Entscheidungsdatum
22.04.2022Index
90/01 StraßenverkehrsrechtNorm
StVO 1960 §5 Abs1Text
IM NAMEN DER REPUBLIK
Das Landesverwaltungsgericht Tirol hat durch seinen Richter Mag. Hengl über die Beschwerden der AA, Adresse 1, **** Z, vertreten durch RA BB, Adresse 2, **** Z,
? gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z vom 26.1.2022, ***, betreffend eine Verwaltungsübertretung im Straßenverkehr,
I.
den Beschluss gefasst:
1. Das Beschwerdeverfahren wird eingestellt.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
? gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 26.1.2022, ***, wegen Entziehung der Lenkberechtigung,
II.
zu Recht erkannt:
1. Der Beschwerde wird insofern Folge gegeben, als die Entziehungsdauer auf vier Monate, beginnend ab 24.12.2021, herabgesetzt wird.
2. Die ordentliche Revision ist gemäß Art 133 Abs 4 B-VG nicht zulässig.
E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
A. Beschwerde gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z vom 26.1.2022, ***:
I. Verfahrensgang:
Mit dem angefochtenen Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Z vom 26.1.2022, ***, wurde der nunmehrigen Beschwerdeführerin eine Verwaltungsübertretung im Straßenverkehr, konkret das Lenken eines näher angeführten Kraftfahrzeuges in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand am 24.12.2021 um 16:55 Uhr in **** Z, Adresse 3 auf Höhe des Hauses Nr **, zur Last gelegt.
Dagegen wurde eine fristgerechte Beschwerde eingebracht.
Im Rahmen der mündlichen Verhandlung vom 19.4.2022 wurde dieses Rechtsmittel seitens der Beschwerdeführerin ausdrücklich zurückgezogen.
II. Rechtliche Erwägungen:
Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht die Rechtssache gemäß § 28 Abs 1 VwGVG durch Erkenntnis zu erledigen. Soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist, erfolgen die Entscheidungen und Anordnungen der Verwaltungsgerichte gemäß § 31 Abs 1 VwGVG durch Beschluss.
Aus § 28 Abs 1 und § 31 Abs 1 VwGVG 2014 geht nach der Judikatur (vgl VwGH 29.4.2015, Fr 2014/20/0047) hervor, dass das Verwaltungsgericht in jenem Fall, in dem das Verfahren einzustellen ist, eine Entscheidung in der Rechtsform des Beschlusses zu treffen hat (Hinweis Erkenntnis vom 30.9.2014, Ra 2014/02/0045, bezogen auf § 50 VwGVG 2014 und die Einstellung eines Verwaltungsstrafverfahrens).
Gemäß § 31 Abs 1 VwGVG 2014 erfolgen nämlich die Entscheidungen und Anordnungen eines Verwaltungsgerichtes durch Beschluss, soweit nicht ein Erkenntnis zu fällen ist. § 28 Abs 1 VwGVG 2014 nimmt die Einstellung eines Verfahrens, wozu jedenfalls die Einstellung des Beschwerdeverfahrens zu zählen ist, von der Erledigung mittels Erkenntnis ausdrücklich aus.
Infolge der Zurückziehung des Rechtsmittels wurde dem Beschwerdeverfahren ihre Grundlage entzogen, weshalb das Beschwerdeverfahren aufgrund der obigen Judikatur durch Beschluss einzustellen war.
B. Beschwerde gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Z vom 26.1.2022, ***:
I. Verfahrensgang:
Mit Mandatsbescheid vom 10.1.2022, ***, entzog die Bezirkshauptmannschaft Z der Beschwerdeführerin die Lenkberechtigung für die Klassen AM und B für einen Zeitraum von 6 Monaten, gerechnet ab 24.12.2021, dem Tag der vorläufigen Abnahme des Führerscheines.
Als begleitende Maßnahme wurde die Teilnahme an einer Nachschulung, die vor Ablauf der Entziehungszeit zu absolvieren ist, angeordnet.
Begründend wurde im Mandatsbescheid ausgeführt, dass die Beschwerdeführerin am 24.12.2021 um 16:55 Uhr in Z, Adresse 3 auf Höhe des Hauses Nr **, ein näher angeführtes Kraftfahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe, wobei der Alkoholgehalt der Atemluft 0,62 mg/l betragen habe.
Der fristgerecht dagegen erhobenen Vorstellung wurde mit dem nunmehr bekämpften Bescheid keine Folge gegeben und die Entziehungsdauer im Ausmaß von 6 Monaten samt Anordnung der Nachschulung bestätigt.
In der fristgerecht dagegen erhobenen Beschwerde wurde unter Hinweis auf das Ergebnis der Blutuntersuchung ausgeführt, dass der Promillegehalt der Beschwerdeführerin zum Tatzeitpunkt jedenfalls unter 1,2 Promille gelegen sein müsse und wurde diesbezüglich die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens beantragt.
