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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Gesetzwidrigkeit einer KurzparkzonenV wegen Unterlassung der gesetzlich vorgeschriebenen Anhörung einer gesetzlichen Interessenvertretung bei Erlassung einer solchen Verordnung (hier: keine Anhörung der Rechtsanwaltskammer)Spruch
I. Die in §1 der Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 30. Jänner 1992, Zl. VI - 10402/1991-B/STV, enthaltene Wortfolge "Fallmerayerstraße, ostseitig, zwischen Anichstraße und Maximilianstraße" war gesetzwidrig.
Die Tiroler Landesregierung ist verpflichtet, diesen Ausspruch unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.
II. Im übrigen wird das Verordnungsprüfungsverfahren eingestellt.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Innsbruck erließ am 30. Jänner 1992 unter Berufung auf §§43 Abs1 litb und 94d StVO folgende Verordnung:
"§1
'Kurzparkzone' (§52 Z13 d StVO 1960)
werktags - Montag bis Freitag von 8.00 bis 18.00 Uhr - Kurzparkdauer 60 Minuten - gebührenpflichtig
Fallmerayerstraße, ostseitig, zwischen Anichstraße und Maximilianstraße
Fallmerayerstraße, westseitig, zwischen Schmerlingstraße und Maximilianstraße
Professor-Franz-Mair-Gasse, westseitig, auf die gesamte Länge
Sackgasse zwischen Museumstraße und Konservatorium (sog. 'Konservatoriumsstraße') ostseitig, auf die gesamte Länge
§2
Weiterreichende gesetzliche oder verordnete Halte- und Parkbeschränkungen bleiben aufrecht.
§3
Diese Verordnung tritt mit Anbringung der Verkehrszeichen, frühestens jedoch am 1.3.1992 in Kraft."
II. Mit dem im Instanzenzug erlassenen Bescheid vom 13. Juli 1993 befand der Unabhängige Verwaltungssenat in Tirol den Beteiligten, einen Rechtsanwalt mit dem Kanzleisitz in Innsbruck, einer dadurch begangenen Verwaltungsübertretung nach §6 Abs1 lita des Tiroler Kurzparkzonenabgabegesetzes (LGBl. 52/1981 idF 67/1991) iVm §§1, 3 und 5 der Innsbrucker Kurzparkzonenabgabeverordnung (Gemeinderatsbeschluß vom 26. Jänner 1982 idF des Beschlusses vom 18. Juli 1991) schuldig, daß er am 31. August 1992 seinen Pkw in der Fallmerayerstraße, gegenüber dem Haus Nr. 11, somit in einer gebührenpflichtigen Kurzparkzone, parkte ohne die Kurzparkzonenabgabe zu entrichten. Über den Beteiligten wurde eine Geld- sowie eine Ersatzfreiheitsstrafe verhängt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die Verfassungsgerichtshofbeschwerde zu B1571/93, in welcher der Beteiligte als Beschwerdeführer (ua.) eine Rechtsverletzung infolge Anwendung einer gesetzwidrigen Verordnung geltend macht; die Tiroler Rechtsanwaltskammer als zuständige gesetzliche Interessenvertretung der Rechtsanwälte sei entgegen §94f Abs1 litb Z2 StVO vor Erlassung der oben wiedergegebenen Kurzparkzonenverordnung nicht angehört worden, obgleich von seiten der Rechtsanwälte ein Bedarf an - mehrstündig nutzbaren - Parkplätzen in der Umgebung des (auch) von der Fallmerayerstraße begrenzten Gerichtsgebäudes bestehe.
III. Der Verfassungsgerichtshof
teilte dieses Bedenken des Beteiligten gegen die Gesetzmäßigkeit der (in der Innsbrucker Kurzparkzonenabgabenverordnung verwiesenen) Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Innsbruck vom 30. Jänner 1992 und leitete gemäß Art139 Abs1 B-VG von Amts wegen das gegenwärtige Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit jenes Teiles dieser Verordnung ein, der die Fallmerayerstraße betrifft, nämlich der in §1 enthaltenen Wortfolgen "Fallmerayerstraße, ostseitig, zwischen Anichstraße und Maximilianstraße" sowie "Fallmerayerstraße, westseitig, zwischen Schmerlingstraße und Maximilianstraße".
