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L6500 Jagd, WildNorm
B-VG Art7 Abs1 / GesetzLeitsatz
Abweisung eines Drittelantrags von Abgeordneten zum Burgenländischen Landtag gegen eine Bestimmung des Bgld JagdG 2017 betreffend die Notwendigkeit der aufsichtsbehördlichen Genehmigung bestimmter Rechtsgeschäfte (etwa über € 10.000,-) des mit Ende des Jahres 2022 aufzulösenden Bgld Landesjagdverbandes; Beschränkung der Aufsichtspflicht auf die sich aus dem Bgld JagdG 2017 ergebenden "öffentlichen Interessen"; Ausdehnung der Befugnisse der Aufsichtsbehörde über den "endenden" Bgld Landesjagdverband zur ordnungsgemäßen Abwicklung erforderlich; sachgerechte Abwicklung des Selbstverwaltungskörpers durch Ausdehnung der Aufsichtsinstrumente im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum; vorvertragliche Verpflichtung zur Information möglicher Vertragspartner über die einzuholende aufsichtsbehördliche Genehmigung angesichts der vorgesehenen Auflösung des Landesjagdverbandes erforderlichRechtssatz
Abweisung eines Antrags auf Aufhebung des §119 Abs3 Bgld JagdG 2017 idF LGBl 8/2021. Die Wortfolge "öffentlichen Interessen" in §119 Abs3 Satz 1 Bgld JagdG 2017 genügt den Bestimmtheitserfordernissen des Art18 B-VG.
Keine Bedenken gegen §119 Abs3 Sätze 1 und 2 Bgld JagdG 2017:
Gemäß §119 Abs3 Bgld JagdG 2017 hat die Aufsichtsbehörde Beschlüsse und Maßnahmen von Organen des Bgld Landesjagdverbandes, durch die Gesetze und Verordnungen, die Satzungen oder öffentliche Interessen verletzt werden, aufzuheben. Beschlüsse der Organe sind der Aufsichtsbehörde unmittelbar nach Beschlussfassung vorzulegen. Die Aufgaben des Bgld Landesjagdverbandes sind in §116 Abs1 Bgld JagdG 2017 festgelegt. "[Ö]ffentliche Interessen" in §119 Abs3 Satz 1 Bgld JagdG 2017 sind daher in systematischem Zusammenhang mit den Aufgaben und Kompetenzen des Bgld Landesjagdverbandes, mit §1 Bgld JagdG 2017 und vor dem Hintergrund der entsprechenden Regelungen des Bgld JagdG 2017 zu verstehen.
Der unbestimmte Gesetzesbegriff "öffentliche Interessen" ist nach Auffassung des VfGH im systematischen Zusammenhang mit den Bestimmungen des Bgld JagdG 2017 nicht so unbestimmt, dass sein Sinn nicht ermittelt werden könnte.
Die Aufsichtspflicht gemäß §119 Abs3 Satz 1 Bgld JagdG 2017 beschränkt sich auf jene öffentlichen Interessen, die sich aus dem Zusammenhang mit dem Regelungsgegenstand ergeben. Darüber hinausgehende Interessen sind demnach nicht von dieser Bestimmung umfasst. Vor dem Hintergrund der bisherigen Rsp bestehen für den VfGH keine Zweifel an der ausreichenden Bestimmtheit der Wortfolge "öffentlichen Interessen" gemäß §119 Abs3 Satz 1 Bgld JagdG 2017. Zudem ergeben sich in dieser Hinsicht auch keine Bedenken im Hinblick auf Art120b Abs1 B-VG.
Kein Verstoß des §119 Abs3 Sätze 3 bis 6 Bgld JagdG 2017 gegen Art120b Abs1 B-VG:
In §119 Abs3 Bgld JagdG 2017 hat der Gesetzgeber Aufsichtsinstrumente eingerichtet, die in das gemäß Art120b Abs1 B-VG vorgesehene Recht auf Selbstverwaltung eingreifen. Die Aufsichtsinstrumente gemäß §119 Abs3 Bgld JagdG 2017 haben den Voraussetzungen von Art120b Abs1 B-VG zu entsprechen. §119 Abs3 Bgld JagdG 2017 sieht Genehmigungsvorbehalte für Beschlüsse des Bgld Landesjagdverbandes vor, denen ein unentgeltliches oder entgeltliches Rechtsgeschäft mit einem Wert von über € 10.000,- zugrunde liegt, sowie für die entgeltliche und unentgeltliche bücherliche oder außerbücherliche Übertragung von Liegenschaften, die im Eigentum des Bgld Landesjagdverbandes stehen, und die Belastung dieser Liegenschaften.
§171 Abs11 Bgld JagdG 2017 ordnet an, dass der Bgld Landesjagdverband am 31.12.2022 "endet". Aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage des Bgld JagdG 2017 ergibt sich, dass der Gesetzgeber die in Rede stehenden Bestimmungen vor allem unter Absicherungsgesichtspunkten, die mit der spezifischen Situation der Auflösung des Bgld Landesjagdverbandes im Zusammenhang stehen, erlassen hat. Mit dem "Ende" des Bgld Landesjagdverbandes seien zahlreiche Regelungen erforderlich, die für den Verband aber auch für die Aufsichtsbehörde eine ordnungsgemäße Abwicklung sicherstellen. Um zu gewährleisten, dass Interessen von Vertragspartnern und Gläubigern, aber auch von den Mitgliedern der Körperschaft gewahrt bleiben, sei eine Ausdehnung der Aufsicht erforderlich. Die Prüfung durch die Aufsichtsbehörde umfasse nicht nur die Gesetzmäßigkeit der Beschlüsse, sondern auch, ob Rechtsgeschäfte einem Drittvergleich standhielten. Jene Funktionen, die der Bgld Landesjagverband bisher für die Behörden erfüllt habe, sollten dabei sukzessive wieder von den Behörden erfüllt werden, und die Pflichtmitgliedschaft der Jägerinnen und Jäger entfalle.
Nicht zuletzt vor dem Hintergrund des auch von der Bgld Landesregierung sowohl in den Erläuterungen als auch in ihrer Stellungnahme aufgezeigten Interesses, eine ordnungsgemäße Abwicklung und Auflösung sicherzustellen, kann ihr nicht entgegengetreten werden, wenn die genannten Aufsichtsrechte implementiert werden. Die nach dem Bgld JagdG 2017 zuständige Aufsichtsbehörde hat vom Gesetzgeber gemäß §119 Abs3 Bgld JagdG 2017 nicht die Kompetenz erhalten, alle Rechtsgeschäfte des Bgld Landesjagdverbandes einer präventiven Kontrolle zu unterziehen. §119 Abs3 Bgld JagdG 2017 sieht die präventive Kontrolle von geldwerten Rechtsgeschäften mit einer Wertgrenze von € 10.000,- vor, wobei diese Wertgrenze im Hinblick auf die finanzielle Ausstattung des Selbstverwaltungskörpers so bemessen wurde, dass alltägliche Rechtsgeschäfte davon nicht umfasst sind. Zudem werden in §119 Abs3 Bgld JagdG 2017 auch entgeltliche und unentgeltliche bücherliche oder außerbücherliche Übertragungen von Liegenschaften, die im Eigentum des Bgld Landesjagdverbandes stehen, und die Belastung dieser Liegenschaften einer präventiven Kontrolle unterzogen.
Im Hinblick auf die in §171 Abs11 Bgld JagdG 2017 vorgesehene Auflösung des Bgld Landesjagdverbandes und die damit einhergehende Notwendigkeit einer sachgerechten Abwicklung des Selbstverwaltungskörpers überschreitet §119 Abs3 Sätze 3 bis 6 Bgld JagdG 2017 nicht die durch Art120b Abs1 B-VG gezogenen Grenzen.