Darüber hinaus wurde darauf hingewiesen, dass eine Überschreitung der Mindestentziehungsdauer im Ausmaß von vier Monaten im Gegenstandsfall nicht geboten sei, zumal am Baum durch den gegenständlichen Unfall kein Schaden erfolgt sei.
Abschließend wurde in diesem Rechtsmittel beantragt, die Entziehungsdauer auf 3 bzw 4 Monate herabzusetzen und auf die angeordnete begleitende Maßnahme der Teilnahme an einer Nachschulung zu verzichten.
Beweis wurde aufgenommen durch Einsichtnahme in den Strafakt der belangten Behörde zu Zahl *** sowie in den Führerscheinakt ***.
Am 19.4.2022 wurde eine mündliche Verhandlung durchgeführt, in deren Rahmen die Beschwerdeführerin AA in Anwesenheit zweier Vertreter der belangten Behörde mittels Videokonferenz einvernommen wurde.
II. Rechtsgrundlagen:
Im gegenständlichen Fall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetz, BGBl I Nr 120/1997 idF BGBl I Nr 154/2021 (FSG), maßgeblich:
„Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 3.
(1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
1. das für die angestrebte Klasse erforderliche Mindestalter erreicht haben (§ 6),
2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),
3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),
4. fachlich zum Lenken eines Kraftfahrzeuges befähigt sind (§§ 10 und 11) und
5. den Nachweis erbracht haben, in lebensrettenden Sofortmaßnahmen bei einem Verkehrsunfall oder, für die Lenkberechtigung für die Klasse D, in Erster Hilfe unterwiesen worden zu sein.
…
Verkehrszuverlässigkeit
§ 7.
(1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 4) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen
1.die Verkehrssicherheit insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr oder durch Trunkenheit oder einen durch Suchtmittel oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand gefährden wird, oder
2.sich wegen der erleichternden Umstände, die beim Lenken von Kraftfahrzeugen gegeben sind, sonstiger schwerer strafbarer Handlungen schuldig machen wird.
…
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:
1.ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz – SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist;
…
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung
Allgemeines
§ 24.
(1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Auflagen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diesfalls ist gemäß § 13 Abs. 5 ein neuer Führerschein auszustellen.
Für den Zeitraum einer Entziehung der Lenkberechtigung für die Klassen A1, A2, A, B oder F ist auch das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen unzulässig, es sei denn es handelt sich
1. um eine Entziehung gemäß § 24 Abs. 3 achter Satz oder
2. um eine Entziehung der Klasse A mangels gesundheitlicher Eignung, die ausschließlich mit dem Lenken von einspurigen Kraftfahrzeugen zusammenhängt.
Bei besonders berücksichtigungswürdigen Gründen kann von der Entziehung der Klasse AM hinsichtlich der Berechtigung zum Lenken von Motorfahrrädern abgesehen werden. Dies ist auch dann möglich, wenn der Betreffende die Lenkberechtigung für die Klasse AM nur im Wege des § 2 Abs. 3 Z 7 besitzt.
…
(3) Bei der Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann die Behörde begleitende Maßnahmen (Nachschulung und dgl.) oder die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens über die gesundheitliche Eignung anordnen. Die Behörde hat unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a eine Nachschulung anzuordnen:
1. wenn die Entziehung in der Probezeit (§ 4) erfolgt,
1a. wegen einer in § 7 Abs. 3 Z 3 genannten Übertretung,
2. wegen einer zweiten in § 7 Abs. 3 Z 4 genannten Übertretung innerhalb von vier Jahren oder
3. wegen einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 oder 1a StVO 1960.
Die Behörde hat unbeschadet der Bestimmungen des Abs. 3a und sofern es sich nicht um einen Probeführerscheinbesitzer handelt, bei der erstmaligen Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 ein Verkehrscoaching zur Bewusstmachung der besonderen Gefahren des Lenkens von Kraftfahrzeugen unter Alkoholeinfluss oder Suchtgiftbeeinträchtigung und dessen Folgen, bei Begehung einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 innerhalb von fünf Jahren ab der Begehung einer Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 jedoch eine Nachschulung anzuordnen. Im Rahmen des amtsärztlichen Gutachtens kann die Beibringung der erforderlichen fachärztlichen oder einer verkehrspsychologischen Stellungnahme aufgetragen werden. …
Sonderfälle der Entziehung
§ 26.
…
(2) Wird beim Lenken oder Inbetriebnehmen eines Kraftfahrzeuges
…
4. erstmalig ein Delikt gemäß § 99 Abs. 1a StVO 1960 begangen, so ist die Lenkberechtigung auf die Dauer von mindestens vier Monaten zu entziehen,
…“
III. Rechtliche Beurteilung:
Vorauszuschicken ist, dass die Behörden nach dem Führerscheingesetz (§ 35 FSG) an eine rechtskräftige Entscheidung der Strafbehörden gebunden sind (vgl VwGH vom 24.9.2015, Ra 2015/02/0132).
