TE OGH 2022/4/22 33R8/22x

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Veröffentlicht am 22.04.2022
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Das Oberlandesgericht Wien hat durch den Senatspräsidenten Dr. Hinger als Vorsitzenden sowie die Richterin Mag. Janschitz und den Richter Dr. Stiefsohn in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. D*****, 2. V*****, 3. mj. S*****, *****, wider die beklagte Partei K*****, wegen EUR 95.400,34 sA über den Rekurs der klagenden Parteien gegen den Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 30.11.2021, 10 Cg 24/21s-29, (Rekursinteresse EUR 2.315,40), den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Dem Rekurs wird teilweise Folge gegeben.

Die angefochtene Kostenentscheidung wird dahin abgeändert, dass sie lautet:

„Die drittklagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 804,46 (darin enthalten EUR 134,08 USt) bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen zu ersetzen.“

Die beklagte Partei ist schuldig, der erstklagenden Partei und der zweitklagenden Partei deren jeweils mit EUR 93,51 (darin enthalten EUR 15,59 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Die beklagte Partei ist weiters schuldig, der drittklagenden Partei die mit EUR 31,17 (darin enthalten EUR 5,20 USt) bestimmten Kosten des Rekursverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Der Revisionsrekurs ist jedenfalls unzulässig.

Begründung

Text

Die Kläger begehren mit ihrer Klage vom 17.5.2021 jeweils EUR 30.000 Schmerzengeld von der Beklagten. Die Erstklägerin begehrt darüber hinaus noch die Kosten des Begräbnisses (EUR 5.400,34) ihres geschiedenen Gatten, dem Vater des Zweit- und des Drittklägers. Dieser [sei] im Krankenhaus der Beklagten [gestorben].

Mit Beschluss vom 20.7.2021 trug das Erstgericht dem Drittkläger ua auf, eine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Klage vorzulegen. Am 28.7.2021 übermittelte das Bezirksgericht ***** den Beschluss vom 19.7.2021, […], mit welchem es die pfegschaftsgerichtliche Genehmigung der Klage des Drittklägers versagte.

In der Streitverhandlung am 22.10.2021 wurde mit mündlich verkündetem Beschluss das Verfahren hinsichtlich des Drittklägers für nichtig erklärt und die Klage des Drittklägers zurückgewiesen. Die Parteien verzichteten auf Rechtsmittel.

Mit dem angefochtenen Beschluss verpflichtete das Erstgericht die Kläger zur ungeteilten Hand, der Beklagten Prozesskosten von EUR 2.315,40 zu ersetzen. Die Beklagte habe die Kosten für die Klagebeantwortung und den vorbereitenden Schriftsatz rechtzeitig in den jeweiligen Schriftsätzen verzeichnet. Der Drittkläger habe das Verfahren trotz Kenntnis des Nichtigkeitsgrundes eingeleitet, sodass ihn ein Verschulden treffe, weshalb er nach § 51 ZPO zum Kostenersatz zu verpflichten sei. Die Erstklägerin und der Zweitkläger hafteten der Beklagten als einfache materielle Streitgenossen (§ 11 Abs 1 ZPO) solidarisch für die Prozesskosten.

Dagegen richtet sich der rechtzeitige Rekurs der Kläger aus dem Rekursgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, dem Rekurs Folge zu geben und den angefochtenen Beschluss dahingehend abzuändern, dass kein Kostenzuspruch an die Beklagte erfolge. Hilfweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagte beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist teilweise berechtigt.

1. Gemäß § 167 Abs 3 ABGB bedürfen Vertretungshandlungen und Einwilligungen eines Elternteils in Vermögensangelegenheiten zu ihrer Rechtswirksamkeit (der Zustimmung des anderen Elternteils und) der Genehmigung des Gerichts, sofern die Vermögensangelegenheit nicht zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehört. Unter dieser Voraussetzung gehören dazu insbesondere unter anderem die Erhebung einer Klage und alle verfahrensrechtlichen Verfügungen, die den Verfahrensgegenstand an sich betreffen. Zum ordentlichen Wirtschaftsbetrieb gehören etwa die Ausschlagung einer Erbschaft geringen Wertes und die Erhebung einer Klage in einer Bagatellangelegenheit (RS0048151).

Nach der Zurückweisung der Klage gegen den Drittkläger ist ihm gegenüber nunmehr die Frage des Kostenersatzes nach § 51 ZPO Verfahrensgegenstand. Damit liegen keine verfahrensrechtlichen Verfügungen über den ursprünglichen Verfahrensgegenstand an sich vor.