IV. 1. Die Tiroler Landesregierung erstattete eine Äußerung, in welcher die Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Verordnungsstellen teilweise bestritten und im übrigen begehrt wird, diese nicht als gesetzwidrig zu befinden.
2. Der Gemeinderat der Landeshauptstadt Innsbruck erstattete ebenfalls eine Äußerung, in welcher er dem Standpunkt der Tiroler Landesregierung beitritt sowie darauf hinweist, daß seine Verordnung vom 30. Jänner 1992 durch die Verordnung des Gemeinderates vom 28. Oktober 1992 außer Kraft gesetzt wurde.
V. 1. Der Verfassungsgerichtshof ging in seinem Einleitungsbeschluß davon aus, daß er bei seiner Entscheidung über die Beschwerde beide die Fallmerayerstraße betreffenden Bestimmungen im §1 der Verordnung vom 30. Jänner 1992 anzuwenden hätte, also sowohl jene, mit der die Fallmerayerstraße westseitig, als auch die weitere (den im Beschwerdefall maßgebenden Tatort umfassende) Bestimmung, mit der die Fallmerayerstraße ostseitig zur Kurzparkzone erklärt wird. Hiebei nahm der Gerichtshof vorläufig an, daß die beiden zitierten, dieselbe Straße betreffenden Anordnungen eine normative Einheit bilden.
2. Die Tiroler Landesregierung bezweifelt in ihrer Äußerung diese Annahme eines untrennbaren Zusammenhanges und wendet ein,
(es sei) "nicht erkennbar, warum beide die Fallmerayerstraße betreffenden Teile der Verordnung eine normative Einheit bilden sollen. Der Bereich 'Fallmerayerstraße, ostseitig, zwischen Anichstraße und Maximilianstraße', in dem sich die verfahrensgegenständliche Verwaltungsübertretung ereignet hat, ist allein Voraussetzung für den Anlaßfall und es würde mit dem Teil 'Fallmerayerstraße, westseitig, zwischen Schmerlingstraße und Maximilianstraße' von einem Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes nach Art139 Abs4 B-VG mehr als unbedingt notwendig erfaßt."
3. Dieser Einwand ist nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofs gerechtfertigt; das Verordnungsprüfungsverfahren ist daher insoweit einzustellen als es den in der Verordnung beschriebenen westseitigen Teil der Fallmerayerstraße betrifft. Im übrigen erweist sich das eingeleitete Prüfungsverfahren, da sonstige Prozeßhindernisse nicht vorliegen, als zulässig.
VI. 1. Gemäß dem gefaßten Prüfungsbeschluß besteht hinsichtlich der Gesetzmäßigkeit der in Prüfung stehenden Verordnungsbestimmung folgendes Bedenken:
"Der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes zufolge schreibt §94f Abs1 litb Z2 StVO zwingend vor, daß die Gemeinde (§94d StVO) vor Erlassung einer entsprechenden Verordnung - außer bei Gefahr im Verzuge - dann, wenn Interessen von Mitgliedern einer Berufsgruppe berührt werden, die gesetzliche Interessenvertretung dieser Berufsgruppe anzuhören hat. Wird diese Anhörungspflicht verletzt, haftet der Verordnung ein formaler Mangel an; sie ist - wegen Verstoßes gegen die angeführte Vorschrift - gesetzwidrig (VfSlg. 9818/1983 mit Bezugnahme auf VfSlg. 8086/1977, ferner VfSlg. 11920/1988; vgl. auch VfSlg. 10965/1986).
