

Strafmildernd wurde gewertet:

?  sein reumütiges und umfassendes Tatsachengeständnis

?  sein einsichtiges Verhalten und Distanzierung vom schädigenden Verhalten

?  Versuch der Wiedergutmachung durch Entschuldigung bei betroffener Familie

?  Unbescholtenheit

?  sein Auftreten vor der Disziplinarkommission

?  seine ausgezeichnete Dienstleistung und daher positive Zukunftsprognose

Die Bemessungsgrundlage von € 3.256,20 errechnet sich aus dem Grundbezug (€ 3.131,70), der Truppendienstzulage (€ 61,1) und der Funktionszulage (€ 63,4) des Disziplinarbeschuldigten im Monat März 2022 ohne Sonderzahlungen.

Die ausgesprochene Geldstrafe in der Höhe von ca. 31 Prozent der Bemessungsgrundlage nach § 52 Abs. 3 HDG 2014 wurde vom Senat daher als tat- und schuldangemessen festgelegt, nicht zuletzt deshalb, weil die Milderungsgründe klar überwiegen und er ein ansonsten sehr guter Unteroffizier ist. Sie ist aber außerordentlich milde und liegt signifikant unter der Forderung des Herrn Disziplinaranwaltes, der das Doppelte gefordert hat.

Er muss sich daher klar sein, dass bei weiteren einschlägigen Verhaltensweisen unverzüglich eine Dienstenthebung als Sicherungsmaßnahme zu verfügen sein wird und die Beendigung des Dienstverhältnisses die Folge sein könnte.

Die Zahlung eines Geldbetrages bei Diversion und strafrechtlicher Verurteilung darf mangels Deckung im Gesetz nicht strafmildernd gewertet werden (siehe § 34 Abs. 1 Z 19 StGB und RZ, Teil 2, S8 mit Verweis auf VwGH2013/09/0179 vom 19.03.14 und 2011/09/0210 vom 26.06.12).

Der Beamte möge die milde Bestrafung als Vertrauensvorschuss sehen, dass er in Zukunft derartige Dienstpflichtverletzungen unterlässt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zuletzt aktualisiert am

10.05.2022
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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