TE Vfgh Erkenntnis 2022/3/7 V157/2021 (V157/2021-9)

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Veröffentlicht am 07.03.2022
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Index

L3730 Aufenthaltsabgabe, Nächtigungstaxe, Ortstaxe

Norm

B-VG Art139 Abs1 Z1
Tir FreizeitwohnsitzabgabeG §4 Abs3
Tir AufenthaltsabgabeG 2003 §6
FreizeitwohnsitzabgabeV des Gemeinderats der Stadtgemeinde Kufstein vom 11.12.2019 §1
FAG 2017 §16 Abs1 Z4
VfGG §7 Abs1

Leitsatz

Gesetzwidrigkeit einer Verordnung der Stadtgemeinde Kufstein betreffend die Höhe von Freizeitwohnsitzabgaben; Ermächtigung der Gemeinde zur Erhebung einer Freizeitwohnsitzabgabe innerhalb von Mindest- und Höchstsätzen zur Abdeckung von durch Zweitwohnsitzen entstehende Aufwendungen, soweit diese nicht durch Benützungsgebühren oder Fremdenverkehrsabgaben abgedeckt sind; keine Ausführungen betreffend die Art der – nicht durch Benützungsgebühren und das Freizeitwohnsitzabgabepauschale abgedeckten – finanziellen Belastungen für die Gemeinde; Wahl des höchsten Abgabensatzes kann nicht allein auf die Höhe des Verkehrswerts des Freizeitwohnsitzes gestützt werden

Spruch

I. Die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Kufstein vom 11. Dezember 2019 über die Höhe der Freizeitwohnsitzabgabe wird als gesetzwidrig aufgehoben.

II. Die Tiroler Landesregierung ist zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung im Landesgesetzblatt für Tirol verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe

I. Antrag

Mit dem vorliegenden, auf Art139 Abs1 Z1 B-VG gestützten Antrag begehrt das Landesverwaltungsgericht Tirol, "die gesamte Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Kufstein vom 11.12.2019 über die Freizeitwohnsitzabgabe zur Gänze als gesetz- bzw verfassungswidrig aufzuheben; in eventu §1 litd der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Kufstein vom 11.12.2019 über die Höhe der Freizeitwohnsitzabgabe, wonach die Freizeitwohnsitzabgabe für Freizeitwohnsitze mit einer Nutzfläche von mehr als 90 m2 bis 150 m2 […] mit Euro 1.000,00 festgesetzt wurde, diesem Inhalt nach als gesetz- bzw verfassungswidrig aufzuheben."

II. Rechtslage

Die maßgebliche Rechtslage stellt sich wie folgt dar (die angefochtenen Bestimmungen sind hervorgehoben):

1. Die maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes vom 8. Mai 2019 über die Erhebung einer Freizeitwohnsitzabgabe (Tiroler Freizeitwohnsitzabgabegesetz – TFWAG) idF LGBl 79/2019 lauten:

"§1

Abgabengegenstand

(1) Für die Verwendung eines Wohnsitzes als Freizeitwohnsitz ist eine Freizeitwohnsitzabgabe zu erheben.

(2) Freizeitwohnsitze sind Gebäude, Wohnungen oder sonstige Teile von Gebäuden, die nicht der Befriedigung eines ganzjährigen, mit dem Mittelpunkt der Lebensbeziehungen verbundenen Wohnbedürfnisses dienen, sondern zum Aufenthalt während des Urlaubs, der Ferien, des Wochenendes oder sonst nur zeitweilig zu Erholungszwecken verwendet werden.

(3) Die Freizeitwohnsitzabgabe ist eine ausschließliche Gemeindeabgabe.

