TE Dok 2022/3/10 2022-0.102.869

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Veröffentlicht am 10.03.2022
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Norm

BDG 1979 §43 Abs2, BDG 1979 §43a

Schlagworte

Anstandsverletzung, sexuelle Belästigung

Text

Die Bundesdisziplinarbehörde hat am 10.03.2022 in Anwesenheit des Beamten, des Verteidigers, des Disziplinaranwaltes und der Schriftführerin durchgeführten mündlichen Verhandlung zu Recht erkannt:

Der Beamte ist schuldig,

er hat im Zeitraum Mai 2019 bis Juli 2019

1.   während des Dienstes in der Zugskanzlei sein nicht erigiertes Geschlechtsteil aus seiner Hose genommen, um den Penis den Anwesenden zur Schau zu stellen und

2.   die Frau A.A ohne dienstlichen Bezug an den Haaren (Haarzopf) berührt und dabei gesagt: „So packt man eine Frau“.

Dadurch hat er schuldhaft im Spruchpunkt 1

gegen die Bestimmung des § 43 Abs 2 Beamten-Dienstrechtsgesetz 1979, BGBl. Nr. 333 (BDG 1979), wonach „der Beamte in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen hat, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt“ und im Spruchpunkt 2 gegen die Bestimmung des § 43a BDG 1979, wonach „Beamtinnen und Beamte haben als Vorgesetzte ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und als Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter ihren Vorgesetzten sowie einander mit Achtung zu begegnen und zu einem guten Funktionieren der dienstlichen Zusammenarbeit beizutragen. Sie haben im Umgang mit ihren Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Verhaltensweisen oder das Schaffen von Arbeitsbedingungen zu unterlassen, die deren menschliche Würde verletzen oder dies bezwecken oder sonst diskriminierend sind“

verstoßen und Pflichtverletzungen gemäß § 2 Abs 1 Heeresdisziplinargesetz 2014, BGBl I. Nr. 2 (HDG 2014), zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 16/2020, begangen.

Der Beamte wird vom Vorwurf, er habe im Zeitraum Mai 2019 bis Juli 2019 während der Körperausbildung die Frau A.A. gefragt „ob sie auf Analverkehr stehen würde“ und „wer es ihr besorgen würde, wenn sie keinen Freund hätte“ sowie geäußert „er wäre dauergeil, wenn die Frau A.A. den ganzen Tag bei der Kanzlei aus und ein gehe“ freigesprochen.

Über den Beamten wird gemäß § 51 Z 3 HDG 2014 die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von € 1.500, -- (eintausendfünfhundert Euro) verhängt.

Gemäß § 38 Abs. 1 HDG 2014 hat der Beamte dem Bund einen Kostenbeitrag in der Höhe von € 150, -- (einhundertfünfzig Euro) zu leisten.

Gemäß § 77 Abs. 4 HDG 2014 wird die Abstattung der Geldstrafe in 15 Monatsraten zu je

€ 100, -- (einhundert Euro) verfügt.

Begründung

Zur Person:

1.   Der Beamte ist auf dem Arbeitsplatz N.N der N.N des N.N. des N.N, PosNr. N.N., eingeteilt. Sein Dienstort ist die N.N., in N.N. Er bringt ein Bruttoeinkommen von € 2.307,3 ins Verdienen (ohne allfällige Nebengebühren), Besoldungsmerkmal M BUO, Grundlaufbahn, Gehaltsstufe 07.

2.   Er steht in einem unbefristeten öffentlich-rechtlichen Dienstverhältnis zum Bund und fällt daher in den Anwendungsbereich des Beamten-Dienstrechtsgesetzes 1979, BGBl. Nr. 333, (BDG 1979) und des HDG 2014.

3.   Er ist verheiratet und hat Sorgepflichten für zwei Kinder, Personalvertreterfunktion führt er keine aus.

Zum Verfahrensgang und Sachverhalt:

4.   Die Disziplinaranzeige wurde durch den N.N. als Disziplinarvorgesetzter am 21. Dezember 2021 erstattet und langte erst am 27.01.2022 bei der Bundesdisziplinarbehörde (BDB), ein. Aufgrund der am 30.11.2021 verfügten Geschäftseinteilung für das Jahr 2022 wurde sie dem Senat 45 zugewiesen. Der Disziplinaranzeige wurde folgender Sachverhalt zugrunde gelegt: „Ort und Zeit der Vorfälle konnten nicht konkret präzisiert werden. Diese Vorfälle müssen jedenfalls in den Zeiträumen Mai 2019 bis Juli 2019 vorgefallen sein. Eine Verjährung der Vorfälle wurde mit Einleitung des Disziplinarverfahrens am 25.09.2019 durch den damaligen N.N. verhindert.

