Index
20/02 Familienrecht;Norm
EheG §23;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des Ü, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 15. Jänner 1996, Zl. SD 947/95, betreffend Verhängung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 15. Jänner 1996 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 des Fremdengesetzes - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von fünf Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer sei am 26. Dezember 1991 in das Bundesgebiet eingereist und habe einen Asylantrag gestellt. Der Antrag sei mit Bescheid vom 19. Februar 1992 in erster Instanz abgewiesen worden. Daraufhin habe der Beschwerdeführer einen kurzfristigen, bis Ende Juni 1992 gültigen Sichtvermerk erhalten. Er sei darüber hinaus in Österreich geblieben und habe am 31. August 1992 eine österreichische Staatsbürgerin geheiratet. Aufgrund dieser Eheschließung habe er einen Befreiungsschein und einen Sichtvermerk für drei Jahre bis 30. Juni 1995 erhalten.
Nunmehr habe auf Antrag der Staatsanwaltschaft Wien (wonach die gegenständliche Ehe nur geschlossen worden sei, um dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu verschaffen, problemlos eine Arbeits- und eine Aufenthaltsbewilligung und damit eine Anwartschaft auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erlangen, wogegen die Aufnahme einer ehelichen Gemeinschaft nie beabsichtigt gewesen und auch nicht erfolgt sei) das Bezirksgericht Favoriten die Ehe mit Urteil vom 19. Juli 1994, rechtskräftig seit 25. Juli 1994, für nichtig erklärt.
Angesichts dieses Sachverhaltes sei die Erstbehörde daher zu Recht davon ausgegangen, daß die Voraussetzungen des § 18 Abs. 1 leg. cit. gegeben seien. Auf dem Boden der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes könne nämlich ein Aufenthaltsverbot rechtens ausschließlich auf diese Gesetzesstelle gestützt werden, wenn triftige Gründe vorlägen, die zwar nicht die Voraussetzungen der im § 18 Abs. 2 FrG angeführten Fälle aufwiesen, wohl aber in ihrer Gesamtheit die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertigten (siehe u. a. das Erkenntnis vom 21. Juli 1994, Zl. 94/18/0315). Im vorliegenden Fall sei das im Grunde dieser Gesetzesstelle relevante Fehlverhalten des Beschwerdeführers in der rechtsmißbräuchlichen Eingehung einer Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin - daß diese vom Gericht rechtskräftig für nichtig erklärt worden sei, bleibe in der Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid unbestritten - zwecks Beschaffung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen (Befreiungsschein, Aufenthaltsberechtigung) zu erblicken gewesen. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers handle es sich bei diesem Rechtsmißbrauch um ein die öffentliche Ordnung erheblich beeinträchtigendes, seinem Gehalt nach dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichzusetzendes Verhalten, das eine bestimmte Tatsache im Sinn des § 18 Abs. 1 FrG darstelle, welche die dort umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung (konkret: des öffentlichen Interesses an einem geordneten Fremdenwesen) rechtfertige (siehe dazu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Jänner 1995, Zl. 94/18/1053). In einem solchen Fall sei gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, wenn dem nicht die Bestimmungen der §§ 19 und 20 FrG entgegenstünden.
Diesbezüglich sei zunächst festzuhalten, daß der Aufenthalt des Beschwerdeführers ebenso wie seine Beschäftigung hinsichtlich deren jeweiliger Berechtigung letztlich auf der rechtsmißbräuchlich eingegangenen Ehe mit einer österreichischen Staatsbürgerin basierten. Selbst wenn man, unbeschadet dessen, dennoch einen im Grund des § 19 FrG relevanten Eingriff in das Privatleben des Beschwerdeführers annehmen wollte, so wäre damit für ihn nichts gewonnen. Denn diesfalls wäre die Erlassung des Aufenthaltsverbotes aufgrund des Dringend-geboten-seins dieser Maßnahme nach der genannten Bestimmung zulässig. Wer, wie der Beschwerdeführer, grob rechtsmißbräuchlich (ausschließlich) zu dem Zweck vorgehe, um sich aus dem Blickwinkel des Fremdenrechtes wesentliche Berechtigungen zu verschaffen, verstoße gegen gewichtige öffentliche Interessen, die ein Aufenthaltsverbot zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) notwendig erscheinen ließen.
Bei Annahme eines Eingriffs in das Privatleben des Beschwerdeführers und der demnach - neben der Prüfung, ob das Aufenthaltsverbot dringend geboten sei - erforderlichen Interessenabwägung gemäß § 20 FrG sei die Zulässigkeit dieser Maßnahme auch nach dieser Bestimmung zu bejahen. Da weder familiäre noch sonstige Bindungen des Beschwerdeführers festgestellt werden könnten und auch das Ausmaß seiner Integration im Hinblick darauf, daß Aufenthalt und Beschäftigung auf das besagte rechtsmißbräuchliche Verhalten zurückzuführen seien, nicht wesentlich zu seinen Gunsten zu veranschlagen sei, würden die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers keinesfalls schwerer wiegen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme. Sohin sei das Aufenthaltsverbot zu Recht erlassen worden.
In der Berufung rüge der Beschwerdeführer, daß die Behörde erster Instanz keine Ermittlungen über die subjektive Tatseite angestellt habe und ziehe daraus den Schluß, daß das Verfahren mangelhaft geblieben sei. Ein Eingehen auf den Vorsatz des Beschwerdeführers sei jedoch verzichtbar, da durch das Schließen einer Scheinehe der Rechtsmißbrauch evident sei.
Das Argument des Beschwerdeführers, daß er sich an einem Erkenntnis des Obersten Gerichtshofes orientiert habe, nachdem Ehen, welche nur deswegen geschlossen worden seien, um einen Befreiungsschein zu erlangen, nicht nichtig seien und daß ihm die nunmehrige geänderte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes nicht zur Last gelegt werden könne, gehe ins Leere, weil die Annahme eines mit einer Eheschließung zu einem solchen Zweck verbundenen Mißbrauchs des Rechtsinstitutes der Ehe die Nichtigerklärung der Ehe nicht voraussetze, abgesehen davon, daß die Ehe tatsächlich auch rechtskräftig für nichtig erklärt worden sei, weil diese nicht nur zum Zweck der Erlangung einer Beschäftigungsbewilligung und einer Aufenthaltsberechtigung, sondern auch zu dem Zweck, die österreichische Staatsbürgerschaft zu erlangen, geschlossen worden sei. Damit zeige sich aber auch, daß die Argumentation des Beschwerdeführers in der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid, daß Ehen, welche ein Ausländer mit einem Inländer wegen eines Befreiungsscheines schließe, nicht nichtig seien und daß bei richtiger rechtlicher Beurteilung der § 23 des Ehegesetzes dahingehend auszulegen sei, daß nur solche Ehen nichtig seien, welche aus dem Grunde des Staatsbürgerschafts- oder Namenserwerbes geschlossen worden seien, die herrschende Rechtsprechung verkenne. Einem Aufrollen der Frage, ob die Nichtigerklärung zu Unrecht erfolgt sei, stehe die vom Beschwerdeführer nicht bestrittene Rechtskraft des Urteils des Bezirksgerichtes Favoriten entgegen.