§2

Ausnahmen

(1) Nicht als Freizeitwohnsitze im Sinn des Gesetzes gelten:

a) Gastgewerbebetriebe zur Beherbergung von Gästen; dies jedoch nur dann, wenn

1. Gemeinschaftsräume mit einer Gesamtfläche, bei der auf jedes der Beherbergung von Gästen dienende Bett zumindest eine Fläche von 0,5 m² entfällt, vorhanden sind,

2. gewerbetypische Dienstleistungen, zu denen insbesondere die Raumreinigung in regelmäßig wiederkehrenden Zeitabständen und das regelmäßige Wechseln der Wäsche zählen, erbracht werden und weiters

3. die ständige Erreichbarkeit einer Ansprechperson seitens des Betriebes gewährleistet ist;

nicht als Gemeinschaftsräume im Sinn der Z1 gelten Wellness-Bereiche, Schiräume und sonstige Abstellräume, Sanitärräume und dergleichen,

b) Kur- und Erholungsheime, die von öffentlichen oder gemeinnützigen Einrichtungen oder Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe erhalten werden,

c) Gebäude mit höchstens drei Wohnungen mit insgesamt höchstens zwölf Betten, die während des Jahres jeweils kurzzeitig an wechselnde Personen vermietet werden (Ferienwohnungen); entsprechende Neubauten, für die die Baubewilligung erst nach dem 1. Februar 1996 rechtskräftig erteilt worden ist, gelten jedoch nur dann nicht als Freizeitwohnsitze, wenn der Vermieter der Ferienwohnungen im betreffenden Gebäude seinen Hauptwohnsitz hat; Ferienwohnungen in Gebäuden, die in einem räumlichen Naheverhältnis stehen und eine einheitliche Gesamtplanung aufweisen, sind zusammenzuzählen,

d) Wohnräume, die der Privatzimmervermietung dienen.

Sind in einem Gebäude oder in Gebäuden, die in einem räumlichen Naheverhältnis stehen und eine einheitliche Gesamtplanung aufweisen, Ferienwohnungen und Wohnräume, die der Privatzimmervermietung dienen, untergebracht, so darf die Zahl der Betten insgesamt zwölf nicht überschreiten.

(2) Im Rahmen der Vorschriften über Freizeitwohnsitze nach den Bestimmungen des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016, LGBl Nr 101/2016, in der jeweils geltenden Fassung sind Gastgewerbebetrieben zur Beherbergung von Gästen jene Räumlichkeiten nicht zuzurechnen, an denen

a) Wohnungseigentum besteht, sofern diese vom Eigentümer oder von seiner Familie selbst genutzt werden, oder

b) Verfügungsrechte bestehen, die über den üblichen Inhalt gastgewerblicher Beherbergungsverträge hinausgehen.

§3

Abgabenschuldner

(1) Abgabenschuldner ist der Eigentümer des Grundstücks, auf dem sich der Freizeitwohnsitz befindet. Miteigentümer schulden die Abgabe zur ungeteilten Hand; dies gilt nicht im Fall von Wohnungseigentum.

(2) Abweichend vom Abs1 ist bei Freizeitwohnsitzen auf fremdem Grund der Eigentümer des Freizeitwohnsitzes, im Fall eines Baurechtes der Bauberechtigte Abgabenschuldner.

(3) Wird ein Freizeitwohnsitz unbefristet oder für einen längeren Zeitraum als einem Jahr an ein und dieselbe Person vermietet, verpachtet oder sonst überlassen, so ist der Inhaber des Freizeitwohnsitzes Abgabenschuldner. Der Eigentümer bzw Bauberechtigte haftet neben dem Inhaber des Freizeitwohnsitzes als Gesamtschuldner.

(4) Änderungen in Bezug auf die Person des Abgabenschuldners sind von diesem der Gemeinde binnen eines Monats ab dem Eintritt der Änderung zu melden.

§4

Bemessungsgrundlage und Höhe der Abgabe

(1) Die Freizeitwohnsitzabgabe ist nach der Nutzfläche des Freizeitwohnsitzes zu bemessen.