Im vorliegenden Rekursverfahren besteht zwar das Risiko für den Drittkläger bei Unterliegen gegenüber der Beklagten kostenersatzpflichtig zu werden, doch halten sich die ihm allenfalls aufzuerlegenden Kosten auch im Fall des gänzlichen Unterliegens angesichts ihres Betrages noch im Rahmen des ordentlichen Wirtschaftsbetriebes, sodass es keiner pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung des Rekurses bedarf. Die Kosten, die im Rekursverfahren auf den Drittkläger entfallen könnten, betragen rund EUR 112. Für die Rekursbeantwortung wären nicht – wie von der Beklagten verzeichnet - Kosten nach TP 3B, sondern lediglich nach TPA 3A zu ersetzen, der doppelt verzeichnete ERV-Kostenbeitrag wäre nur einmal zu honorieren.

2. Das Erstgericht verpflichtete die Erstklägerin und den Zweitkläger gemeinsam mit dem Drittkläger zur ungeteilten Hand, der Beklagten die Kosten des Zwischenstreits zu ersetzen.

Welche Art der Streitgenossenschaft die Kläger im vorliegenden Fall bilden, kann dahingestellt bleiben. Eine Solidarhaftung für die Kosten ist gemäß § 46 ZPO nur für den Fall vorgesehen, dass die zum Kostenersatz verpflichteten Parteien nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechts in der Hauptsache solidarisch zu haften haben. Da es im Prozess in der Hauptsache (abgesehen allenfalls von hier nicht vorliegenden Sonderfällen) immer nur um die Frage der Haftung des Beklagten geht, kann diese Voraussetzung auf Kläger nicht zutreffen, weshalb als Kläger unterlegene Streitgenossen nicht solidarisch für die Prozesskosten haften (siehe Klauser/Kodek, ZPO18 § 46 ZPO E 1; OLG Wien, 1 R 72/21x), und zwar selbst dann nicht, wenn sie eine einheitliche Streitpartei bilden (siehe Klauser/Kodek aaO E 11).

3. Dem Einwand, die Beklagte habe das Kostenverzeichnis im vorliegenden Zwischenstreit nicht rechtzeitig gelegt, wird nicht gefolgt. Die Beklagte wandte in ihrer Klagebeantwortung vom 8.6.2021 ein, dass im vorliegenden Fall keine pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Klage des Drittklägers vorliege und beantragte, die Klage gegen den Drittkläger zurückzuweisen. Am Ende des Schriftsatzes verzeichnete sie ihre Kosten, mit welchen sie einen Kostenzwischenstreit mit den Klägern auslöste.

4. Zutreffend weisen die Kläger darauf hin, dass der Schriftsatz der Beklagten vom 5.10.2021 nicht zu honorieren sei, weil er weder neues Vorbringen noch neue Beweisanträge enthält. Die Frage der Entlohnung eines im Sinn des § 257 Abs 3 ZPO zulässigen und rechtzeitigen Schriftsatzes richtet sich nach der Grundregel des § 41 Abs 1 ZPO, wonach Kostenersatz nur für jene Prozesshandlungen zusteht, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder -verteidigung notwendig sind. Notwendig sind jene Prozesshandlungen, die das prozessuale Ziel der Partei mit dem geringsten Aufwand erreichen (RI0100073). So ist ein Schriftsatz, der nach der Klagebeantwortung, aber vor Beginn der mündlichen Verhandlung eingebracht wurde, nur dann zu entlohnen, wenn er wesentliches Vorbringen enthält, das nicht schon in der Klage oder in der Klagebeantwortung oder in einem vorhergehenden Schriftsatz enthalten hätte sein können (WR 880; EFSlg 101.763 ua).

5. Die Rekurswerber bringen noch vor, dass den Drittkläger kein Verschulden an der Klagsführung treffe. Der Antrag auf pflegschaftsgerichtliche Genehmigung der Klage sei bereits gleichzeitig mit der Klagseinbringung gestellt worden, und der Drittkläger habe davon ausgehen dürfen, dass eine solche Bewilligung erteilt werde.

Diesem Argument ist aus nachstehenden Überlegungen nicht nicht zu folgen:

Die Kosten eines nichtigen Verfahrens sind nur bei alleinigem Verschulden einer Partei dieser alleine aufzuerlegen (§ 51 Abs 1 ZPO); sowohl beim Fehlen als auch beim Vorliegen eines Verschuldens beider Parteien sind diese Kosten vollständig gegeneinander aufzuheben (Obermaier, Kostenhandbuch3 Rz 1.202 mwN; § 51 Abs 2 ZPO).