Es scheint nun, daß die Erklärung der Fallmerayerstraße zur Kurzparkzone im Hinblick auf die Lage des - an einer Längsfront von dieser Straße begrenzten - Gerichtsgebäudes in der Tat jedenfalls berufliche Interessen der Angehörigen des Rechtsanwaltsstandes berührte: Denn die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes erfordert in nicht unwesentlichem Umfang den Besuch dieses mehrere, im örtlichen Wirkungsbereich zum Teil über das Land Tirol hinaus zuständige Justizbehörden (Oberlandesgericht Innsbruck, Landesgericht Innsbruck, Bezirksgericht Innsbruck, Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck, Staatsanwaltschaft Innsbruck) beherbergenden Gebäudes und läßt insoweit besonderen Bedarf an Parkplätzen in der unmittelbaren Umgebung des Gerichtsgebäudes entstehen.
So gesehen, ergibt sich aber das Bedenken, daß die verordnungsgebende Behörde - welche (nach den von der belangten Behörde in Kopie vorgelegten Teilen des Verordnungsaktes) zwar die Kammer der gewerblichen Wirtschaft für Tirol sowie die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol, nicht aber die Tiroler Rechtsanwaltskammer als gesetzliche Interessenvertretung der Berufsgruppe der Rechtsanwälte anhörte - die in Rede stehende generelle Norm in einem nicht den Bestimmungen des §94f StVO entsprechenden Verfahren erließ (s. auch dazu VfSlg. 9818/1983). Der Umstand, daß die Erklärung der erwähnten Straßenbereiche zur Kurzparkzone an sich auch jenen Rechtsanwälten zugutekommt, die im Gerichtsgebäude untergebrachte Behörden aufsuchen, beeinträchtigt das ihrer Interessenvertretung gesetzlich eingeräumte - umfassende - Anhörungsrecht anscheinend nicht.
Entgegen dem Standpunkt der belangten Behörde ist der Gerichtshof vorläufig auch der Ansicht, daß das Bestehen von zwölf der Benutzung durch Rechtsanwälte mit dem Kanzleisitz außerhalb Innsbrucks vorbehaltenen Pkw-Abstellplätzen in unmittelbarer Nähe des Gerichtsgebäudes (- es handelt sich um eine von der Justizverwaltung zur Verfügung gestellte (in einem Schreiben des Ausschusses der Tiroler Rechtsanwaltskammer vom 4. Juni 1974 so genannte) 'private Parkfläche' -), das gesetzlich vorgesehene Anhörungsrecht nicht gegenstandslos werden läßt."
2. Diesem Bedenken tritt die Tiroler Landesregierung in ihrer Äußerung mit folgenden Argumenten entgegen:
"Nach §94f Abs1 litb Z2 StVO 1960 hat die Gemeinde vor der Erlassung einer Verordnung grundsätzlich die gesetzliche Interessenvertretung der betreffenden Berufsgruppe anzuhören, wenn Interessen von Mitgliedern berührt werden. Schränkten die Erläuterungen zur Regierungsvorlage das Anhörungsrecht noch auf 'wesentliche Interessen' ein, so wurde diese Beschränkung im Zuge der Ausschußberatungen mit folgender Begründung beseitigt: 'Über die Absichten der Regierungsvorlage hinaus erachtet der Handelsausschuß ein weiteres Mitspracherecht der gesetzlichen Interessenvertretungen bei der Erlassung von Verordnungen für zweckmäßig. Aus diesem Grund soll die gesetzliche Interessenvertretung einer Berufsgruppe grundsätzlich immer angehört werden, wenn durch die Erlassung einer Verordnung Interessen von Mitgliedern einer Berufsgruppe berührt werden' (siehe dazu auch Dittrich/Stolzlechner, Österreichisches Straßenverkehrsrecht, Kommentar zu §94f, S. 5).
Die Tiroler Landesregierung vertritt die Ansicht, daß eine Berührung von Interessen von Mitgliedern der Tiroler Rechtsanwaltskammer bei der Festlegung von Kurzparkzonen generell nicht möglich ist. Dies aus folgenden Überlegungen:
a) Der §94f Abs1 litb Z2 StVO 1960 kann in Verbindung mit den parlamentarischen Materialien wohl nur dahingehend verstanden werden, daß einer 'gesetzlichen Interessenvertretung' nur dann Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme zu geben ist, wenn Interessen von Mitgliedern berührt werden, zu deren Wahrnehmung sie auf Grund eines gesetzlichen Auftrages zuständig ist.
