TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/23 95/18/0427

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 23.05.1996
beobachten
merken

Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AVG §37;
AVG §39 Abs2;
AVG §45 Abs2;
FrG 1993 §37 Abs1;
FrG 1993 §54 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag Schwarzgruber, über die Beschwerde des A in T, vertreten durch Dr. G, Rechtsanwalt in B, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 24. Oktober 1994, Zl. SD 1112/94, betreffend Feststellung gemäß § 54 Abs. 1 Fremdengesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 24. Oktober 1994 wurde aufgrund des Antrages des Beschwerdeführers gemäß § 54 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, festgestellt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, daß er in Ghana gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht sei.

Die belangte Behörde führte nach Wiedergabe der einschlägigen gesetzlichen Bestimmung aus, die Befürchtung des Beschwerdeführers, im Falle seiner Rückkehr nach Ghana mit einer langjährigen Haftstrafe oder sogar mit der Todesstrafe rechnen zu müssen, stelle eine "reine Vermutung" dar. Der Beschwerdeführer habe selbst ausgesagt, in seiner Heimat nie an einer Demonstration teilgenommen zu haben. Er wisse nicht einmal, ob gegen ihn ein Haftbefehl bestehe. Der Umstand, daß der Beschwerdeführer Mitglied einer Oppositionspartei gewesen sei, stelle für sich alleine noch kein ausreichendes Indiz für eine politisch motivierte Verfolgung dar. Die Verhaftung des Beschwerdeführers im Zuge seiner Bemühungen, eine Demonstration gegen die Erhöhung des Benzinpreises zu organisieren, lasse nicht den Schluß zu, daß er eine unmenschliche Strafe oder die Todesstrafe befürchten müsse. Das Vorbringen des Beschwerdeführers, er sei aus der Haft entkommen, indem er beim Ausleeren eines Eimers einfach über ein Feld davongelaufen sei, widerspreche der Lebenserfahrung, weil ein wichtiger und unbequemer Oppositioneller, dessen Liquidation geplant sei, nicht derart mangelhaft verwahrt werde. Dieses Vorbringen des Beschwerdeführers entbehre daher der Glaubwürdigkeit.

Aufgrund dieses Sachverhaltes sei die Erstbehörde zu Recht zu dem Ergebnis gelangt, daß keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, der Beschwerdeführer sei in Ghana gemäß § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG bedroht.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Gemäß § 54 Abs. 1 FrG hat auf Antrag eines Fremden die Behörde mit Bescheid festzustellen, ob stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dieser Fremde in einem von ihm bezeichneten Staat gemäß § 37 Abs. 1 oder 2 FrG bedroht ist.

Nach § 37 Abs. 1 FrG ist die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß er Gefahr liefe, dort einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden.

Nach § 37 Abs. 2 FrG ist die Zurückweisung oder Zurückschiebung eines Fremden in einen Staat unzulässig, wenn stichhaltige Gründe für die Annahme bestehen, daß dort sein Leben oder seine Freiheit aus Gründen seiner Rasse, seiner Religion, seiner Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder seiner politischen Ansichten bedroht wäre (Art. 33 Z. 1 der Konvention über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 55/1955, in der Fassung des Protokolls über die Rechtsstellung der Flüchtlinge, BGBl. Nr. 78/1974).

2. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 54 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Falle der Abschiebung des Fremden in den von seinem Antrag erfaßten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 und/oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist (vgl. etwa das Erkenntnis vom 30. April 1996, Zl. 94/18/1074, m.w.N.).

