TE Vfgh Erkenntnis 1994/6/17 V15/94

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Veröffentlicht am 17.06.1994
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Index

L8 Boden- und Verkehrsrecht
L8000 Raumordnung

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verordnung
B-VG Art18 Abs2
Flächenwidmungsplan-Änderung Nr 1 der Gemeinde Lassing vom 23.02., 28.06. und 14.09.88
Stmk RaumOG 1974

Leitsatz

Verfehlte und im Hinblick auf die örtliche Gesamtsituation sachfremde Widmung eines Grundstücks mit baurechtlicher Widmungsbewilligung und nach bereits erteilter Baubewilligung als Freiland; Verstoß gegen das Gleichheitsgebot

Spruch

Die "Flächenwidmungsplan-Änderung Nr. 1" der Gemeinde Lassing (beschlossen vom Gemeinderat am 23. Feber, 28. Juni und 14. September 1988) wird als gesetzwidrig aufgehoben.

Die Steiermärkische Landesregierung ist verpflichtet, diese Aufhebung unverzüglich im Landesgesetzblatt kundzumachen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Die Beteiligten erwarben das in der Gemeinde Lassing, Bezirk Liezen, gelegene (im damaligen Flächenwidmungsplan zum Bauland gehörige) Grundstück 1773/4 KG Lassing-Sonnseite, auf dem sich das Gebäude einer ehemaligen Milchsammelstelle befindet. Mit Bescheid vom 10. April 1987 erteilte ihnen der Bürgermeister unter Auflagen die Widmungsbewilligung für den Umbau in ein Wohnhaus. Der wegen bestimmter Auflagen erhobenen Berufung gab der Gemeinderat Folge, behob den Bescheid und verwies die Angelegenheit an den Bürgermeister zurück; eine Vorstellung gegen diesen Berufungsbescheid blieb erfolglos.

Im zweiten Rechtsgang wies der Bürgermeister den Widmungsantrag mit der Begründung ab, daß das Objekt über keine ausreichende Abwasserentsorgung verfüge. Der Berufungsbescheid des Gemeinderates, mit dem das sodann ergriffene Rechtsmittel der Beteiligten abgewiesen wurde, wurde mit Vorstellungsbescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 11. Jänner 1990 aufgehoben, wobei in der Bescheidbegründung allerdings bemerkt wurde, daß die Aufsichtsbehörde auf die nach Erlassung des Berufungsbescheides vorgenommene Umwidmung des Grundstückes in Freiland nicht Bedacht zu nehmen hatte. Im Hinblick auf die gemäß dem geänderten Flächenwidmungsplan gegebene Widmung wies der Gemeinderat die Berufung mit Bescheid vom 14. Dezember 1990 neuerlich ab. Die Steiermärkische Landesregierung gab der dagegen ergriffenen Vorstellung mit Bescheid vom 7. März 1991 keine Folge und begründete dies im wesentlichen mit der Zugehörigkeit des Grundstücks zum Freiland. Dieser aufsichtsbehördliche Bescheid ist Gegenstand der von den Beteiligten zu B513/91 erhobenen Beschwerde nach Art144

B-VG.

2. Im Flächenwidmungsplan der Gemeinde Lassing waren das Grundstück der Beteiligten (wie bereits erwähnt wurde) als Bauland, das benachbarte Grundstück 1773/5 hingegen (auf dem gemäß einer 1979 erteilten Widmungs- und nachfolgenden Baubewilligung ein Wohnhaus errichtet wurde) als Freiland, das übrige Gebiet der (als Haufendorf oder Weiler beschriebenen) Ortschaft "Treschmitz" als Bauland mit der Baugebiets-Festlegung "Dorfgebiet" gewidmet.

Nach Beendigung des Auflageverfahrens beschloß der Gemeinderat am 23. Feber 1988 eine Änderung des Flächenwidmungsplans im Bereich der Ortschaft Treschmitz dahin, daß das Grundstück der Beteiligten und das angrenzende Grundstück 1773/5 als Bauland mit der Festlegung als allgemeines Wohngebiet sowie als Aufschließungsgebiet gewidmet werden, der übrige Bereich der Ortschaft hingegen als Bauland mit der Baugebiets-Festlegung als Dorfgebiet und der Ersichtlichmachung als Sanierungsgebiet. Hiezu wurde im "Wortlaut" der in Aussicht genommenen Verordnung unter "§2 Bauland" folgendes angeführt:

"Bei der gegenständlichen Änderung handelt es sich um eine Abrundung des Siedlungsgebietes 'Treschmitz' am nordwestlichen Ende durch Einbeziehung eines unterdessen bebauten Grundstückes, für das eine alte Widmungs- und Baubewilligung besteht (Bescheide vom 30.3.1979 u. 19.6.1979). Für dieses Grundstück Parz.Nr. 1773/5 und für das unmittelbar angrenzende Grundstück Nr. 1773/4 (ehem. Milchsammelstelle) liegt einerseits eine Wohnnutzung vor, andererseits wird eine solche zukünftig gewünscht, ohne daß eine Abwasserbeseitigung mit einer dem Stand der Technik entsprechenden Abwasserreinigungsanlage vorhanden wäre.

Diese Grundstücke werden daher als Aufschließungsgebiet gemäß §23 Abs3 STROG 1974 und zwar der Kategorie allgemeines Wohngebiet, Dichte 0,1 - 0,3 ausgewiesen.

Im Zuge und aus Anlaß der o.g. Änderung werden die bisher als Dorfgebiet ausgewiesenen, sonstigen Flächen des Siedlungsgebietes Treschmitz als Sanierungsgebiet der Kategorie Dorfgebiet ausgewiesen.

Für das Siedlungsgebiet Treschmitz soll eine Abwasserbeseitigung mit einer dem Stand der Technik entsprechenden Abwasserreinigungsanlage längstens bis zum Jahre 1993 errichtet werden."

Nachdem dieser Gemeinderatsbeschluß dem Amt der Steiermärkischen Landesregierung zur Genehmigung vorgelegt worden war, fand am 13. Juni 1988 in Lassing in Gegenwart von Beamten der zuständigen Rechtsabteilung und Fachabteilung des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung eine Erörterung der Angelegenheit mit dem Bürgermeister und dem von der Gemeinde mit der Planung beauftragten Ziviltechniker statt, deren Ergebnis in einem Aktenvermerk wie folgt festgehalten wurde:

"Zur Abwasserbeseitigung wird festgestellt, daß die Ausweisung von Sanierungsgebiet, DO und von Aufschließungsgebiet/WA letztlich auf einer ähnlichen Abwasserentsorgungssituation beruht. Die unterschiedliche Ausweisung dieser Grundstücke im Bauland ist daher im Sinne einer Gleichbehandlung nicht vertretbar. Die Gemeinde wird daher eingeladen, binnen 2 Monaten einen die o.a. Änderung ändernden Gemeinderatsbeschluß zu fassen, da ansonsten eine Versagung gem §29 Abs9 ROG ausgesprochen werden müßte.

Die Plan- und Wortlautunterlagen, sowie Erläuterungen wurden dem heute anwesenden beauftragten Ortsplaner 3-fach zurückgegeben."

Der Bürgermeister der Gemeinde Lassing stellte in der Gemeinderatssitzung vom 28. Juni 1988 den - in der Folge zum Beschluß erhobenen - Antrag, "den rechtskräftigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde Lassing bzw. die Flächenwidmungsplan-Änderung Nr. 1 wie folgt abzuändern":

"Das Grundstück mit der Grundstück-Nr. 1773/5 der KG Lassing-Sonnseite, welches im rechtskräftigen Flächenwidmungsplan als Freiland ausgewiesen ist sowie das Grundstück mit der Grundst.Nr. 1773/4 der KG Lassing-Sonnseite (ehem. Milchsammelstelle), welches im rechtswirksamen Flächenwidmungsplan als Bauland der Kategorie Dorfgebiet ausgewiesen ist, werden als Freiland ausgewiesen.

Das sonstige bisherige Bauland des Siedlungsgebietes Treschmitz, bisher als Bauland der Kategorie Dorfgebiet ausgewiesen, wird, wie bereits beschlossen, als Sanierungsgebiet der Kategorie Dorfgebiet ausgewiesen.

Bei der gegenständlichen Änderung handelt es sich somit um die Abrundung des Siedlungsgebietes Treschmitz am nordwestlichen Ende durch Rückführung des Grundstückes Nr. 1773/4 in Freiland, entsprechend dem Wegfall der Nutzung dieses Grundstückes für Zwecke der Milchwirtschaft (ehem. Milchsammelstelle).

Der Wortlaut zur Flächenwidmungsplan-Änderung Nr. 1 der Gemeinde Lassing sowie die zeichnerische Darstellung samt Erläuterungsbericht soll in der vorliegenden Fassung beschlossen werden und einen integrierenden Bestandteil dieses Beschlusses und der Verhandlungsschrift bilden."

Unter einem wurde in dieser Gemeinderatssitzung beschlossen, den Einwendungen der Beteiligten gegen die ihnen vorher mitgeteilte Änderungsabsicht nicht stattzugeben. Dies wurde ihnen mit Schreiben vom 29. Juni 1988 mit nachstehender "Begründung" mitgeteilt:

"Die Ausweisung bzw. Belassung des Grundstückes Nr. 1773/4 der KG Lassing-Sonnseite als Bauland ist fachlich nicht vertretbar.

Für das Grundstück Nr. 1773/5 wurde vor Rechtskrafterlangung des Flächenwidmungsplanes im Sinne der Übergangsbestimmungen des STROG die Widmung für Wohnzwecke bzw. die Baubewilligung erteilt und zwischenzeitlich das Wohnhaus errichtet. In der Ersterstellung des Flächenwidmungsplanes wurde das Wohnhaus im Freiland liegend ausgewiesen, da eine Erweiterung des Siedlungsgebietes an der Peripherie des Hauptortes Lassing dem Planungsziel entgegenstand und -steht.

Das Grundstück Nr. 1773/4 der KG Lassing-Sonnseite ist mit einem Wirtschaftsgebäude bebaut, das eigens für die ehem. Milchsammelstelle errichtet wurde; auf Grund dieser speziellen Funktion war das Grundstück in der Ersterstellung dem Dorfgebiet angeschlossen ausgewiesen. Nachdem die Funktion einer Milchsammelstelle eingestellt und das Grundstück samt Wirtschaftsgebäude veräußert wurde, haben Sie um eine Umwidmung für Wohnzwecke bei der Baubehörde angesucht; Bescheide sind nicht in Rechtskraft erwachsen. Das Grundstück der ehem. Milchsammelstelle verfügt über eine Abwasserbeseitigung, die nach dem wasserrechtlichen Bescheid auf die Ableitung der Abwässer der Milchsammelstelle (keine Fäkalien) eingeschränkt ist.

Ziel des raumordnerischen Gestaltungswillens im Raume Lassing war und ist die Erhaltung geschlossener Siedlungskörper (z.B. Weiler- und Haufenbebauung) in formaler und funktioneller Hinsicht durch Hintanhalten der üblichen Bauentwicklung entlang der Hauptverkehrswege. Dieses Ziel ist erneut ins Auge zu fassen, wenn Grundstücke in Randlage ihre spezifische Grundstücksnutzung einbüßen, insbesonders, wenn letztere für die Behandlung des Grundstückes im Flächenwidmungsplan ausschlaggebend ist."

Im "Wortlaut" zur beschlossenen "Flächenwidmungsplan-Änderung Nr. 1" ist unter "§2 Bauland" folgendes festgehalten:

"Bei der gegenständlichen Änderung handelt es sich um die Abrundung des Siedlungsgebietes 'Treschmitz' am nordwestlichen Ende durch Rückführung des Grundstückes Nr. 1773/4 in Freiland, entsprechend dem Wegfall der Nutzung dieses Grundstückes für Zwecke der Milchwirtschaft (ehemalige Milchsammelstelle).

Im Zuge und aus Anlaß der o.g. Änderung werden die bisher als Dorfgebiet ausgewiesenen, sonstigen Flächen des Siedlungsgebietes Treschmitz als Sanierungsgebiet der Kategorie Dorfgebiet ausgewiesen.

Für das Siedlungsgebiet Treschmitz soll eine Abwasserbeseitigung mit einer dem Stand der Technik entsprechenden Abwasserreinigungsanlage längstens bis zum Jahre 1993 errichtet werden."