Der Bundesgesetzgeber hat den weitgehend autonomen Rechtsanwaltskammern nach §23 der Rechtsanwaltsordnung, RGBl. Nr. 96/1868, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl. Nr. 21/1993, bestimmte, taxativ aufgezählte Aufgaben zugewiesen. Ihnen obliegen die Wahrung der Ehre, des Ansehens und der Rechte wie auch die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltsstandes. Die Rechte und Pflichten der Rechtsanwälte ergeben sich insbesondere aus dem II. Abschnitt der Rechtsanwaltsordnung. Die Mitwirkung an der Festlegung von Kurzparkzonen gehört daher weder konkret noch abstrakt zum gesetzmäßigen Wirkungsbereich der Rechtsanwaltskammern. Auch der Verfassungsgerichtshof hat bereits mehrfach die Ansicht vertreten (vgl. dazu den Beschluß vom 13. Dezember 1991, V188/90, und die Erkenntnisse VfSlg. 2150/1951 und 1314/1930), daß der Zuständigkeitsbereich der Rechtsanwaltskammern nicht über den §23 RAO hinausreicht.
b) Dem Einleitungsbeschluß des Verfassungsgerichtshofes läßt sich auch nicht mit hinreichender Klarheit entnehmen, welche rechtlichen, wirtschaftlichen oder ideellen Interessen von Rechtsanwälten, zu deren Wahrnehmung die Tiroler Rechtsanwaltskammer gesetzlich zuständig ist, durch die Festlegung der Kurzparkzonen im Bereich der östlichen und der westlichen Fallmerayerstraße berührt worden sind. Mittelbar kann aus der Wortfolge 'Denn die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes erfordert in nicht unwesentlichem Umfang den Besuch dieses mehrere, im örtlichen Wirkungsbereich zum Teil über das Land Tirol hinaus zuständige Justizbehörden ... beherbergenden Gebäudes' und aus der Verweisung auf das Erkenntnis VfSlg. Nr. 9818/1983 geschlossen werden, daß die Festlegung dieser Kurzparkzonen die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes erschweren könnte.
Dem ist entgegenzuhalten, daß die Förderung des allgemeinen Wohles des Rechtsanwaltsstandes, insbesondere also die Erleichterung der Berufsausübung in wirtschaftlicher Hinsicht, nicht zum gesetzmäßigen Aufgabenbereich der Rechtsanwaltskammern gehört.
Dessen ungeachtet wird aber gerade durch die Festlegung von Kurzparkzonen im Nahbereich des Justizgebäudes - über die im Einleitungsbeschluß breits angesprochenen zwölf Abstellplätze für Rechtsanwälte mit einem Kanzleisitz außerhalb Innsbrucks hinaus - die Berufsausübung von Rechtsanwälten erleichtert, weil früher diese zentrumsnah gelegenen Verkehrsflächen tagsüber hauptsächlich von Pendlern genutzt wurden. Die Erfahrungen der Praxis haben bestätigt, daß nunmehr (die höchstzulässige Kurzparkdauer beträgt nach der in Geltung stehenden Verordnung 90 Minuten) genügend Parkraum vorhanden ist, sodaß Rechtsanwälte nur in Ausnahmefällen, beispielsweise bei besonders langen Verhandlungen, in den Kurzparkzonen keine Abstellmöglichkeit vorfinden und auf die beiden (Tiefgaragen am Landhausplatz und beim Scandic Crown) etwa zwei Gehminuten entfernten und in der Regel nicht ausgelasteten Parkhäuser ausweichen müssen.
c) Die Tiroler Landesregierung vermag sich aus den zu lita und b dargestellten Gründen der Rechtsansicht des Verfassungsgerichtshofes nicht anzuschließen, wonach das Anhörungsrecht der Tiroler Rechtsanwaltskammer ein 'umfassendes' sein soll, wie dies mittelbar auch im Erkenntnis VfSlg. Nr. 9818/1983 zum Ausdruck kommt.