1.   Obszöne/sexistische Wortmeldungen von dem Beamten gegenüber A.A. Es besteht der begründete Verdacht, dass der Beamte gegenüber A.A. im Rahmen der Körperausbildung Wortmeldungen getätigt hat, die nicht im Zusammenhang mit dem Dienst stehen und sexistischer Natur waren. So soll er A.A. gefragt haben, „ob sie auf Analverkehr stehen würde“ oder dass „er dauergeil wäre, wenn die A.A. den ganzen Tag bei der Kanzlei aus und ein gehe“ oder „wer es ihr besorgen würde, wenn sie keinen Freund hätte.“ Der Beamte verneint, solche Äußerung getätigt zu haben. Jedoch gibt A.A. unter Wahrheitspflicht an, dass diese Aussagen gefallen seien. Weitere Schilderungen in den Niederschriften legen nahe, dass der Beamte die Aussagen so oder so ähnlich getroffen hat. Eine generell sehr lockere Ausdrucksweise von dem Beamten legt den Schluss nahe, dass die angeführten Phrasen gegenüber A.A. in dieser Form geäußert wurden.

2.   Entblößen des Geschlechtsteils im Rahmen des Dienstes:

Der Beamte wurde mehrfach dabei beobachtet, wie dieser in der Zg-Kanzlei sein Geschlechtsteil (nicht erigiert) herausgeholt hat und den Penis den anwesenden Personen gezeigt hat. Dies ist – wie der Beamte angibt – nicht ausschließlich auf eine „Adjustierungskontrolle“ zurückzuführen, sondern erfolgte nur mit der Intention, den Penis den Anwesenden zur Schau zu stellen.

3. Packen der A.A. am Haarzopf durch den Beamten. Der Beamte hat A.A. zumindest an den Haaren berührt ohne das Einverständnis von A.A. für diese Handlung – ohne dienstlichen Bezug – erhalten zu haben. Wie oft und in welcher Form dieses Verhalten gesetzt wurde, konnte nicht zweifelsfrei eruiert werden. Es hat jedenfalls eine Berührung stattgefunden. Dies hat auch der Beschuldigte bestätigt.

Verletzte Pflichten: § 43 Abs 2 BDG 1979, §§ 8, 8a und 9 B-GlBG, §§ 3 Abs 6 und 4 Abs 1 ADV.

Es besteht der Verdacht, dass die Rechtsordnung durch das Verhalten von dem Beamten hier jedenfalls dadurch gebrochen wurde, dass er es verabsäumt hat, die Kameraden mit der notwendigen Achtung zu begegnen und ihnen ein Vorbild zu sein. Sein Verhalten war auch geeignet, die Untergebenen in ihrer Menschenwürde zu verletzen und sie gemäß dem B-GlBG zu belästigen. Durch obszöne Wortmeldungen gegenüber einer Untergebenen (Faktum 1), durch das Entblößen des Penis vor Untergebenen (Faktum 2) sowie das Berühren von Untergebenen (Faktum 3) setzt der Beamte nicht nur sein eigenes Ansehen, sondern das der Beamtenschaft im Allgemeinen und des Berufssoldaten im Besonderen herab. Bei einer Berufsmilitärperson kommt es auf die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben an, welche mit Masse durch die Rechtsordnung bestimmt sind. Somit ist durch § 43 Abs 2 BDG 1979 in erster Linie das Vertrauen in die rechtmäßige Aufgabenerfüllung geschützt. Diese Pflicht verletzt der Soldat immer dann, wenn er durch ein innerdienstliches Verhalten Bedenken dagegen auslöst, dass er bei der Vollziehung rechtmäßig vorgehen werde.

25 Beilagen: Mitteilung gemäß § 22 HDG 2014, Strafanzeige/Mitteilung an die StA Verdacht der entwürdigenden Behandlung bzw. sexuellen Belästigung, Benachrichtigung von der Einstellung des Verfahrens durch die StA INNSBRUCK, Beschluss BVwG W136 2230817-1/4E, Weisung BMLV/DiszBW vom 30.04.2021, Erhebungsberichte von der Beschwerdeerledigung, 18 Niederschriften.

5.   Die unter Ziffer 4 dargestellte Disziplinaranzeige wurde auf Weisung der Fachabteilung im BMLV, Disziplinar und Beschwerdewesen (BMLV/DiszBW), vom 30. April 2021 erstattet. Diese Weisung basierte auf dem Erkenntnis des BVwG vom 18. Dezember 2020 (W136 2230817-1/4E) mit der die Beschwerde des Disziplinarbeschuldigten betreffend Aufhebung der gegen ihn am 18. Oktober 2019 erlassenen Disziplinarverfügung abgewiesen wurde. Im mündlich erlassenen Bescheid war der Disziplinarbeschuldigte durch den Einheitskommandanten mit einer Geldbuße in Höhe von € 300.- bestraft worden, weil er „die Frau A.A. im Rahmen eines Pausengesprächs im Kaderkreis in der Zugskanzlei am Haarschopf gehalten und dabei die Aussage getätigt habe: So packt man eine Frau“. Das Kommandantenverfahren war am 25. September 2019 gegen den Disziplinarbeschuldigten eingeleitet worden, offenkundig nach einem Beschwerdeverfahren, angestrengt durch Frau A.A. die Ermittlungen zum Beschwerdevorbringen wurden durch das N.N. geführt.

6.   Der Sachverhalt, der zur Erlassung der Disziplinarverfügung führte, wurde am 28. November 2019 wegen des Verdachtes der entwürdigenden Behandlung (§ 35 MilStG) bzw. § 218 StGB (sexuellen Belästigung) der Staatsanwaltschaft unter Beilage des Führungsblattes der Einheit Nummer 27/2019 mitgeteilt. Die Staatsanwaltschaft N.N. stellte das Strafverfahren mit Schreiben vom 03.12.2019 mit der Begründung, dass eine rechtskräftige Disziplinarstrafe verhängt wurde und kein darüberhinausgehendes Verfolgungsinteresse bestehen würde, gemäß § 190 Z 1 StPO, ein.

