TE OGH 2022/3/18 6Ob33/22d

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Veröffentlicht am 18.03.2022
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Hon.-Prof. Dr. Gitschthaler als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen und Hofräte Dr. Nowotny, Dr. Hofer-Zeni-Rennhofer, Dr. Faber und Mag. Pertmayr als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Fahrschule L* S*, vertreten durch Ferner Hornung & Partner Rechtsanwälte GmbH in Salzburg, gegen die beklagte Partei W* R*, wegen 13.132,80 EUR sA, über den Rekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 29. November 2021, GZ 2 R 23/21v-21, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 25. März 2021, GZ 11 C 284/20f-7, aufgehoben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Der Rekurs wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihres Rechtsmittels selbst zu tragen.

Text

Begründung:

[1]                     Der Kläger begehrte vom in der Klage als „Fahrschule G* Inh. W* R*“ bezeichneten beklagten Partei die Zahlung von 13.132,80 EUR sA, weil er irrtümlich Rechnungen über Leistungen bezahlt habe, die eine dritte Schulungseinrichtung dem Beklagten gegenüber erbracht habe.

[2]             In einem rechtzeitig erhobenen Einspruch berief sich der Beklagtenvertreter auf eine Vollmacht des Ing. R* K*, Inhaber der Fahrschule G*, und brachte unter anderem vor, dass W* R* der ehemalige Inhaber der Fahrschule sei.

[3]          Das Erstgericht wies die Klage ohne Durchführung eines Beweisverfahrens mangels Aufschlüsselung des begehrten Pauschalbetrags wegen Unschlüssigkeit ab.

[4]          Das Berufungsgericht berichtigte die Parteienbezeichnung der beklagten Partei von „Fahrschule G* Inh. W* R*“ auf „W* R*“ (Spruchpunkt 2.). Weiters hob es aus Anlass der Berufung das Urteil des Erstgerichts und das diesem vorangegangene Verfahren ab der Zustellung der Klage als nichtig auf und verwies die Rechtssache zur Erneuerung des Verfahrens an das Erstgericht zurück (Spruchpunkt 1.), ohne einen Zulässigkeitsausspruch nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO in seine Entscheidung aufzunehmen.

[5]            Das Berufungsgericht war der Ansicht, W* R* sei schon nach dem Inhalt der Klage objektiv als Beklagter anzusehen. Dies habe der Kläger zudem im erstinstanzlichen Verfahren und auch in der Berufung mehrfach klargestellt. Es traf aufgrund im Wege des Erstgerichts durchgeführter Erhebungen Feststellungen zur Zustellung des erstgerichtlichen Zahlungsbefehls und vertrat die Auffassung, dass der Zahlungsbefehl an W* R* mangels Vorliegens einer Abgabestelle an der Fahrschuladresse nicht wirksam zugestellt worden sei. Die Prozesshandlungen der in den Prozess einbezogenen „Quasi-Partei“ Ing. R* K* verstießen – bezogen auf die richtige Partei W* R* – gegen § 477 Abs 1 Z 4 ZPO. Das Urteil und das Verfahren ab Zustellung an die verfahrensfremde Person Ing. R* K* seien daher als nichtig aufzuheben und die Klage der richtigen Partei W* R* (an dessen Privatadresse) zuzustellen.

Rechtliche Beurteilung

[6]       Der nur gegen den Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts (Spruchpunkt 1.) gerichtete Rekurs des Klägers ist nicht zulässig.

[7]                     1.1 Nach § 519 Abs 1 Z 2 ZPO ist gegen berufungsgerichtliche Beschlüsse, soweit dadurch das erstgerichtliche Urteil aufgehoben und dem Gericht erster Instanz eine neuerliche, nach Ergänzung des Verfahrens zu fällende Entscheidung aufgetragen wird, der Rekurs an den Obersten Gerichtshof nur dann zulässig, wenn das Berufungsgericht dies ausgesprochen hat. Die Zulässigkeit des Rekurses gegen einen solchen Aufhebungsbeschluss ist daher an einen ausdrücklichen Zulassungsausspruch des Gerichts zweiter Instanz gebunden. Fehlt ein solcher Ausspruch, ist auch ein außerordentlicher Rekurs ausgeschlossen (RS0043880; RS0043898). Im vorliegenden Fall enthält der Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts keinen solchen Ausspruch.

[8]          1.2 Auch aus der Beschlussbegründung ist kein Zulassungswille des Berufungsgerichts iSd § 519 Abs 1 Z 2 ZPO wegen Vorliegens der Voraussetzungen nach § 502 ZPO erkennbar (§ 519 Abs 2 ZPO), aus dem geschlossen werden könnte, dass ein Ausspruch über die Zulässigkeit des Rekurses an den Obersten Gerichtshof im Spruch des Aufhebungsbeschlusses bloß versehentlich unterblieben ist (vgl RS0043986 [T10]).Vielmehr hat das Berufungsgericht zutreffend lediglich auf die Zulässigkeit des Vollrekurses gegen seinen funktional als Erstgericht getroffenen Beschluss über die Berichtigung der Parteienbezeichung hingewiesen (RS0039608).

[9]                     2.1 Die Zulässigkeit des Vollrekurses gegen einen funktional als Erstgericht getroffenen Beschluss des Berufungsgerichts über die Berichtigung der Parteienbezeichung wird in analoger Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO (RS0039608 [T4]) damit begründet, dass durch eine „Richtigstellung“ der Parteibezeichnung, die wegen eines dadurch bewirkten Parteiwechsels unzulässig ist, die Fortsetzung des Verfahrens mit der Altpartei verweigert wird, was im Ergebnis einer Klagezurückweisung gleichkommt (2 Ob 214/20h). Dies schlägt grundsätzlich auf einen mit einer solchen Richtigstellung als notwendige Folge verbundenen Aufhebungsbeschluss des Berufungsgerichts durch (Musger in Fasching/Konecny, Zivilprozessgesetze³ § 519 ZPO Rz 48).

[10]     2.2 Im vorliegenden Fall wendet sich der Kläger jedoch nicht gegen die Richtigstellung der Parteienbezeichnung durch das Berufungsgericht. Er war und ist ohnehin selbst der Ansicht, dass sich die Klage gegen W* R* richte und dieser daher Beklagter sei. Bereits in seiner Berufung hat er daher die Nichtigkeit des erstinstanzlichen Urteils geltend gemacht und dessen Aufhebung begehrt, weil es gegen die Rechtskraft des gegenüber W* R* erlassenen Zahlungsbefehls verstoße. In seinem nunmehrigen Rekurs bekämpft er auch lediglich die Feststellungen und die Beurteilung des Berufungsgerichts, wonach eine wirksame Zustellung des Zahlungsbefehls an W* R* bisher nicht erfolgt sei.

[11]           2.3 Für den Kläger liegt daher eine Prozesslage, in der ihm die begehrte Fortsetzung des Verfahrens mit der „Altpartei“ (hier Ing. R* K*) verweigert würde und die deshalb eine analoge Anwendung des § 519 Abs 1 Z 1 ZPO auch auf den Aufhebungsbeschluss begründen könnte, nicht vor. Seine Situation unterscheidet sich nicht von jenen Fällen, in denen das Berufungsgericht sonst das Vorliegen eines Nichtigkeitsgrundes bejaht und deshalb das Ersturteil oder auch das ihm vorangegangene Verfahren aufhebt, ohne die Klage zurückzuweisen. Solche Aufhebungsbeschlüsse sind aber gemäß § 519 Abs 1 Z 2 ZPO nur anfechtbar, wenn das Berufungsgericht dies ausgesprochen hat (2 Ob 54/12y; vgl RS0043986 [T3]).

[12]     3. Der Rekurs ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

[13]     4. Die Kostenentscheidung gründet auf §§ 50, 41 ZPO. Eine Rekursbeantwortung wurde nicht erstattet.

Textnummer

E134659

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0060OB00033.22D.0318.000

Im RIS seit

09.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

09.05.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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