(2) Die Nutzfläche ist die gesamte Bodenfläche abzüglich der Wandstärken und der im Verlauf der Wände befindlichen Durchbrechungen und Ausnehmungen. Bei der Berechnung der Nutzfläche sind Keller- und Dachbodenräume, soweit sie ihrer Ausstattung nach nicht für Wohn- oder Geschäftszwecke geeignet sind, Treppen, offene Balkone, Loggien, Terrassen sowie für landwirtschaftliche oder gewerbliche Zwecke spezifisch ausgestattete Räume innerhalb eines Freizeitwohnsitzes nicht zu berücksichtigen. Die Nutzfläche ist nach den der Baubewilligung bzw -anzeige und allfälligen Änderungen zugrunde liegenden Unterlagen zu berechnen, außer das tatsächliche Ausmaß weicht um mehr als 3 v. H. davon ab. Änderungen der Nutzfläche des Freizeitwohnsitzes sind für die Bemessung der Freizeitwohnsitzabgabe ab dem Zeitpunkt des Einlangens der Anzeige über die Bauvollendung nach §44 der Tiroler Bauordnung 2018, LGBl Nr 28/2018, in der jeweils geltenden Fassung, zu berücksichtigen.

(3) Die Höhe der jährlichen Abgabe ist abhängig von der Nutzfläche des Freizeitwohnsitzes mit Verordnung des Gemeinderates festzulegen wie folgt:

a) bis 30 m2 mit mindestens 100,- Euro und höchstens 240,- Euro,

b) von mehr als 30 m2 bis 60 m2 mit mindestens 200,- Euro und höchstens 480,- Euro,

c) von mehr als 60 m2 bis 90 m2 mit mindestens 290,- Euro und höchstens 700,- Euro,

d) von mehr als 90 m2 bis 150 m2 mit mindestens 420,- Euro und höchstens 1.000,- Euro,

e) von mehr als 150 m2 bis 200 m2 mit mindestens 590,- Euro und höchstens 1.400,-Euro,

f) von mehr als 200 m2 bis 250 m2 mit mindestens 760,- Euro und höchstens 1.800,- Euro,

g) von mehr als 250 m2 mit mindestens 920,- Euro und höchstens 2.200,- Euro.

Bei der Festlegung der Abgabe ist auf den Verkehrswert der Liegenschaften in der Gemeinde und auf die finanziellen Belastungen der Gemeinde durch Freizeitwohnsitze Bedacht zu nehmen. Die Abgabe kann für bestimmte Teile des Gemeindegebietes in unterschiedlicher Höhe festgesetzt werden, wenn die Gewichtung der für die Festlegung maßgeblichen Umstände sich erheblich auf die Höhe der Abgabe auswirken."

2. Die maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes vom 2. Juli 2003 über die Erhebung einer Aufenthaltsabgabe (Tiroler Aufenthaltsabgabegesetz 2003), LGBl 85/2003, idF LGBl 114/2019 lauten:

"§1

Zweck und Art der Abgabe

(1) Zur Förderung des Tourismus in Tirol wird eine Aufenthaltsabgabe erhoben.

(2) Die Aufenthaltsabgabe – in der Folge kurz 'Abgabe' genannt – ist eine ausschließliche Landesabgabe.

§2

Begriffsbestimmungen

Im Sinne dieses Gesetzes ist/sind:

a) - d) […]

e) 'Freizeitwohnsitze' Gebäude, Wohnungen oder sonstige Teile von Gebäuden, die nicht der Befriedigung eines ganzjährigen, mit dem Mittelpunkt der Lebensbeziehungen verbundenen Wohnbedürfnisses dienen, sondern zum Aufenthalt während des Urlaubs, der Ferien, des Wochenendes oder sonst nur zeitweilig zu Erholungszwecken verwendet werden;

f) - k) […]

§3

Abgabepflicht

(1) Abgabepflichtig sind alle Nächtigungen im Rahmen des Tourismus

a) […]

b) in Freizeitwohnsitzen, die nicht oder nicht nur wechselnden Gästen überlassen werden,

soweit im §4 Abs1 nichts anderes bestimmt ist.

