TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/23 96/07/0082

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Veröffentlicht am 23.05.1996
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
81/01 Wasserrechtsgesetz;
83 Naturschutz Umweltschutz;

Norm

ALSAG 1989 §17;
ALSAG 1989 §18;
VwRallg;
WRG 1959 §105;
WRG 1959 §111 Abs1;
WRG 1959 §111;
WRG 1959 §111a Abs2;
WRG 1959 §138 Abs1 lita;
WRG 1959 §32 Abs1;
WRG 1959 §32 Abs2 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde der Österreichischen Donaukraftwerke AG in Wien, vertreten durch Dr. O, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid des Bundesministers für Land- und Forstwirtschaft vom 19. Februar 1996, Zl. 14.570/370-I 4/95, betreffend wasserrechtliche Bewilligung, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1.1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 19. Februar 1996 wurde der beschwerdeführenden Partei gemäß den §§ 9 bis 15, 21 bis 24, 30 ff, 41 ff, 60 ff, 100 Abs. 1 lit. b, 105, 111 und 111 a Abs. 2 des Wasserrechtsgesetzes 1959 (WRG 1959) die wasserrechtliche Bewilligung für die im Detailprojekt "Stauraum - Rechtes Ufer, Bereich Kahlenbergerdorf bis Klosterneuburger Durchstich" dargestellten Maßnahmen und Anlagen des Kraftwerkprojektes Freudenau unter einer Reihe von Nebenbestimmungen erteilt.

1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts geltend gemacht wird. Die beschwerdeführende Partei bekämpft die Auflagen 6, 16, 17 und 18 des angefochtenen Bescheides.

2.0. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

2.1. Auflage 6:

Diese Auflage hat folgenden Wortlaut:

Wurde an Hand der durchzuführenden Erkundungen festgestellt, daß eine Beeinträchtigung der Grundwasserqualität, die auf Errichtung und Betrieb des KW Freudenau zurückgeführt wird, nicht ausgeschlossen werden kann, dann ist dafür Sorge zu tragen, daß der jeweilige Standort bis zur Errichtung des Vollstaues saniert wird. Sofern kein Einvernehmen über Kosten (allfälliger Refundierungsanspruch gegenüber dem Verursacher) oder Eingriffe in fremde Rechte erzielt werden kann, entscheidet die Wasserrechtsbehörde im Rahmen ihrer Zuständigkeit."

2.2. Die beschwerdeführende Partei bringt gegen diese Auflage vor, die nach dem Bescheid vorzunehmenden Sanierungen wären im Bedarfsfall Gegenstand eines wasserpolizeilichen Auftrages nach § 138 WRG und § 17 Altlastensanierungsgesetz an die Verursacher oder die Liegenschaftseigentümer. In einem solchen Verfahren habe die beschwerdeführende Partei keine Antragslegitimation und auch keine Parteistellung. Eine aktive Parteistellung zur Realisierung solcher Maßnahmen könnte die beschwerdeführende Partei auch nicht im Wege der entschädigungspflichtigen Erwirkung von Zwangsrechten sowie "bewilligungsakzessorischer Duldungsverpflichtungen Dritter" erreichen, da dem die inhaltlichen Determinanten der §§ 60 ff WRG 1959 entgegenstünden, welche in diesem Zusammenhang nicht zuließen, das Institut des antragsbedürftigen Eingriffs in bestehende Rechte als Mittel zur Mißstandbeseitigung an Schuldner statt heranzuziehen. Insoweit der Bescheid die Entscheidung der Wasserrechtsbehörde über Kostenrefundierungsansprüche im Rahmen ihrer Zuständigkeit vorsehe, sei dies auch keine adäquate Festlegung, da über Verwendungsansprüche im Sinne des § 1042 ABGB im ordentlichen Zivilrechtsweg und nicht im Verwaltungsweg zu erkennen sei.

