Index
10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)Norm
B-VG Art133 Abs4Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie Hofrätin Mag. Hainz-Sator und Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision des L M in K (Ungarn), vertreten durch Dr. Johann Kuzmich, Rechtsanwalt in 7304 Nebersdorf, Lange Gasse 14, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Burgenland vom 29. November 2021, Zl. E 254/05/2021.025/011, betreffend Übertretung des Lohn- und Sozialdumping-Bekämpfungsgesetzes (LSD-BG) (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Oberpullendorf), den Beschluss gefasst:
Spruch
Die Revision wird zurückgewiesen.
Begründung
1 1. Mit Straferkenntnis der belangten Behörde vom 17. Juni 2021 wurde dem Revisionswerber zur Last gelegt, er habe es als Verantwortlicher der Firma M. mit Sitz in Ungarn zu verantworten, dass diese als Arbeitgeberin zwei näher genannte, von ihr nach Österreich entsandte Arbeitnehmer im Zeitpunkt der von der Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungskasse (BUAK) durchgeführten Kontrolle an einem näher bezeichneten Arbeits(Einsatz)Ort eingesetzt bzw. beschäftigt habe, wobei sie diesen Arbeitnehmern für einen näher bezeichneten Beschäftigungszeitraum (6. bis 12. März 2020) nicht das gebührende Entgelt unter Beachtung der jeweiligen Einstufungskriterien geleistet habe.
2 Wegen dieser Übertretung des § 29 Abs. 1 LSD-BG wurde über den Revisionswerber pro Arbeitnehmer jeweils eine Geld- und Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 29 Abs. 1 erster Satz LSD-BG verhängt.
3 2.1. Mit dem hier angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Burgenland (im Folgenden: Verwaltungsgericht) der Beschwerde des Revisionswerbers dahingehend statt, die beiden Geld- und Ersatzfreiheitsstrafen jeweils herabzusetzen, und änderte das Straferkenntnis in seinen beiden Spruchpunkten - soweit hier relevant - jeweils dahingehend ab, die Nennung des Kontrollzeitpunktes entfallen zu lassen.
4 2.2. Begründend stellte das Verwaltungsgericht fest, der Revisionswerber sei zur Tatzeit der Geschäftsführer und der zur Vertretung nach außen Befugte der Firma M. gewesen. Der Arbeitgeber sei mit der Durchführung von Zimmermannsarbeiten an einer näher bezeichneten Baustelle in Österreich beauftragt worden. Am 12. März 2020 habe um 9.30 Uhr eine Kontrolle der BUAK auf der Baustelle stattgefunden. Dabei seien die beiden im Straferkenntnis genannten Arbeitnehmer angetroffen worden, die dort Zimmererarbeiten verrichtet hätten. Die Arbeitnehmer würden sohin dem Kollektivvertrag „Holzbau-Meistergewerbe Burgenland 2019“ unterliegen und seien aufgrund der Ergebnisse der Baustellenkontrolle als angelernte Arbeiter mit dreijähriger facheinschlägiger Praxis einzustufen. Als solchen stehe diesen ein Bruttostundenlohn in Höhe von € 14,59 zu. Da nicht mit der für ein Verwaltungsstrafverfahren erforderlichen Sicherheit festgestellt werden könne, dass die Arbeitnehmer im gegenständlichen Beschäftigungszeitraum vom 6. bis 12. März 2020 für 40 Stunden auf der Baustelle beschäftigt gewesen seien, werde zugunsten des Revisionswerbers festgestellt, dass sie lediglich 32 Stunden auf der Baustelle tätig gewesen seien. Unter Zugrundelegung von 32 Arbeitsstunden ergebe sich ein geschuldeter Bruttolohn in Höhe von € 466,88. Tatsächlich sei einem der beiden Arbeitnehmer - umgerechnet - ein Betrag in Höhe von € 136,59 (4,26 x 32) ausbezahlt worden, woraus sich eine Unterentlohnung in Höhe von € 330,29 bzw. 70,80 % ergebe. Dem anderen Arbeitnehmer sei - umgerechnet - ein Betrag in Höhe von € 101,44 (3,17 x 32) ausbezahlt worden, weshalb sich eine Unterentlohnung in Höhe von € 365,44 bzw. 78,27 % ergebe.
5 Die Feststellungen ergäben sich aus dem unbedenklichen Akteninhalt und seien auch nicht bestritten worden. Die Feststellungen zum tatsächlich ausbezahlten Arbeitslohn beruhten auf den Angaben der Arbeitnehmer in den von ihnen bei der Kontrolle ausgefüllten Baustellenerhebungsprotokollen. Den vom Revisionswerber erstmals im Rahmen der mündlichen Verhandlung in ungarischer Sprache vorgelegten, von den Arbeitnehmern unterfertigten Lohnunterlagen, die einen gegenüber dem festgestellten tatsächlichen Arbeitslohn zusätzlich geleisteten Lohn belegen sollten, werde kein Glaube geschenkt. Schon in Hinblick auf die späte Vorlage der Unterlagen im Verfahren überzeugten diese das Gericht trotz der Unterschriften der Arbeitnehmer nicht. Vielmehr sei davon auszugehen, dass - wäre tatsächlich ein zusätzlicher Lohn für die Tätigkeit in Österreich bezahlt worden - ein entsprechender Nachweis schon viel früher im Verfahren vorgelegt worden wäre. Unterstützt werde diese Ansicht auch durch den Umstand, dass die Angaben des Revisionswerbers zum bezahlten Lohn für die Arbeit in Österreich divergierten. So werde in den Entsendemeldungen von einem Bruttostundenlohn von € 14,15 gesprochen, wohingegen in der mündlichen Verhandlung angegeben worden sei, dass für eine Tätigkeit in Österreich von 24 Stunden ein Betrag von € 339,60 netto zusätzlich bezahlt worden sei, was rechnerisch einem Nettostundenlohn von € 14,15 entspräche. Der in der mündlichen Verhandlung vernommene Arbeitnehmer habe zwar über Nachfragen des Rechtsvertreters angegeben, das Geld erhalten zu haben, wenn er unterschrieben habe. Das Gericht habe jedoch den Eindruck gehabt, dass er für seinen Arbeitgeber eine möglichst günstige Aussage habe machen wollen. Hinzu komme, dass der Arbeitnehmer auch angegeben habe, nicht mehr zu wissen, ob er mehr Geld bekomme, wenn er in Österreich arbeite.
