TE Vwgh Erkenntnis 1978/6/21 0658/77

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Veröffentlicht am 21.06.1978
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Index

VwGG
10/07 Verwaltungsgerichtshof
40/01 Verwaltungsverfahren

Norm

AVG §56
VwGG §27

Beachte


Vorgeschichte:
0570/76 B 09.04.1976 VwSlg 9035 A/1976;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehne und die Hofräte Dr. Zach, Dr. Karlik, Dr. Kirschner und Dr. Liska als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Hailzl, über die Beschwerde des Dr. AE in I, gegen das Bundesministerium für soziale Verwaltung wegen Verletzung der Entscheidungspflicht (Antrag vom 11. August 1976, betreffend die Erlassung eines Feststellungsbescheides), zu Recht erkannt:

Spruch

Der Antrag vom 11. August 1976, betreffend die Erlassung eines Feststellungsbescheides, wird zurückgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 720,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

In seinem an das Bundesministerium für soziale Verwaltung gerichteten Schreiben vom 11. August 1976 bezog sich der Beschwerdeführer auf den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 9. April 1976, Zl. 570/76, und beantragte die Erlassung eines Feststellungsbescheides, daß sein durch Dekret des Landeshauptmannes für Tirol und Vorarlberg vom 20. März 1940, Zl. 3412/5 prs, betreffend die Beförderung zum Oberregierungsrat erworbener Rechtsanspruch zu Recht bestehe, da durch kein Gesetz bzw. durch keine gesetzliche Bestimmung diese Beförderung während des Deutschen Reichsdienstes für rechtsungültig erklärt worden sei und sohin seine letzte dienstrechtliche Stellung vor dem Ausscheiden aus dem Dienststand die eines Oberregierungsrates gewesen sei. Hinsichtlich der Zuständigkeit wies der Beschwerdeführer auf § 2 Abs. 5 des Dienstrechtsverfahrensgesetzes hin.

In der gegen das Bundesministerium für soziale Verwaltung erhobenen Beschwerde macht der Beschwerdeführer geltend, daß seit der Einbringung dieses Antrages über 6 Monate vergangen seien, ohne daß das genannte Ministerium entschieden habe; er beantragte, mit Erkenntnis auszusprechen, daß seine Ernennung zum Oberregierungsrat durch das erwähnte Dekret des Landeshauptmannes für Tirol und Vorarlberg die zuletzt erreichte dienstrechtliche Stellung gewesen sei.

Aus dem Vorbringen des Beschwerdeführers und aus den von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakten ergibt sich folgender Sachverhalt:

Mit Bescheid des Bundesministers für soziale Verwaltung vom 23. Dezember 1948 wurde festgestellt, daß der Beschwerdeführer am 13. März 1938 den Dienstposten eines Ministerialsekretärs im Personalstand des genannten Ministeriums innehatte und gleichzeitig entschieden, daß er gemäß § 8 Abs. 2 lit. c des Beamten-Überleitungsgesetzes (B-ÜG) in den dauernden Ruhestand versetzt wird, da er nicht gemäß § 7 dieses Bundesgesetzes in den Dienststand übernommen wird. Die Neubemessung des Ruhegenusses wurde zuletzt mit Bescheid des Zentralbesoldungsamtes vom 16. November 1968 auf Grund des § 60 des Pensionsgesetzes 1965 (PG 1965) vorgenommen und hiebei die 6. Gehaltsstufe der Dienstklasse VI zugrundegelegt, das Begehren auf Berücksichtigung der 7. Gehaltsstufe der Dienstklasse VII aber mit der Begründung abgelehnt, daß die mit 20. März 1940 erfolgte Beförderung zum Oberregierungsrat nach reichsdeutschen Bestimmungen erfolgt und die Republik Österreich nicht Rechtsnachfolgerin des ehemaligen Deutschen Reiches sei. Die Beschwerden gegen den im Instanzenzug ergangenen, den erstinstanzlichen Bescheid bestätigenden Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 19. Februar 1970 wurde mit den Erkenntnissen des Verfassungsgerichtshofes vom 26. Februar 1971, B 82/1970, und des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. September 1971, Zl. 636/71, abgewiesen.

