TE Lvwg Erkenntnis 2022/3/1 LVwG-S-1896/001-2021

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Veröffentlicht am 01.03.2022
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Entscheidungsdatum

01.03.2022

Norm

KFG 1967 §134
VStG 1991 §37a

Text

IM NAMEN DER REPUBLIK

Das Landesverwaltungsgericht Niederösterreich erkennt durch Dr. Flendrovsky als Einzelrichter über die Beschwerde der A srl in *** (Rumänien), vertreten durch Rechtsanwalt B, p. A. C Rechtsanwälte, ***, *** (Deutschland), gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Amstetten vom 5. Mai 2021, Zl. ***, betreffend Verfall einer vorläufigen Sicherheit, zu Recht:

1.   Der Beschwerde wird gemäß § 50 Abs. 1 VwGVG Folge gegeben und der angefochtene Bescheid aufgehoben.

2.   Gegen dieses Erkenntnis ist eine Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG iVm § 25a Abs. 1 VwGG nicht zulässig.

Entscheidungsgründe:

I.       Verfahrensgang und unstrittiger Sachverhalt

1.       Mit dem angefochtenen Bescheid wurde gemäß § 37a Abs. 5 iVm § 37 Abs. 5 VStG eine am 27. April 2021 wegen einer Übertretung nach § 103 Abs. 1 Z 1 iVm § 101 Abs. 1 lit. d KFG 1967 von der beschwerdeführenden Gesellschaft vorläufig eingehobene Sicherheitsleistung in der Höhe von € 500,– für verfallen erklärt.

Begründend führte die belangte Behörde lediglich aus, dass die vorläufig eingehobene Sicherheit für verfallen zu erklären sei, da der begründete Verdacht bestehe, dass die beiliegende Anzeige angeführte Verwaltungsübertretung begangen worden sei und sich die Strafverfolgung bzw. der Vollzug der Strafe als unmöglich erwiesen habe.

Beigelegt war dem Bescheid eine Anzeige der Landespolizeidirektion Niederösterreich vom 1. Mai 2021, mit der der beschwerdeführenden Gesellschaft eine am 27. April 2021 bei einer Kontrolle von einem Organ des öffentlichen Sicherheitsdienstes wahrgenommene Übertretung des § 103 Abs. 1 Z 1 iVm § 101 Abs. 1 lit. d KFG 1967 mit einem auf sie zugelassenen LKW zur Last gelegt wurde. Dabei war auch die vorläufige Sicherheitsleistung (gemäß § 134 Abs. 4 KFG 1967 iVm § 37a Abs. 1 Z 2 VStG vom Lenker, stellvertretend für die beschwerdeführende Gesellschaft) eingehoben worden.

2.       Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende rechtzeitige Beschwerde, die am 10. August 2021 von der belangten Behörde samt dem zugehörigen elektronischen Verwaltungsstrafakt dem Landesverwaltungsgericht Niederösterreich zur Entscheidung vorgelegt wurde und zunächst kein Begehren enthielt.

Nach Erteilung eines Verbesserungsauftrages beantragte die beschwerdeführende Gesellschaft am 11. November 2021 die Aufhebung des angefochtenen Bescheides.

3.       Der Verfahrensgang ergibt sich aus dem vorgelegten Verwaltungsakt und wird in der Beschwerde nicht bestritten. Ebenso ist die in der Anzeige festgehaltene Einhebung der vorläufigen Sicherheitsleistung unstrittig.

II.      Weitere Sachverhaltsfeststellung

Es können keine Umstände festgestellt werden, aus denen auf eine Unmöglichkeit der Strafverfolgung geschlossen werden könnte.

Beweiswürdigung: Zunächst ist festzuhalten, dass im angefochtenen Bescheid zu solchen Umständen keine Feststellungen getroffen wurden. Die Begründung gibt lediglich den Gesetzeswortlaut von § 37a Abs. 5 iVm § 37 Abs. 5 VStG wieder.