7.   Die Bundesdisziplinarbehörde (BDB), Senat 45, erließ mit Bescheid vom 01. Februar 2022 einen Einleitungsbeschluss, der am 04. Februar 2022 zu eigenen Handen zugestellt wurde.

8.   Die mündliche Verhandlung wurde am 08. Februar 2022 durch die BDB angeordnet und für den 24. Februar 2022 anberaumt und durchgeführt. Die Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde dem Disziplinarbeschuldigten über den Dienstvorgesetzten am 14. Februar 2022 zugestellt. Der Beamte verzichtete am 21.02.2022 schriftlich auf die Vorbereitungszeit gemäß § 72 Abs 5 HDG 2014 und wiederholte diesen Verzicht in der mündlichen Verhandlung.

Als Ergebnis des Beweisverfahrens der mündlichen Verhandlung am 24. Februar 2022, bei der der Beamte als Beschuldigter in den Spruchpunkten 1 und 2 ein umfassendes und reumütiges Geständnis zeigte, die Zeugen Frau A.A., die Frauenbeauftragte des N.N., A.A., A.A. und A.A. einvernommen wurden sowie der im Akt aufliegenden und zur Verlesung gebrachten Unterlagen ist für die Bundesdisziplinarbehörde, Senat 45, der im Spruch angeführte Sachverhalt erwiesen.

9.   Der Disziplinarbeschuldigte bekannte sich zu Beginn der mündlichen Verhandlung in den Anschuldigungspunkten 2 und 3 des Einleitungsbeschlusses (Spruchpunkt 1 und 2) schuldig. Im Anschuldigungspunkt 1 blieb er bei seiner in den Niederschriften vom 29.07.2019 und 27.08.2019 leugnenden Verantwortung, weil er nie eine Körperausbildung gemeinsam mit A.A. durchgeführt habe. Sie hätte einer anderen Leistungsgruppe angehört. Er sei während des in Rede stehenden Zeitraumes der Vorgesetzte von ihr gewesen, weil er eingeteilter stellvertretender Zugskommandant gewesen sei. Er räumte ein, sie einmal nach ihrem Freund gefragt zu haben, weil er erfahren hatte, dass dieser als Polizeibeamter tätig sei. Ein sexistischer, sexuell belästigender Hintergrund habe nicht bestanden. Die Vorwürfe in diesem Punkt würden nicht der Wahrheit entsprechen. Ihren Wunsch um Rückversetzung zum N.N. nach N.N. habe er stets unterstützt, soweit er hierzu in der Lage war. Er räumte bei der Beantwortung der an ihn gestellten Fragen ein, dass er Führungsfehler begangen hätte, weil er den nötigen Abstand zwischen Vorgesetzten und Untergebenen, zwischen Chargen und Unteroffizieren, nicht eingehalten hatte. Dies sei ihm nun, nicht zuletzt aufgrund seiner positiv absolvierten Kaderausbildung und Reflektieren seines Verhaltens vor fast drei Jahren, klargeworden. Er gestand, seinen nicht erigierten Penis wie im Anschuldigungspunkt 2 beschrieben hervorgeholt zu haben. Dies sei ein Blödsinn gewesen, weil er mit seinem Freund, dem nunmehrigen StWm, damals A.A., über seine Freizeitaktivität gesprochen hätte und sich spontan zu dieser Handlung hinreißen hat lassen. Dies täte ihm leid und würde nicht wieder vorkommen. Er habe die A.A. einmal während des Dienstes am Haarzopf berührt, weil er der Meinung war, dass dieser nicht vorschriftmäßig versorgt war. Dabei habe er zum Scherz gesagt „so packt man eine Frau“. Nach Erläuterung der Weisung (Erlass vom 18. Dezember 2017, GZ S93105/19-MFW/2017, kundgemacht im VBl I Nr. 3/2018, Verhaltensnormen für Soldatinnen und Soldaten; Haartracht) sei ihm klar, dass dies unrichtig war und sein Verhalten (Berührung des Haares) von der A.A. unerwünscht war und gegen den oa. Erlass betreffend Umgangston und gegenseitiges Verhalten, das von Achtung und Respekt sowie Höflichkeit und Korrektheit geprägt zu sein hat, verstoßen hatte. Auf Nachfrage des Herrn Disziplinaranwaltes beim BMLV (DiszAnw) erläuterte er nochmals, dass er keine Erklärung für die Vorwürfe der A.A. (Anschuldigungspunkt 1) hätte, es habe ihm aber der (nunmehr im Ruhestand befindliche) Militärkommandant von N.N. gesagt, dass die Mutter von A.A. bei ihm angerufen hätte, weil sie (A.A.) bereits mehrfach zu Unrecht andere Personen des Vorwurfes von Sexualdelikten bezichtigt hätte.

