TE OGH 2022/4/20 13Os5/22t

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Veröffentlicht am 20.04.2022
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Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. April 2022 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Lässig als Vorsitzenden sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Mag. Michel, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Oberressl und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Brenner und Dr. Setz-Hummel LL.M. in Gegenwart des Schriftführers Mag. Socher, BA, im Verfahren zur Unterbringung des * L* in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengericht vom 24. November 2021, GZ 33 Hv 22/21x-40, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

[1]       Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Antrag der Staatsanwaltschaft auf Unterbringung des * L* in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB abgewiesen.

[2]            Dem Antrag zufolge habe der Betroffene am 3. September 2019 in K* unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Zustands (§ 11 StGB), der auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad, nämlich einer schizophrenen Psychose mit bereits eingetretener Residualsymptomatik, beruht, folgende Personen jeweils durch gefährliche Drohung mit dem Tod zu nachstehendem Verhalten genötigt, und zwar

(1) * B* „zur Unterlassung der beabsichtigten Abnahme“ eines Küchenmessers, indem er dieses „über seinen Kopf mit der Spitze in Richtung des in unmittelbarer Nähe stehenden B* hochhob“, sowie

(2) * B* und * T* zum Verlassen seiner Wohnung, indem er „mit dem Messer mit der Klinge voraus gegen diese zeigend auf sie zuging und sie anwies, umgehend seine Wohnung zu verlassen“.

Rechtliche Beurteilung

[3]       Gegen das Urteil wendet sich die aus § 281 Abs 1 Z 4 (iVm § 433 Abs 1) StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft.

[4]            In der Hauptverhandlung hatte die Beschwerdeführerin Folgendes beantragt:

- „die Einvernahme des Zeugen * T*, da die Voraussetzungen des § 157 Abs 1 Z 3 StPO nicht vorliegen, zumal er Angaben zu einem Beweisthema machen kann, dass ihm nicht im Rahmen seiner Betreuung bekannt geworden ist, sondern weil er Tatzeuge ist“ (ON 27 S 6), weiters

- „die Einvernahme des Zeugen * B*, da die Voraussetzungen nach § 157 Abs 1 Z 3 StPO nicht vorliegen, zumal es sich einerseits um keine anerkannte Einrichtung im Sinne der genannten Gesetzesbestimmung handelt und andererseits ein Beweisthema vorliegt, welches der Zeuge nicht im Rahmen seiner Betreuung und Beratung wahrgenommen hat, sondern es sich beim Zeugen um einen Tatzeugen handelt, dies unter Bezugnahme auf die vorherigen Ausführungen zum Zeugen T*“ (ON 27 S 8) und

- „neuerlich die Einvernahme der beiden Zeugen B* und T*“ „mit der Begründung, dass ihnen der gegenständliche Vorfall nicht in ihrer Eigenschaft als Mitarbeiter einer anerkannten Einrichtung im Sinne des § 157 Abs 3 Z 3 StPO zur Kenntnis gelangte“ (ON 39 S 5).

[5]            Der Verfahrensrüge zuwider wurden diese – auf Vernehmung der genannten Personen als Zeugen, somit auf Beweisaufnahmen, gerichteten – Anträge vom Schöffensenat schon deshalb zu Recht abgewiesen (ON 27 S 7 und 9; ON 39 S 5), weil sie kein Beweisthema nannten (§ 55 Abs 1 zweiter Satz StPO).

[6]            Hinzugefügt sei, dass sich die Beschwerdeführerin gegen die (ihrer Ansicht nach) irrige Gewährung eines Rechts auf Aussageverweigerung nur durch einen (begründeten) Antrag, dem jeweiligen Zeugen kein solches Recht einzuräumen, hätte zur Wehr setzen können. Unter dieser Voraussetzung wäre insoweit Urteilsanfechtung aus § 281 Abs 1 Z 4 StPO infrage gekommen (RIS-Justiz RS0113906 [insbesondere T3]; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 362 und 364).

[7]            Im Übrigen hat das Schöffengericht das Recht auf Aussageverweigerung nach § 157 Abs 1 Z 3 StPO, von dem sowohl T* als auch B* in der Hauptverhandlung Gebrauch machten (ON 27 S 6 und 8), diesen beiden Zeugen ohnedies rechtsfehlerfrei gewährt:

[8]            Nach der Aktenlage (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 40 ff) waren die Genannten „Mitarbeiter anerkannter Einrichtungen zur psychosozialen Beratung und Betreuung“ (zu den Begriffen Kirchbacher/Keglevic, WK-StPO § 157 Rz 26), nämlich T* der Lebenshilfe * und B* des – vom Land * finanzierten – Vereins I* (ON 2 S 14 f und 21, ON 27 S 6 und 7 f und ON 36). „[I]n dieser Eigenschaft“, nämlich im Rahmen eines Besuchs in der Wohnung des Betroffenen als dessen Betreuer (ON 2 S 15 f und 21, ON 27 S 6) und somit bei der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit (vgl RIS-Justiz RS0105934, 11 Os 15/10f, Hinterhofer, Zeugenschutz und Zeugnisverweigerungsrechte [2004] 372 ff), machten sie Wahrnehmungen über die vom Unterbringungsantrag umfassten Taten.

[9]            Dass sie selbst „Opfer und Tatzeuge[n]“ sind, schließt ihr diesbezügliches Aussageverweigerungsrecht – entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin – nicht aus (vgl 11 Os 135/18i).

[10]     Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher gemäß § 285d Abs 1 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen.

Textnummer

E134663

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0130OS00005.22T.0420.000

Im RIS seit

09.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

09.05.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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