TE Vwgh Beschluss 2022/4/25 Ra 2022/11/0033

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Veröffentlicht am 25.04.2022
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Index

10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG)
10/07 Verwaltungsgerichtshof
90/02 Führerscheingesetz

Norm

B-VG Art133 Abs4
FSG 1997 §24 Abs4
VwGG §28 Abs3
VwGG §34 Abs1

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick, die Hofrätin Mag. Hainz-Sator und den Hofrat Dr. Faber als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision der Dr. U P in K, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 28. Dezember 2021, Zl. LVwG-652192/6/MS, betreffend Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung gemäß § 24 Abs. 4 FSG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Braunau), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1        1. Mit Vorstellungsbescheid der belangten Behörde vom 16. Juli 2021 wurde die Revisionswerberin gemäß § 24 Abs. 4 FSG aufgefordert, sich innerhalb eines Monats ab Rechtskraft des Bescheids bei der belangten Behörde amtsärztlich untersuchen zu lassen.

2        2. Mit dem hier angefochtenen Erkenntnis wies das Landesverwaltungsgericht Oberösterreich (Verwaltungsgericht) die Beschwerde der Revisionswerberin gegen den oben genannten Bescheid ab und erklärte unter einem die Revision für unzulässig.

3        Begründend hielt das Verwaltungsgericht fest, es sei am 19. Jänner 2021 an einem bestimmt bezeichneten Ort zu einem Verkehrsunfall gekommen, bei welchem das von der Revisionswerberin gelenkte Kraftfahrzeug mit einem entgegenkommenden Pkw kollidiert sei. Bei einem mit der Revisionswerberin durchgeführten Alkoholtest der Atemluft sei es nach mehreren Fehlversuchen lediglich zu einem verwertbaren Ergebnis gekommen. Im Zuge der in der Folge durchgeführten klinischen Untersuchung sei in dem amtsärztlichen Gutachten festgehalten worden, dass die Revisionswerberin zum Zeitpunkt des Lenkens des Fahrzeuges durch Alkohol beeinträchtigt gewesen sei, wobei zum Zeitpunkt der Blutabnahme eine Blutalkoholkonzentration von 1,84 Promille nachgewiesen worden sei. Die belangte Behörde ersuchte in der Folge um eine amtsärztliche Beurteilung des oben dargestellten Sachverhalts insbesondere dahingehend, ob von einer Alkoholabhängigkeit bzw. von einem gehäuften Missbrauch auszugehen sei. In einem Vermerk der befassten Amtsärztin habe diese zusammengefasst festgehalten, dass hinsichtlich der Revisionswerberin mit Sicherheit von einer hohen Alkoholverträglichkeit bzw. -gewöhnung auszugehen sei, da ausgehend von dem nachgewiesenen hohen Alkoholgehalt eine starke Toleranzentwicklung vorliegen müsse, die durch in Gesellschaft übliche Trinkmengen nicht erreicht werden könne. Es sei zumindest von einem schädlichen Alkoholgebrauch auszugehen. Seit dem Vorfall im Jänner 2021 habe die Revisionswerberin keine führerscheinrelevanten Übertretungen begangen.

4        Der Bescheid, mit welchem der Revisionswerberin aufgrund des Vorfalls am 19. Jänner 2021 in einem gesondert geführten Verfahren die Lenkberechtigung infolge Lenkens eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand entzogen worden sei, sei mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 11. März 2021 mit der Begründung behoben worden, dass das von der Revisionswerberin gesetzte Verhalten beim Alkoholtest eine Verweigerung darstelle, weshalb der Revisionswerberin die Lenkberechtigung nicht infolge des Lenkens in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand, sondern infolge der Verweigerung des Alkotests hätte entzogen werden müssen. Ebenso sei der Beschwerde der Revisionswerberin gegen ein gegen sie ergangenes Straferkenntnis wegen Lenkens eines Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand mit Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Oberösterreich vom 8. Juni 2021 Folge gegeben worden, weil der Revisionswerberin richtigerweise die Weigerung, ihre Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen zu lassen, vorzuwerfen gewesen wäre.