2.3. Auflage 6 bezieht sich auf die in Auflage 5 angesprochenen Altlasten, die durch die Verwirklichung des Kraftwerksprojektes der beschwerdeführenden Partei aktiviert und damit zu einer Gewässergefährdung werden könnten. Daß Auflagen dieser Art nicht mit dem Hinweis darauf mit Erfolg bekämpft werden können, die Sanierung solcher Altlasten sei dem Verursacher oder dem Liegenschaftseigentümer im Wege eines wasserpolizeilichen Auftrags aufzutragen, hat der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem ebenfalls das Kraftwerk Freudenau betreffenden Erkenntnis vom 25. April 1996, Zl. 95/07/0193, auf dessen Entscheidungsgründe gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen wird, dargetan.

Ob die beschwerdeführende Partei in einem Verfahren zur Erlassung eines wasserpolizeilichen Auftrages betreffend die Altlasten Parteistellung hätte, ist im vorliegenden Zusammenhang ohne Bedeutung, da die Einhaltung dieser Auflage nicht von einem wasserpolizeilichen Auftrag abhängig ist. Zur Verwirklichung dieser Auflage stehen mehrere Möglichkeiten offen. Hinzuweisen ist auf Vereinbarungen mit den Liegenschaftseigentümern, auf die Befugnisse des Wasserbauunternehmens nach § 72 WRG 1959 sowie auf die Möglichkeit einer Zwangsrechtseinräumung nach anderen Bestimmungen des 6. Abschnittes (§ 60 ff) WRG 1959. 2.4. Auflage 16:

Diese Auflage lautet:

"Sollte die Erhebung der Versickerungen zeigen, daß tatsächlich Abwässer direkt oder indirekt und Niederschlagswässer direkt in das Grundwasser versickert werden, dann ist dafür Sorge zu tragen, daß derartige Versickerungen bis zur Errichtung des Vollstaues eingestellt werden. Sofern kein Einvernehmen über Kosten (allfälliger Refundierungsanspruch gegenüber dem Verursacher) oder Eingriffe in fremde Rechte erzielt werden kann, entscheidet die Wasserrechtsbehörde im Rahmen ihrer Zuständigkeit".

2.5. Gegen diese Auflagen wendet die beschwerdeführende Partei ein, soweit damit die Beseitigung wasserrechtlich bewilligter Abwässerversickerungen, somit Wasserrechte Dritter erfaßt seien, sei die Anordnung der Beseitigung dieser Abwässerversickerungen nicht gesetzmäßig. Soweit § 21a WRG 1959 zur Anwendung komme, habe die Wasserrechtsbehörde selbst vorzugehen und könnte dieses Vorgehen nicht der beschwerdeführenden Partei aufbürden. Komme hingegen nur die Begründung von Zwangsrechten in Betracht, dann hätte die belangte Behörde auch nicht den Weg der Bescheidauflage wählen dürfen, da über Zwangsrechte gemäß § 111a Abs. 2 WRG 1959 schon im Detailverfahren hätte erkannt werden müssen.

Die Auflage gehe überdies, soweit sie die Versickerung von Niederschlagswässern betreffe, über das Menschenmögliche hinaus und erfasse auch die Beseitigung von Naturvorgängen, nämlich das dem Wasserrechtsgesetz nicht unterliegende Versickerungsgeschehen unveränderter Niederschlagswässer von unbefestigten wie befestigten Freiflächen sowie die allein nach den Bauvorschriften relevanten Wasserabläufe und Regensinkkästen.

Der Bescheid enthalte überdies außer einem Hinweis auf eine sachverständige Auskunft keine nachvollziehbare Begründung. Es bestehe keine technische und rechtliche Möglichkeit und auch kein ökologisches Anliegen, das Grundwasser vor den Einflüssen atmosphärischer Niederschläge zu schützen.