10. Frau A.A. schilderte durchaus plausibel und je länger die Befragung andauerte auch sichtlich psychisch beeinträchtigt – ihre Vertrauenspersonen A.A. und Frau A.A. befanden sich im Raum -, wie sich die Vorfälle aus ihrer Sicht ereigneten. Falschbezichtigungstendenzen waren nicht vorhanden. Sie habe die Kaderanwärterausbildung (KAAusb) 2 (Fachteil N.N.) mit Auszeichnung absolviert, jedoch wären bei der KAAusb 3 in N.N. zu Beginn des Lehrganges Kursteilnehmer mit Mobbinghandlungen (man solle nicht mit ihr reden, weil sie sich unbegründet beschwere und andere belasten würde) gegen sie vorgegangen. Sie hätte den Lehrgang abgebrochen und wäre immer wieder mit dem Beschwerdevorbringen konfrontiert worden. So sei sie vom N.N. aus in Richtung N.N. in Marsch gesetzt worden, ohne dass man ihr im Vorfeld gesagt hätte, worum es gehe. Erst dort sei ihr eröffnet worden, dass es sich um eine weitere Einvernahme zu ihrem Beschwerdevorbringen handelte. Hätte sie das gewusst, wäre sie nicht ohne Vertrauensperson dorthin gefahren. Ihr seien Dinge in den Mund gelegt worden. Der psychische Druck sei schließlich so groß geworden, dass sie ihr Dienstverhältnis kündigte. Sie hielt ihre Angaben, die sie in den Niederschriften vom 26.07.2019 und 21.08.2019 getätigt hatte, aufrecht. A.A. hätte sie mit obszönen Fragen belästigt. Er holte sie bei der Ausbildung (Sicherungsposten) zur Seite um sie zu fragen, ob sie auf Anal stehe und wer es ihr besorgen würde, wenn sie keinen Freund hätte. Die Aussage er (A.A.) wäre dauergeil, wenn die A.A. den ganzen Tag bei der Kanzlei ein und ausgehe, hätte sie besonders belastet, weil sie vor den ihr untergebenen Soldaten (GWD) erfolgte und ihre mühsam aufgebaute Autorität zerstörte. Die männlichen Soldaten hätten sie danach mehrfach unerlaubt „geduzt“. Dass die niederschriftlich befragte Frau A.A. dem Disziplinarbeschuldigten ein ausnehmend korrektes Verhalten beschied und sie (A.A.) keine sexuell motivierten, verbalen oder tätlichen Übergriffen des Kaders auf Rekruten oder Untergebene selbst beobachtet oder davon gehört habe, nehme sie zur Kenntnis. Allerdings sei die mittlerweile ebenfalls abgerüstete Frau A.A. nie mit ihr gemeinsam in der Kompanie gewesen. Das Halten am Haarzopf („Pferdeschwanz“) durch A.A. hätte ihr zwar keine physischen Schmerzen zugefügt, sie fühlte sich aber von ihm bloßgestellt. Das Hervorholen des Penis in der Zugskanzlei hätte sie zwar nicht direkt gesehen, weil A.A. mit dem Rücken zu ihr gewandt im Raum war, sie hätte die Situation aber registriert. Auf die Frage des Senatsvorsitzenden wie die von ihr erhobene Beschwerde vom 19.11.2019 erledigt wurde, gab die anwesende Vertrauensperson A.A. aus den Unterlagen das Schreiben des BMLV/DiszBW vom 07.01.2020 zum Disziplinarakt. Nach Beendigung der Zeugenbefragung verließ A.A. den Raum und der Senatsvorsitzende befragte – obwohl sich die Frauenbeauftragte des N.N. als Vertrauensperson im Raum befunden hatte – die Frau A.A. nach Rücksprache mit den Parteien als Zeugin.

11. Auf die Frage des Herrn DiszAnw bestätigte sie, dass sie und der Personalvertreter des N.N., A.A., immer wieder telefonisch von Frau A.A. kontaktiert wurden. Sie hätte den Eindruck gehabt, dass ihre Aussagen glaubhaft seien. Sie wären aber nicht direkt vor Ort gewesen. Das Betriebsklima in der N.N. und die gesamte Beschwerdeerhebung durch das N.N. hätten Frau A.A. derart belastet, dass sie schließlich den Austritt erklärt hätte. Von den Behauptungen, die Mutter von Frau A.A. hätte sich beim N.N. gemeldet und Frau A.A. hätte im N.N. behauptet, sie wäre auch dort sexuell belästigt worden, sei ihr nichts bekannt. Insgesamt hätte sie den Eindruck, die Beschwerdeerhebung hätte nur den Zweck gehabt, „die Sache unter den Tisch zu kehren“.

12. Der Zeuge A.A. sagte aus, dass er seit September 2009 in der Einheit sei, zunächst als Unteroffizier und seit Beginn 2021 als mit der Führung beauftragter Kommandant. Seit September 2009 hätte die Kompanie weibliche Soldaten gehabt. A.A. sei ein ausgezeichneter Unteroffizier und einer seiner besten Gruppenkommandanten. Er werde nach positiver Absolvierung der Kaderausbildung als Zugskommandant eingesetzt werden. Er hätte großes Vorschriftenwissen und könne selbständig den Dienst versehen. Er hätte von seinem Vorgänger, A.A., eine gute Kompanie mit durchwegs disziplinierten Kadersoldaten übernommen, Disziplinarfälle würden nur vereinzelt auftreten. Zu den erhobenen Vorwürfen gegen den Disziplinarbeschuldigten könne er keine Aussagen tätigen, weil er während des in Rede stehenden Zeitraumes dienstlich abwesend gewesen wäre. Der Umgangston in der Kompanie hätte sich verbessert, die erkannten Probleme wurden gelöst. Die vereinzelt erhobenen Vorwürfe wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung hätten sich nicht bewahrheitet, von Aufnahmeritualen in der Kompanie könne keine Rede sein. Die Kaderpersonallage würde sich in naher Zukunft durch die Ausmusterung von Unteroffizieren und Offizieren verbessern. Zurzeit würden keine weiblichen Soldaten in der Einheit Dienst versehen.