Der Beschwerdeführer behaupte, daß er (ansonsten) keinerlei Rechtsvorschriften übertreten habe, sodaß eine negative Zukunftsprognose nicht gerechtfertigt wäre. Dies entspreche nicht den Tatsachen, da der Beschwerdeführer einerseits mit Strafverfügung vom 23. Dezember 1992 wegen Aufenthaltes ohne Sichtvermerk bestraft sowie mit Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien wegen gefährlicher Drohung gemäß § 107 Abs. 1 und Abs. 2 StGB zu einer Freiheitsstrafe unter bedingter Strafnachsicht und mit Urteil des Bezirksgerichtes Donaustadt wegen vorsätzlicher Körperverletzung gemäß § 83 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe verurteilt worden sei, womit erwiesen sei, daß sich der Beschwerdeführer auch über fremdenrechtlich bedeutsame Bestimmungen und sogar über strafrechtliche Normen hinwegsetze.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Zutreffend hat die belangte Behörde - der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes folgend - die Eingehung einer Ehe allein zum Zweck der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen als Rechtsmißbrauch qualifiziert, der als gravierende Beeinträchtigung eines geordneten Fremdenwesens anzusehen sei und solcherart - entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht - die in § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme rechtfertige und der auch zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes dringend geboten erscheinen lasse und demnach diese Maßnahme im Grunde des § 19 FrG zulässig mache (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 21. März 1996, Zl. 95/18/1441).
Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung ist die Frage, ob die Ehe zu dem Zeitpunkt, in dem sie geschlossen wurde, mit Nichtigkeit bedroht war, im vorliegenden Zusammenhang ohne rechtliche Relevanz, weil die Beurteilung einer Ehe als rechtsmißbräuchlich eingegangen - da allein zwecks Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen geschlossen - die Nichtigerklärung dieser Ehe nicht voraussetzt (vgl. auch dazu das bereits zitierte hg. Erkenntnis Zl. 95/18/1441). Die Rechtsanschauung des Verwaltungsgerichtshofes, daß eine von einem Fremden mit derartiger Zweckbestimmung eingegangene Ehe einen maßgebliche öffentliche Interessen erheblich beeinträchtigenden Rechtsmißbrauch darstellt, der die im § 18 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung rechtfertigt und die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes im Grunde des § 19 FrG notwendig erscheinen läßt, ist demnach - anders als der Beschwerdeführer vermeint - völlig unabhängig von der Judikatur des Obersten Gerichtshofes zur Frage der Voraussetzungen für die Nichtigerkärung einer Ehe gemäß § 23 des Ehegesetzes. Für die hier zu beurteilende Frage der Rechtmäßigkeit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes ist es weiters unerheblich, ob dem Beschwerdeführer, nachdem er einen Befreiungsschein lediglich im Hinblick auf die rechtsmißbräuchlich eingegangene Ehe erhalten hat, nunmehr tatsächlich - wie er behauptet - aufgrund des Erwerbes von "mehr als 12 Versicherungsmonate(n) in den letzten
14 Kalendermonaten" ein Anspruch auf Beschäftigungsbewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz zukomme.
2. Unter Zugrundelegung der vorstehenden Ausführungen ist auch der Verfahrensrüge des Beschwerdeführers, die belangte Behörde habe sich mit der "subjektiven Tatseite" der ihm zur Last gelegten Handlungen - daß er nämlich im Hinblick auf die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes keine Umgehung von Rechtsvorschriften des Fremdenwesens beabsichtigt habe - nicht auseinandergesetzt und ihm diesbezüglich keinerlei Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben bzw. ihre Manuduktionspflicht verletzt, der Boden entzogen. Dies gilt auch für das Vorbringen des Beschwerdeführers, daß die im angefochtenen Bescheid genannten gerichtlichen Verurteilungen nicht ihn beträfen, zumal nach dem Gesagten diese Verurteilungen für die Verhängung des Aufenthaltsverbotes nicht wesentlich waren.
3. Nach den vorstehenden Ausführungen liegt die behauptete Rechtsverletzung nicht vor, was im Hinblick darauf, daß dies schon der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt, gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zur Abweisung der Beschwerde als unbegründet führt.
4. Bei diesem Ergebnis erübrigt sich eine Entscheidung über den Antrag, der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996180093.X00Im RIS seit
20.11.2000