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20/02 Familienrecht;Norm
EheG §23;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte
Dr. Zeizinger, Dr. Robl, Dr. Rigler und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Schwarzgruber, über die Beschwerde des I in W, vertreten durch Dr. P, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. Jänner 1996, Zl. SD 1219/95, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 19. Jänner 1996 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 18 Abs. 1 Z. 1 Fremdengesetz - FrG, BGBl. Nr. 838/1992, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.
Der Beschwerdeführer sei seinen eigenen Angaben zufolge im April 1992 mit einem Sichtvermerk für die Bundesrepublik Deutschland, der ihn zur Durchreise (und für drei Monate zum Aufenthalt in Österreich) berechtigt habe, in das Bundesgebiet eingereist. Er habe diese Möglichkeit dazu mißbraucht, um in Österreich zu bleiben. Schon allein dies sei ein Verhalten gewesen, das dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichkomme. Er habe sodann noch einen kurzfristig, und zwar bis 10. August 1992, gültig gewesenen Sichtvermerk erhalten, als er zu diesem Zweck (durch seinen Rechtsvertreter) die Erklärung abgegeben habe, nach Ablauf dieser Frist in sein Heimatland zurückzukehren. Entgegen dieser Zusage sei er jedoch illegal in Österreich geblieben. Er habe also unrichtige Angaben gemacht, um den kurzfristigen Sichtvermerk zu erhalten.
Der Beschwerdeführer sei bereits mit Bescheid der belangten Behörde vom 6. September 1993 ausgewiesen worden. Dieser Bescheid sei in der Folge vom Verwaltungsgerichtshof bestätigt worden. Mit Urteil des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 18. Jänner 1995 sei die Ehe des Beschwerdeführers rechtskräftig für nichtig erklärt worden. Aus den Urteilsgründen gehe hervor, daß die Ehe nach den übereinstimmenden und glaubwürdigen Aussagen der Ehepartner nur deshalb geschlossen worden wäre, um dem Beschwerdeführer die Möglichkeit zu verschaffen, eine Arbeits- und Aufenthaltsbewilligung und damit eine Anwartschaft auf den Erwerb der österreichischen Staatsbürgerschaft zu erlangen, und daß die Aufnahme einer ehelichen Gemeinschaft nicht geplant gewesen und in der Folge auch nicht zustandegekommen wäre. Solcherart liege ein eklatanter Mißbrauch des Rechtsinstituts der Ehe vor, der dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichzuhalten sei.
Der Beschwerdeführer habe im Bundesgebiet keine Familienangehörigen und lediglich darauf verwiesen, sich seit drei Jahren in Österreich aufzuhalten, hier einer legalen Beschäftigung nachzugehen und ferner behauptet, nicht unkontrolliert eingewandert zu sein. Tatsächlich sei der Beschwerdeführer mit einem deutschen Sichtvermerk eingereist, habe nur eine kurze Aufenthaltserlaubnis erlangt, um Österreich zu verlassen, sei bereits im Jahr 1993 ausgewiesen worden und habe die Beschäftigungsbewilligung lediglich durch die Scheinehe erlangt. Von einem Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers könne keine Rede sein. Ein allfälliger Eingriff sei jedoch zur Verteidigung eines geordneten Fremden- und Ausländerbeschäftigungswesens, also zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 MRK genannten Zielen, dringend geboten. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbotes auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers sei ohne Bedeutung gegenüber den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von dieser Maßnahme.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, der Sache nach inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aus diesen Gründen aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die - auf unbestrittener Sachverhaltsfeststellung beruhende - rechtliche Beurteilung der belangten Behörde, daß die Vorgangsweise des Beschwerdeführers, sich zum Zweck der Einreise und des Aufenthaltes in Österreich einen deutschen Sichtvermerk zu verschaffen, einen dem Tatbestand des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG gleichzuhaltenden Rechtsmißbrauch darstelle, der die Annahme rechtfertige, ein Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich gefährde die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, bleibt in der Beschwerde unbekämpft. Der Gerichtshof hegt gegen diese Beurteilung keine Bedenken (vgl. das Erkenntnis vom 5. April 1995, Zl. 93/18/0432, mwN).