13. Der Zeuge A.A. gab darüber Auskunft, wie das gegen ihn geführte Disziplinarverfahren rechtskräftig endete (Disziplinarverfügung). Seither habe er sich nichts zu Schulden kommen lassen, er habe daraus gelernt und halte nunmehr Distanz zu Chargen. Er sei mit A.A. befreundet und sein Trauzeuge. Er selbst habe sein Geschlechtsteil nicht entblößt, er und der Disziplinarbeschuldigte hätten ein Gespräch über das Freizeitverhalten geführt und A.A. hätte plötzlich zum Scherz den Penis in der Zugskanzlei hervorgeholt. Er hätte auch keine Möglichkeit gehabt, die Situation zu verhindern. Er bestätigte, dass sie sich in der Kaserne umarmen würden, in Zukunft würden sie dies unterlassen. Er selbst hätte mit A.A. keine dienstliche Zusammenarbeit gehabt. Befragt vom Disziplinarbeschuldigten gab er an, dass er im Zuge seiner Dienstzuteilung beim N.N. vom ebenfalls am Kurs teilnehmenden S1 des N.N. (Leiter der Personalabteilung) angesprochen wurde, dass A.A. unwahre Vorwürfe gegen männliche Kaderangehörige des Bataillons wegen Sexualdelikten erhoben hätte.

14. In den Schlussworten führte der Herr Disziplinaranwalt beim BMLV (DiszAnw) aus, dass im Anschuldigungspunkt 1 Aussage gegen Aussage stünde und der Sachverhalt strittig sei. Für ihn hätte das Beweisverfahren zweifelsfrei ergeben, dass der Disziplinarbeschuldigte ordinäre und unangebrachte verbale Konversationen mit der Frau A.A. geführt habe. Der Beamte hätte vielleicht die psychische Belastung und Verletzlichkeit der Soldatin nicht wahrgenommen. Insgesamt verletzte er seine Dienstpflichten gemäß § 43a BDG 1979 in diesem Punkt fahrlässig. Im Anschuldigungspunkt 2 liege eine vorsätzliche Tatbegehung vor, weil ein Berufssoldat, der während des Dienstes in der Kanzlei seinen Penis hervorholt gegen das Gebot zur Vertrauenswahrung nach § 43 Abs 2 BDG 1979 verstößt. Auch im Anschuldigungspunkt 3 verletzte er seine Dienstpflichten vorsätzlich, weil jeder Vorgesetzte weiß, dass Berührungen von Untergebenen nur dann gestatten sind, wenn sie aus einem dienstlichen Bezug heraus getätigt werden. So etwa, wenn man einem Soldaten oder einer Soldatin bei der Verbesserung der Adjustierung behilflich ist und vorher ankündigt sie bzw. ihn nunmehr „dienstlich zu berühren“. Das Halten am Haarzopf war für A.A. herabwürdigend. Der Disziplinarbeschuldigte scheint aufgrund seiner reumütigen Verantwortung in den Anschuldigungspunkten 2 und 3 geläutert. Er habe glaubhaft versichert, aus den Fehlleistungen gelernt zu habe und diese in Zukunft zu unterlassen. Seine generelle Einstellung zum Dienstbetrieb hätte sich ob der Erfahrungen und der Weiterbildung in der Kaderausbildung 4 verbessert. Der Kompaniekommandant attestierte ihm eine ausgezeichnete Dienstleistung, er selbst hätte sich im Zuge der Dienstaufsicht mit dem Militärkommandanten beim Assistenzeinsatz ein persönliches Bild von ihm machen können, das sehr positiv war. Die Zukunftsprognose sei deshalb eine sehr gute. Bei der Strafbemessung sei auf vorhandene spezialpräventive Gründe Rücksicht zu nehmen, da er von der Begehung von weiteren Verfehlungen betreffend Umgangston und respektvollem Verhalten, die für einen geordneten Dienstbetrieb unerlässlich seien, abzuhalten wäre. Generalpräventive Aspekte sind zu berücksichtigen, weil auch andere Soldaten erkennen müssen, dass der Umgang mit Soldatinnen respektvoll sein muss. Als mildernd wäre sein reumütiges Tatgeständnis in den Punkten 2 und 3, Unbescholtenheit, sehr gute dienstliche Leistungen seit der Tat und damit die positive Zukunftsprognose und seine persönlichen Wahrnehmungen im Assistenzeinsatz zu werten. Dem Beschuldigten müsse klar sein, dass er als angehender Zugskommandant Vorbildfunktion habe. Er forderte abschließend die Disziplinarstrafe der Geldstrafe in der Höhe von 80% der Bemessungsgrundlage.