Würde man die Auffassung vertreten, ein über den Umfang des §23 der Rechtsanwaltsordnung hinausgehendes Vorbringen der Tiroler Rechtsanwaltskammer wäre im Sinne des §94f Abs1 litb Z2 StVO 1960 rechtlich relevant, so käme dies einer sachlich nicht gerechtfertigten Bevorzugung des Rechtsanwaltsstandes gegenüber anderen Beteiligten (Parteien, Zeugen, Sachverständige, Schöffen, Geschworene, fachkundige Laienrichter usw.) eines Verfahrens gleich, denen nach der Straßenverkehrsordnung 1960 nicht die Möglichkeit offensteht, ihre Interessen - etwa über die Autofahrerklubs - zu artikulieren.
d) Völlig zu Recht wurden jedoch vor der Erlassung der gegenständlichen Verordnung des Gemeinderates der Landeshauptstadt Innsbruck die Wirtschaftskammer für Tirol und die Kammer für Arbeiter und Angestellte für Tirol angehört.
Nach §1 Abs1 des Handelskammergesetzes 1946, BGBl. Nr. 182, zuletzt geändert durch das Gesetz 958/1993, sind die Wirtschaftskammern berufen, 'die gemeinsamen Interessen aller physischen und juristischen Personen sowie offenen Handelsgesellschaften (Kommanditgesellschaften) und eingetragenen Erwerbsgesellschaften zu vertreten, die sich aus dem selbständigen Betrieb von Unternehmungen des Gewerbes, der Industrie, ... ergeben'. Auch nach §1 des Arbeiterkammergesetzes 1992, BGBl. Nr. 626/1991, sind die Kammern für Arbeiter und Angestellte berufen, die sozialen, wirtschaftlichen, beruflichen und kulturellen Interessen der Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen zu vertreten und zu fördern. Der gesetzmäßige Wirkungsbereich dieser Interessenvertretungen unterscheidet sich daher durch die bewußt weite Formulierung ganz wesentlich von jenem nach §23 der Rechtsanwaltsordnung.
Der Ort, an dem der Beschwerdeführer seinen PKW abgestellt hat, (Fallmerayerstraße 11) liegt an der Westseite des Hauptpostgebäudes, an das unmittelbar nach Norden das Areal des Bundesoberstufenrealgymnasiums anschließt. Nach Ansicht der Tiroler Landesregierung wurden vor der Erlassung der in Rede stehenden Verordnung zutreffenderweise auch nicht die Personalvertretungen der Bediensteten der Post- und Telegraphenverwaltung und der Bundeslehrer angehört, weil die Mitwirkung an der Erlassung von Verordnungen nach der Straßenverkehrsordnung 1960 weder konkret noch abstrakt in deren Aufgabenbereich fällt (vgl. dazu z.B. hinsichtlich der Bundeslehrer an allgemeinbildenden höheren Schulen §2 Abs1 des Bundes-Personalvertretungsgesetzes, BGBl. Nr. 133/1967, zuletzt geändert durch das Gesetz BGBl. Nr. 16/1994)."
3. Der Verfassungsgerichtshof sieht sich jedoch nicht veranlaßt, von seiner im zitierten Prüfungsbeschluß dargelegten Rechtsprechung abzugehen, der auch in der vorliegenden Verordnungsprüfungssache im Hinblick auf die Situierung und die Funktion des sogenannten Gerichtsgebäudes infolge der unterbliebenen Anhörung der Tiroler Rechtsanwaltskammer vor der Verordnungserlassung ausschlaggebende Bedeutung zukommt.