Der "Erläuterungsbericht" zur beschlossenen Änderung des Flächenwidmungsplans besagt (ua.):

"Planungsfachliche Erläuterungen

Für das Grundstück Nr. 1773/5 wurde vor Rechtskrafterlangung des Flächenwidmungsplanes im Sinne der Übergangsbestimmungen des STROG die Widmung für Wohnzwecke bzw. die Baubewilligung erteilt und zwischenzeitlich das Wohnhaus errichtet. In der Ersterstellung des Flächenwidmungsplanes wurde das Wohnhaus im Freiland liegend ausgewiesen, da eine Erweiterung des Siedlungsgebietes an der Peripherie des Hauptortes Lassing dem Planungsziel entgegenstand und -steht. Die Benützungsbewilligung wurde am 5.3.1987 erteilt. Eine wasserrechtliche Bewilligung der Abwasseranlage steht derzeit noch aus.

Das Grundstück der ehemaligen Milchsammelstelle verfügt über eine Abwasserbeseitigung, die nach dem wasserrechtlichen Bescheid auf die Ableitung der Abwässer der Milchsammelstelle (keine Fäkalien) eingeschränkt ist.

Es besteht ein wasserrechtlich abgehandeltes Projekt einer Abwasserbeseitigung mit zentraler Abwasserreinigung für Lassing-West; mit der Fertigstellung ist bis zum Jahre 1993 zu rechnen.

Planungsziel

Ziel des raumordnerischen Gestaltungswillens im Raume Lassing war und ist die Erhaltung geschlossener Siedlungskörper (z.B. Weiler- und Haufenbebauung) in formaler und funktioneller Hinsicht durch Hintanhalten der üblichen Bauentwicklung entlang der Hauptverkehrswege.

Dieses Ziel ist erneut ins Auge zu fassen, wenn Grundstücke in Randlage ihre spezifische Grundstücksnutzung einbüßen, insbesonders, wenn letztere für die Behandlung des Grundstückes im Flächenwidmungsplan ausschlaggebend war."

In der Gemeinderatssitzung vom 14. September 1988 wurde eine Ergänzung des §2 der Verordnung durch Einfügung eines Satzes beschlossen ("Bis zur Errichtung der Kläranlage hat die Abwasserbeseitigung durch die vorläufige Errichtung von Sammelgruben und durch Abführen der Abwässer in eine dafür geeignete Kläranlage zu erfolgen.").

Nachdem die beschlossene Flächenwidmungsplanänderung dem Amt der Steiermärkischen Landesregierung zur Genehmigung vorgelegt worden war, teilte die Steiermärkische Landesregierung mit Schreiben vom 20. Oktober 1989 mit, daß die Änderung im Sinne des §29 Abs1 ROG 1974 idF LGBl. 39/1986 durch Ablauf der Jahresfrist mit 28. September 1988 als genehmigt gelte.

II. Aus Anlaß der Beschwerdesache B513/91 leitete der Verfassungsgerichtshof von Amts wegen gemäß Art139 Abs1 B-VG das gegenwärtige Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit der "Flächenwidmungsplan-Änderung Nr. 1" der Gemeinde Lassing ein.

Hiefür waren folgende Bedenken maßgebend:

"Der Gerichtshof nimmt vorläufig an, daß die gesetzlichen Voraussetzungen für eine Änderung des Flächenwidmnungsplanes (schon) im Hinblick darauf gegeben waren, daß die Milchsammelstelle ihre wirtschaftliche Zweckbestimmung verloren hatte. Er geht weiters davon aus, daß zwischen dem Wohnhaus, welches auf dem Grundstück 1773/5 errichtet wurde, ebenso aber auch zwischen dem Gebäude der ehemaligen Milchsammelstelle einerseits und dem nächstgelegenen Haus des als Haufendorf oder Weiler beschriebenen Ortsteils Treschmitz andererseits bloß ein Abstand von rund 50 m besteht sowie daß der visuelle Gesamteindruck das Bild vermittelt, es handle sich beim Wohnhaus und dem Gebäude der Milchsammelstelle um die den Ortsteil abschließenden - und nicht etwa um entfernt stehende, nicht mehr zur Ortschaft gehörige - Bauobjekte. Unter dieser Prämisse wäre die Aufrechterhaltung der Widmung des Grundstücks 1773/5, für das im Jahr 1979 die baurechtliche Widmungsbewilligung sowie die Baubewilligung zum sodann errichteten Wohnhaus erteilt wurde, als Freiland wohl als völlig sachwidrig zu beurteilen. Die Aufrechterhaltung dieser Widmung stünde nämlich anscheinend nicht nur mit den gegebenen tatsächlichen Verhältnissen nicht im Einklang, sondern auch mit der Absicht, welche mit der seinerzeitigen Erteilung der Widmungsbewilligung verfolgt wurde (- das Grundstück wird in dem vom Gemeinderatsbeschluß vom 23. Feber 1988 umfaßten "Erläuterungsbericht" ausdrücklich als "Arrondierungsgrundstück" bezeichnet -) und ebensowenig mit dem ursprünglichen - einsichtig begründeten - Vorhaben, das Siedlungsgebiet Treschmitz "abzurunden" (s. §2 des in derselben Gemeinderatssitzung beschlossenen "Wortlaut(es)" der in Aussicht genommenen Änderungsverordnung: "Bei der gegenständlichen Änderung handelt es sich um eine Abrundung des Siedlungsgebietes 'Treschmitz' am nordwestlichen Ende durch Einbeziehung eines unterdessen bebauten Grundstückes ...").