In dem an das Bundesministerium für soziale Verwaltung gerichteten Schriftsatz vom 4. Dezember 1972 stellte der Beschwerdeführer unter anderem den Antrag, zu prüfen, festzustellen und zu entscheiden, daß „er laut Dekret des Landeshauptmannes von Tirol und Vorarlberg vom 20. März 1940 zum Oberregierungsrat ernannt wurde, wobei sein Besoldungsdienstalter mit dem 1. Jänner 1936 festgelegt wurde“ (Punkt 6. des Antrages), daß „diese Ernennung während des Deutschen Reichsdienstes seine letzte dienstrechtliche Stellung ist, durch die er einen eindeutigen Rechtsanspruch auf ein bestimmtes Gehalt und den hiebei vorgesehenen Titel erlangt“ habe (Punkt 7. des Antrages), „dieser Rechtsanspruch, den sein öffentlich-rechtliches Dienstverhältnis erfahren hat, nach 1945 durch kein Gesetz aufgehoben wurde“ (Punkt 8. des Antrages), „im Zeitpunkt seines Ausscheidens aus dem Dienststand auf Grund der gegebenen Rechtslage seine dienstrechtliche Stellung die eines Oberregierungsrates ist“ (Punkt 10. des Antrages) und „sohin sein Ruhegenuß auf Grund des § 5 Abs. 1 PG 1965 im Sinne des Gehaltsgesetzes 1956 vom Gehalt der dieser zuletzt erreichten dienstrechtlichen Stellung entsprechenden VII. Dienstklasse, 7. Gehaltsstufe, zu bemessen ist“ (Punkt 11. des Antrages). Die beiden letzten Anträge wurden vom Beschwerdeführer szt. dahingehend modifiziert, daß er damit die Feststellung begehre, den Ruhegenuß auf Grund des § 5 Abs. 1 PG 1965 im Sinne des Gehaltsgesetzes 1956 vom Gehalt der dieser zuletzt erreichten dienstrechtlichen Stellung entsprechenden Dienstklasse VII, Gehaltsstufe 7, zu berechnen. Die gegen das Bundesministerium für soziale Verwaltung wegen Nichterledigung dieser Anträge erhobene Säumnisbeschwerde wurde vom Verwaltungsgerichtshof mit Beschluß vom 9. April 1976, Zl. 570/76, mit der Begründung zurückgewiesen, daß die belangte Behörde nach den Verwaltungsvorschriften zu einer Sachentscheidung über die Anträge des Beschwerdeführers nicht verpflichtet gewesen sei.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde und über die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift erwogen:

Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war. Die Säumnisbeschwerde kann gemäß § 27 VwGG 1965 erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht angerufen werden konnte, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen 6 Monaten in der Sache entschieden hat. Der Anspruch einer Partei auf Erlassung eines Bescheides ist nicht nur dann gegeben, wenn die Behörde eine Sachentscheidung im engeren Sinn des Wortes zu fällen hat, sondern auch dann, wenn die Behörde einen Antrag oder eine Berufung der Partei zurückzuweisen, also einen verfahrensrechtlichen Bescheid zu erlassen hat (vgl. dazu den Beschluß des Verwaltungsgerichtshofes vom 15. Dezember 1977, Zlen. 934, 1223/73). Da der Verwaltungsgerichtshof mit dem angeführten Beschluß von seiner Vor-judikatur, die den Anspruch auf Erlassung einer Sachentscheidung als Voraussetzung für die Zulässigkeit einer Säumnisbeschwerde angesehen hat, abgegangen ist, kann der in der Gegenschrift vertretenen Auffassung, daß dem Beschwerdeführer die Berechtigung zur Erhebung der Säumnisbeschwerde nach Art. 132 B-VG nicht zukomme, nicht gefolgt werden.

Die Beschwerde ist daher, unabhängig davon, ob die belangte Behörde dem Feststellungsantrag des Beschwerdeführers Folge zu geben oder ihn abzuweisen hatte oder aber den Antrag zurückzuweisen hätte müssen, zulässig.

In der Sache selbst geht der Verwaltungsgerichtshof von folgenden Erwägungen aus:

Dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 19. November 1970, Zl. 405.673-23/69, über die Neubemessung des Ruhegenusses des Beschwerdeführers auf Grund des § 60 PG 1965 wurde die bezugsrechtliche Stellung zugrunde gelegt, wie sie mit dem rechtskräftigen Bescheid des Zentralbesoldungsamtes vom 3. August 1956, Zl. 20267/A, festgesetzt wurde, nämlich nach der Verwendungsgruppe A, Dienstklasse VI, Gehaltsstufe 5; unter Bedachtnahme auf § 5 Abs. 2 leg. cit. wurde bei der Neubemessung des Ruhegenusses die 6. Gehaltsstufe der Dienstklasse VI zugrunde gelegt. In der Begründung dieses Bescheides hat das Bundesministerium für Finanzen ausgeführt, daß die Beförderung zum Oberregierungsrat nach reichsdeutschen Bestimmungen erfolgt und die Republik Österreich nicht Rechtsnachfolgerin des ehemaligen Deutschen Reiches sei (vgl. dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. September 1971, Zl. 636/71). Das Bundesministerium für Finanzen ist also bei der Neubemessung des Ruhegenusses einerseits von dem zitierten rechtskräftigen Bescheid des Zentralbesoldungsamtes über die bezugsrechtliche Stellung des Beschwerdeführers ausgegangen, andererseits hat es die Frage, ob die Ernennung des Beschwerdeführers zum Oberregierungsrat zu berücksichtigen und dementsprechend die Gehaltsstufe 7 der Dienstklasse VII zugrunde zu legen sei, in der Begründung seines Bescheides ausdrücklich verneint. In der Folge hat, wie sich aus den Verwaltungsakten ergibt, der Bundesminister für Finanzen mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 11. Juni 1974, Zl. 410.097-23/72 (mit dem die Bescheide des Zentralbesoldungsamtes vom 19. März 1970, Zl. 64-3374/5 und Zl. 64-3374/10 bestätigt wurden) festgestellt, daß dem Beschwerdeführer gemäß § 60 Abs. 1 PG 1965 vom 1. Jänner 1969 an ein monatlicher Ruhegenuß von S 6.233,20 und mit Wirkung vom 1. Februar 1969 gemäß den §§ 3 bis 7 PG 1965 in Verbindung mit § 28 GG 1956 unter Bedachtnahme auf die Teuerungszulagenverordnung ein Ruhegenuß von monatlich S 6.639,70 gebührt.

In dem Antrag vom 11. August 1976 begehrte der Beschwerdeführer die Feststellung seiner letzten dienstrechtlichen Stellung. Die Lösung dieser Rechtsfrage bildete eine der Voraussetzungen für die Neubemessung des Ruhegenusses. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist ein im rechtlichen Interesse einer Partei begründeter Anlaß zur Erlassung eines Feststellungsbescheides dann nicht gegeben, wenn die den Gegenstand des Feststellungsantrages bildende Rechtsfrage im Rahmen eines anderen gesetzlich vorgezeichneten Verwaltungsverfahrens zu entscheiden ist (vgl. dazu das Erkenntnis vom 23. Jänner 1969, Zl. 206/67, und die dort angeführte Vorjudikatur, insbesondere das Erkenntnis vom 23. Oktober 1963, Zl. 1236/62, Slg. N. F. Nr. 6127/A). über die Frage, ob die letzte dienstrechtliche Stellung des Beschwerdeführers die eines Oberregierungsrates war, ist in einem Verfahren nach der Bestimmung des § 60 Abs. 1 PG 1965 zu beantworten. Im Rahmen eines solchen Verfahrens wurde, wie bereits erwähnt, auch diese Frage beantwortet (vgl. dazu das gegenüber dem Beschwerdeführer ergangene Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 14. September 1971, Zl. 636/71). Nun ist es richtig, daß nur der Spruch, nicht auch die Begründung eines Bescheides, der Rechtskraft fähig ist. Daraus folgt aber nicht, daß einzelne Begründungselemente eines in Rechtskraft erwachsenen Bescheides zum Gegenstand eines Feststellungsbescheides gemacht werden dürfen, es sei denn, daß eine ausdrückliche gesetzliche Regelung dafür eine Rechtsgrundlage böte. Eine solche ist im vorliegenden Fall nicht gegeben und wird vom Beschwerdeführer auch nicht behauptet. Ein rechtliches Interesse des Beschwerdeführers an der Beantwortung der den Gegenstand auch seiner vorliegenden Eingabe an das Bundesministerium für soziale Verwaltung bildenden Frage war zweifellos gegeben, jedoch würde diese Rechtsfrage durch den Bescheid des Bundesministers für Finanzen vom 19. Februar 1970 und vom Verwaltungsgerichtshof in dem vorzitierten Erkenntnis vom 14. September 1971 und durch die in der Folge festgestellte Neubemessung des Ruhegenusses beantwortet. Die Rechtskraft sowohl des verwaltungsbehördlichen Bescheides als auch des Verwaltungsgerichtshoferkenntnisses verbietet es, einzelne entscheidungswesentliche Begründungselemente zum Gegenstand eines Feststellungsbescheides zu machen.

Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß der an das Bundesministerium für soziale Verwaltung gerichtete Feststellungsantrag des Beschwerdeführers unzulässig war. Dies hatte der Verwaltungsgerichtshof gemäß den §§ 27 und 42 Abs. 4 letzter Satz VwGG 1965 auszusprechen.

Die Entscheidung aber den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG 1965.

Wien, am 21. Juni 1978

Schlagworte

Anspruch auf bescheidmäßige Erledigung und auf Zustellung, Recht der Behörde zur Bescheiderlassung Feststellungsbescheide Anspruch auf Sachentscheidung Allgemein

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1978:1977000658.X00

Im RIS seit

10.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

10.05.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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