5        In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, Voraussetzung für die Erlassung eines Aufforderungsbescheides nach § 24 Abs. 4 FSG sei das Vorliegen begründeter Bedenken im Zeitpunkt der Bescheiderlassung dahingehend, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst seien, nicht mehr besitze. Zu den Anforderungen an die Beurteilung eines Aufforderungsbescheides gemäß § 24 Abs. 4 FSG gehöre es, die - aktuellen - Bedenken gegen die gesundheitliche Eignung nachvollziehbar dazulegen, die auch noch im Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides von Seiten der Behörde bestehen müssten. Die gegenständliche Aufforderung zur amtsärztlichen Untersuchung zum Zwecke der Feststellung der gesundheitlichen Eignung der Revisionswerberin zum Lenken von Kraftfahrzeugen gründe auf dem im Behördenakt aufliegenden Aktenvermerk der Amtsärztin vom 23. Juni 2021. Dabei handle es sich um medizinische Ausführungen dahingehend, dass bei einer Blutalkoholkonzentration von 2,0 Promille auf das Vorliegen einer Alkoholgewöhnung der Revisionswerberin geschlossen werden könne. Für das Verwaltungsgericht sei es nachvollziehbar, dass die belangte Behörde ausgehend vom gegenständlichen Sachverhalt begründete Bedenken hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung der Revisionswerberin zum Lenken von Kraftfahrzeugen habe. Es sei geradezu ausgeschlossen, dass die Revisionswerberin die Inbetriebnahme und das Lenken eines Kraftfahrzeuges auch dann hätte bewerkstelligen können, wenn sie im Übrigen keinen - oder nur geringe Mengen - Alkohol konsumiere und der vorliegende Alkoholisierungsgrad ein Einzelereignis dargestellt hätte. Seit dem 19. Jänner 2021 seien bis zum bekämpften Bescheid sechs Monate bzw. zur vorliegenden Entscheidung ca. 11 Monate vergangen. Sowohl im Zeitpunkt der Erlassung des bekämpften Bescheides durch die belangte Behörde als auch im Zeitpunkt der Erlassung der Entscheidung durch das Verwaltungsgericht würden Bedenken im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung der Revisionswerberin zum Lenken von Kraftfahrzeugen vorliegen, da die zwischenzeitlich verstrichene Zeit nicht ausreichen könne, um diese Bedenken zu zerstreuen. Dem Vorbringen, die vorliegende Anordnung verstoße angesichts der Aufhebung des Bescheides betreffend die Entziehung der Lenkberechtigung gegen die Rechtskraftwirkung des Entziehungsbescheides, sei zu entgegnen, dass die Aufforderung gemäß § 24 Abs. 4 FSG abseits eines Entziehungsverfahrens erfolge, sodass aus dem Grundsatz der Einheitlichkeit des Entziehungsverfahrens für den gegenständlichen Fall nichts zu gewinnen sei. Hinsichtlich des Vorbringens, das rechtskräftig abgeschlossene Verwaltungsstrafverfahren habe ergeben, dass die Alkoholisierung nicht hätte nachgewiesen werden können, sei festzustellen, dass die Aufhebung des bekämpften Straferkenntnisses erfolgt sei, weil die belangte Behörde der Revisionswerberin zur Last gelegt hätte, in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand ein Kraftfahrzeug gelenkt zu haben, obwohl sie richtigerweise zugrunde hätte legen müssen, dass sich diese geweigert habe, ihre Atemluft auf Alkohol kontrollieren zu lassen. Eine Feststellung, dass die Revisionswerberin zum Zeitpunkt des Lenkens des Kraftfahrzeuges nicht im festgestellten Ausmaß alkoholisiert gewesen sei, finde sich in diesem Straferkenntnis nicht. Das Doppelbestrafungsverbot sei im gegenständlichen Fall nicht relevant, da es sich vorliegend nicht um ein Strafverfahren handle.

6        3. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

7        4. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8        Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9        Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof ausschließlich im Rahmen der dafür in der Revision gesondert vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

10       4.1. Die Revision bringt zu ihrer Zulässigkeit zunächst vor, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zum Grundsatz ne bis in idem ab. Mit diesem Vorbringen wird schon deswegen nicht aufgezeigt, dass die Behandlung der Revision von der Beantwortung einer Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG abhängt, weil keine auf die vorliegende Fallkonstellation konkret bezogene hg. Judikatur angegeben wird, von der das Verwaltungsgericht behauptetermaßen abgewichen wäre. Das gilt auch für das Zulässigkeitsvorbringen, das angefochtene Erkenntnis verstoße gegen die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Bindungswirkung von Entscheidungen im Verwaltungsstrafverfahren.