15. Der Disziplinarbeschuldigte betonte nochmals seine Unschuld im Anschuldigungspunkt 1, weil das vorgeworfene Verhalten im Wortlaut so nicht stattgefunden habe. Er habe lediglich versucht, ihr Unterstützung bei ihrem Versetzungsgesuch zu leisten und habe privat mit ihr gesprochen. Im Anschuldigungspunkt 2 und 3 bekenne er sich schuldig, er habe insbesondere in den beiden letzten Jahren aus seinem Fehlverhalten gelernt. Die absolvierte Kaderausbildung habe seine generelle Dienstauffassung zum Positiven verändert. Er stehe auch zu den Fehlern und wisse, dass er eine Strafe erhalten werde. Er ersuche um eine milde Bestrafung.

16. Der Senatsvorsitzende befragt am Ende der mündlichen Verhandlung die Parteien, ob die Aufnahme des Schallträgers wiedergegeben werden soll. Auf das Abspielen der Aufzeichnung wird verzichtet. Auf die Verlesung der Verhandlungsschrift wird von den Parteien verzichtet.

Der Disziplinarsenat hat erwogen:

Rechtliche Grundlagen in Bezug auf die Dienstpflichtverletzungen:

§ 43a BDG 1979 (Achtungsvoller Umgang; Mobbingverbot):

„Beamtinnen und Beamte haben als Vorgesetzte ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern und als Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter ihren Vorgesetzten sowie einander mit Achtung zu begegnen und zu einem guten Funktionieren der dienstlichen Zusammenarbeit beizutragen. Sie haben im Umgang mit ihren Vorgesetzten, Kolleginnen und Kollegen sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern Verhaltensweisen oder das Schaffen von Arbeitsbedingungen zu unterlassen, die deren menschliche Würde verletzen oder dies bezwecken oder sonst diskriminierend sind“.

§ 43 Abs 2 BDG 1979 (Allgemeine Dienstpflichten; Vertrauenswahrung):

„Der Beamte hat in seinem gesamten Verhalten darauf Bedacht zu nehmen, dass das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben erhalten bleibt“.

§ 2 Abs 1 HDG 2014: „Soldaten sind disziplinär zur Verantwortung zu ziehen wegen

1.   Verletzung der Ihnen im Präsenzstand auferlegten Pflichten oder 2. ...........“.

§ 3 Abs 1 HDG 2014: „Ein Verdächtiger darf wegen einer Pflichtverletzung nur bestraft

werden, wenn gegen ihn ein Disziplinarverfahren eingeleitet wurde

1. innerhalb von sechs Monaten ab dem Zeitpunkt, an dem die Pflichtverletzung einer für den Verdächtigen in Betracht kommenden Disziplinarbehörde zur Kenntnis gelangt ist, und

2. innerhalb von drei Jahren seit Beendigung der Pflichtverletzung.“

von drei Jahren nach Einleitung des Verfahrens bestraft werden. Nach Ablauf dieser Frist gilt das Disziplinarverfahren als eingestellt.“

§ 62 Abs 3 HDG 2014: „Das Verfahren ist …. einzustellen, wenn

1.   der Beschuldigte die ihm zu Last gelegte Pflichtverletzung nicht begangen hat oder

diese Pflichtverletzung nicht erwiesen werden kann oder Umstände vorliegen, die die

Strafbarkeit ausschließen, oder

2. die dem Beschuldigten zur Last gelegte Tat keine Pflichtverletzung darstellt, oder

3. Umstände vorliegen, die die Verfolgung ausschließen, oder

4. die Schuld des Beschuldigten gering ist, die Tat keine oder nur unbedeutende Folgen

nach sich gezogen hat und überdies eine Bestrafung nicht geboten ist, um den

Beschuldigten von weiteren Pflichtverletzungen abzuhalten oder um

Pflichtverletzungen anderer Personen entgegenzuwirken.“

Zur rechtlichen Würdigung:

Beweiswürdigung:

Zum Freispruch im Anschuldigungspunkt 1 des Einleitungsbeschlusses vom 01. Februar 2022:

17. Das Disziplinarrecht erfüllt eine Ordnungsfunktion. Es soll einer durch ein Dienstvergehen verursachten Störung des beamtenrechtlichen Dienst- und Treueverhältnisses mit dem Ziel begegnen, die Sauberkeit und die Leistungsfähigkeit des österreichischen Beamtentums zu erhalten und sein Ansehen zu wahren. (VwGH 14. 1. 1980 SlgNF 10.007 A).

