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001 Verwaltungsrecht allgemeinNorm
B-VG Art139 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel, den Hofrat Dr. Doblinger und die Hofrätin Mag. Schindler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Dr. Hotz, über die außerordentliche Revision des A B in C, vertreten durch Mag. Gottfried Tazol, Rechtsanwalt in 9100 Völkermarkt, Hauptplatz 24, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Kärnten vom 30. November 2021, Zl. KLVwG-245-50/40/2021, betreffend Übertretungen des COVID-19-Maßnahmengesetzes iVm der COVID-19-Maßnahmenverordnung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt), zu Recht erkannt:
Spruch
Das angefochtene Erkenntnis wird im Umfang von dessen Spruchpunkten III. und IV. wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in Höhe von 1.346,40 Euro binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1 Mit Spruchpunkt III. des angefochtenen Erkenntnisses wurde der Revisionswerber vom Landesverwaltungsgericht Kärnten nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung mit einer Maßgabebestätigung in Bezug auf ein vorangegangenes Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Völkermarktzwei am 31. Oktober 2020 begangener Übertretungen nach § 8 Abs. 4, § 1, § 3 Abs. 1 Z 1 des COVID-19-Maßnahmengesetzes (COVID-19-MG) in Verbindung mit § 6 Abs. 1 und 3a der COVID-19-Maßnahmenverordnung (COVID-19-MV), in der Fassung BGBl. II Nr. 455/2020, schuldig erkannt und es wurden über ihn zwei Geldstrafen von je 360 Euro (Ersatzfreiheitsstrafen von je zwei Tagen und 19 Stunden) verhängt; weiters wurde (mit Spruchpunkt IV.) ein Kostenbeitrag zum Strafverfahren vorgeschrieben (die übrigen Spruchpunkte des angefochtenen Erkenntnisses betreffen die Bestätigung zum Vorwurf einer Übertretung des Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetzes sowie die Einstellung des Verfahrens bezüglich weiterer Vorwürfen von Übertretungen des COVID-19-MG). Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG wurde für unzulässig erklärt.
2 In den im Spruchpunkt III. inkriminierten Vorfällen wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, als Inhaber zweier näher bezeichneter Gastgewerbebetriebe am 31. Oktober 2020 nicht dafür Sorge getragen zu haben, dass die Konsumation von Speisen und Getränken nur im Sitzen an den Verabreichungsplätzen erfolgen kann, obwohl das Betreten von Betriebsstätten sämtlicher Betriebsarten der Gastgewerbe zum Tatzeitpunkt nur unter der Voraussetzung zulässig war, wenn der Betreiber sicherstellt, dass (gemäß § 6 Abs. 3a der COVID-19-MV in der zitierten Fassung in der Zeit vom 25. bis 31. Oktober 2020) die Konsumation von Speisen und Getränken nur im Sitzen an Verabreichungsplätzen erfolgt.
3 Die außerordentliche Revision des Revisionswerbers richtet sich gegen die seine Beschwerde abweisende Teile des Erkenntnisses des Landesverwaltungsgerichtes.
4 Der Verwaltungsgerichtshof hat zu den diesbezüglichen Spruchpunkten III. und IV. des angefochtenen Erkenntnisses nach Einleitung des Vorverfahrens und Erstattung einer Revisionsbeantwortung durch die Bezirkshauptmannschaft Völkermarkt erwogen:
5 Soweit sich die vorliegende außerordentliche Revision gegen die Maßgabebestätigung zu den inkriminierten Übertretungen des COVID-19-MG iVm der COVID-19-MV richtet, erweist sie sich als zulässig und es kommt ihr im Ergebnis auch Berechtigung zu (insofern sich die Revision auch gegen den Vorwurf einer Übertretung des Tabak- und Nichtraucherinnen- bzw. Nichtraucherschutzgesetzes im angefochtenen Erkenntnis wendet, wurde sie zur hg. Zl. Ra 2022/11/0022 protokolliert und mit hg. Beschluss vom 14. Februar 2022 zurückgewiesen).
6 § 6 der COVID-19-MV in der zitierten Fassung ist mit Ablauf des 31. Oktober 2020 außer Kraft getreten. Der Verfassungsgerichtshof hat in der Folge mit Erkenntnis vom 15. Dezember 2021, V 560/2020 - aus einem anderen Anlass - u.a. die Gesetzwidrigkeit des - hier inkriminierten - § 6 Abs. 3a der COVID-19-MV, idF BGBl. II Nr. 455/2020, festgestellt und ausgesprochen, dass diese Bestimmung nicht mehr anzuwenden ist.
7 Hat der Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 139 Abs. 4 B-VG ausgesprochen, dass eine Verordnung gesetzwidrig bzw. gemäß Art. 140 Abs. 4 B-VG, dass ein Gesetz verfassungswidrig war, und dazu auch ausgesprochen, dass eine aufgehobene Bestimmung „nicht mehr anzuwenden“ ist („rückwirkende Aufhebung“), so sind gemäß Art. 139 Abs. 6 bzw. Art. 140 Abs. 7 B-VG alle Gerichte und Verwaltungsbehörden an den Spruch des Verfassungsgerichtshofes gebunden und dürfen auch bei der Beurteilung eines Falles, der sich vor Aufhebung dieser Bestimmung ereignet hat, diese Bestimmung nicht mehr anwenden. Beruht eine vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtene Entscheidung auf einer Gesetzes- bzw. Verordnungsstelle, die in der Folge von einem Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes gemäß Art. 139 Abs. 4 bzw. 140 Abs. 4 B-VG betroffen wird (hier: die Aufhebung von Einschränkungen bei der Konsumation von Speisen und Getränken im Gastgewerbe), so belastet dies die angefochtene Entscheidung mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes (vgl. VwGH 14.5.1991, 89/08/0026, und die bei Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 570, vorletzter Absatz zitierte hg. Rechtsprechung).
8 Das angefochtene Erkenntnis war daher im davon betroffenen Umfang seiner Spruchpunkte III. und IV. gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
9 Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
10 Von der Durchführung der beantragten Verhandlung konnte gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abgesehen werden.
Wien, am 15. April 2022
Schlagworte
Anzuwendendes Recht Maßgebende Rechtslage VwRallg2 Besondere RechtsgebieteEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022090015.L00Im RIS seit
09.05.2022Zuletzt aktualisiert am
17.05.2022