(2) […]

§6

Höhe der Abgabe

(1) - (5) […]

(6) Die Höhe des Freizeitwohnsitzpauschales ergibt sich aus der Vervielfachung der im Gebiet des Tourismusverbandes am 1. Mai eines jeden Jahres zu entrichtenden Abgabe mit der Nächtigungszahl. Die Nächtigungszahl beträgt bei einer Wohnnutzfläche bis zu 30 m² 120, bis zu 100 m² 240 und darüber 360. Bei einer Staffelung der Abgabe nach Gebietsteilen ist jener Betrag heranzuziehen, der für die Nächtigung in dem Gebietsteil, in dem der Freizeitwohnsitz liegt, zu entrichten ist. Die Verpflichtung des über einen Freizeitwohnsitz Verfügungsberechtigten zur Abfuhr der von anderen Personen als seinen Angehörigen für Nächtigungen im Freizeitwohnsitz zu entrichtenden Abgaben wird durch das Freizeitwohnsitzpauschale nicht berührt. Das Freizeitwohnsitzpauschale vermindert sich jeweils um die Hälfte jenes Betrages, der von den anderen Personen im vorangegangenen Jahr als Abgabe entrichtet worden ist, höchstens jedoch auf ein Viertel.

(7) - (8) […]"

3. Die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Kufstein vom 11. Dezember 2019 über die Höhe der Freizeitwohnsitzabgabe lautet:

"Aufgrund des §4 Abs3 des Tiroler Freizeitwohnsitzabgabegesetzes, LGBl Nr 79/2019 wird verordnet:

§1

Festlegung der Abgabenhöhe

Die Gemeinde Kufstein legt die Höhe der jährlichen Freizeitwohnsitzabgabe einheitlich für das gesamte Gemeindegebiet

a)     bis 30 m2 Nutzfläche mit 240 Euro,

b)     von mehr als 30 m2 bis 60 m2 Nutzfläche mit 480 Euro,

c)     von mehr als 60 m2 bis 90 m2 Nutzfläche mit 700 Euro,

d)     von mehr als 90 m2 bis 150 m2 Nutzfläche mit 1.000 Euro,

e)     von mehr als 150 m2 bis 200 m2 Nutzfläche mit 1.400 Euro,

f)     von mehr als 200 m2 bis 250 m2 Nutzfläche mit 1.800 Euro,

g)     von mehr als 250 m2 Nutzfläche mit 2.200 Euro

fest.

§2

Inkrafttreten

Diese Verordnung tritt mit 1. Jänner 2020 in Kraft."

III. Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1. Dem Antrag liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

1.1. Beim Landesverwaltungsgericht Tirol ist eine Beschwerde gegen einen Bescheid des Bürgermeisters der Stadtgemeinde Kufstein vom 22. Jänner 2021 anhängig. Mit diesem Bescheid wurde der Beschwerdeführerin des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol eine Freizeitwohnsitzabgabe in Höhe von € 1.000,– vorgeschrieben.

1.2. Im Zuge der Behandlung der Beschwerde sind beim Landesverwaltungsgericht Tirol Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Kufstein vom 11. Dezember 2019 über die Höhe der Freizeitwohnsitzabgabe entstanden, weshalb das Landesverwaltungsgericht Tirol den vorliegenden Antrag nach Art139 Abs1 Z1 B-VG gestellt hat.

2. Das Landesverwaltungsgericht Tirol legt seine Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bewogen haben, zusammengefasst wie folgt dar:

2.1. Die Stadtgemeinde Kufstein habe mit der angefochtenen Verordnung jeweils den gesetzlich vorgesehenen Höchstbetrag für die Freizeitwohnsitzabgabe festgelegt, obwohl sie mit einer Freizeitwohnsitzquote von 0,3 % beispielsweise im Vergleich mit Kitzbühel, das eine Freizeitwohnsitzquote von 17,6 % aufweise, über einen überaus geringen Anteil an Freizeitwohnsitzen verfüge. Die 27 in der Stadtgemeinde Kufstein befindlichen Freizeitwohnsitze führten daher zu keinen besonderen Belastungen. Schon deshalb sei die Festsetzung der Abgabe mit den gesetzlich festgelegten Höchstsätzen nicht gerechtfertigt.

2.2. Dem Immobilien-Preisspiegel der Wirtschaftskammer aus dem Jahr 2020 sei zu entnehmen, dass die Verkehrswerte der Liegenschaften im Bezirk Kufstein deutlich unter den Verkehrswerten der im Bezirk Kitzbühel befindlichen Liegenschaften liegen. Zum selben Ergebnis führe ein Vergleich der Immobilien-Durchschnittspreise der Statistik Austria für den Bezirk Kitzbühel bzw die Bezirke Innsbruck-Land und Innsbruck-Stadt mit dem Bezirk Kufstein. Die Verkehrswerte der Liegenschaften in Kufstein lägen sohin im landesweiten Vergleich nicht besonders hoch. Auch deshalb erscheine die Festlegung des Höchstsatzes der Freizeitwohnsitzabgabe nicht gesetzeskonform.

2.3. Darüber hinaus sei angesichts der vorgelegten Urkunden und des Vorlageberichtes der Abgabenbehörde bei der Festsetzung der Freizeitwohnsitzabgabe der Umstand außer Acht gelassen worden, dass die Stadtgemeinde Kufstein neben der Freizeitwohnsitzabgabe auch das Freizeitwohnsitzpauschale nach dem Tiroler Aufenthaltsabgabegesetz 2003 einhebe, das die Beschwerdeführerin des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol auch für den Abrechnungszeitraum 2020 entrichtet habe. Dies sei allerdings nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes bei der Bemessung einer Zweitwohnsitzabgabe zu berücksichtigen (VfSlg 15.973/2000). Insgesamt liege nach Ansicht des Landesverwaltungsgerichtes Tirol keine sachliche Rechtfertigung für die Festsetzung der Freizeitwohnsitzabgabe für Freizeitwohnsitze in der Stadtgemeinde Kufstein mit den in §4 Abs3 TFWAG festgesetzten Höchstbeträgen vor.

3. Die Tiroler Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der dem Antrag Folgendes entgegengehalten wird:

3.1. Die vom Landesverwaltungsgericht Tirol dargelegten Bedenken, die Stadtgemeinde Kufstein erhebe neben der Freizeitwohnsitzabgabe auch das Freizeitwohnsitzpauschale nach dem Tiroler Aufenthaltsabgabegesetz 2003, wobei dieser Umstand weder bei der Festsetzung der Beträge der angefochtenen Verordnung noch bei der Festsetzung der Abgabe selbst nachvollziehbar berücksichtigt worden sei, träfen nicht zu. Beim Freizeitwohnsitzpauschale handle es sich um die vom Verfügungsberechtigten eines Freizeitwohnsitzes für seine Nächtigungen und die Nächtigungen seiner Angehörigen zu entrichtende Abgabe. Sie werde zur Förderung des Tourismus erhoben und ihr Ertrag werde den Tourismusverbänden zugewiesen. Abgabenbehörde sei das Amt der Tiroler Landesregierung. Demgegenüber werde die Freizeitwohnsitzabgabe nach dem TFWAG von der Gemeinde als Abgabenbehörde erhoben und fließe dieser als Ausgleich für die mangelnde Berücksichtigung der Freizeitwohnsitze bei den Abgabenertragsanteilen zu. Aus den Erläuternden Bemerkungen zum TFWAG gehe hervor, dass sich der Gesetzgeber vor Erlassung dieses Gesetzes mit der Abgrenzung der Freizeitwohnsitzabgabe zu Fremdenverkehrsabgaben und der hiezu ergangenen Judikatur des Verfassungsgerichtshofes (VfSlg 15.973/2000) auseinandergesetzt und festgehalten habe, dass auf Grund der unterschiedlichen Zielsetzung der beiden Abgaben keine unzulässige Doppelbesteuerung vorliege (Erläuternde Bemerkungen zum Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung einer Freizeitwohnsitzabgabe [Tiroler Freizeitwohnsitzabgabegesetz – TFWAG], Tiroler Landtag, GZ167/19, 1 f.). Vor dem Hintergrund der in §4 Abs3 TFWAG festgelegten Höchstgrenzen der Freizeitwohnsitzabgabe liege weder eine verfassungswidrige Erdrosselungssteuer vor, noch sei das Freizeitwohnsitzpauschale nach dem Tiroler Aufenthaltsabgabegesetz 2003 nicht ausreichend berücksichtigt worden.