3. Was den Tatbestand des § 37 Abs. 1 FrG anlangt, hat der Beschwerdeführer im vorliegenden Verwaltungsverfahren nie konkret behauptet, Gefahr zu laufen, in seiner Heimat einer unmenschlichen Behandlung oder Strafe oder der Todesstrafe unterworfen zu werden. Der Beschwerdeführer hat vielmehr bei seiner Vernehmung im vorliegenden Verfahren am 11. Oktober 1994 ausdrücklich ausgeführt, nicht zu wissen, ob er in seiner Heimat mit dem Tod oder einer lebenslangen Haftstrafe bedroht sei. Er wisse auch nicht, ob gegen ihn ein Haftbefehl bestehe. Er vermute lediglich, daß er bei Rückkehr in seine Heimat insofern Schwierigkeiten haben werde, als er "zumindest inhaftiert werde". Auch die Berufung des Beschwerdeführers enthält keinen konkreten Hinweis auf das Bestehen einer Bedrohung im Sinne des § 37 Abs. 1 FrG. Da der Beschwerdeführer somit eine derartige Bedrohung im vorliegenden Verwaltungsverfahren nicht einmal behauptet hat, war die belangte Behörde - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Meinung - auch nicht verhalten zu ermitteln, ob im Zusammenhang mit der allgemeinen politischen Situation in Ghana die Gefahr bestünde, der Beschwerdeführer werde in seiner Heimat ermordet bzw. gefoltert. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers handelt es sich bei dem Umstand, daß bei einer allfälligen Haft die Notdurft in einen Fäkalienkübel verrichtet werden müßte, nicht um eine unmenschliche Behandlung im Sinne der zitierten Gesetzesbestimmung.

4. Die Beschwerde meint, in Ghana sei aufgrund der politischen Gesinnung des Beschwerdeführers dessen Freiheit bedroht. Dies ergebe sich daraus, daß der Beschwerdeführer im Zuge seiner Bemühungen, eine Demonstration zu organisieren, in Haft genommen worden sei, aus welcher er nur durch Zufall habe fliehen können.

Die belangte Behörde hat jedoch den Angaben des Beschwerdeführers über seine Flucht (und darüber, ein "wichtiger und unbequemer Oppositioneller" zu sein) keinen Glauben geschenkt. Die Unglaubwürdigkeit der diesbezüglichen Angaben hat die belangte Behörde damit begründet, es widerspreche der Lebenserfahrung, daß ein gesuchter Oppositioneller so mangelhaft verwahrt werde, daß er einfach über ein Feld davonlaufen könne. Diese vom Beschwerdeführer unter Hinweis auf die von den Bewachern anläßlich der Flucht angeblich abgegebenen Schüsse und die allgemeine Lage in Ghana bekämpfte Beweiswürdigung widerspricht nicht den Denkgesetzen oder der Lebenserfahrung und kann daher nicht als unschlüssig erachtet werden.

Im Hinblick auf die somit schlüssige Würdigung des Vorbringens des Beschwerdeführers ist auch der Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe sich mit den Angaben des Beschwerdeführers bei seiner niederschriftlichen Vernehmung nicht auseinandergesetzt (und daher das Parteiengehör verletzt), der Boden entzogen.

5. Soweit der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde wäre gemäß § 13a AVG verpflichtet gewesen, "Informationen über die Voraussetzungen für einen Ausspruch nach § 54 FrG zu erteilen", ist ihm zu entgegnen, daß er bei seiner niederschriftlichen Vernehmung am 11. Oktober 1994 auf die Möglichkeit einer Antragstellung gemäß § 54 FrG hingewiesen wurde. Eine Beratung in materiell-rechtlicher Hinsicht zählt jedoch nicht zu den Pflichten der Behörde (vgl. etwa die bei Hauer-Leukauf, Handbuch des österreichischen Verwaltungsverfahrens, auf Seite 178 wiedergegebene hg. Rechtsprechung).

6. Da nach dem Gesagten die Rechtsansicht der belangten Behörde, daß keine stichhaltigen Gründe für eine Bedrohung des Beschwerdeführers im Sinne des § 37 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG vorlägen, auf keine Bedenken stößt, war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

7. Gemäß § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG konnte von der beantragten Durchführung einer mündlichen Verhandlung abgesehen werden, zumal eine Entscheidung über einen "zivilrechtlichen Anspruch" (vgl. zu diesem Begriff die bei Mayer, B-VG, 1994, S. 427 ff zitierte Judikatur des Verfassungsgerichtshofes und des EGMR) im Sinne des Art. 6 Abs. 1 MRK entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers nicht vorliegt.

8. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 und 48 Abs. 2 Z. 1 und 2 VwGG i.V.m. der Verordung BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Sachverhalt Sachverhaltsfeststellung Mitwirkungspflicht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1995180427.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten