Index
001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
ABGB §6Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Handstanger sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Brandl als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des D C in W, vertreten durch Dr. Martin Wandl & Dr. Wolfgang Krempl, Rechtsanwälte in 3100 St. Pölten, Kremser Gasse 19, gegen das am 21. März 2018 mündlich verkündete und am 5. August 2019 schriftlich ausgefertigte Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien, VGW-021/054/15965/2016-32, betreffend Übertretung der Gewerbeordnung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Magistrat der Stadt Wien Magistratisches Bezirksamt für den 10. Bezirk), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Verwaltungsgerichts Wien (Verwaltungsgericht) wurde dem Revisionswerber in der Sache in den Spruchpunkten I. bis III. - soweit für das Revisionsverfahren relevant - vorgeworfen, er habe es als Filialgeschäftsführer (§§ 47 und 370 Abs. 4 GewO 1994) bei Ausübung des Gewerbes „Handelsgewerbe gem. § 103 Abs. 1 lit. b Ziff. 25 der GewO 1973“ einer näher genannten Handelsgesellschaft zu verantworten,
I. (Spruchpunkte I. bis III. des angefochtenen Erkenntnisses bzw. Spruchpunkt I. 1) bis 3) des Straferkenntnisses der belangten Behörde) dass diese in näher genannter Betriebsanlage am 22. Juli 2015 folgende näher genannte Auflagen des rechtskräftigen Bescheides vom 26. September 2014:
1) Punkt 4) und zwar die, die elektrische Anlage betreffenden Prüfbefunde „in der Betriebsanlage zur Einsichtnahme durch Aufsichtsorgane der Behörden bereitzuhalten“;
2) Punkt 10) und zwar die Prüfbefunde der monatlichen Überprüfung der Sicherheitsbeleuchtung „über mindestens 2 Jahre lang in der Betriebsanlage zur Einsichtnahme durch Kontrollorgane der Behörden aufzubewahren“;
3) Punkt 25) und zwar die, automatische Schiebetüren betreffenden Befunde „in der Betriebsanlage aufzubewahren und den Organen der Behörden auf Verlangen vorzulegen“;
insofern nicht eingehalten habe, als
zu 1) kein Inbetriebnahmebefund über die elektrische Anlage zur Einsicht der Behörde bereitgehalten worden sei, weil dieser bei der Kontrolle nicht vorgelegt werden habe können;
zu 2) die monatliche Überprüfung der Sicherheitsbeleuchtung nicht nachgewiesen worden sei, weil kein Befund über die monatliche Überprüfung der Sicherheitsbeleuchtung zur behördlichen Einsicht bereitgehalten worden sei;
zu 3) kein Befund über die Abnahmeprüfung der automatischen Schiebetüre im Eingangsbereich den Organen der Behörde vorgelegt worden sei;
II. (Spruchpunkt IV. des angefochtenen Erkenntnisses bzw. Spruchpunkt II. des Straferkenntnisses der belangten Behörde) dass diese als Inhaberin der näher genannten, mit näher genanntem rechtskräftigen Bescheid und Folgebescheiden genehmigten Betriebsanlage bei Ausübung des Gewerbes „Handelsgewerbe gem. § 103 Abs. 1 lit. b Ziff. 25 der GewO 1973“ entgegen der Bestimmung des § 82b Abs. 1 iVm Abs. 3 GewO 1994, wonach der Inhaber einer genehmigten Betriebsanlage diese regelmäßig wiederkehrend zu prüfen oder zu prüfen lassen habe, ob sie dem Genehmigungsbescheid und den sonst für die Anlage geltenden gewerberechtlichen Vorschriften entspreche, und wonach gemäß Abs. 3 diese Prüfbescheinigung, sofern im Genehmigungsbescheid oder in sonst für die Anlage geltenden gewerberechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt sei, vom Anlageninhaber bis zum Vorliegen der nächsten Prüfbescheinigung in der Anlage zur jederzeitigen Einsicht der Behörde aufzubewahren sei, am 22. Juli 2015 auf Verlangen keine aktuelle Prüfbescheinigung zur Einsicht der Behörde bereitgehalten habe, weil eine solche nicht habe vorgelegt werden können.
Dadurch habe der Revisionswerber zu I. 1) - 3) jeweils § 367 Z 25 GewO 1994 iVm der jeweils betreffenden Auflage des zitierten Bescheides und zu II. § 368 GewO 1994 iVm § 82b Abs. 1 und 3 GewO 1994 verletzt, weshalb über ihn zu I. 1) - 3) jeweils eine Geldstrafe in der Höhe von € 110,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von jeweils 6 Stunden) sowie zu II. eine Geldstrafe von € 180,-- (Ersatzfreiheitsstrafe von 1 Tag und 7 Stunden) verhängt und er zum Ersatz der Verfahrenskosten verpflichtet wurde.
Die Revision erklärte das Verwaltungsgericht für nicht zulässig.
2 Das Verwaltungsgericht legte seiner Entscheidung dazu folgenden wesentlichen Sachverhalt zugrunde:
Gemäß den Auflagen Punkte 4), 10) und 25) des Genehmigungsbescheides vom 26. September 2014 seien Prüfbefunde über die elektrische Anlage (wie der Inbetriebnahme-Befund), Prüfbefunde über die monatliche Überprüfung der Sicherheitsbeleuchtung und der Prüfbefund über die Abnahmeprüfung der automatischen Schiebetüre in der Betriebsanlage zur Einsichtnahme durch Aufsichtsorgane der Behörde bereitzuhalten (Punkte 4) und 10) des Bescheides vom 26. September 2014) bzw. in der Betriebsanlage aufzubewahren und den Organen auf Verlangen vorzulegen (Punkt 25) des Bescheides vom 26. September 2014).
Am 22. Juli 2015 habe durch die belangte Behörde in der gegenständlichen Betriebsanlage eine Überprüfung der Einhaltung des Genehmigungsbescheides stattgefunden. Auf Verlangen durch das Kontrollorgan sei von der anwesenden Filialleiterstellvertreterin - der Filialleiter sei an diesem Tag auf Urlaub gewesen - kein Inbetriebnahmebefund über die elektrische Anlage, kein Prüfbefund über die monatliche Überprüfung der Sicherheitsbeleuchtung, kein Prüfbefund über die Abnahmeprüfung der automatischen Schiebetüre im Eingangsbereich sowie kein aktueller Prüfbefund nach § 82b Abs. 1 GewO 1994 vorgelegt worden bzw. hinsichtlich der Aufzeichnungen betreffend die Überprüfung der Sicherheitsbeleuchtung auch nicht auf die Pinnwand im Büro hingewiesen worden, obwohl sich diese Unterlagen in einem Ordner im Büro des Filialleiters befunden hätten bzw. die Aufzeichnungen über die monatliche Überprüfung der Sicherheitsbeleuchtung an einer Pinnwand im Büro des Filialleiters gehangen seien.
Eine Einweisung der Filialleiterstellvertreterin über den Ort der Aufbewahrung der relevanten gewerblichen Prüfbefunde für den Fall der Abwesenheit des Filialleiters, „sei nur einmal und dies sehr schnell erfolgt“.
Der Revisionswerber sei damals gewerberechtlicher Filialgeschäftsführer der näher genannten Handelsgesellschaft für das Gewerbe „Handelsgewerbe gem. § 103 Abs. 1 lit. b Z. 25 GewO 1973“ gewesen.
3 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, zur Erfüllung der vorgeschriebenen rechtskräftigen Auflagen bzw. der Bestimmung des § 82b GewO 1994 genüge es nicht, die angesprochenen Prüfbefunde nur in der Betriebsanlage aufzubewahren bzw. diese bereitzuhalten, sondern sei der dahinter stehende Zweck die jederzeitige Möglichkeit für die Aufsichtsorgane der Gewerbebehörde, in die in der Betriebsanlage aufbewahrten Prüfbefunde Einsicht zu nehmen und überprüfen zu können, ob den Auflagen auch tatsächlich entsprochen worden sei.
„Nach den einschlägigen gewerberechtlichen Vorschriften“ sei nicht vorgesehen, dass ein derartiges Verlangen auf Einsichtnahme in Nachweise an eine bestimmte Person, wie die zur Vertretung nach außen Berufenen der Gewerbeinhaberin oder einen bestellten gewerberechtlichen (Filial-) Geschäftsführer, zu richten seien.
Da eine Einsichtnahme in die - in der Betriebsanlage aufbewahrten - Prüfbefunde dem Kontrollorgan bei der Erhebung am 22. Juli 2015 und damit dem Auflagenzweck entsprechend eine Überprüfung der Einhaltung der Auflagen nicht möglich gewesen sei, sei den angeführten Auflagen und der Bestimmung des § 82b Abs. 3 GewO 1994 nicht entsprochen worden. „Die objektiven Tatbestände der dem Beschwerdeführer zur Last gelegten Übertretungen“ seien daher erfüllt.
Bei der Übertretung nach § 367 Z 25 GewO 1994 handle es sich um ein Ungehorsamsdelikt iSd zweiten Satzes des § 5 Abs. 1 VStG, weshalb es dem Beschuldigten obliege, den Entlastungsbeweis zu führen, also initiativ alle Umstände darzulegen, die für seine Schuldlosigkeit sprächen.
Grundsätzlich bestehe die Verpflichtung des Geschäftsführers die Einhaltung der mit den Betriebsanlagengenehmigungsbescheiden vorgeschriebenen Auflagen durch entsprechende Maßnahmen sicherzustellen und dies durch entsprechende regelmäßige Kontrollen bzw. ein Kontrollsystem zu überprüfen, sodass das Bereithalten der vorgeschriebenen Nachweise in der Betriebsanlage und die Möglichkeit der Einsichtnahme durch Aufsichtsorgane bei einer allfälligen Kontrolle jederzeit gewährleistet sei. Eine begleitende Kontrolle durch den Revisionswerber als Filialgeschäftsführer, ob hinsichtlich der Mitarbeiter eine ausreichende Einweisung durch die Filialleiter erfolgt sei, sei nicht behauptet worden. Eine solche wiederholte Einweisung wäre bei der Filialleiterstellvertreterin notwendig gewesen, weil sie bekanntermaßen mit Stresssituationen nicht gut umgehen könne. Ein mangelndes Verschulden sei daher nicht glaubhaft gemacht worden, weil nicht hervorgekommen sei, dass vom Revisionswerber alle Maßnahmen getroffen worden seien, um unter den vorhersehbaren Verhältnissen die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften mit gutem Grund erwarten zu lassen. Das bloße Sorgetragen, dass sich die Prüfbefunde in der Betriebsanlage befänden, reiche nicht aus, sollten doch die Befunde jederzeit „zur Einsichtnahme“ durch Organe der Behörde aufbewahrt werden. Mangels der Einrichtung eines hinreichenden Kontrollsystems sei dem Revisionswerber zumindest Fahrlässigkeit vorzuwerfen.
Der Beschwerde gegen die Spruchpunkte I. und II. des Straferkenntnisses sei daher unabhängig von Konkretisierungen der Tatvorwürfe im Spruch, wonach die gegenständlichen Prüfbefunde zum Zeitpunkt der Kontrolle zwar bereitgehalten worden seien, aber nicht vorgelegt hätten werden können, kein Erfolg beschieden.
Die zu Spruchpunkt II. des Straferkenntnisses verhängte Geldstrafe sei unter Berücksichtigung des gesetzlichen Strafsatzes nach § 368 GewO 1994 sowie näher dargelegten Strafzumessungsgründe auf ein schuld- und tatangemessenes Ausmaß zu reduzieren gewesen.
4 Die Unzulässigkeit der Revision begründete das Verwaltungsgericht mit dem Nichtvorliegen einer Rechtsfrage iSd Art. 133 Abs. 4 B-VG.
5 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision im Umfang der Spruchpunkte I. bis IV. (Spruchpunkte I. und II. des Straferkenntnisses). Die belangte Behörde erstattete nach Einleitung des Vorverfahrens keine Revisionsbeantwortung.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
6 Die Revision ist zu der in ihrem Zulässigkeitsvorbringen zusammengefasst dargelegten Rechtsfrage, ob die Verwirklichung der dem Revisionswerber zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen die Aufforderung zur Vorlage an ihn als Filialgeschäftsführer voraussetzt, zulässig; sie ist jedoch nicht berechtigt.
7 Die Revision begründet die inhaltliche Rechtswidrigkeit des Erkenntnisses im angefochtenen Umfang zusammengefasst dahin, ausgehend von der Bestimmung des § 338 GewO 1994 könne kein Zweifel daran bestehen, dass das Verlangen nach Vorlage bestimmter Unterlagen vom Betriebsinhaber, dem gewerberechtlichen Geschäftsführer oder dem Filialgeschäftsführer zu erfüllen sei. Daraus folge wiederum, dass ein solches Verlangen nach Vorlage von oder Einsicht in bestimmte Unterlagen gegenüber diesen Personen zu stellen sei. Dafür spreche insbesondere § 338 Abs. 1 GewO 1994, wonach bei Kontrollen in den Betrieben unverzüglich der Betriebsinhaber oder dessen Stellvertreter zu verständigen sei. Ein bloßer Filialleiter oder dessen Stellvertreterin sei in gewerberechtlichen Angelegenheiten nicht vertretungsbefugt. Sofern die Behörde das Verlangen nach Vorlage bzw. Einsicht lediglich gegenüber der nicht vertretungsbefugten Filialleiterstellvertreterin nicht jedoch gegenüber dem Revisionswerber als Stellvertreter des Betriebsinhabers gestellt habe, lägen die ihm angelasteten Verwaltungsübertretungen mangels rechtswirksamen Einsichts- bzw. Vorlageverlangen nicht vor. Im Übrigen seien die Befunde betreffend die monatlichen Überprüfungen der Sicherheitsbeleuchtung an der Pinnwand im Büro des Filialleiters ausgehängt gewesen und somit deutlich zur Einsicht bereitgehalten worden.
8 Gemäß § 367 Z 25 GewO 1994 begeht eine Verwaltungsübertretung, die mit Geldstrafe bis zu 2.180 € zu bestrafen ist, wer Gebote oder Verbote von gemäß § 82 Abs. 1 oder § 84m erlassenen Verordnungen nicht befolgt oder die gemäß den Bestimmungen der §§ 74 bis 83 und 359b in Bescheiden vorgeschriebenen Auflagen oder Aufträge nicht einhält.
9 Gemäß § 82b Abs. 1 GewO 1994 hat der Inhaber einer genehmigten Betriebsanlage diese regelmäßig wiederkehrend zu prüfen oder prüfen zu lassen, ob sie dem Genehmigungsbescheid und den sonst für die Anlage geltenden gewerberechtlichen Vorschriften entspricht. Über jede wiederkehrende Prüfung ist eine Prüfbescheinigung zu erstellen, der eine vollständige Dokumentation der Prüfung anzuschließen ist, aus der insbesondere der Umfang und der Inhalt der Prüfung hervorgeht; diese Dokumentation bildet einen notwendigen Bestandteil der Prüfbescheinigung.
10 Gemäß § 82b Abs. 3 GewO 1994 ist, sofern im Genehmigungsbescheid oder in den sonst für die Anlage geltenden gewerberechtlichen Vorschriften nicht anderes bestimmt ist, die Prüfbescheinigung vom Anlageninhaber bis zum Vorliegen der nächsten Prüfbescheinigung in der Anlage zur jederzeitigen Einsicht der Behörde aufzubewahren; er hat die Prüfbescheinigung der Behörde auf Aufforderung innerhalb der von der Behörde zu bestimmenden angemessenen Frist zu übermitteln.
11 Ein Verstoß gegen die Aufbewahrungspflicht nach § 82b Abs. 3 GewO 1994 fällt unter § 368 GewO 1994 (vgl. VwGH 17.4.2020, Ra 2020/04/0029, Rn. 18, mwN).
12 Dem Revisionswerber wurde als für die gegenständliche Betriebsstätte gemäß § 47 Abs. 1 GewO 1994 bestellter Filialgeschäftsführer unter anderem die Verletzung der jeweils sich aus den Auflagen Punkte 4), 10) und 25) des Betriebsanlagengenehmigungsbescheides sowie aus § 82b Abs. 3 GewO 1994 ergebenden Aufbewahrungspflicht zur Last gelegt.
13 Für die Erfüllung von Bescheidauflagen wie vorliegend, wonach Prüfbefunde „in der Betriebsanlage zur Einsichtnahme durch Aufsichtsorgane oder Kontrollorgane der Behörden bereitzuhalten bzw. aufzubewahren“ sind, oder Befunde „in der Betriebsanlage aufzubewahren und den Organen der Behörde auf Verlangen vorzulegen“ sind, sowie für die Erfüllung der Aufbewahrungspflicht nach § 82b Abs. 3 GewO 1994, wonach die Prüfbescheinigung iSd § 82b Abs. 1 leg. cit. „in der Anlage zur jederzeitigen Einsicht der Behörde aufzubewahren“ ist, reicht es nach dem Wortlaut der Auflagen und der Bestimmung des § 82b Abs. 3 GewO 1994 nicht, dass die Prüfbefunde bzw. die Prüfbescheinigung in der Betriebsanlage bloß vorhanden sind (vgl. zur Maßgeblichkeit des Wortlauts bei der Auslegung von Bescheiden - insoweit also gleich einem Gesetz nach den §§ 6 und 7 ABGB - VwGH 28.6.2017, Ra 2017/07/0012, Rn. 38; 20.9.2012, 2011/07/0149, jeweils mwN). Vielmehr muss gewährleistet sein, dass die Prüfbefunde den behördlichen Kontrollorganen bei einer Überprüfung der Betriebsanlage auf deren Verlangen auch zur Verfügung stehen. Dem wird mit dem bloßen Aushang von Überprüfungsbefunden an der Pinnwand des Büros des Filialleiters nicht entsprochen. Sofern die Kontrollorgane nicht von sich aus auf einen solchen Aushang aufmerksam werden, sind sie während der gewerbebehördlichen Überprüfung darauf hinzuweisen.
14 Entgegen dem Revisionsvorbringen, setzt die Verwirklichung des objektiven Tatbestands der dem Revisionswerber zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen nicht das Verlangen der Behörde nach Vorlage von Prüfbefunden bzw. der Prüfbescheinigung gemäß § 82b Abs. 1 GewO 1994 sowie nach Einsicht darin gegenüber dem Revisionswerber voraus.
15 Soweit die Revision in diesem Zusammenhang auf § 338 GewO 1994 Bezug nimmt, ist zunächst darauf hinzuweisen, dass vorliegend diese Bestimmung zwar die gesetzliche Grundlage für die amtswegige gewerbebehördliche Überprüfung bildet, dem Revisionswerber jedoch die Nichteinhaltung von im Betriebsanlagenbescheid auferlegten Auflagen gemäß § 367 Z 25 GewO 1994 sowie die Verletzung der Aufbewahrungspflicht gemäß § 368 iVm § 82b Abs. 1 und 3 GewO 1994, und nicht ein Zuwiderhandeln gegen § 338 GewO 1994 nach § 367 Z 26 leg. cit zur Last gelegt wurde. Entgegen dem Revisionsvorbringen musste sich das Verwaltungsgericht somit nicht damit auseinandersetzen, ob der während der gewerbebehördlichen Überprüfung anwesenden Filialleiterstellvertreterin eine Vertretungsbefugnis zugekommen sei und sie als Vertreterin des Betriebsinhabers iSd § 338 GewO 1994 anzusehen sei.
16 § 338 GewO 1994 regelt die Berechtigung der Behörden zu gewerbebehördlichen Überprüfungen und die Verpflichtung des Betriebsinhabers oder dessen Stellvertreters diese zu dulden und daran mitzuwirken (vgl. VwGH 31.1.2013, 2008/04/0216). Zweck dieser Bestimmung (jeweils erster Halbsatz in § 338 Abs. 1 bis 3: „Soweit dies zur Vollziehung der gewerberechtlichen Vorschriften erforderlich,“) ist die Gewährleistung einer effizienten und schonenden Kontrolle der Einhaltung der gewerberechtlichen Vorschriften durch die zuständigen Behörden (vgl. dazu VwGH 23.10.2017, Ro 2017/04/0019, Rn. 9, mwN).
17 Gemäß § 338 Abs. 1 zweiter Satz GewO 1994 ist zwar der Betriebsinhaber oder dessen Stellvertreter spätestens beim Betreten des Betriebes oder der Lagerräume zu verständigen. Die in § 338 Abs. 2 GewO 1994 normierten Verpflichtungen des Betriebsleiters oder seines Stellvertreters, wie etwa die Erteilung der notwendigen Auskünfte oder die Vorlage notwendiger Unterlagen, sind jedoch nicht von einer vorherigen Verständigung oder Ladung des Betriebsinhabers oder dessen Stellvertreters abhängig (vgl. VwGH 9.9.1998, 98/04/0101). Aus dem Zweck dieser Bestimmung ist vielmehr abzuleiten, dass die Verständigungspflicht des Betriebsinhabers oder dessen Stellvertreters in Abs. 1 dazu dient, ihm grundsätzlich die Begleitung der behördlichen Kontrolltätigkeit und die Mitwirkung daran zu ermöglichen. Die behördliche Überprüfung setzt hingegen nicht die Anwesenheit des Betriebsinhabers oder dessen Stellvertreters voraus (vgl. VwGH 15.6.1988, 87/04/0060).
18 Aus der Bestimmung des § 338 GewO 1994 ist daher für die Einhaltung der Aufbewahrungspflichten gemäß den gegenständlichen Bescheidauflagen bzw. § 82b Abs. 3 GewO 1994, Prüfbefunde zur Einsicht der Behörde bereitzuhalten bzw. aufzubewahren, nicht zu schließen, dass das damit verbundene Verlangen der Behörde zur Vorlage zwingend an den Betriebsinhaber oder dessen Stellvertreter zu richten ist.
19 Ebenso wenig ergibt sich dies aus den hier wesentlichen Auflagen des Betriebsanlagengenehmigungsbescheids und § 82b Abs. 3 GewO 1994. Vielmehr haben der Betriebsinhaber bzw. vorliegend der Revisionswerber als Filialgeschäftsführer dem Zweck der gewerbebehördlichen Überprüfung entsprechend für den Fall seiner Abwesenheit von der Betriebsstätte dafür Sorge zu tragen, dass jemand anderer vor Ort an ihrer Stelle dem Verlangen der Behörde zur Vorlage der in der Betriebsstätte aufbewahrten Prüfbefunde oder um Einsicht in diese Unterlagen nachkommt.
20 Das Verlangen der Behörde zur Vorlage der Prüfbefunde gegenüber der in der Betriebsstätte anwesenden Filialleiterstellvertreterin in Abwesenheit des Revisionswerbers war daher ausreichend. Da diesem Verlangen nicht entsprochen wurde, wurden die einzelnen Prüfbefunde in der Betriebsanlage nicht derart bereitgehalten bzw. aufbewahrt, dass die Behörde im Zuge der gewerbebehördlichen Überprüfung darin Einsicht nehmen konnte. Der objektive Tatbestand gemäß § 367 Z 25 zweiter Fall GewO 1994 iVm den Auflagen Punkt 4), 10) und 25) sowie gemäß § 368 iVm § 82b Abs. 3 GewO 1994 ist daher erfüllt.
21 Auf die vom Verwaltungsgericht mit einer mangelnden hinreichenden Kontrolle der Einweisung der Filialleiterstellvertreterin über die Aufbewahrung der im Falle einer gewerbebehördlichen Überprüfung auf Verlangen der Behörde vorzulegenden Prüfbefunde bzw. Prüfbescheinigung überzeugend begründete Vorwerfbarkeit der zur Last gelegten Verwaltungsübertretungen geht die Revision nicht näher ein.
22 Die Revision erweist sich somit als nicht begründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Wien, am 21. März 2022
Schlagworte
Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1 Individuelle Normen und Parteienrechte Auslegung von Bescheiden und von Parteierklärungen VwRallg9/1 Rechtsgrundsätze Auflagen und Bedingungen VwRallg6/4European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2019040124.L00Im RIS seit
09.05.2022Zuletzt aktualisiert am
16.05.2022