3.2. Die Basispreise für unbebaute Grundstücke für das Grundstücksrasterverfahren lägen in der Stadtgemeinde Kufstein im tirolweiten Vergleich deutlich im oberen Bereich und weit über dem Medianwert. Die Basispreise in den beiden Katastralgemeinden Kufstein-Rattenberg und Kufstein-Kufstein unterschieden sich nicht wesentlich voneinander, weshalb eine Differenzierung bezüglich der Abgabenhöhe innerhalb des Gemeindegebietes der Stadtgemeinde Kufstein nicht geboten erscheine.

3.3. Dem Hinweis des Landesverwaltungsgerichtes Tirol, dass die Freizeitwohnsitzabgabe nur dann mit dem in §4 Abs3 TFWAG angeordneten Höchstbetrag festgelegt werden dürfe, wenn der Verkehrswert der Liegenschaften in der betreffenden Gemeinde im landesweiten Vergleich besonders hoch liege, was bei der Stadtgemeinde Kufstein nicht der Fall sei, sei zu entgegnen, dass die Höhe der Verkehrswerte in der Stadtgemeinde Kufstein zwar unter den Spitzenwerten von Innsbruck-Stadt oder Ischgl liege, sich im landesweiten Vergleich jedoch deutlich im oberen Drittel befinde. Zudem sei auf den rechtspolitischen Gestaltungsspielraum der Gemeinde hinzuweisen, der ihr bei der Bemessung der genauen Höhe der Freizeitwohnsitzabgabe innerhalb der gesetzlichen Vorgaben zustehe und es ihr insbesondere erlaube, die Obergrenzen des §4 Abs3 TFWAG auch dann auszuschöpfen, wenn die Grundstückspreise landesweit gesehen zwar im oberen Bereich, jedoch unterhalb der Höchstpreise liegen, solange kein krasses Missverhältnis vorliege. Nach der Judikatur des Verfassungsgerichtshofes seien Freizeitwohnsitze im typischen Fall Ausdruck einer besonderen wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit und gehorchten einem strengen Äquivalenzprinzip nicht derart, dass ihre Höhe von bestimmten Aufwendungen abhängig oder durch diese begrenzt sei (VfSlg 18.792/2009). Es könne dem Gesetzgeber auch nicht zugesonnen werden, dass nur jene Gemeinde den gesetzlich festgelegten Höchstbetrag verordnen dürfe, die den höchsten Verkehrswert der Liegenschaften und/oder außerordentliche finanzielle Belastungen durch Freizeitwohnsitze aufweise. Zudem sei die Nutzung eines Freizeitwohnsitzes nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes nicht ohne Weiteres feststellbar (VfGH 26.11.2018, V120/2017), weshalb auch die damit verbundenen Belastungen schwer zu quantifizieren seien. Die Darlegung der spezifischen finanziellen Belastungen, die der Stadtgemeinde Kufstein durch Freizeitwohnsitze entstünden, obliege der Stadtgemeinde Kufstein selbst.