11       4.2. Die Ausführungen betreffend die automatische Verlängerung der Entziehungsdauer, wegen der angeblich unangemessen kurzen Frist zur Absolvierung der amtsärztlichen Untersuchung, gehen insofern ins Leere, als das vorliegende Erkenntnis nicht im Zusammenhang mit einer angeordneten Entziehung der Lenkberechtigung für eine bestimmte Dauer steht, die sich wegen der Anordnung der amtsärztlichen Untersuchung verlängern könnte.

12       4.3. Letztlich bringt die Revision zur Zulässigkeitsbegründung vor, dass sich das angefochtene Erkenntnis auf keine ausreichend begründeten Bedenken im Sinne des § 24 Abs. 4 FSG stützen könne.

13       Nach ständiger Judikatur ist ein Aufforderungsbescheid gemäß § 24 Abs. 4 FSG nur dann zulässig, wenn im Zeitpunkt seiner Erlassung begründete Bedenken in der Richtung bestehen, dass der Inhaber der Lenkberechtigung die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen derjenigen Klassen, die von seiner Lenkberechtigung erfasst werden, nicht mehr besitzt, und ein aktuelles amtsärztliches Gutachten ohne eine neuerliche Untersuchung des Betreffenden oder ohne neue Befunde nicht erstellt werden kann. Hiebei geht es zwar noch nicht darum, konkrete Umstände zu ermitteln, aus denen bereits mit Sicherheit auf das Fehlen einer Erteilungsvoraussetzung geschlossen werden kann, es müssen aber genügend begründete Bedenken in dieser Richtung bestehen, die die Prüfung des Vorliegens solcher Umstände geboten erscheinen lassen. Derartige Bedenken sind in einem Aufforderungsbescheid nachvollziehbar darzulegen (vgl. VwGH 15.5.2019, Ra 2019/11/0032, mit Verweis auf VwGH 13.8.2004, Zl. 2004/11/0063, und VwGH 27. 1. 2005, Zl. 2004/11/0217, je mwN).

14       Das Vorliegen von begründeten Bedenken im Sinne des § 24 Abs. 4 FSG stellt dabei eine rechtliche Beurteilung der einzelfallbezogenen Umstände dar, die in ihrer Bedeutung in der Regel über den Einzelfall nicht hinausgeht und deren Anfechtung eine Zulässigkeit der Revision nur dann begründen kann, wenn die Revision aufzuzeigen vermag, dass dem Verwaltungsgericht bei dieser Beurteilung eine krasse Fehlbeurteilung unterlaufen wäre. Inwiefern dies vorliegend der Fall sein sollte, führt die Revision nicht aus.

15       4.4. Insofern die Revision unter der Überschrift „Mangelhafte Begründung des Erkenntnisses“ wiederum ausführt, das Verwaltungsgericht sei an das Erkenntnis vom 18. Mai 2021 gebunden gewesen, ist sie auf das oben unter Punkt 4.1. Gesagte zu verweisen. Im Übrigen ist angesichts der Darstellung der Begründung im angefochtenen Erkenntnis, welche ausgehend von Sachverhaltsfeststellungen, welche sich auf eine nicht unvertretbare Beweiswürdigung gründen, eine strukturiert ausgeführte rechtliche Beurteilung enthält, nicht zu ersehen, inwiefern dem angefochtenen Erkenntnis ein Begründungsmangel anhaften sollte.

16       Die bloß in den Raum gestellte Behauptung, die zur Befolgung der Anordnung gesetzte Frist sei unangemessen kurz, weil es der Revisionswerberin in Hinblick auf die frühestens binnen einer Frist von zwei Monaten erhältlichen amtsärztlichen Termin nicht möglich sei, die einmonatige Frist einzuhalten, zeigt das Vorliegen einer Rechtsfrage gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG ebenfalls nicht auf, weil einerseits in der Beschwerde gegen die bereits im Vorstellungsbescheid gesetzte Frist von einem Monat ab Rechtskraft keine Bedenken hinsichtlich ihrer Dauer geäußert wurden und andererseits auch nicht dargetan wird, dass vorliegendenfalls eine unvertretbare Einzelfallentscheidung erfolgt wäre.

17       4.5. In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 25. April 2022

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2022110033.L00

Im RIS seit

09.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

01.06.2022
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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