TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/23 95/18/0857

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Veröffentlicht am 23.05.1996
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Index

19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

AufG 1992 §5 Abs1;
AVG §45 Abs3;
AVG §66 Abs4;
FrG 1993 §10 Abs1 Z1;
FrG 1993 §10 Abs1 Z4;
MRK Art8 Abs2;
SGG §12 Abs1;
SGG §16 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte

Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des F, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 6. März 1995, Zl. 104.382/2-III/11/94, betreffend Versagung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres (der belangten Behörde) vom 6. März 1995 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung gemäß § 5 Abs. 1 Aufenthaltsgesetz - AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 Fremdengesetz - FrG, abgewiesen.

Die Erstbehörde habe den Antrag des Beschwerdeführers vom 30. September 1993 mit der Begründung abgewiesen, daß gegen ihn ein (mit zehn Jahren befristetes) rechtskräftiges Aufenthaltsverbot bestünde, womit der Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG verwirklicht wäre. In der dagegen erhobenen Berufung habe der Beschwerdeführer vorgebracht, daß seiner gegen den Aufenthaltsverbots-Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 14. April 1994 eingebrachten Beschwerde (mit Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. Mai 1994) aufschiebende Wirkung zuerkannt worden wäre, somit der Sichtvermerksversagungsgrund des § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG nicht herangezogen werden könnte.

Unbeschadet dieses Vorbringens sei für die Beurteilung des Antrages des Beschwerdeführers wesentlich, daß § 5 (Abs. 1) AufG die Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung ausschließe, wenn ein Sichtvermerksversagungsgrund nach § 10 Abs. 1 FrG vorliege. Im Beschwerdefall sei jener des § 10 Abs. 1 Z. 4 im Hinblick darauf gegeben, daß der Beschwerdeführer nach der Aktenlage am 14. November 1994 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen § 16 Abs. 1, Abs. 2 Z. 2 Suchtgiftgesetz zu vier Monaten Freiheitsstrafe, bedingt auf drei Jahre, rechtskräftig verurteilt worden sei. Außerdem habe der Beschwerdeführer angegeben, in Österreich studieren zu wollen, jedoch keinen Prüfungserfolg nachweisen können. Dies sei als unrichtige Angabe gegenüber einer österreichischen Behörde über den Zweck seines Aufenthaltes, um sich die Aufenthaltsberechtigung zu verschaffen, zu werten.

Diese Tatsachen ergäben den eindeutigen Schluß, daß der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, sich den österreichischen Rechtsvorschriften anzupassen, weshalb sein weiterer Aufenthalt in Österreich eine Gefährdung der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit bedeute.

Da somit ein zwingender Sichtvermerksversagungsgrund vorliege, könne dem Beschwerdeführer keine Aufenthaltsbewilligung erteilt werden. "Die öffentlichen Interessen überwiegen daher Ihre privaten Interessen."

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Die Beschwerde rügt, daß die belangte Behörde "neue Tatsachen und Beweisergebnisse, die im erstinstanzlichen Verfahren nicht bekannt oder ohne Bedeutung waren, für die Begründung des bekämpften Bescheides herangezogen (hat)", ohne dazu das erforderliche Parteiengehör zu gewähren. Dieses hätte nur dann entfallen können, wenn es sich dabei um unbestrittene Tatsachen handelte. Von den im bekämpften Bescheid angeführten Tatsachen sei jedoch nur "die rechtskräftige Verurteilung vom 14. November 1994 unbestritten".

1.2. Mit diesem Vorbringen spricht die Beschwerde den Umstand an, daß die belangte Behörde ihre Entscheidung auf § 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG stützte, während die Erstbehörde zur Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers den Sichtvermerksversagungsgrund des Bestehens eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbotes gegen ihn herangezogen hatte (§ 5 Abs. 1 AufG iVm § 10 Abs. 1 Z. 1 FrG). Zu Recht erblickt die Beschwerde darin kein Überschreiten des der belangten Behörde in ihrer Funktion als Berufungsbehörde durch den Begriff der "Sache" i.S. des § 66 Abs. 4 erster Satz AVG gesteckten Rahmens ihrer Entscheidungsbefugnis (vgl. dazu näher das hg. Erkenntnis vom 18. September 1995, Zl. 94/18/1137, mwN). Sie moniert vielmehr ausschließlich, daß dem Beschwerdeführer zu der Heranziehung des von der Erstinstanz nicht angewendeten Versagungstatbestandes des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG kein Parteiengehör eingeräumt worden sei.