Im Anschuldigungspunkt 1 konnte kein Schuldnachweis gegen den Disziplinarbeschuldigten geführt werden, dass eine unter § 43a BDG 1979 zu subsumierende Pflichtverletzung begangen wurde. Wiewohl in der mündlichen Verhandlung zutage trat, dass er die notwendige Distanz zwischen einem Vorgesetzten und einer untergebenen Soldatin nicht wahrte. Es wurde in der Beschwerdeerledigung der Beschwerdeführerin A.A. durch die Fachabteilung des BMLV vom 07. Jänner 2020 festgestellt, dass weibliche Bedienstete vor jeglicher Art geschlechtsspezifischer Belästigung oder sogar sexueller Übergriffe geschützt werden müssen. Derartigen ungehörigen Verhaltensweisen muss im Interesse der betroffenen Frauen und im Interesse des Dienstes entschieden entgegengetreten werden. Belästigungen oder Übergriffe dieser Art – vor allem, wenn diese von Vorgesetzten ausgeübt werden, stellen für das BMLV keinesfalls zu bagatellisierende Pflichtverletzungen dar und werden solche Vorfälle entsprechend sanktioniert. Den Ausführungen des BMLV ist aber nicht zu entnehmen, was konkret die Tathandlung war. Die Beschwerdeerhebungen des N.N. vom 11.09.2019 weisen darauf hin, dass keine der einvernommenen Zeugen die Behauptungen der Frau A.A. bestätigt hätten und es stünde Aussage gegen Aussage. Lediglich eine Niederschrift lasse den Schluss zu, dass die allgemeine Ausdrucksweise des Beschuldigten den erlassmäßigen Vorgaben widersprach („lockere Sprüche gegenüber Chargen“ und gegenseitige „Neckereien“), jedoch die konkret vorgeworfenen Beschwerdepunkte konnten nicht verifizieren werden. Frau A.A. hinterließ beim erkennenden Senat zwar einen durchaus glaubwürdigen Eindruck, es war aber nicht nachweisbar, dass er die vorgeworfenen Tathandlungen tatsächlich so begangen hatte. Nicht zuletzt deswegen, weil die bereits abgerüsteten Präsenzdiener nicht befragt wurden, blieb eben Aussage gegen Aussage im Raum stehen und es war ein Freispruch auszusprechen.

Zu den Schuldsprüchen in den Anschuldigungspunkten 2 und 3 (Spruchpunkte 1 und 2):

18. § 43 Abs 2 BDG 1979 fordert die Sachlichkeit der Amtsführung. Darunter versteht der Sprachgebrauch eine solche, die der "Sache", dem "Gegenstand" der Tätigkeit entspricht und sich ausschließlich auf das "Wesentliche" bezieht. Bei einer Berufsmilitärperson kommt es auf die sachliche "Wahrnehmung seiner dienstlichen Aufgaben" an; da diese jedoch sehr weitgehend durch die Rechtsordnung bestimmt sind, wird durch § 43 Abs. 2 BDG 1979 in erster Linie das Vertrauen in die rechtmäßige Aufgabenerfüllung geschützt. Diese Pflicht verletzt der Soldat immer dann, wenn er durch ein inner- oder außerdienstliches Verhalten Bedenken dagegen auslöst, dass er bei der Vollziehung rechtmäßig vorgehen werde, und damit seine "Glaubwürdigkeit" einbüßt. Demgemäß ist ganz allgemein ein Verhalten verboten, dass das einfließen lassen anderer als dienstlicher Interessen auf die Vollziehung vermuten lässt (vgl. VwGH vom 21.12.1999, 93/09/0122). Der Beamte muss jeden Anschein vermeiden, er werde nicht zur „Sache“ gehörende Interessen einfließen lassen. Das von dieser Bestimmung geschützte Rechtsgut liegt nach Ansicht der Rechtsprechung in der allgemeinen Wertschätzung die das Beamtentum in der Öffentlichkeit genießt, damit in der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und des dafür erforderlichen Ansehens der Beamtenschaft. Die genannten Rückschlüsse können von einem Verhalten gezogen werden, das mit dem Aufgabenbereich des Beamten in konkretem Zusammenhang steht. Dabei besteht ein Bezug zu den besonderen Aufgaben des jeweiligen Soldaten (besonderer Funktionsbezug). Darüber hinaus kann auch ein allgemeiner Bezug zu Aufgaben hergestellt werden, die jedem Beamten zukommen, insofern stellt § 43 Abs 2 BDG auch eine für alle Beamten gemeinsame Verhaltensrichtlinie dar (allgemeiner Funktionsbezug) (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarecht der Beamten4 2010, S 163f.).

Das Hervorholen eines – wenn auch nicht steifen Penis – während einer Pause (Dienstzeit) in einer militärischen Liegenschaft ist nicht zu akzeptieren und stellt einen schuldhaften Verstoß gegen die Bestimmung des § 43 Abs 2 BDG 1979 dar.

19. Wie der Herr Disziplinaranwalt beim BMLV zutreffend ausführte, ist das Berühren des Haares einer Untergebenen ohne dienstlichen Bezug und vorherige Ankündigung inakzeptabel. Wenn § 43a BDG 1979 den Beamten verpflichtet, seinen Vorgesetzten und Mitarbeitern „mit Achtung“ zu begegnen, ist damit ein Kommunikationsstil gemeint, der nach allgemeiner Auffassung menschlich „respektvoll“ ist. Die Grenze zur Pflichtwidrigkeit ist erst erreicht, wenn „die menschliche Würde eines Kollegen oder Vorgesetzten verletzt“ oder der Betriebsfriede und die dienstliche Zusammenarbeit „anderweitig ernstlich gestört“ wird. Bei sonstigen verbalen Ausschreitungen (zB Beschimpfung, Verspottung, Lächerlichmachung) hat die Judikatur auf deren Gewicht abgestellt. So etwa, wenn aus Formulierungen und Nebenumständen Rückschlüsse auf dienstlich relevante Charaktermängel gezogen werden konnten oder wenn das Verhalten über längere Zeit hin anhielt. (vgl. Kucsko-Stadlmayer, Das Disziplinarecht der Beamten4 2010, S 210, 213). Der Disziplinarbeschuldigte hat die untergebene Soldatin ohne dienstlichen Bezug an den Haaren berührt und gesagt: „So packt man eine Frau“. Dies war geeignet, weil von Frau A.A. unerwünscht und zurecht als herabwürdigend empfunden, das Betriebsklima zu stören.