Unterstellt man jedoch aufgrund dieser Überlegungen, daß das mit einem Wohnhaus bebaute Grundstück 1773/5 nicht hätte als Freiland, sondern in der gleichen Weise wie das übrige Ortschaftsgebiet (nämlich als Sanierungsgebiet der Kategorie Dorfgebiet) gewidmet werden sollen, so findet sich wohl kein vernünftiger Grund, bezüglich des Grundstücks der Beschwerdeführer etwas anderes anzunehmen. Denn ihr Grundstück hat - wie schon erwähnt wurde - dieselbe Entfernung vom übrigen Baubestand der Ortschaft wie das Grundstück 1773/5 und liegt - was für den visuellen Gesamteindruck ebenfalls nicht unerheblich ist - zwischen dem letzterwähnten Grundstück und der zum (übrigen) Ortschaftsteil führenden Straße.

Der Verfassungsgerichtshof neigt zur Meinung, daß eine verfehlte, im Hinblick auf den Gesamtzusammenhang anscheinend sachfremde Widmung wie die eben geschilderte dem Sachlichkeitsgebot widerspricht, welches dem (auch den Verordnungsgeber bindenden - zB VfSlg. 12171/1989) Gleichheitsgebot immanent ist (s. zum Sachlichkeitsgebot im allgemeinen zB VfSlg. 8457/1978, S 454)."

III. 1. Die Steiermärkische

Landesregierung erstattete im Prüfungsverfahren eine Äußerung, in der sie im wesentlichen folgendes ausführt:

"Die Gemeinde Lassing hat gemäß §30 Abs2 des Steiermärkischen Raumordnungsgesetzes 1974 idgF zwischenzeitig die Überprüfung der Überarbeitung des Flächenwidmungsplanes eingeleitet und nach Vorerhebungen und Beschlußfassung eines neuen örtlichen Entwicklungskonzeptes einen Flächenwidmungsplan aufgelegt. Dieser Flächenwidmungsplan 2.0 wurde dem Amt der Steiermärkischen Landesregierung im Sinne des Genehmigungsvorbehaltes nach §29 Abs7 leg.cit. mit Schreiben vom 21.1.1994 zur Genehmigung vorgelegt. Bei der am 7.4.1994 erfolgten Überprüfung der vorgelegten Unterlagen ergab sich bei der Beurteilung der Einwendungsbehandlung des Gemeinderates laut Beschluß vom 9.12.1993 zur Einwendung von I und G S wegen Widerspruchs zur Rechtslage ein Versagungsgrund, der der Gemeinde mit Schreiben vom 7.4.1994 im Sinne des §29 Abs9 und 10 leg.cit. unter Fristsetzung zur Kenntnis gebracht wurde. Bei der sich durch die Einwendungsbehandlung ergebenden nunmehrigen Ungleichbehandlung ergibt sich letztlich derselbe Tatbestand, der sich schon aus dem ha. Aktenvermerk zu GZ.: 03-10 L 23-88/35 ergibt. Um unnötige Wiederholungen im Gegenstande zu vermeiden, wird daher auf den vorzitierten Aktenvermerk, GZ.: 03-10 L 23-88/35, und auf das ha. Schreiben vom 7.4.1994, GZ.: 03-10.10 L 4-94/1, verwiesen."