2.5. Auflage 16 ist im Zusammenhang mit Auflage 15 zu sehen. Diese ordnet eine Erhebung an, in welchen Mengen, Qualität und Form welche Abwässer im Projektsgebiet KONSENSGEMÄSS versickert werden. Der Einwand der beschwerdeführenden Partei, Auflage 16 ordne Unmögliches an und erfasse auch die Beseitigung von dem WRG 1959 nicht unterliegenden Naturvorgängen, ist daher unrichtig. Auflage 16 bezieht sich auf Auflage 15 und diese wiederum umfaßt nur konsensmäßig betriebene Versickerungen, also nur solche Versickerungen von Niederschlagswässern, die von einem Konsens erfaßt sind. Solche Versickerungen zu erheben und für ihre Beseitigung zu sorgen, ist nicht unmöglich.

Von Auflage 16 sind nicht Vorgänge erfaßt, die dem unbeeinflußten Kreislauf der Natur entsprechen, sondern (direkte und indirekte) Versickerungen von Abwässern und direkte Versickerungen von Niederschlagswässern. Direkte, nicht den üblichen Filterungsprozessen unterworfene Versickerungen von Niederschlagswässern können das Grundwasser negativ beeinträchtigen. Daß sich durch die Errichtung des Kraftwerkes in bezug auf bewilligte Versickerungen eine relevante Sachverhaltsänderung ergibt, wurde von der belangten Behörde entgegen den Behauptungen der beschwerdeführenden Partei im angefochtenen Bescheid begründet. Es erfolgt nämlich eine Verflachung des Grundwasserspiegelgefälles, somit eine Reduktion des Grundwasserdurchflusses und eine Erhöhung der Aufenthaltszeit des Grundwassers im Projektsgebiet. Die mit dem Aufstau verbundene Verringerung der Wasserspielschwankungen in der Donau bewirkt auch eine Veränderung der Schwankungsbreite des Grundwassers. Durch den kraftwerksbedingten Aufstau werden Grundwasserverhältnisse geschaffen, die auf Verunreinigungen in einem weit höheren Ausmaß rascher und nachhaltiger reagieren würden als dies bis jetzt zu erwarten war. Daraus folgt, daß bewilligte Abwasser- und Niederschlagswasserversickerungen, die bisher keine relevante Beeinträchtigung des Grundwassers bewirkten, durch den Aufstau der Donau sehr wohl zu einer wasserrechtlich unzulässigen Beeinträchtigung des Grundwassers führen können. Die Auflage 16 ist daher gerechtfertigt. Es ist daher ohne Belang, ob in diesem Zusammenhang § 21a WRG 1959 überhaupt zur Anwendung gelangen könnte; selbst wenn dies der Fall wäre, änderte dies nichts an der Zulässigkeit der Auflage 16, da die Notwendigkeit dieser Auflage durch das Bauvorhaben der beschwerdeführenden Partei hervorgerufen wird.

Zur Erfüllung der Auflage 16 stehen der beschwerdeführenden Partei - genauso wie bei Auflage 6 - mehrere Möglichkeiten zur Verfügung. Unzutreffend ist die Auffassung der beschwerdeführenden Partei, Zwangsrechte könnten nur im Bewilligungsbescheid eingeräumt werden. § 111 Abs. 1 zweiter Satz WRG 1959 sieht vor, daß der Ausspruch über die Notwendigkeit, den Gegenstand und Umfang von Zwangsrechten (§ 60) dann, wenn dies ohne Verzögerung der Entscheidung über das Vorhaben möglich ist, in demselben Bescheid, sonst mit gesondertem Bescheid zu erfolgen hat. Der Ausspruch über Zwangsrechte kann daher zeitlich auch nach dem Bewilligungsbescheid liegen. § 111a Abs. 2 WRG 1959 steht dem nicht entgegen. Nach dem letzten Satz dieser Bestimmung hat über die Begründung und den Umfang von Zwangsrechten (§ 60) sowie über die dafür zu leistenden Entschädigungen die Behörde im Detailverfahren abzusprechen. Dies bedeutet lediglich, daß konkrete Zwangsrechte nicht bereits im Grundsatzgenehmigungsbescheid, sondern erst im Rahmen des Detailgenehmigungsverfahrens einzuräumen sind. § 111a Abs. 2 letzter Satz WRG 1959 stellt aber keine Abweichung von § 111 Abs. 1 WRG 1959 dar, wonach die Zwangsrechtseinräumung auch mit gesondertem Bescheid erfolgen kann.