In dieser Unterlassung liegt indes kein - jedenfalls kein relevanter - Verfahrensmangel. Auf der einen Seite trifft es zu, daß in Fällen wie dem vorliegenden Parteiengehör im nach den jeweils konkreten Erfordernissen gebotenen Umfang zu gewähren ist (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis Zl. 94/18/1137). Auf der anderen Seite ist festzuhalten, daß die belangte Behörde den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG in erster Linie auf Grund der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers wegen eines Suchtgiftdeliktes als erfüllt ansah; die übrigen von ihr für diese rechtliche Subsumtion herangezogenen Gründe waren von untergeordneter Bedeutung.

Diese Beurteilung stößt auf keine Bedenken: Die belangte Behörde durfte schon allein im Hinblick auf das der besagten Verurteilung wegen § 16 Abs. 1, Abs. 2 Z. 2 Suchtgiftgesetz zugrunde liegende deliktische Verhalten des Beschwerdeführers eine den Tatbestand des § 10 Abs. 1 Z. 4 FrG verwirklichende Gefährdung der öffentlichen Sicherheit annehmen (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 29. Juni 1995, Zl. 95/18/1026). Zu dem insoweit allein maßgeblichen Sachverhalt Parteiengehör einzuräumen, war aber deshalb nach den Erfordernissen des konkreten Falles nicht geboten, weil dem Beschwerdeführer sein eigenes deliktisches Verhalten bekannt sein mußte. Selbst wenn man jedoch auch in diesem Fall eine Verpflichtung der belangten Behörde annehmen wollte, das rechtliche Gehör zu gewähren, wäre damit für den Beschwerdeführer nichts gewonnen, tut er doch in der Beschwerde die Relevanz des allfälligen behördlichen Versäumnisses nicht dar.

2. Nach den vorstehenden Ausführungen geht das die von der belangten Behörde zur Untermauerung ihrer abweislichen Entscheidung zusätzlich herangezogenen Gründe betreffende Beschwerdevorbringen ins Leere.

3.1. Die Beschwerde bemängelt des weiteren, daß die belangte Behörde nicht ausreichend auf die privaten Interessen des Beschwerdeführers Bedacht genommen habe; hätte sie dies getan, wäre festzustellen gewesen, daß nach einem mehrjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich und aufgrund seiner Lebensgemeinschaft mit einer österreichischen Staatsbürgerin durch Art. 8 Abs. 2 MRK geschützte Interessen bestünden. Es sei nicht nachvollziehbar, aus welchen Gründen die belangte Behörde zu der Überzeugung gelangt sei, daß die öffentlichen Interessen die privaten Interessen des Beschwerdeführers überwögen.

3.2. Der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entsprechend hatte die belangte Behörde auf die privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers derart Bedacht zu nehmen, daß bei Vorliegen von privaten oder familiären Beziehungen im Bundesgebiet die Versagung der Erteilung einer Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz aufgrund dieser Bestimmung nur dann zulässig ist, wenn die im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten öffentlichen Interessen einen Eingriff in sein Privat- und Familienleben rechtfertigen (vgl. etwa das Erkenntnis vom 20. Juli 1995, Zl. 95/18/0757, mwN). Daß die belangte Behörde vorliegend eine Interessenabwägung im beschriebenen Sinn nicht vornahm, führt allerdings nicht zur Aufhebung des bekämpften Bescheides. Denn die durch das mehrfach erwähnte strafbare Verhalten des Beschwerdeführers herbeigeführte Gefährdung maßgeblicher öffentlicher Interessen i. S. des Art. 8 Abs. 2 MRK ist angesichts der besonderen Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität von solchem Gewicht, daß die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten privaten und familiären Interessen an der Erteilung einer Aufenthaltsbewilligung zurückzustehen haben (vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 95/18/1026); dies umso mehr, als sich der Beschwerdeführer zufolge der (durch die Aktenlage gedeckten) Angaben in der Beschwerde im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides bereits seit knapp eineinhalb Jahren unerlaubt im Bundesgebiet aufhielt.

4. Da sich somit die Beschwerde als zur Gänze unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

5. Von der Durchführung der in der Beschwerde beantragten Verhandlung konnte im Grunde des § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG abgesehen werden.

6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 VwGG iVm der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Beschränkungen der Abänderungsbefugnis Beschränkung durch die Sache Besondere verfahrensrechtliche Aufgaben der Berufungsbehörde Spruch des Berufungsbescheides Parteiengehör Erhebungen Ermittlungsverfahren

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995180857.X00

Im RIS seit

02.05.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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