Kein Vorbringen enthält die Beschwerde auch gegen die Ansicht der belangten Behörde, der Beschwerdeführer habe zwecks Erlangung eines kurzfristig (bis 10.8.1992) gültigen österreichischen Sichtvermerkes unrichtige Angaben über die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gemacht. Damit liegt dem Beschwerdeführer eine - im angefochtenen Bescheid nicht ausdrücklich als solche gewertete - Tatsache i.S. des § 18 Abs. 2 Z. 6 FrG zur Last, die gleichfalls die im § 18 Abs. 1 leg. cit. umschriebene Annahme in Ansehung der öffentlichen Ordnung rechtfertigt.
2.1. Soweit sich die Beschwerde gegen die Auffassung der belangten Behörde wendet, die Eingehung der Ehe durch den Beschwerdeführer ausschließlich zum Zweck der Erlangung fremdenrechtlich bedeutsamer Berechtigungen stelle einen die öffentliche Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens gefährdenden Rechtsmißbrauch dar, der die Annahme i.S. des § 18 Abs. 1 FrG rechtfertige und die Verhängung eines Aufenthaltsverbotes über den Beschwerdeführer, weil zum Schutz der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 MRK) dringend geboten, auch zulässig mache (§ 19 FrG), ist ihm die eben diese Rechtsanschauung zum Ausdruck bringende ständige Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes entgegenzuhalten (vgl. etwa aus jüngster Zeit die beiden Erkenntnisse vom 8. Februar 1996, Zl. 95/18/1395, und Zl. 95/18/1404, jeweils mwN).
2.2. Die Beschwerdeeinwände, daß sich aus dem Urteil über die Nichtigerklärung der Ehe des Beschwerdeführers vom 18. Jänner 1995 "die näheren Beweggründe nicht ableiten lassen" und daß der Beschwerdeführer bereits vor der Eheschließung über einen Sichtvermerk verfügt und sich somit der Zweck der Eheschließung nicht auf dieses Ziel gerichtet habe, sind nicht zielführend.
Zum ersten wird in der Beschwerde die Richtigkeit der in der Begründung des angefochtenen Bescheides wiedergegebenen (aus den Urteilsgründen entnommenen) "übereinstimmenden und glaubwürdigen Aussagen der beiden beklagten Parteien (der Ehepartner)", die am Zweck der Eheschließung keinen Zweifel aufkommen lassen, nicht in Abrede gestellt. Zum zweiten vermag der Umstand, daß der Beschwerdeführer bereits vor Eingehung der Ehe über einen - durch unrichtige Angaben verschafften - kurzfristigen Sichtvermerk verfügt hat, keineswegs auszuschließen, daß die Ehe zwecks Erlangung einer Beschäftigungsbewilligung und einer Aufenthaltsbewilligung für den Beschwerdeführer geschlossen wurde.
3. Auch das Ergebnis der - für den Fall des Vorliegens eines relevanten Eingriffes in das Privatleben des Beschwerdeführers i.S. des § 19 FrG - erforderlichen Abwägung gemäß § 20 Abs. 1 leg. cit. ist nicht als rechtswidrig zu erkennen, stehen doch den durch das besagte Fehlverhalten des Beschwerdeführers in mehrfacher Weise erheblich beeinträchtigten öffentlichen Interessen keine persönlichen Interessen von Gewicht gegenüber. Von einer "maximalen Integration" des Beschwerdeführers kann bei einem erst ca. dreieinhalbjährigen Aufenthalt nicht gesprochen werden; der Beschäftigung des Beschwerdeführers kommt im gegebenen Zusammenhang kein hoher Stellenwert zu, da diese - wie von der belangten Behörde zu Recht betont - hinsichtlich ihrer Berechtigung auf die rechtsmißbräuchlich eingegangene Ehe zurückzuführen ist; schließlich schlägt auch der in der Beschwerde behauptete Umstand - sollte es sich nicht ohnehin um eine unbeachtliche Neuerung handeln (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) -, daß der Beschwerdeführer "nunmehr wiederum" (also offensichtlich erst seit kurzem) verheiratet sei und sich ein Onkel in Österreich aufhalte, angesichts des dargestellten sehr großen öffentlichen Interesses an der Beendigung seines Aufenthaltes im Bundesgebiet nicht entscheidend zu seinen Gunsten aus.
4. Da nach dem Gesagten die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt - was bereits der Inhalt der Beschwerde erkennen läßt -, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:1996:1996180112.X00Im RIS seit
20.11.2000