Die Tiroler Landesregierung, welche die Stellung der Rechtsanwaltskammern als berufliche Interessenvertretung (so ausdrücklich etwa VfSlg. 8215/1977 S. 485 oder VfSlg. 8419/1978 S. 275) an sich nicht in Zweifel zieht, verkennt, daß die Interessenposition, welche dem durch §94f StVO der gesetzlichen Interessenvertretung eingeräumten Anhörungsrecht zugrundeliegt (arg.: "wenn Interessen von Mitgliedern einer Berufsgruppe berührt werden" in Abs1 litb Z2, aber auch in Abs1 lita Z3 dieses Paragraphen), schon aus der eben zitierten Gesetzesvorschrift folgt; diese räumt also insoweit - in verfassungsrechtlich unbedenklicher Weise - der Berufsvertretung die Befugnis ein, berufsbedingte Interessen ihrer Mitglieder in Ansehung der in Aussicht genommenen straßenverkehrsrechtlichen Maßnahme wahrzunehmen. Es ist aus diesem Grund entbehrlich, auf die weitwendigen Ausführungen der Landesregierung über die (wie nebenher angemerkt sei, nicht ohne Bedachtnahme auf das gesetzliche Umfeld erfaßbare) normative Bedeutung des den Aufgabenbereich der Rechtsanwaltskammern betreffenden §23 RAO einzugehen.
Entsprechend den schon im Erk. VfSlg. 9818/1983 ausgebreiteten, nicht wiederholungsbedürftigen Erwägungen wäre es dem Gemeinderat, weil angesichts der beim sogenannten Gerichtsgebäude gegebenen örtlichen Verhältnisse berufliche Interessen der Rechtsanwälte im allgemeinen berührt werden, oblegen, die Tiroler Rechtsanwaltskammer vor der Erlassung seiner Verordnung anzuhören; daß eine zeitliche (und zwar mit 60 Minuten festgelegte) Begrenzung des Parkens vor einem derartigen, zahlreiche Justizbehörden beherbergenden (zentral gelegenen) Gebäude die Angehörigen des Berufsstandes der Rechtsanwälte im Sinne einer Beschränkung ihrer Berufsausübung berührt, ist nämlich im grundsätzlichen nicht anders zu beurteilen als der dem zitierten Erkenntnis zugrundegelegene Fall eines Halteverbotes entlang einer Front des Justizpalastes in Wien. Darauf, ob die festgelegte zeitliche Beschränkung des Parkens Rechtsanwälten im Einzelfall auch zugutekommen kann sowie ob den das Gerichtsgebäude aufsuchenden Rechtsanwälten andere, etwas ferner gelegene Parkmöglichkeiten (nämlich die in der Äußerung der Landesregierung erwähnten Parkgaragen) zur Verfügung stünden, kommt es - entgegen der von der Landesregierung verfochtenen Meinung - im Hinblick auf den ohne Vorbehalt erteilten Gesetzesauftrag zur Anhörung der gesetzlichen Berufsvertretungen nicht an.
VII. Unter diesen Umständen - Gefahr im Verzug im Sinne des ersten Satzteils im §94f Abs1 StVO lag offenkundig nicht vor - ergibt sich, daß die in Prüfung stehende, den ostseitigen Teilbereich der Fallmerayerstraße betreffende Verordnungsstelle nicht gesetzmäßig zustandekam. Da sie infolge der vom Gemeinderat der Landeshauptstadt Innsbruck erlassenen Verordnung vom 28. Oktober 1992 derzeit nicht mehr in Kraft steht, hatte der Verfassungsgerichtshof gemäß Art139 Abs 4 B-VG lediglich auszusprechen, daß diese Norm gesetzwidrig war.
Die Verpflichtung der Tiroler Landesregierung zur Kundmachung dieses Ausspruchs erfließt aus Art139 Abs5 B-VG.
VIII. Dieses Erkenntnis wurde
gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung gefällt.
Schlagworte
Verordnungserlassung, Straßenpolizei, Kurzparkzone, Anhörungsrecht (bei Verordnungserlassung)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:1994:V65.1994Dokumentnummer
JFT_10059383_94V00065_00