Die Nichtigkeit des bisherigen Verfahrens ist darauf zurückzuführen, dass für die vom Drittkläger eingebrachte Klage im Zeitpunkt der Klagseinbringung keine pflegschaftgerichtliche Genehmigung vorlag. Der Drittkläger zeigt weder im erstinstanzlichen noch im Rekursverfahren Umstände auf, weshalb ihm die rechtzeitige Einholung der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung vor Einbringen der Klage nicht möglich gewesen sei. Dass er die pflegschaftsgerichtliche Genehmigung erst mit der Klagseinbringung beantragte, schließt das Verschulden nicht aus, weil immer auch mit einem Versagen der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung gerechnet werden muss. Der Drittkläger ist daher nach § 51 ZPO verpflichtet, der Beklagten die aus der Nichtigkeit des Verfahrens entstandenen anteiligen Verfahrenskosten zu ersetzen.

6. Im hier vorliegenden Fall gehen weder das Erstgericht noch die Verfahrensparteien von der zutreffenden rechtlichen Grundlage für die Entscheidung über die Verfahrenskosten aus. In allseitiger Überprüfung der erstgerichtlichen rechtlichen Beurteilung (Kodek in Rechberger/Klicka, ZPO5 § 471 Rz 16) ist daher klarzustellen:

Der Kostenersatzanspruch von Streitgenossen ist im Gesetz nicht besonders geregelt, sodass hier die allgemeinen Grundsätze der §§ 41 und 43 ZPO angewendet werden müssen. Danach hat bei einer Mehrheit obsiegender Parteien jede von ihnen gegenüber dem unterliegenden Teil den Anspruch auf Ersatz der ihr entstandenen Kosten (dazu auch M. Bydlinski in Fasching/Konecny³ II/1 § 41 ZPO Rz 35), wobei allgemein davon ausgegangen wird, dass Kosten der gemeinsamen Prozessführung mehrerer Streitgenossen nach dem jeweiligen Anteil am Streitgegenstand, ausnahmsweise auch nach Kopfteilen, zuzuordnen sind. Vice versa hat der unterlegene Kläger auch nur die anteiligen Kosten gemäß seiner Quote zu ersetzen (vgl Obermaier, Kostenhandbuch³ Rz 1.630).

Im vorliegenden Verfahren sind die Kläger ungefähr gleich am Prozess beteiligt, sodass die Beklagte vom Drittkläger ein Drittel ihrer Kosten der Klagebeantwortung auf Basis des Gesamtstreitwerts ersetzt erhält.

Es ergibt sich folgende Berechnung:

Klagebeantwortung, Bemessungsgrundlage EUR 95.400,34

873,50

100 % Einheitssatz

873,50

15 % Streitgenossenzuschlag

262,05

ERV-Zuschlag

2,10

Zwischensumme

2.011,15

davon ein Drittel

670,38

20 % USt

134,08

Ergebnis

804,46

Einer Kostenersatzpflicht der Erstklägerin und des Zweitklägers im Zusammenhang mit der teilweisen Nichtigerklärung des Verfahrens fehlt die rechtliche Grundlage.

Es war daher dem Rekurs insoweit Folge zu geben, als die Verpflichtung der Erstklägerin und des Zweitklägers zum Kostenersatz zu entfallen hatte, die Kostenersatzpflicht des Klägers war den obigen Ausführungen entsprechend zu reduzieren.

7. Zu den Kosten des Rekursverfahrens:

Die Erstklägerin und der Zweitkläger sind mit ihrem Kostenrekurs zur Gänze durchgedrungen; ihre Kostenersatzpflicht entfiel zu Gänze.

Ausgehend davon dass die drei Kläger auch am Rekursverfahren ungefähr gleich beteiligt waren, waren sowohl der Erstklägerin als auch dem Zweitkläger je einem Drittel der (gesamten) Rekurskosten zuzusprechen. Der Drittkläger obsiegte mit rund zwei Dritteln, ihm steht daher eine Ersatzquote von einem Drittel von „seinem“ Drittel an den gesamten Rekurskosten zu, sodass ihm daher 1/9 der (gesamten) Rekurskosten zuzusprechen waren.

Schlagworte

Zivilverfahrensrecht, Zivilprozess, Kostenersatz, Klägermehrheit, Fehlen der pflegschaftsgerichtlichen Genehmigung, Rechtzeitigkeit der Kostenverzeichnung

Textnummer

EW1149

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OLG0009:2022:03300R00008.22X.0422.000

Im RIS seit

09.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

09.05.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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