TE Vwgh Erkenntnis 1996/5/23 96/07/0013

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Veröffentlicht am 23.05.1996
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
83 Naturschutz Umweltschutz;
95/05 Normen Zeitzählung;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §46;
AWG 1990 §2 Abs5;
AWG 1990 §2 Abs7;
FestsetzungsV gefährliche Abfälle 1991 §1;
FestsetzungsV gefährliche Abfälle 1991 §2;
ÖNORM S 2101;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Hoffmann und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Bumberger, Dr. Pallitsch und Dr. Beck als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Bachler, über die Beschwerde des T in W, vertreten durch Dr. R, Rechtsanwalt in L, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 18. September 1995, Zl. UR-180035/3-1995 Kü/Fo, betreffend Beseitigungsauftrag nach § 32 AWG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 12.500,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Vöcklabruck vom 2. Mai 1995 wurde dem Beschwerdeführer unter Berufung auf § 32 Abs. 1 des Abfallwirtschaftsgesetzes, BGBl. Nr. 325/1990 (AWG) der Auftrag erteilt, die auf dem Grundstück Nr. 385/3, KG W. auf unbefestigtem Grund abgestellten, näher bezeicheten Autowracks (Altautos) bis längstens 31. Mai 1995 nach dem Stand der Technik zu entfernen und nachweislich einer ordnungsgemäßen Entsorgung zuzuführen.

Der Beschwerdeführer berief. Er bestritt u.a., daß es sich bei diesen Autowracks um gefährliche Abfälle handle. Mit Bescheid vom 18. September 1995 wies die belangte Behörde die Berufung ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid mit der Maßgabe, daß die Beseitigungsfrist neu festgesetzt und eine Reihe näher bezeichnteter Autowracks aus dem Beseitigungsauftrag herausgenommen wurde.

In der Begründung dieses Bescheides führte die belangte Behörde zur Frage, ob es sich bei den Autowracks um gefährlichen Abfall handle, aus, im Rahmen des von der Erstbehörde am 23. März 1995 durchgeführten Lokalaugenscheines sei vom beigezogenen Sachverständigen für KFZ-Technik gutachtlich festgehalten worden, daß es sich bei den im Befund genau beschriebenen Fahrzeugen um Schrottfahrzeuge handle, die aus technischer Sicht, auf Grund der langen Lagerung im Freien, keiner weiteren sinnvollen Verwendung mehr zugeführt werden könnten. Vom Sachverständigen sei weiters festgehalten worden, daß in sämtlichen Fahrzeugwracks noch Betriebsmittel (Bremsflüssigkeit, Motoröl, Getriebeöl, Lagerfette) vorhanden seien und daher ein Austreten dieser Flüssigkeiten insbesondere bei Manipulationsarbeiten nicht auszuschließen sei. Auf Grund dieser Umstände sei davon auszugehen, daß die abgestellten Wracks als gefährliche Abfälle im Sinne des AWG anzusehen seien, da ihre Erfassung und Behandlung als Abfall im öffentlichen Interesse geboten sei. Im öffentlichen Interesse liege die Behandlung als Abfall deswegen, weil durch die Ablagerung die Gesundheit von Menschen gefährdet sei, Gefahren für die natürlichen Lebensbedingungen von Tieren und Pflanzen verursacht werden könnten und die Umwelt durch Öl- bzw. Treibstoffverluste über das unvermeidliche Ausmaß hinaus verunreinigt werden könne. Zudem sei nicht auszuschließen, daß von den Gegenständen eine Brand- und/oder Explosionsgefahr ausgehe. Auf Grund des Gutachtens des Amtssachverständigen stehe fest, daß die ordnungsgemäße Behandlung dieser Abfälle im Sinne des § 2 Abs. 5 AWG besondere Umsicht und besondere Vorkehrungen im Hinblick auf die wesentlichen Interessen des § 1 Abs. 3 AWG erfordere und ihre ordnungsgemäße Behandlung jedenfalls weitergehender Vorkehrungen oder einer größeren Umsicht bedürfe, als dies für die Behandlung von Hausmüll entsprechend den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 AWG erforderlich sei. Die Behauptungen des Beschwerdeführers, nicht in allen Autowracks, deren Beseitigung angeordnet worden sei, seien Betriebsmittel vorhanden, stelle sich für die belangte Behörde als reine Schutzbehauptung dar.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhalts und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Der Beschwerdeführer behauptet das Vorliegen einer gewerbebehördlichen Genehmigung für die Ablagerung der Autowracks. Er bestreitet weiters, daß es sich bei diesen Wracks um gefährliche Abfälle im Sinne des AWG handelt.

Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in der Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Nach § 2 Abs. 5 AWG sind gefährliche Abfälle im Sinne dieses Bundesgesetzes Abfälle, deren ordnungsgemäße Behandlung besondere Umsicht und besondere Vorkehrungen im Hinblick auf die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3) erfordert und deren ordnungsgemäße Behandlung jedenfalls weitergehender Vorkehrungen oder einer größeren Umsicht bedarf, als dies für die Behandlung von Hausmüll entsprechend den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 erforderlich ist. Durch Verordnung können ÖNORMEN verbindlich erklärt werden.

Nach § 2 Abs. 7 AWG hat der Bundesminister für Umwelt mit Verordnung festzusetzen, welche Abfälle ihrer Art nach als gefährliche Abfälle (Abs. 5) oder als Problemstoffe (Abs. 6) im Sinne dieses Bundesgesetzes gelten.

§ 2 AWG enthält zwar im Abs. 5 eine Definition der gefährlichen Abfälle, sieht aber nicht deren unmittelbare Anwendung im Einzelfall vor, sondern verpflichtet im Abs. 7 den Bundesminister, durch Verordnung festzusetzen, welche Abfälle als gefährliche Abfälle gelten. Die Definition der gefährlichen Abfälle im § 2 Abs. 5 AWG stellt lediglich die Determinierung für die der Konkretisierung gefährlicher Abfälle dienende Verordnung dar, nicht aber eine unmittelbare Grundlage für die Einstufung eines bestimmten Abfallstoffes als gefährlicher Abfall im Einzelfall. Dies ergibt sich daraus, daß sich die Verpflichtung - nicht eine bloße Ermächtigung - des Bundesministers nach § 2 Abs. 7 AWG nicht bloß auf einen Teil der gefährlichen Abfälle bezieht, sondern auf alle gefährlichen

Abfälle (arg.: "hat .... festzusetzen, welche Abfälle .... als

gefährliche Abfälle (Abs. 5).... gelten.") Als gefährliche

Abfälle gelten daher nur jene Abfälle, die durch Verordnung des Bundesministers für Umwelt als solche eingestuft wurden.

Dem entspricht auch die Verordnung des Bundesministers für Umwelt über die Festsetzung gefährlicher Abfälle, BGBl. Nr. 49/1991.

Nach § 1 dieser Verordnung wird für die Festsetzung von gefährlichen Abfällen, deren ordnungsgemäße Behandlung besondere Umsicht und besondere Vorkehrungen im Hinblick auf die öffentlichen Interessen (§ 1 Abs. 3 des Abfallwirtschaftsgesetzes) erfordert und deren ordnungsgemäße Behandlung jedenfalls weitergehender Vorkehrungen oder einer größeren Umsicht bedarf, als dies für die Behandlung von Hausmüll entsprechend den Grundsätzen des § 1 Abs. 3 erforderlich ist, die - zwischenzeitlich überholte - ÖNORM S 2101, "überwachungsbedürftige Sonderabfälle", ausgegeben am 1. Dezember 1983, für Altmedikamente mit der Maßgabe des § 2 Z. 18 und 19 sowie für Altöle mit der Maßgabe des § 2 Z. 24, für verbindlich erklärt.

Nach § 2 der Verordnung gelten als gefährliche Abfälle weiters die dort in den Punkten 1 bis 24 angeführten Stoffe.

Die Verordnung enthält somit - dem § 2 Abs. 7 AWG entsprechend - keine bloße Teilerfassung gefährlicher Abfälle, sondern eine Gesamterfassung. Abfälle, die von der Verordnung nicht erfaßt sind, sind keine gefährlichen Abfälle.

Die vom angefochtenen Bescheid erfaßten Autowracks stellen nur dann gefährlichen Abfall dar, wenn sie unter die Bestimmungen der Verordnung über die Festsetzung gefährlicher Abfälle subsumiert werden können. Autowracks oder Altautos sind in der Verordnung nicht gesondert erwähnt. Ob sie einer Schlüsselnummer der ÖNORM S 2101 oder einer der Ziffern des § 2 der Verordnung über die Festsetzung gefährlicher Abfälle zugeordnet werden können, läßt sich auf der Basis des von der belangten Behörde festgestellten Sachverhaltes nicht beurteilen. Eine solche Zuordnung ist keine ausschließliche Rechtsfrage, sondern bedarf auch entsprechender, im allgemeinen nur unter Zuhilfenahme eines Sachverständigen möglicher Sachverhaltsermittlungen. Solche Sachverhaltsermittlungen hat die belangte Behörde nicht angestellt, weil sie von der unzutreffenden Auffassung ausging, das Vorliegen gefährlicher Abfälle sei allein anhand des § 2 Abs. 5 AWG zu beurteilen.

Aus den dargestellten Erwägungen erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Kostenersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung

BGBl. Nr. 416/1994.

Schlagworte

Beweismittel Sachverständigenbeweis Beweismittel Sachverständigengutachten

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:1996:1996070013.X00

Im RIS seit

20.11.2000

Zuletzt aktualisiert am

22.09.2008
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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