Index
001 Verwaltungsrecht allgemein;Norm
ABGB §140;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pokorny und die Hofräte Dr. Wetzel, Dr. Steiner, Dr. Mizner und Dr. Zorn als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Traudtner, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen den Bescheid (Berufungsentscheidung) der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat IX) vom 27. September 1994, Zl. 6/5 - 5055/94-03, betreffend Einkommensteuer 1992 des Mitbeteiligten Dr. X in A, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Begründung
Der Mitbeteiligte beglich im Jahr 1992 eine Bankschuld (S 428.000,--) seiner nicht erwerbstätigen Gattin und machte in der Einkommensteuererklärung für 1992 diesen Betrag als außergewöhnliche Belastung geltend. Zur Begründung führte er aus, er habe im Jahr 1992 anläßlich einer Exekution gegen seine Frau (nach der Aktenlage handelte es sich um eine Fahrnisexekution) festgestellt, daß diese seit Jahren Schulden eingegangen sei, zu deren Begleichung ihr die Mittel gefehlt hätten. Sie leide seit einiger Zeit an psychosomatischen Störungen und habe nicht angeben können, wofür die Mittel verwendet worden seien. Aufgrund ärztlichen Rates habe er nicht besonderen Druck ausüben können, ohne die angegriffene Gesundheit seiner Gattin weiter zu gefährden. Er habe sich weder aus sittlichen noch aus tatsächlichen Gründen der Verpflichtung entziehen können, durch Tilgung der Bankschulden seiner kranken Gattin zu helfen und ein finanzielles Desaster zu vermeiden. Der Mitbeteiligte legte ein ärztliches Attest vor, aus welchem sich ergibt, daß seine Gattin an schweren klimakterischen Störungen, verbunden mit Schlaflosigkeit, leide. In diesem Attest wird sodann ausgeführt: "Im Verlauf meiner medizinischen Betreuung sind mir in letzter Zeit aber auch Umstände bekannt geworden, die darauf schließen lassen, daß zumindest ein Teil der Symptome, insbesondere die psychischen Veränderungen auf unbewältige private finanzielle Probleme meiner Patientin zurückzuführen sein könnten."
Gegen den Einkommensteuerbescheid des Finanzamtes, mit welchem die Anerkennung einer außergewöhnlichen Belastung versagt wurde, brachte der Mitbeteiligte Berufung ein. Er brachte vor, er sei als Syndikus der Bundeswirtschaftskammer sittlich verpflichtet gewesen, einer öffentlichen Mißbilligung seiner Person durch die Begleichung der Schulden seiner Gattin zu entgehen. Die Gattin hätte infolge einer Neurose einen Kredit aufgenommen und diesen für wohltätige Zwecke verwendet. Das Motiv für das Verhalten seiner Gattin gründe sich auf den Umstand, daß sie nur Hausfrau gewesen sei und sich als solche sittlich genötigt gesehen hätte, im Wohltätigkeitsbereich tätig zu sein. Der Beschwerdeführer sei als christlich denkender Mensch und nach 41jähriger Ehe sittlich verpflichtet, die Schulden seiner Gattin zu begleichen.
Mit dem angefochtenen Bescheid der belangten Behörde wurde über die Berufung des Mitbeteiligten entschieden und dabei die strittige Zahlung als außergewöhnliche Belastung anerkannt. Zur Begründung wird ausgeführt, gemäß § 94 Abs. 2 ABGB habe der den gemeinsamen Haushalt führende Ehegatte einen Unterhaltsanspruch gegenüber dem anderen Ehegatten. Gemäß § 90 ABGB seien die Ehegatten einander zum Beistand verpflichtet, diese Pflicht zum gegenseitigen Beistand beziehe sich auf den physischen Bereich, aber auch auf die psychische Unterstützung in schwierigen Lagen des Lebens. Die Gattin des Mitbeteiligten leide an klimakterischen Störungen. Aus einem vorgelegten Attest ergebe sich, daß ein Teil der Symptome, insbesondere die psychischen Veränderungen, auf unbewältigte finanzielle Probleme der Gattin zurückzuführen seien. Der Mitbeteiligte habe die Schulden der Gattin zwecks Erzielung eines besseren Behandlungsergebnisses getilgt. Der psychische Zustand einer Patientin habe maßgeblichen Einfluß auf die Verbesserung ihres Allgemeinzustandes. Nach Ansicht der Berufungssenates habe beim Gesundheitszustand der Gattin des Mitbeteiligten Suizidgefahr bestanden. Es bestehe zwar grundsätzlich keine sittliche Verpflichtung zu Aufwendungen, die die Einkommens- und Vermögensverhältnisse eines Steuerpflichtigen wesentlich überstiegen. Ein derartiger Fall liege jedoch nicht vor, da der Mitbeteiligte Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit in Höhe von S 264.113,30 und von S 2,288.466,25 (zwei Lohnzettel) bezogen habe. Die Gattin des Mitbeteiligten habe keine Einkünfte bezogen. Es sei daher im gegenständlichen Fall sittlich geboten gewesen, der schuldrechtlich verpflichteten Gattin infolge des unberechenbaren krankhaften Zustandes beizustehen.
Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf § 292 BAO gestützte Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor. Der Mitbeteiligte erstattete eine Gegenschrift.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
§ 34 Abs. 1 EStG 1988 lautet:
"Jeder unbeschränkt Steuerpflichtige kann beantragen, daß bei Ermittlung des Einkommens (§ 2 Abs. 2) nach Abzug der Sonderausgaben (§ 18) außergewöhnliche Belastungen abgezogen werden. Die Belastung muß folgende Voraussetzungen erfüllen:
1.
Sie muß außergewöhnlich sein (Abs. 2).
2.
Sie muß zwangsläufig erwachsen (Abs. 3).
3.
Sie muß die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit wesentlich beeinträchtigen (Abs. 4).
Die Belastung darf weder Betriebsausgaben, Werbungskosten noch Sonderausgaben sein."
Gemäß § 34 Abs. 7 EStG 1988 in der für das Streitjahr geltenden Fassung sind Unterhaltsleistungen nur insofern abzugsfähig, als sie zur Deckung von Aufwendungen gewährt werden, die beim Unterhaltsberechtigten selbst eine außergewöhnliche Belastung darstellen würden.
Der beschwerdeführende Präsident bringt vor, der Berufungssenat sei davon ausgegangen, daß die Schuldtilgung durch den Mitbeteiligten eine Besserung des Behandlungserfolges bewirken würde, und habe damit die Zahlung als durch die Krankheit der Gattin des Mitbeteiligten verursacht angesehen. Zu den als außergewöhnliche Belastung abzugsfähigen Krankheitskosten zählten aber nur solche, die unmittelbar zur Heilung oder Linderung der Krankheit aufgewendet werden, nicht aber bloß mittelbar mit der Krankheit zusammenhängende Kosten.
Es trifft zu, daß die belangte Behörde die strittigen Zahlungen als solche zur Verbesserung des Ergebnisses der Krankenbehandlung der Gattin des Mitbeteiligten angesehen hat. Sie stützt im angefochtenen Bescheid die Zwangsläufigkeit zur Tilgung der Schulden nicht auf Gründe im Bereich der Schuldentstehung, also auf die Ursachen der Fremdmittelaufnahme. Sie leitet die Zwangsläufigkeit der Zahlung vielmehr daraus ab, daß die bestehenden Bankschulden eine psychische Belastung darstellten und sich daher das Abdecken der Schulden positiv auf den Gesundheitszustand der Gattin des Mitbeteiligten auswirke. Ohne daß dies im Akteninhalt eine Stütze fände, geht die belangte Behörde in diesem Zusammenhang von einer erhöhten Suizidgefahr der Gattin des Mitbeteiligten aus.
Für das Tragen von Krankheitskosten der Ehegattin ergibt sich aus der Unterhaltspflicht eine rechtliche Verpflichtung. Dies gilt allerdings nur für solche Krankheitskosten, die typischerweise mit einer Heilbehandlung verbunden sind. Wenn es auch der allgemeinen Lebenserfahrung entspricht, daß sich Zahlungen zur Beseitigung einer finanziellen Belastungssituation allenfalls positiv auf den Krankheitsverlauf auswirken können, umfaßt doch die Unterhaltspflicht derartige Zahlungen nicht.
Es besteht aber - diese Überlegung liegt der
hg. Rechtsprechung zur Zwangsläufigkeit der Bürgschaftsübernahme für nahe Angehörige (vgl. hg. Erkenntnis vom 28. Februar 1995, 95/14/0016) zugrunde - auch keine über die rechtliche Verpflichtung hinausgehende sittliche Verpflichtung zur Tilgung von Schulden eines Angehörigen, es sei denn, eine derartige Verpflichtung ergibt sich - wie z.B. im Falle einer Kreditaufnahme für eine notwendige Operation - aus den besonderen Umständen, die zur Aufnahme der Schuld geführt haben (vgl. hg. Erkenntnis vom 11. Juni 1991, 91/14/0052). Der angefochtene Bescheid leitet die Zwangsläufigkeit aber nicht aus den besonderen Umständen der Schuldaufnahme ab.
Eine für die außergewöhnliche Belastung relevante Verpflichtung zur Zahlung erwächst schließlich auch nicht daraus, daß der Mitbeteiligte im Streitjahr einer der Syndici der Bundeswirtschaftskammer und Mitglied von diversen Aufsichtsräten gewesen ist, sodaß die Zahlungen auch zur Abwehr einer Rufschädigung habe dienen sollen. Das bloße Bestreben, einen wirklichen oder vermeintlichen negativen Eindruck in der Öffentlichkeit zu vermeiden, ist nämlich nicht ausreichend, um die Zwangsläufigkeit iSd § 34 Abs. 3 EStG 1988 zu begründen (vgl. hg. Erkenntnis vom 20. September 1988, 86/14/0015 mwN).
Die belangte Behörde hat somit durch die Berücksichtigung der strittigen Zahlung als außergewöhnliche Belastung den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb er gemäß § 42 Abs. 2 Z. 2 VwGG aufzuheben war.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1995150018.X00Im RIS seit
11.07.2001Zuletzt aktualisiert am
15.12.2009