Der in der Äußerung bezogene Aktenvermerk vom 27. Oktober 1988 sowie das an die Gemeinde Lassing gerichtete Schreiben vom 7. April 1994 lauten wie folgt:

a) (Aktenvermerk vom 27. Oktober 1988:)

"Im rechtsgültigen Flächenwidmungsplan der Gemeinde Lassing ist das Dorfgebiet Treschmitz als volles Bauland ausgewiesen. Innerhalb dieses Dorfgebietes ist das Gst.Nr. 1773/4 mit einer Milchsammelstelle, d.h. mit einem landwirtschaftlichen Wirtschaftsgebäude bebaut. Auf dem nördlich an dieses Grundstück angrenzenden Grundstück 1773/5 wurde vor Rechtskraft des Flächenwidmungsplanes für ein Wohnhaus eine Widmungs- und Baubewilligung erteilt, wodurch dieses nunmehr mit einem Wohnhaus bebaut ist. Für dieses Grundstück steht derzeit eine wasserrechtliche Bewilligung der Abwasseranlage noch aus. Für die Milchsammelstelle existiert eine dem Zweck des Wirtschaftsgebäudes entsprechende Abwasserbeseitigung (Sickeranlage).

Das Gst.Nr. 1773/4 wurde zwischenzeitig samt der Milchsammelstelle durch ... erworben.

Bei Erstvorlage der ersten Änderung hat die Gemeinde das Dorfgebiet Treschmitz als Sanierungsgebiet ausgewiesen, wobei jedoch die vorgenannten zwei Grundstücke als Aufschließungsgebiet für allgemeines Wohngebiet ausgewiesen wurden. Auf Grund der ähnlichen Abwasserentsorgungssituation - das gesamte Dorfgebiet Treschmitz ist lt. Abwasserentsorgungskonzept zum Anschluß an eine zentrale Abwasserbeseitigung vorgesehen - erschien die Ausweisung eines Aufschließungsgebietes von Grundstücken mit vorhandenen Bebauungen als dem §23 ROG widersprechend. Im Sinne der notwendigen Gleichbehandlung wurde daher diese Ausweisung anläßlich der Überprüfung beanstandet.

Bei der Zweitvorlage der ersten Änderung erfolgte die Ausweisung von Dorfgebiet unter Ausschluß der beiden vorgenannten Grundstücke. Als Begründung für den Wegfall des Grundstückes mit der Milchsammelstelle wird im Erläuterungsbericht angeführt, daß durch die offensichtlich angestrebte Funktionsänderung von Milchsammelstelle in ein Wochenendhaus bzw. Wohnhaus ein Widerspruch zum ausgewiesenen landwirtschaftlichen Dorfgebiet bestehe. Das Gst. 1773/5 mit dem errichteten Wohnhaus ohne Abwasserbeseitigung wurde ebenfalls ins Freiland transferiert.

Nach Ansicht der Fachabteilung Ib und Rechtsabteilung 3 ergibt jedoch auch die nunmehrige Behandlung der vorangeführten Grundstücke durch Änderung von Dorfgebiet in Freiland bzw. durch Belassung im Freiland die Problematik der Gleichbehandlung mit den im südlich angrenzenden Dorfgebiet ausgewiesenen Grundflächen. Dies insbesondere deshalb, weil in diesem Dorfgebiet auch größere Freiflächen ohne Bebauung im Bauland liegen. Im Sinne der Bauordnung 1968 ist noch zu erwähnen, daß die Festlegung des Verwendungszweckes für Wohnhaus bzw. Wochenendhaus letztlich einer Wohnfunktion entspricht, welche neben der vornehmlichen Verwendung von Bauten im Rahmen der Land- und Forstwirtschaft im Dorfgebiet vorgesehen ist."

b) (Schreiben vom 7. April 1994:)

"Auf Grund einer Überprüfung der vorgelegten Unterlagen am 7.4.1994 durch AR S., FA Ib und Dr. K., RA 13 im Beisein von Bgm. Z. und Amtsleiter L. sowie Arch. DI. K. werden der Gemeinde gem. §29 Abs9, 10, ROG 1979 nachfolgende Mängel und Versagungsgründe mit der Einladung mitgeteilt, binnen einer Frist von 1 Monat zu den Versagungsgründen entsprechende Veranlassungen zur Beseitigung zu treffen und die unter einem rückgemittelten Unterlagen der RA 3 innerhalb derselben Frist wieder vorzulegen:

1. Die Einwendungsbehandlung des Gemeinderates vom 9.12.1993 zur Einwendung von I u. G S ist aus nachfolgenden Gründen mit der Rechtslage nicht vereinbar:

Die ablehnende Aussage des Gemeinderates wird im wesentlichen damit begründet, daß das ÖEK von Lassing das Prinzip der Erhaltung, Verdichtung und Arrondierung gewachsener Orte noch stärker als bisher festschreibt, um straßenortsähnliche Bebauungen längs der Hauptstraßenzüge und Kanalsammler, die dem Charakter der haufenartig gewachsenen Orte und Weiler widersprechen, wirksam vorzubeugen. Die Ortschaft Treschmitz werde in diesem Sinne gerundet. Eine Bebauung entlang der Straße nach Westen würde dieser Absicht zuwiderlaufen. Das Grundstück stelle aufgrund seiner exponierten Situierung - auf der anderen Straßenseite fehlt eine Bebauung gänzlich - keinen Beitrag zur Rundung des Baulandes dar.

Diese Aussagen sind aus nachfolgenden Gründen nicht nachvollziehbar:

Richtig ist, daß der Ort Treschmitz im wesentlichen eine haufenförmige Anordnung landwirtschaftlicher Höfe mit Wohngebäuden etc. darstellt. Das landwirtschaftliche Gehöft vlg. L auf Grundstück 1774/2 der KG. Lassing-Sonnseite liegt vom landw. Anwesen A G (Gst.Nr. 1777) vlg. T. ca. 60 m, getrennt durch das Grundstück 1774/1 etwas vom unmittelbaren Weilerkern entfernt. Das in der Natur vorhandene Gebäude einer Milchsammelstelle auf 1773/4 und unmittelbar nordwestlich anschließend das Wohnhaus Schr. 1773/5 sind ebenfalls ca. 60 m vom vorzitierten Anwesen L über das Hofgrundstück 1774/2 hinweg entfernt. Die Milchsammelstelle sowie das in der Einwendungsbehandlung nicht angeführte Wohnhaus Schr. sind entgegen der Einwendungsbehandlung somit bezogen auf die vorerwähnten Bebauungen in derselben ebenen Tallage und auch in der Natur keineswegs als exponiert - wenn auch am Ortsrand - gelegen. Jedenfalls weisen die Grundstücke 1773/4 und 5 Bebauungen im unmittelbaren Anschluß an das Haufendorf Treschmitz auf. Dem gegenüber sind die größten Teile des Grundstückes 1774/1 und 1773/1 nicht mehr als reine Abrundungsgrundstücke anzusehen sondern greifen diese vielmehr in den freien Landschaftsraum aus. Ohne Anspruch auf etwaige andere Ungleichbehandlungen im Gemeindegebiet bzw. Bauland muß daher festgehalten werden, daß in unmittelbarer Nähe der unter dem Blickwinkel eines fehlenden Arrondierungs-Charakters abgelehnten Einwendung S Grundstücke, die weitaus weniger Abrundungscharakter aufweisen (insbesonders 1773/1) im Bauland verblieben sind und damit letztlich sogar dem eigenen Entwicklungskonzept widersprechen.

Im übrigen liegt auch ein Widerspruch zum ÖEK bei einer Baulandausweisung 1773/4 u. 5 nicht vor, da auf Seite 4 des Wortlautes zum ÖEK unter E a festgelegt wird: 'Sicherung von Bauflächen die sich in quantitativer und qualitativer Hinsichung zur Deckung des vorhersehbaren Bedarfes eignen'. Die vorgenannten Grundstücke sind bereits bebaut und ist eine Abwasserentsorgung nach Stand der Technik zur Erschließung lt. Wortlaut-Festlegung vorgesehen. Alle anderen Erschließungen sind vorhanden. Weiters wird unter E litd die Sicherung einer konfliktfreien Existenzmöglichkeit landwirtschaftlicher Betriebe und Wohnstätten im Siedlungsverband (Dörfer, Weiler) durch Ausweisung von Dorfgebiet festgelegt. Daraus ergibt sich, daß durch eine etwaige Wohnbebauung bei einer Dorfgebietsausweisung keine widersprechende Nutzung gegeben wäre.

Nach §23 Abs5 litf ROG sind in Dorfgebieten neben landw. Betrieben auch Wohngebäude zur Errichtung zulässig.