Aus dem Verwaltungsakt ergeben sich ebensowenig Anhaltspunkte für eine Unmöglichkeit der Strafverfolgung, insbesondere für ein Verhalten der beschwerdeführenden Gesellschaft, welches darauf hindeutet, sie würde sich dem Strafverfahren wegen der ihr angelasteten Übertretung des KFG 1967 entziehen wollen. Nunmehr ist sie außerdem durch einen deutschen Rechtsanwalt vertreten. Für Deutschland sind nach der vom Bundeskanzleramt betreuten elektronischen behördlichen Kommunikationsplattform „BKA-Wiki“ (auf die auch alle niederöster-reichischen Bezirksverwaltungsbehörden Zugriff haben) keine nennenswerten Probleme bei der Zustellung von Schriftstücken österreichischer Verwaltungsstraf-behörden bekannt, zumal hier mit dem Amts- und Rechtshilfevertrag Österreich –BRD eine über das Unionsrecht (Europäisches Rechtshilfeübereinkommen 2000 – EU-RHÜ 2000 ) hinausgehende Rechtsgrundlage besteht.

Selbst wenn im Fall der Beendigung des Vertretungsverhältnisses Zustellungen nach Rumänien erforderlich wären, ist dorthin nach Art. 5 Abs. 1 EU-RHÜ 2000 eine direkte Postzustellung von Schriftstücken möglich. Es bestehen nur vereinzelte Probleme bei der Zustellung (vor allem im Fall der Erforderlichkeit von Zustellersuchen, wofür im vorliegenden Fall aber keine Gründe erkennbar sind).

III.    Rechtslage

1.       Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsgerichtsverfahrens-gesetzes (VwGVG), BGBl. I 33/2013 idF BGBl. I 109/2021, lauten:

„[…]

Verhandlung

§ 44. (1) Das Verwaltungsgericht hat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen.

(2) Die Verhandlung entfällt, wenn […] bereits auf Grund der Aktenlage feststeht, dass der mit Beschwerde angefochtene Bescheid aufzuheben ist.

[…]

Erkenntnisse

§ 50. (1) Sofern die Beschwerde nicht zurückzuweisen oder das Verfahren einzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht über Beschwerden gemäß Art. 130 Abs. 1 Z 1 B-VG in der Sache selbst zu entscheiden.

[…]“

2.       Die maßgeblichen Bestimmungen des Verwaltungsstrafgesetzes 1991 (VStG), BGBl. 52 idF BGBl. I 58/2018, lauten:

„[…]

Sicherheitsleistung

§ 37. (1) Die Behörde kann dem Beschuldigten mit Bescheid auftragen, einen angemessenen Betrag als Sicherheit zu erlegen oder durch Pfandbestellung oder taugliche Bürgen, die sich als Zahler verpflichten, sicherzustellen,

1. wenn begründeter Verdacht besteht, dass sich der Beschuldigte der Strafverfolgung oder der Strafvollstreckung entziehen werde, oder

2. wenn andernfalls

a) die Strafverfolgung oder die Strafvollstreckung voraussichtlich nicht möglich wäre oder

b) die Strafverfolgung oder die Strafvollstreckung voraussichtlich einen Aufwand verursachen würde, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.

[…]

(5) Die Sicherheit ist für verfallen zu erklären, sobald feststeht, dass die Strafverfolgung oder die Strafvollstreckung nicht möglich ist. § 17 ist sinngemäß anzuwenden.

[…]

§ 37a. (1) Die Organe des öffentlichen Sicherheitsdienstes sind ermächtigt, von Personen, die auf frischer Tat betreten werden, eine vorläufige Sicherheit einzuheben,

1. wenn die Voraussetzungen des § 35 Z 1 und 2 für eine Festnahme vorliegen oder

2. wenn andernfalls

a) die Strafverfolgung oder die Strafvollstreckung erheblich erschwert sein könnte oder

b) die Strafverfolgung oder die Strafvollstreckung einen Aufwand verursachen könnte, der gemessen an der Bedeutung des strafrechtlich geschützten Rechtsgutes und der Intensität seiner Beeinträchtigung durch die Tat unverhältnismäßig wäre.

Besondere Ermächtigungen in den Verwaltungsvorschriften bleiben unberührt. § 50 Abs. 3, Abs. 5, Abs. 6 erster Satz sowie Abs. 8 sind sinngemäß anzuwenden.