Kein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz, gegen Art120c Abs3 B-VG sowie gegen das Recht auf Unversehrtheit des Eigentums:
Der Bgld Landesgesetzgeber hat nicht alle Rechtsgeschäfte des Bgld Landesjagdverbandes einem Genehmigungsvorbehalt unterstellt. Im Hinblick auf die in §171 Abs11 Bgld JagdG 2017 vorgesehene Auflösung des Bgld Landesjagdverbandes und die damit einhergehende Notwendigkeit einer sachgerechten Abwicklung des Selbstverwaltungskörpers geht der VfGH davon aus, dass die in §119 Abs3 Sätze 3 bis 6 Bgld JagdG 2017 vorgesehenen Aufsichtsinstrumente sachlich gerechtfertigt sind, nicht gegen Art120c Abs3 B-VG verstoßen und keine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Unversehrtheit des Eigentums darstellen.
Kein Verstoß gegen Art15 Abs9 B-VG und Art10 Abs1 Z6 B-VG:
Es kann dahinstehen, ob es sich im Hinblick auf die ohnehin bestehende Regelung des §867 ABGB überhaupt um eine besondere zivilrechtliche Regelung handelt. Selbst wenn dem so wäre, würde diese Bestimmung Art15 Abs9 B-VG nicht verletzen.
Zur Auslegung des Art15 Abs9 B-VG hat der VfGH in stRsp ausgesprochen, dass der Landesgesetzgeber nur solche zivilrechtlichen Bestimmungen erlassen darf, die "in einem unerlässlichen Zusammenhang mit anderen Bestimmungen, die den Hauptinhalt des jeweiligen Gesetzes bilden", stehen. Es muss ein innerer, "rechtstechnischer" Zusammenhang der zivilrechtlichen Regelung mit einer konkreten Bestimmung öffentlich-rechtlichen Inhalts des Gesetzes bestehen und die jeweilige Bestimmung zivilrechtlichen Inhalts muss eine notwendige Ergänzung einer bestimmten Regelung der Verwaltungsmaterie darstellen.
§119 Abs3 Sätze 3 und 4 Bgld JagdG 2017 ordnet an, dass Beschlüsse, die entgeltliche oder unentgeltliche Rechtsgeschäfte zum Gegenstand haben und einen Wert von € 10.000,- überschreiten, bei sonstiger Nichtigkeit der aufsichtsbehördlichen Genehmigung bedürfen und dass die entgeltliche oder unentgeltliche bücherliche oder außerbücherliche Übertragung von Liegenschaften, die im Eigentum des Bgld Landesjagdverbandes stehen, oder die Belastung dieser Liegenschaften unabhängig von deren Wert bei sonstiger Nichtigkeit der aufsichtsbehördlichen Genehmigung bedürfen. Mögliche Vertragspartner des Bgld Landesjagdverbandes sind vor Vertragsabschluss über die einzuholende aufsichtsbehördliche Genehmigung nachweislich zu informieren. Die Aufsichtsbehörde hat dabei zudem zu prüfen, ob das Rechtsgeschäft drittvergleichsfähig ist.
Wird eine gemäß §119 Abs3 Sätze 3 und 4 Bgld JagdG 2017 notwendige Genehmigung nicht eingeholt, ist das Rechtsgeschäft nichtig. Die Verständigung möglicher Vertragspartner des Bgld Landesjagdverbandes stellt eine vorvertragliche Verpflichtung dar, die die in §119 Abs3 Sätze 3 bis 6 Bgld JagdG 2017 vorgesehenen Aufsichtsmittel ergänzt und der Vorbereitung der gemäß §171 Abs11 Bgld JagdG 2017 vorgesehenen Auflösung des Bgld Landesjagdverbandes mit 31.12.2022 dient.
Schlagworte
Jagdrecht, Rechtsbegriffe unbestimmte, Auslegung systematische, Rechtsstaatsprinzip, Determinierungsgebot, Aufsichtsrecht, Selbstverwaltung, Rechtspolitik, Kompetenz Bund - Länder Zivilrechtswesen, Rechtsgeschäft nichtiges, Weisung, Interessenvertretung Jäger, Privatwirtschaftsverwaltung, Hoheitsverwaltung, EigentumsbeschränkungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:G227.2021Zuletzt aktualisiert am
09.05.2022