2.6. Auflagen 17 und 18:

Diese Auflagen haben folgenden Wortlaut:

Auflage: 17

"Die im Projektsgebiet befindlichen Kanäle sind auf ihre Dichtheit hin zu überprüfen. Die entsprechenden Untersuchungsergebnisse sind der Wasserrechtsbehörde vorzulegen. Sollten diese Überprüfungen zeigen, daß Undichtheiten, die eine durch Errichtung und Betrieb des KW Freudenau verursachte Beeinträchtigung der Grundwasserqualität befürchten lassen, bestehen, so ist dafür Sorge zu tragen, daß die Dichtheit der Kanäle bis zur Errichtung des Vollstaues sichergestellt ist. Sofern kein Einvernehmen über Kosten (allfälliger Refundierungsanspruch gegenüber dem Verursacher) oder Eingriffe in fremde Rechte erzielt werden kann, entscheidet die Wasserrechtsbehörde im Rahmen ihrer Zuständigkeit.

Auflage 18:

Bis zur Verhandlung des Vollstaues sind entsprechende Dichtheitsnachweise der sich im Projektsgebiet befindlichen Senkgruben vorzulegen. Darüber hinaus ist die Auftriebssicherheit der im Projektsgebiet gelegenen Senkgruben nachzuweisen. Die entsprechenden Untersuchungsergebnisse sind noch vor Vollstau der Wasserrechtsbehörde vorzulegen. Sollten diese Überprüfungen zeigen, daß Undichtheiten, die eine Beeinträchtigung der Grundwasserqualität befürchten lassen, bestehen, so ist dafür Sorge zu tragen, daß die Dichtheit der Senkgruben bis zur Erreichung des Vollstaus sichergestellt ist. Sofern kein Einvernehmen über Kosten (allfälliger Refundierungsanspruch gegenüber dem Verursacher) oder Eingriffe in fremde Rechte erzielt werden kann, entscheidet die Wasserrechtsbehörde im Rahmen ihrer Zuständigkeit."

2.7. Zu diesen beiden Auflagen bringt die beschwerdeführende Partei vor, die Herstellung und Instandhaltung der Kanäle und Senkgruben sei Regelungsgegenstand landesgesetzlicher Vorschriften. Soweit es sich um Straßenkanäle handle, obliege die Herstellung und Instandhaltung der Stadt Wien und der Stadt Klosterneuburg; die Herstellung und Instandhaltung der Hauskanäle und Senkgruben obliege den Eigentümern. Die beschwerdeführende Partei habe keine gesetzliche, gegen Hauseigentümer durchsetzbare Möglichkeit, den Zustand dieser Anlagen zu erheben und Gebrechensbeseitigungen vorzunehmen. Es sei davon auszugehen, daß die Landesvorschriften und die nach diesen Vorschriften bestehenden Behördenbefugnisse hinreichend Gewähr böten, Mißstände zu unterbinden.

Mit der Zulässigkeit von Auflagen der in den Punkten 17 und 18 des angefochtenen Bescheides enthaltenen Art hat sich der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem ebenfalls das Kraftwerk Freudenau betreffenden Erkenntnis vom 25. April 1996, Zl. 95/07/0193, auseinandergesetzt und die Zulässigkeit solcher Auflagen bejaht. Auf die Entscheidungsgründe dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.

2.9. Die beschwerdeführende Partei bringt ohne Bezugnahme auf einen bestimmten Auflagenpunkt vor, der angefochtene Bescheid verlasse den Rahmen der Grundsatzgenehmigung.

2.10. Es ist nicht erkennbar, inwiefern der angefochtene Bescheid in unzulässiger Weise von der Grundsatzgenehmigung abweichen sollte. Die beschwerdeführende Partei begründet ihre diesbezügliche Behauptung auch nicht.

2.11. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen ließ, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung abzuweisen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996070082.X00

Im RIS seit

12.11.2001
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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