Zum Grad des Verschuldens:

20. In beiden Tathandlungen hielt es der Disziplinarbeschuldigte ernstlich für möglich und fand sich damit ab, seine Dienstpflichten bezüglich Vertrauenswahrung und respektvollem Umgang zu verletzen. Er handelte somit vorsätzlich.

Zur Strafbemessung:

21. Die Strafe war vom erkennenden Senat im Sinne der nachstehenden Erwägungen gemäß § 6 HDG 2014 nach Maßgabe der im Strafgesetzbuch (§§ 32-35) festgelegten Gründe zu bemessen. Nach gewissenhafter Abwägung aller für bzw. wider den Beschuldigten sprechenden Umstände gelangte der erkennende Senat in der Frage der zu verhängenden Strafart und Strafhöhe angesichts der im Folgenden darzulegenden Überlegungen zu dem im Spruch ersichtlichen Ergebnis.

Grundlage für die Strafbemessung war die im Beweisverfahren zweifelsfrei erwiesene Schuld des Disziplinarbeschuldigten A.A. durch die vorsätzliche Tatbegehung. Seine Dispositions- und Diskretionsfähigkeit stehen für den Senat wie oben ausgeführt außer Zweifel.

Die objektive Schwere der Pflichtverletzung ist im mittleren bis oberen Bereich einzustufen. Dies deshalb, weil der Schutzzweck der Norm das Vertrauen der Allgemeinheit in die sachliche Wahrnehmung der dienstlichen Aufgaben zum Ziel hat und einem ordentlichen Betriebsklima im Bundesheer ein hoher Stellenwert zukommt. Auch wenn er im Zeitraum Mai bis Juli 2019 ein noch unerfahrener stellvertretender Zugskommandant war, so wäre von ihm als ausgebildeter Unteroffizier und Ausbilder ein rechtmäßiges Alternativverhalten (korrektes dienstliches Verhalten) zumutbar gewesen. Das Bundesheer ist bemüht, den Frauenanteil der Bediensteten auf 12% zu erhöhen. Derzeit liegt er zwischen 3 und 4%. Die Tathandlungen des Beamten sind geeignet, die Bestrebungen des Dienstgebers zu konterkarieren. Spezialpräventive Gründe sind gegeben, weil dem korrekten Umgangston für einen geordneten Dienstbetrieb große Bedeutung zukommt und er vor gleichgelagerten Dienstpflichtverletzungen abzuhalten ist. Der Senat anerkennt seine reumütige und ehrlich gemeinte Beteuerung, dass er in Zukunft seine Wortwahl und den Umgang mit Untergebenen respektvoll gestalten wird. Generalpräventive Gründe sind jedenfalls gegeben, da allen Soldaten vor Augen zu führen ist, dass derartige Pflichtverletzungen nicht geduldet werden. Ein Kommandant hat durch Vorbild zu führen. Das gezeigte Verhalten ist daher nicht hinzunehmen.

Straferschwerend wurde gewertet:

? Negative Vorbildwirkung als Kommandant

? Mehrere Pflichtverletzungen in kurzer Zeit

Strafmildernd wurde gewertet:

?  sein reumütiges und umfassendes Tatsachengeständnis

?  sein einsichtiges Verhalten

?  Unbescholtenheit

?  sein Auftreten vor der Disziplinarkommission

?  seine ausgezeichnete Dienstleistung und daher positive Zukunftsprognose

Die Bemessungsgrundlage von € 2.307,30 errechnet sich aus dem Grundbezug
MU GL/07 (€ 2.246,20), und der Truppendienstzulage (€ 61,1) des Disziplinarbeschuldigten im Monat Februar 2022.

Die ausgesprochene Geldstrafe in der Höhe von ca. 65 Prozent der Bemessungsgrundlage nach § 52 Abs 3 HDG 2014 wurde vom Senat daher als tat- und schuldangemessen festgelegt, nicht zuletzt deshalb, weil die Milderungsgründe überwiegen und er ein ansonsten sehr guter Unteroffizier ist. Sie ist aber außerordentlich milde.

Er muss sich aber klar sein, dass bei weiteren einschlägigen Verhaltensweisen unverzüglich eine Dienstenthebung als Sicherungsmaßnahme zu verfügen sein wird und die Beendigung des Dienstverhältnisses die Folge sein könnte.

Der Beamte möge die milde Bestrafung als Vertrauensvorschuss sehen, dass er in Zukunft derartige Dienstpflichtverletzungen unterlässt.

Es war daher spruchgemäß zu entscheiden.

Zuletzt aktualisiert am

10.05.2022
Quelle: Disziplinarkommissionen, Disziplinaroberkommission, Berufungskommission Dok, https://www.ris.bka.gv.at/Dok
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