Aufgrund dieser Bindungswirkung, die auch zwischen Verwaltungsgerichten und Behörden gilt, ist gegenständlich davon auszugehen, dass die Beschwerdeführerin den PKW mit dem amtlichen Kennzeichen *** am 24.12.2021 gegen 16:55 Uhr in Z, Adresse 3 auf Höhe des Hauses Nr **, gelenkt und sich hierbei in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden hat, wobei der Alkoholgehalt der Atemluft 0,62 mg/l betragen hat.
Es ist daher von der Verwirklichung einer bestimmten Tatsache im Sinn des § 7 Abs 3 Z 1 FSG (konkret einer Übertretung nach § 99 Abs 1a StVO) auszugehen.
Unter Zugrundelegung der Verwirklichung eines solchen Deliktes war daher gemäß § 26 Abs 2 Z 4 FSG von einer Mindestentziehungsdauer von 4 Monaten auszugehen.
Von der belangten Behörde wurde vermeint, dass die Mindestentziehungsdauer aufgrund der Verursachung eines Verkehrsunfalles analog zu § 26 Abs 1 Z 2 FSG um weitere zwei Monate auf insgesamt sechs Monate auszudehnen sei:
Diesbezüglich gilt anzuführen, dass als Verkehrsunfall jedes plötzliche, mit dem Straßenverkehr ursächlich zusammenhängende, Ereignis anzusehen ist, welches sich auf Straßen mit öffentlichem Verkehr zuträgt und einen Personen- oder Sachschaden zufolge hat (vgl VwGH 15.11.2000, 2000/03/0264). Im Gegenstandsfall ist evident, dass die Beschwerdeführerin einen erheblichen Sachschaden an ihrem eigenen PKW verursacht hat, ein für die Qualifikation eines Verkehrsunfalles mit Sachschaden relevanter Schaden liegt aber nur dann vor, wenn einer vom Unfallverursacher verschiedenen Person ein Vermögensschaden zugefügt wurde (vgl etwa VwGH 18.12.1979, ÖJZ 1980, 556).
Durch die seitens der Beschwerdeführerin in Vorlage gebrachten Bestätigung des CC des Stadtamtes Z, Referat DD, vom 8.4.2022 ist dokumentiert, dass beim Baum, auf den der Anprall des verunfallten Kraftfahrzeuges eingewirkt hat, kein nachhaltiger Schaden entstanden ist und keine Bearbeitung der Baumwunde notwendig sei, sondern der Baum diese Wunde vielmehr selbst schließen werde.
Es ist daher nicht von einem Verkehrsunfall mit Sachschaden auszugehen und erwies es sich vor diesem Hintergrund auch nicht als geboten, die Entziehungsdauer im Gegenstandfall in analoger Anwendung des § 26 Abs 1 Z 2 FSG um zwei Monate auf insgesamt sechs Monate zu erhöhen.
Die Anordnung einer Nachschulung war gemäß § 24 Abs 3 Z 3 FSG in der gegenständlichen Fallkonstellation verpflichtend, sodass spruchgemäß zu entscheiden war.
IV. Unzulässigkeit der ordentlichen Revision:
Die ordentliche Revision ist hinsichtlich beider Spruchpunkte unzulässig, da keine Rechtsfrage iSd Art 133 Abs 4 B-VG zu beurteilen war, der grundsätzliche Bedeutung zukommt.
Weder weicht die gegenständliche Entscheidung von der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab, noch fehlt es an einer Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.
Weiters ist die dazu vorliegende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch nicht als uneinheitlich zu beurteilen. Ebenfalls liegen keine sonstigen Hinweise auf eine grundsätzliche Bedeutung der zu lösenden Rechtsfrage vor.
R e c h t s m i t t e l b e l e h r u n g
Gegen diese Entscheidung kann binnen sechs Wochen ab der Zustellung Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, Freyung 8, 1010 Wien, oder außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof erhoben werden. Die Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof ist direkt bei diesem, die außerordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof ist beim Landesverwaltungsgericht Tirol einzubringen.
Die genannten Rechtsmittel sind von einem bevollmächtigten Rechtsanwalt bzw einer bevollmächtigten Rechtsanwältin abzufassen und einzubringen und es ist eine Eingabegebühr von Euro 240,00 zu entrichten.
Es besteht die Möglichkeit, auf die Revision beim Verwaltungsgerichtshof und die Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof zu verzichten. Ein solcher Verzicht hat zur Folge, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof und eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nicht mehr erhoben werden können.
Landesverwaltungsgericht Tirol
Mag. Hengl
(Richter)
Schlagworte
Entziehung der LenkberechtigungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:LVWGTI:2022:LVwG.2022.31.0554.3Zuletzt aktualisiert am
06.05.2022