[…]

(5) Die vorläufige Sicherheit wird frei, wenn das Verfahren eingestellt wird oder die gegen den Beschuldigten verhängte Strafe vollzogen ist oder wenn nicht binnen zwölf Monaten gemäß § 37 Abs. 5 der Verfall ausgesprochen wird. […]

[…]“

3.       § 134 des Kraftfahrgesetzes 1967 (KFG 1967), BGBl. 267 idF BGBl. I 134/2020, lautet auszugsweise:

㤠134. Strafbestimmungen

(1) Wer diesem Bundesgesetz […] zuwiderhandelt, begeht eine Verwaltungsübertretung und ist mit einer Geldstrafe bis zu 5 000 Euro, im Falle ihrer Uneinbringlichkeit mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. […]

[…]

(4) Beim Verdacht einer Übertretung der Vorschriften dieses Bundesgesetzes oder der auf Grund dieses Bundesgesetzes erlassenen Verordnungen kann im Sinne des § 37a VStG als vorläufige Sicherheit ein Betrag bis 2 180 Euro festgesetzt werden. […] Bei Verdacht einer Übertretung durch den Zulassungsbesitzer gilt dabei der Lenker als Vertreter des Zulassungsbesitzers, falls nicht dieser selbst oder ein von ihm bestellter Vertreter bei den Amtshandlungen anwesend ist, sofern der Lenker Dienstnehmer des Zulassungsbesitzers ist, oder mit diesem in einem sonstigen Arbeitsverhältnis steht oder die Fahrt im Auftrag des Zulassungsbesitzers oder in dessen Interesse durchführt.

[…]“

IV.      Rechtliche Beurteilung

1.       § 37a Abs. 5 VStG verweist hinsichtlich des Verfalls einer vorläufigen Sicherheit auf § 37 Abs. 5 VStG für auf Grundlage eines Bescheides erlegte Sicherheiten.

2.       Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann der Ausspruch des Verfalls auf den zweiten Fall des § 37 Abs. 5 VStG (Unmöglichkeit des Vollzugs der Strafe) erst dann gestützt werden, wenn bereits eine Strafe verhängt wurde (VwGH 17.04.2009, 2007/03/0174; 27.03.2017, Ra 2015/02/0165, mwN). Da dies vorliegend nicht der Fall ist, ist lediglich zu prüfen, ob der erste Fall (Unmöglichkeit der Strafverfolgung) zur Anwendung kommt.

3.       Dies ist nach der getroffenen Negativfeststellung nicht der Fall. Bloße (selbst wesentliche) Erschwernisse bei der Strafverfolgung reichen für den Ausspruch des Verfalls nicht aus (Fister in Lewisch/Fister/Weilguni, VStG² § 37 Rz 15, mwN, Stand 01.05.2017, rdb.at). § 37 Abs. 5 VStG fordert vielmehr, dass sich diese als unmöglich erweist (vgl. hierzu wiederum das vorzitierte Erkenntnis vom 27.03.2017; weiters VwGH 17.04.2009, 2006/03/0129).

4.       Da schon aus diesem Grund die Voraussetzungen für den Ausspruch des Verfalls nicht vorliegen, ist der angefochtene Bescheid aufzuheben, ohne dass auf das Beschwerdevorbringen (welches darauf abzielt, dass die in der Anzeige vom 01.05.2021 dargestellte Tat der beschwerdeführenden Gesellschaft nicht angelastet werden könne) näher einzugehen ist (vgl. zur fehlenden Bindung an die Beschwerdegründe VwGH 30.03.2016, Ra 2015/09/0139, mwN).

5.       Eine mündliche Verhandlung wurde von keiner Partei beantragt und konnte gemäß § 44 Abs. 2 VwGVG entfallen.

V.       Zur Unzulässigkeit der Revision.

Die Revision ist nicht zulässig, weil im gegenständlichen Verfahren keine Rechtsfrage zu lösen war, der im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukommt. Insbesondere weicht die Entscheidung weder von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab noch fehlt eine solche Rechtsprechung noch wird die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes uneinheitlich beantwortet.

Die Lösung der maßgeblichen Rechtsfragen ergibt sich vielmehr aus dem klaren Wortlaut des § 37a Abs. 5 iVm § 37 Abs. 5 VStG (vgl. zum Fehlen einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung bei eindeutigem Wortlaut der anzuwendenden Bestimmungen etwa VwGH 23.05.2017, Ra 2017/05/0086) und darüber hinaus aus der zitierten Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes.

Schlagworte

Verkehrsrecht; Kraftfahrrecht; Verfahrensrecht; vorläufige Sicherheit; Sicherheitsleistung; Verfall;

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:LVWGNI:2022:LVwG.S.1896.001.2021

Zuletzt aktualisiert am

06.05.2022
Quelle: Landesverwaltungsgericht Niederösterreich LVwg Niederösterreic, http://www.lvwg.noe.gv.at
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