TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/23 96/18/0196

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Veröffentlicht am 23.05.1996
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Index

20/02 Familienrecht;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
60/04 Arbeitsrecht allgemein;
62 Arbeitsmarktverwaltung;

Norm

AuslBG §15 Abs1 Z2;
EheG §23;
FrG 1993 §17 Abs4;
FrG 1993 §18 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des A in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. Februar 1996, Zl. SD 41/96, betreffend Verhängung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 19. Februar 1996 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von fünf Jahren erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 15. Februar 1992 in das Bundesgebiet eingereist und habe zwei Tage später einen Asylantrag gestellt, der rechtskräftig abgewiesen worden sei. Aufgrund einer Verpflichtungserklärung habe er zunächst einen Sichtvermerk bis zum 30. Juni 1992 erhalten. Kurz vor Ablauf dieser Aufenthaltsberechtigung, nämlich am 22. Juni 1992, habe der Beschwerdeführer eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet, unmittelbar darauf einen Befreiungsschein und am 15. Juli 1992 die Erteilung eines Sichtvermerkes beantragt. Aufgrund der Ehe mit einer Österreicherin und des ihm ausgestellten Befreiungsscheines habe der Beschwerdeführer (wieder) einen Sichtvermerk bis zum 15. Juli 1994 erhalten.

Mittlerweile sei die Ehe des Beschwerdeführers vom Bezirksgericht Donaustadt gemäß § 23 des Ehegesetzes für nichtig erklärt worden. Aus den Entscheidungsgründen des in Rechtskraft erwachsenen Urteiles vom 27. Jänner 1995 ergebe sich, daß die Ehe nur deshalb geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer einen Befreiungsschein bzw. eine Aufenthaltsbewilligung zu verschaffen. Angesichts dieses Sachverhaltes sei die Erstbehörde zu Recht davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 FrG gegeben seien.

Auf dem Boden der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes könne nämlich ein Aufenthaltsverbot rechtens ausschließlich auf diese Gesetzesstelle gestützt werden, wenn triftige Gründe vorlägen, die zwar nicht die Voraussetzungen der im § 18 Abs. 2 FrG angeführten Fälle aufwiesen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertigten.

Im vorliegenden Fall sei das im Grunde dieser Gesetzesstelle relevante Gesamt(fehl)verhalten des Beschwerdeführers in der rechtsmißbräuchlichen Eingehung einer Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin - daß diese dann vom Gericht rechtskräftig für nichtig erklärt worden sei, bleibe in der Berufung unbestritten - zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen (Beschäftigungsbewilligung, Aufenthaltsbewilligung) zu erblicken gewesen. Entgegen der offenbaren Meinung des Beschwerdeführers handle es sich bei diesem Rechtsmißbrauch um ein die öffentliche Ordnung erheblich beeinträchtigendes, seinem Gehalt nach dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichzusetzendes Verhalten, das eine bestimmte Tatsache im Sinn des § 18 Abs. 1 FrG darstelle, welche die dort umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung (konkret: des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen) rechtfertigte (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/18/1053). In einem solchen Fall sei gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn dem nicht die Bestimmungen der §§ 19 und 20 FrG entgegenstünden. Diesbezüglich sei zunächst festzuhalten, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers ebenso wie seine Beschäftigung hinsichtlich der jeweiligen Berechtigung zum Großteil auf der rechtsmißbräuchlich eingegangenen Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin basierten.

Selbst wenn man unbeschadet dessen dennoch einen im Grunde des § 19 FrG relevanten Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers annehmen wollte, so wäre damit für ihn nichts gewonnen. Denn diesfalls würde die Erlassung des Aufenthaltsverbotes aufgrund des Dringend-geboten-seins dieser Maßnahme nach der genannten Bestimmung zulässig sein. Wer, wie der Beschwerdeführer, grob rechtsmißbräuchlich (ausschließlich) zu dem Zweck vorgehe, um sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) notwendig erscheinen ließen.

Bei Annahme eines Eingriffes in das Privatleben des Beschwerdeführers und der demnach - neben der Prüfung, ob das Aufenthaltsverbot dringend geboten sei - auch erforderlichen Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG würde die Zulässigkeit dieser Maßnahme auch nach dieser Bestimmung zu bejahen sein. Da weder familiäre noch sonstige Bindungen des Beschwerdeführers festgestellt werden könnten und auch das Ausmaß seiner Integration im Hinblick darauf, daß Aufenthalt und Beschäftigung auf das besagte rechtsmißbräuchliche Verhalten zurückzuführen seien, nicht wesentlich zu seinen Gunsten zu veranschlagen sei, wögen die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. Sohin sei das Aufenthaltsverbot zu Recht erlassen worden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zutreffend hat die belangte Behörde - der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend - die Eingehung einer Ehe allein zum Zweck der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen als Rechtsmißbrauch qualifiziert, der als gravierende Beeinträchtigung eines geordneten Fremdenwesens anzusehen sei und daher - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - die in § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige und der auch zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten erscheinen lasse und demnach diese Maßnahme im Grunde des § 19 FrG zulässig mache (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. März 1996, Zl. 95/18/1441). Das Vorbringen des Beschwerdeführers, ein solches Eingehen einer Ehe sei nicht dem § 18 Abs. 1 FrG zu unterstellen, vermag somit keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen.

Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen ist dem Vorbringen des Beschwerdeführers, daß ihm gegenüber die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes nicht dringend geboten sei, weil er sich "keine aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigung verschafft hat, sondern diese Berechtigungen als Verknüpfungen zwischen Eheschließung und Aufenthalt sowie die (gemeint ist: der) Beschäftigung Produkte des österreichischen Gesetzgebers" seien, der Boden entzogen.

2. Die Bekämpfung der von der belangten Behörde für den Fall des Vorliegens eines relevanten Eingriffs in das Privatleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 19 FrG zutreffend als erforderlich angesehenen Interessenabwägung gemäß § 20 Abs. 1 FrG ist nicht geeignet, die Abwägung und deren Ergebnis als rechtswidrig darzutun.

Im angefochtenen Bescheid werden die fast vierjährige Dauer seines inländischen Aufenthaltes und seine Beschäftigung in Österreich berücksichtigt. Die belangte Behörde hat jedoch zutreffend darauf hingewiesen, daß sowohl der Aufenthalt als auch die Beschäftigung des Beschwerdeführers hinsichtlich ihrer Berechtigung auf die rechtsmißbräuchlich eingegangene Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin zurückzuführen und folglich im gegebenen Zusammenhang ohne wesentliches Gewicht seien.

Den mithin - unter zusätzlicher Berücksichtigung des insgesamt erst etwas weniger als vierjährigen Aufenthaltes des Beschwerdeführers in Österreich - nicht stark ausgeprägten privaten Interessen am weiteren Verbleib im Bundesgebiet war das große Gewicht, das der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) zukommt, gegenüberzustellen. Wenn die belangte Behörde angesichts des hohen Stellenwertes dieses maßgeblichen öffentlichen Interesses zu dem Ergebnis gelangt ist, daß die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen notwendig sei, so kann darin im Hinblick auf die erhebliche Beeinträchtigung des besagten öffentlichen Interesses (konkret: an einem geordneten Fremdenwesen) durch das dargestellte Fehlverhalten des Beschwerdeführers einerseits und die, wie dargetan, nicht schwer wiegenden privaten Interessen andererseits keine Rechtswidrigkeit erkannt werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 28. März 1996, Zl. 96/18/0111).

3. Unverständlich bleiben auch die Ausführungen des Beschwerdeführers hinsichtlich der Verletzung von Verfahrensvorschriften, wonach bei "rechtsrichtiger Feststellung ... die belangte Behörde davon ausgehen (hätte) müssen, daß über den Beschwerdeführer ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von fünf Jahren zu verhängen gewesen wäre", da es sich bei dem mit dem angefochtenen Bescheid über den Beschwerdeführer verhängten Aufenthaltsverbot eben um ein solches für die Dauer von fünf Jahren handelt.

Der Beschwerdeführer rügt weiters, daß er Beschwerde vor dem Verwaltungsgerichtshof wegen Nicht-Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung erhoben habe, verbunden mit dem Antrag auf Zuerkennnung der aufschiebenden Wirkung. Wenn der Verwaltungsgerichtshof über eine vom Beschwerdeführer gegen eine ihn betreffende negative Entscheidung nach dem Aufenthaltsgesetz erhobene Beschwerde noch nicht abgesprochen hat, ist dies für die Frage der Rechtmäßigkeit des gegen ihn verfügten Aufenthaltsverbotes ohne rechtliche Relevanz, erfaßt doch die erkennbar angesprochene Bestimmung des § 17 Abs. 4 FrG nur Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung und nicht auch Verfahren zur Verhängung eines Aufenthaltsverbotes (vgl. das hg. Erkenntnis vom 13. Juni 1996, Zl. 96/18/0234).

Das Vorbringen des Beschwerdeführers, der von der belangten Behörde festgestellte Sachverhalt bedürfe in den eben genannten Punkten einer Ergänzung, geht somit ins Leere.

4. Da bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, daß die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

5. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich ein Abspruch über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996180196.X00

Im RIS seit

20.11.2000
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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