6 In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht - soweit für das Revisionsverfahren von Relevanz - aus, den Arbeitnehmern wäre für ihre Tätigkeit in Österreich im März 2020 ein Entgelt von jeweils insgesamt € 466,88 zugestanden, dass diese den Feststellungen zufolge nicht [zur Gänze] erhalten hätten. Dies habe der Revisionswerber als handelsrechtlicher Geschäftsführer des Arbeit gebenden Unternehmens zu verantworten. Verschulden in Form der Fahrlässigkeit liege beim Revisionswerber vor.
7 Die Spruchkorrekturen seien zur Anpassung an das Ergebnis des Beweisverfahrens erforderlich und zulässig. Da der angegebene Zeitpunkt der Kontrolle kein notwendiger Spruchbestandteil, sondern maßgeblich der in den Sprüchen ebenfalls angegebene Beschäftigungszeitraum sei, habe die diesbezügliche Angabe entfallen können. Da der maßgebliche Beschäftigungszeitraum ohnehin mit Anfang und Ende angeführt sei, bestehe die in der Beschwerde behauptete Gefahr einer Doppelbestrafung nicht.
8 3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.
9 4.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
10 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
11 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen (vgl. zB VwGH 21.3.2022, Ra 2022/11/0052 mwN).
12 4.2. Die Revision bringt zur Begründung ihrer Zulässigkeit zunächst vor, sowohl das Verwaltungsgericht als auch die belangte Behörde seien in Hinblick auf die Umschreibung der Tatzeit mehrfach von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes abgewichen. Die belangte Behörde habe den Tatbestand des § 29 LSD-BG zu Lasten des Revisionswerbers als bloßes Zustandsdelikt qualifiziert. Dementgegen habe das Verwaltungsgericht jegliche Tatzeit entfallen lassen. Für den Revisionswerber sei aufgrund nicht unverkennbarer Umschreibung des Tatverhaltens und Tatbildes - nach Ort und Zeit gemäß § 44a Z 1 VStG - zu keinem Zeitpunkt des Verfahrens ersichtlich gewesen, ob er nicht nochmals für dasselbe Verhalten zur Verantwortung gezogen werden könne. Die ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a VStG verlange eine so ausreichende und eindeutige Umschreibung der Tat im Spruch, dass kein Zweifel mehr darüber bestehe, wofür der Täter bestraft werde.
13 Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 44a Z 1 VStG hat die Tatumschreibung - wie die Revision zutreffend ausführt - so präzise zu sein, dass der Beschuldigte seine Verteidigungsrechte wahren kann und er nicht der Gefahr einer Doppelbestrafung ausgesetzt ist (vgl. dazu etwa VwGH 29.11.2021, Ra 2020/11/0134, mwN).
14 Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung liegen die von der Revision vorgebrachten Mängel in der Umschreibung der Tatzeit der angelasteten Verwaltungsübertretung nicht vor. Bereits die belangte Behörde nahm als Tatzeit(raum) den in beiden Spruchpunkten des Straferkenntnisses ausdrücklich angeführten Beschäftigungszeitraum an. Das Verwaltungsgericht nahm an dieser Umschreibung der Tatzeit keine Änderung vor. Insbesondere ließ das Verwaltungsgericht nicht - wie behauptet - „jegliche Tatzeit“ entfallen, sondern lediglich den von der belangten Behörde ebenfalls in beide Spruchpunkte seines Straferkenntnisses aufgenommenen Kontrollzeitpunkt. Eine Abweichung der angefochtenen Entscheidung von den Leitlinien zu den Anforderungen an die Tatumschreibung gemäß § 44a Z 1 VStG ist ebensowenig ersichtlich wie die ebenfalls behauptete „Erweiterung des Tatzeitraums“ durch das Verwaltungsgericht.
15 Ferner führt die Revision im Rahmen der Zulässigkeitsbegründung ins Treffen, das Verwaltungsgericht habe eine unzulässige Beweisgewichtung vorgenommen, indem es eine negative Gewichtung sämtlicher Beweismittel - insbesondere der vorgelegten Urkunden - zum Tatbestand der Unterentlohnung zu Lasten des Revisionswerbers getroffen habe.
16 Damit wendet sich die Revision gegen die Beweiswürdigung. Sie legt jedoch mit ihrem bloß allgemein gehaltenen Vorbringen nicht konkret auf den Fall bezogen dar, dass das Verwaltungsgericht die Beweiswürdigung in einer die Rechtssicherheit beeinträchtigenden, unvertretbaren Weise vorgenommen hätte (zum diesbezüglichen Prüfungsmaßstab vgl. etwa VwGH 27.10.2020, Ra 2019/11/0022, mwN).
17 In der Revision werden sohin keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG zurückzuweisen.
Wien, am 25. April 2022
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022110062.L00Im RIS seit
09.05.2022Zuletzt aktualisiert am
01.06.2022