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10/07 VerwaltungsgerichtshofNorm
ABGB §1175Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer und den Hofrat Dr. Bodis als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des Finanzamtes Österreich, Dienststelle Wien 12/13/14 Purkersdorf in 1030 Wien, Marxergasse 4, gegen den Beschluss des Bundesfinanzgerichts vom 22. Februar 2021, Zl. RV/7101353/2012, betreffend Umsatzsteuer 2005 bis 2007 sowie Feststellung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 188 BAO für die Jahre 2005 bis 2007 (mitbeteiligte Partei: Dr. K und Mitbesitzer in W),
Spruch
1. den Beschluss gefasst:
Die Revision wird betreffend Feststellung der Einkünfte für die Jahre 2005 bis 2007 als unzulässig zurückgewiesen.
2. zu Recht erkannt:
Im Übrigen (Umsatzsteuer 2005 bis 2007) wird der angefochtene Beschluss wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
1 Die mitbeteiligte Partei ist eine als Gesellschaft nach bürgerlichem Recht fungierende Hausgemeinschaft, die aus einer näher genannten Liegenschaft in Wien Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt.
2 Im Zuge einer Außenprüfung für die Jahre 2005 bis 2007 wurden nach einer Wiederaufnahme neue Umsatzsteuer- und Gewinnfeststellungsbescheide erlassen, weil eine Erhöhung der privat genutzten Flächen angenommen wurde.
3 Die Bescheide wurden zu Handen der steuerlichen Vertretung zugestellt und wiesen „Dr. K und Mitbesitzer“ als Adressaten aus.
4 Den gegen die Bescheide erhobenen Berufungen (nunmehr Beschwerden) gab das Finanzamt mit Beschwerdevorentscheidungen teilweise Folge. Die mitbeteiligte Partei stellte einen Vorlageantrag.
5 Mit dem angefochtenen Beschluss wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerden gemäß § 260 Abs. 1 lit. a BAO als nicht zulässig zurück. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Der angefochtene Beschluss richtet sich an „[Dr. K] und Mitbesitzer, [Adresse]“ und wurde - nach seiner Zustellverfügung - an „[Dr. K] und Mitbesitzer“, zu Handen des steuerlichen Vertreters, zugestellt. Die Entscheidung enthält keinen Hinweis auf § 101 Abs. 3 BAO.
6 Das Bundesfinanzgericht führte aus, der Bescheidadressat, also die Person, an die der Bescheid ergehe, sei im Spruch des Bescheides namentlich zu nennen, wobei eine Nennung im Adressfeld ebenfalls reiche. Bei einer Hausgemeinschaft handle es sich sowohl zivil- als auch abgabenrechtlich um eine nicht rechtsfähige Personengesellschaft. Die Gemeinschaft selbst sei materiell-rechtlich kein Träger von Rechten und Pflichten.
7 Nach § 191 BAO komme einer solchen Gemeinschaft aber verfahrensrechtlich insofern Bedeutung zu, als Feststellungsbescheide an diese Gemeinschaft zu richten seien. Bei einer Miteigentümerschaft komme im Falle der Vermietung unbeweglichen Vermögens als Adressierung des Feststellungsbescheides in Betracht:
8 - „An die Gemeinschaft der Miteigentümer der Liegenschaft ...“ (wenn die Miteigentümer im Spruch namentlich genannt seien);
9 - „An A, B und C“ (wenn die Liegenschaft im Bescheid bezeichnet sei);
10 - „An A und Mitbes. der Liegenschaft ...“ (wenn die Mitbesitzer im Bescheidspruch namentlich genannt seien.
11 Die Adressierung in der Form „[Dr. K] und Mitbesitzer“ werde nur dann als ausreichend erachtet, wenn die Miteigentümer im Bescheidspruch namentlich genannt seien und wenn die betreffende Liegenschaft im Bescheid bezeichnet sei. Die Angabe der Steuernummer würde hierfür nicht ausreichen.
12 Die mit der „Personenumschreibung“ getroffene Wahl des Normadressaten sei wesentlicher Bestandteil jedes Bescheides. Die Benennung jener Person, der gegenüber die Behörde die in Betracht kommende Angelegenheit des Verwaltungsrechts in förmlicher Weise gestalten wolle, sei notwendiges, auch deutlich und klar zum Ausdruck zu bringendes Inhaltserfordernis des individuellen Verwaltungsaktes und damit konstituierendes Bescheidmerkmal.
13 Die im vorliegenden Fall mit Beschwerde angefochtenen Erledigungen wiesen als Bescheidadressat jeweils „[Dr. K] und Mitbesitzer“ aus; die Bezeichnung der Liegenschaft fehle in den Erledigungen. Die angefochtenen Erledigungen hätten damit keine Rechtswirksamkeit erlangt.
14 Gleiches gelte im Grundsatz für die als Umsatzsteuer(festsetzungs)bescheide intendierten Erledigungen. Das Bundesfinanzgericht sei der Ansicht, dass gerade in jenen Fällen, in denen schon aus umsatzsteuerlicher Sicht klar erkennbar sein müsse, ob es sich um einen an eine Unternehmereinheit oder bloß an einen einzelnen Unternehmer gerichteten Bescheid handle, den verfahrensrechtlichen Kriterien über die Eindeutigkeit des Bescheidadressaten entscheidende Bedeutung zukomme. Bestünden nämlich zwei Miteigentümergemeinschaften mit den gleichen Miteigentümern, aber unterschiedlichen Beteiligungsverhältnissen, dürften diese nicht zu einer Unternehmereinheit zusammengefasst werden und hätten somit zwei Umsatzsteuerbescheide zu ergehen. In diesem Fall würde eine Bescheidadressierung, wie sie im Beschwerdefall gewählt worden sei, dazu führen, dass es weder den Parteien, noch dem im Rechtsmittelweg angerufenen Bundesfinanzgericht möglich wäre, das vom Bescheid betroffene Rechtssubjekt zu konkretisieren.
15 Eine an einen Unternehmer, der Umsätze aus der Vermietung und Verpachtung erziele, gerichtete, als Umsatzsteuerbescheid intendierte Erledigung, die den Unternehmer nicht in einer Weise konkretisiere, dass dieser unzweifelhaft als Normadressat dieses individualisierten Hoheitsaktes erkennbar sei, sei nicht geeignet, Bescheidqualität zu entfalten.
16 Da den als Bescheiden intendierten Erledigungen keine Rechtswirkung zukomme, seien die Beschwerden als unzulässig zurückzuweisen gewesen.
17 Gegen diesen Beschluss richtet sich die Revision des Finanzamts.
18 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem eine Revisionsbeantwortung nicht erstattet wurde, erwogen:
19 Die Revision ist betreffend Feststellung der Einkünfte nicht zulässig; betreffend Umsatzsteuer ist die Revision zulässig und begründet.
20 Gemäß § 191 Abs. 1 lit. c BAO ergeht der Feststellungsbescheid in den Fällen des § 188 BAO an die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit, deren Gesellschaftern (Mitgliedern) gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind. Nach § 191 Abs. 3 zweiter Satz BAO wirken Feststellungsbescheide im Sinne des § 188 BAO gegen alle, denen im Spruch des Bescheides Einkünfte zugerechnet bzw. nicht zugerechnet werden.
21 Damit ein Feststellungsbescheid die ihm nach § 191 Abs. 3 zweiter Satz BAO zukommende Wirkung entfalten kann, muss er den betreffenden Personen nach § 97 Abs. 1 BAO zugestellt sein oder als zugestellt gelten.
22 Gemäß § 101 Abs. 3 BAO sind schriftliche Ausfertigungen, die in einem Feststellungsverfahren an eine Personenvereinigung ohne eigene Rechtspersönlichkeit oder an eine Personengemeinschaft gerichtet sind (§ 191 Abs. 1 lit. a und c BAO), einer nach § 81 BAO vertretungsbefugten Person zuzustellen. Mit der Zustellung einer einzigen Ausfertigung an diese Person gilt die Zustellung an alle Mitglieder der Personenvereinigung oder Personengemeinschaft als vollzogen, wenn auf diese Rechtsfolge in der Ausfertigung hingewiesen wird.
23 Das Bundesfinanzgericht wies mit der angefochtenen Entscheidung die Beschwerden der mitbeteiligten Partei u.a. betreffend die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO als unzulässig zurück. Damit wollte das Bundesfinanzgericht mit Rechtskraftwirkung für alle am Feststellungsverfahren Beteiligten aussprechen, dass die vor ihm bekämpften Feststellungsbescheide nicht wirksam geworden waren. Dennoch hat das Bundesfinanzgericht seine - u.a. im Rahmen von Feststellungsverfahren ergangene - Erledigung nur an die mitbeteiligte Partei und nicht an alle Gesellschafter adressiert und zugestellt. Mangels eines Hinweises in der angefochtenen Entscheidung ist im vorliegenden Fall die Zustellwirkung im Sinne des § 101 Abs. 3 zweiter Satz BAO gegenüber den Gesellschaftern, denen Einkünfte zugerechnet werden sollen, nicht eingetreten. Die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts erlangte damit im Hinblick auf das durch die Einheitlichkeit der Feststellung geprägte Wesen eines Bescheides nach § 188 BAO insoweit keine Rechtswirksamkeit (vgl. VwGH 7.4.2022, Ra 2021/13/0124, mwN).
24 Die Revision war daher in diesem Umfang mangels Berechtigung zu ihrer Erhebung gemäß § 34 Abs. 1 VwGG (in einem gemäß § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat) zurückzuweisen.
25 Betreffend Umsatzsteuer ist zunächst festzuhalten, dass eine Gemeinschaft von Vermietern als Gesellschaft bürgerlichen Rechts ein von ihren Gesellschaftern unabhängiges Steuersubjekt darstellt (vgl. z.B. VwGH 30.9.2015, Ra 2014/15/0024, mwN).
26 Gemäß § 93 Abs. 2 BAO hat jeder Bescheid (u.a.) den Spruch zu enthalten und in diesem die Person (Personenvereinigung, Personengemeinschaft) zu nennen, an die er ergeht. Die Personenumschreibung ist notwendiger Bestandteil des Bescheidspruches mit der Wirkung, dass ohne gesetzmäßige Bezeichnung des Adressaten im Bescheidspruch (zu dem auch das Adressfeld zählt) kein individueller Verwaltungsakt gesetzt wird (vgl. VwGH 27.1.2021, Ra 2020/13/0085, mwN).
27 Die „Personenumschreibung“ bildet einen notwendigen Bestandteil des Spruches des Abgabenbescheides. Eine Umdeutung des Bescheidadressaten kommt nicht in Betracht. Der Bescheid einer Verwaltungsbehörde ist aber als ein Ganzes zu beurteilen. Spruch und Begründung bilden eine Einheit. Bestehen Zweifel über den Inhalt des Spruches, so ist zu dessen Deutung auch die Begründung heranzuziehen. Hiebei ist der Spruch im Zweifel im Sinne des angewendeten Gesetzes auszulegen (vgl. VwGH 26.6.2014, 2013/15/0062, mwN). Wenn sich eine Behörde bloß in der Bezeichnung des Adressaten vergreift, aber aus der gesamten Erledigung offenkundig ist, wer gemeint war, schadet die fehlerhafte Bezeichnung nicht; in diesem Fall liegt ein berichtigungsfähiger Fehler vor, bei dem, solange eine Berichtigung nicht erfolgt ist, durch Auslegung des Bescheides zu klären ist, an wen er gerichtet ist (vgl. erneut VwGH 7.4.2022, Ra 2021/13/0124, mwN).
28 Ein an eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts gerichtete Erledigung kann alle Gesellschafter mit Gesellschaftszusatz nennen (etwa „A, B und C [GesbR]“; vgl. Ritz/Koran, BAO7, § 93 Tz 6). Betreffend Gesellschaften bürgerlichen Rechts ist in der Rechtsprechung aber auch eine Bezeichnung mit Nennung bloß eines Gesellschafters mit dem Zusatz „und Mitbesitzer“ oder „und Mitgesellschafter“ anerkannt (vgl. VwGH 26.4.1999, 98/17/0360).
29 Die Umsatzsteuerbescheide 2005 bis 2007 ergingen an „[Dr. K] und Mitbesitzer“. Zur Begründung der Bescheide wurde auf die Niederschrift vom 14. August 2009 verwiesen. In der Niederschrift und dem zugrundeliegenden Betriebsprüfungsbericht wird die Liegenschaftsadresse genannt, weshalb sich aus der Begründung der Bescheide unmissverständlich ergibt, welche Gesellschaft bürgerlichen Rechts als Bescheidadressat gemeint war. Zudem war es im Beschwerdeverfahren (in den Beschwerden wurden die Feststellungen der Außenprüfung bestritten) nicht unklar, auf welche konkrete Gesellschaft bürgerlichen Rechts (und auf welche konkrete Liegenschaft) sich die vor dem Bundesfinanzgericht bekämpften Bescheide bezogen.
30 Da aus den Entscheidungen des Finanzamts jeweils offenkundig war, wer als Bescheidadressat gemeint war, sind die Bescheide des Finanzamts nicht wegen Fehlens einer gesetzmäßigen Bezeichnung des Adressaten unwirksam.
31 Der angefochtene Beschluss war daher betreffend Umsatzsteuer (insoweit erweist sich der Beschluss des Bundesfinanzgerichts als rechtswirksam) wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 12. April 2022
Schlagworte
Bescheidcharakter Bescheidbegriff Formelle Erfordernisse Inhalt des Spruches Anführung des BescheidadressatenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2021130060.L00Im RIS seit
01.06.2022Zuletzt aktualisiert am
19.07.2022