Weiters wird unter E litg des ÖEK festgelegt, daß zur Erhaltung und Stärkung der überlieferten Siedlungsstruktur bei weiterer Unterdrückung der Zersiedelung eine Arrondierung und Verdichtung gewachsener Ort erfolgen soll. Daß eine Arrondierung bei der vorgeschriebenen Lage für Grundstücke und Gebäude jedenfalls gegeben ist, beim Grundstück 1773/1 jedoch nicht, ergibt sich bei Wertung der Sachlage.

..."

2. Der Gemeinderat der Gemeinde Lassing erstattete im Prüfungsverfahren ebenfalls eine Äußerung, in welcher im wesentlichen darauf hingewiesen wird, daß der Gemeinderat im Hinblick auf die von der Steiermärkischen Landesregierung in Aussicht gestellte Versagung der Genehmigung des Flächenwidmungsplans 2.0 am 27. April 1994 beschlossen habe, die Grundstücke 1773/4 und 1773/5 der KG Lassing-Sonnseite als Bauland der Kategorie Dorfgebiet SGK zu widmen.

IV. Das eingeleitete Verordnungsprüfungsverfahren erweist sich, da ihm Prozeßhindernisse nicht entgegenstehen, als zulässig.

Der Verfassungsgerichtshof bleibt auf dem im Prüfungsbeschluß eingenommenen Standpunkt und betont, daß im grundsätzlichen gegen das vom Gemeinderat verfolgte allgemeine Planungsziel, den Charakter der Ortschaft Treschmitz als Haufendorf (Weiler) zu erhalten, ebensowenig ein Einwand zu erheben ist wie gegen die damit in Zusammenhang stehende Absicht, eine weitere Verbauung entlang der Straße zu unterbinden.

Im Hinblick auf die im Einleitungsbeschluß bereits geschilderte örtliche Gesamtsituation erweist sich aber die Aufrechterhaltung der Widmung des Grundstücks 1773/5, für das im Jahr 1978 die baurechtliche Widmungsbewilligung sowie die Baubewilligung zu dem sodann errichteten Wohnhaus erteilt wurde, als Freiland als völlig sachwidrig; sie steht nicht nur mit den tatsächlichen Verhältnissen nicht im Einklang, sondern überdies mit der auch anläßlich der Erteilung der Widmungsbewilligung verfolgten Absicht, das Siedlungsgebiet "Treschmitz" abzurunden. Unter der somit zutreffenden Voraussetzung, daß dieses Grundstück nicht als Freiland sondern in der gleichen Weise wie das übrige Ortschaftsgebiet (nämlich als Sanierungsgebiet der Kategorie Dorfgebiet) hätte gewidmet werden sollen, findet sich kein vernünftiger Grund, bezüglich des Grundstücks der Beteiligten (1773/4) etwas anderes anzunehmen. Denn ihr Grundstück hat - wie, die Darlegungen des Prüfungsbeschlusses wiederholend, festgehalten sei - dieselbe verhältnismäßig geringe Entfernung vom übrigen Baubestand der Ortschaft wie das Grundstück 1773/5 und liegt - was für den visuellen Gesamteindruck ebenfalls nicht unerheblich ist - zwischen dem letzterwähnten Grundstück und der zum (übrigen) Ortschaftsteil führenden Straße.

Der Verfassungsgerichtshof ist daher der Meinung, daß eine verfehlte, im Hinblick auf den Gesamtzusammenhang sachfremde Widmung vorliegt. Sie beruht auf einer gleichheitswidrigen Handhabung des Stmk. Raumordnungsgesetzes und widerspricht dem Sachlichkeitsgebot, welches dem (auch den Verordnungsgeber bindenden - zB VfSlg. 12171/1989) Gleichheitsgebot immanent ist (s. zum Sachlichkeitsgebot im allgemeinen zB VfSlg. 8457/1978, S 454).

Die geprüften Verordnungsbestimmungen waren daher als gesetzwidrig aufzuheben.

Die Verpflichtung der Landesregierung zur Kundmachung der Aufhebung folgt aus Art139 Abs5 B-VG.

V. Diese Entscheidung wurde gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne vorangegangene mündliche Verhandlung getroffen.

Schlagworte

Raumordnung, Flächenwidmungsplan

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:1994:V15.1994

Dokumentnummer

JFT_10059383_94V00015_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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