4. Der Bürgermeister der Stadtgemeinde Kufstein, die belangte Behörde vor dem antragstellenden Landesverwaltungsgericht und als solche beteiligte Partei im Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof, hat die Akten betreffend das Zustandekommen der zur Prüfung gestellten Verordnung vorgelegt und eine Äußerung erstattet, in der den im Antrag dargelegten Bedenken wie folgt entgegengetreten wird:

4.1. Es sei richtig, dass die Stadtgemeinde Kufstein im Vergleich zu sogenannten "Freizeitwohnsitzhotspots" geringere finanzielle Belastungen aufweise. Beim Kriterium der finanziellen Belastung handle es sich allerdings nur um eines der im TFWAG festgelegten Kriterien. Wesentlich sei bei der Festlegung der Abgabe die Bedachtnahme auf den Verkehrswert der Liegenschaften.

4.2. Die Daten der Jahre 2014 bis 2018 und 2016 bis 2020 wiesen für die Stadtgemeinde Kufstein im Bezirksvergleich die zweithöchsten Durchschnittspreise pro Quadratmeter Baugrundstück auf. Bei einem Vergleich der Durchschnittspreise für Häuser liege der Bezirk Kufstein nach den Bezirken Kitzbühel, Innsbruck-Stadt und Innsbruck-Land an vierter Stelle. Außerdem sei dem Immobilien-Preisspiegel der Wirtschaftskammer zu entnehmen, dass die Verkehrswerte im Bezirk Kufstein prozentuell stärker steigen, als jene im Bezirk Kitzbühel. Die steigenden Preise spiegelten die besonders starke Nachfrage nach Immobilien und die sich daraus ergebenden hohen Verkehrswerte im Bezirk Kufstein wider.

4.3. Der Argumentation der Beschwerdeführerin des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol, dass bei der Festsetzung der Freizeitwohnsitzabgabe unberücksichtigt geblieben sei, dass sie jährlich ein Freizeitwohnsitzpauschale nach dem Tiroler Aufenthaltsabgabegesetz 2003 zu entrichten habe sowie den Ausführungen des Landesverwaltungsgerichtes Tirol, dass der Umstand der Einhebung der Aufenthaltsabgabe bei der Verordnungserlassung außer Acht gelassen worden sei, sei entgegenzuhalten, dass die Abgabe nach dem Tiroler Aufenthaltsabgabegesetz 2003 nicht von der Stadtgemeinde Kufstein eingehoben werde und keine Einnahme der Gemeinden darstelle. Während die Aufenthaltsabgabe auf die Besteuerung von Nächtigungen im Rahmen des Tourismus abziele und ausschließlich den Tourismusverbänden zukomme, solle die Freizeitwohnsitzabgabe einen Ausgleich für Aufwendungen der Gemeinden schaffen, die bei Freizeitwohnsitzen nicht durch Ertragsanteile kompensiert werden können. Die angefochtene Verordnung sei daher gesetzes- und verfassungskonform.

5. Die Beschwerdeführerin des Verfahrens vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol hat als beteiligte Partei eine Äußerung erstattet, in der sie sich den Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Tirol anschließt.

Die verordnungserlassende Behörde hat keine Äußerung erstattet.

IV. Erwägungen

1. Zur Zulässigkeit des Antrages

1.1. Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art139 Abs1 Z1 B-VG bzw des Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen Fehlens der Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet (vgl etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.2. Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Gesetzmäßigkeit zu prüfenden Verordnungsbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Normenprüfungsverfahren schon wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Teil der Bestimmung nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Stelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen auch erfasst werden.

1.3. Im Ausgangsverfahren vor dem Landesverwaltungsgericht Tirol ist über eine Beschwerde gegen die Vorschreibung einer Freizeitwohnsitzabgabe zu entscheiden. Der verfahrensgegenständliche Freizeitwohnsitz weist eine Nutzfläche von 113,20 m2 auf. Für den Verfassungsgerichtshof bestehen daher keine Zweifel, dass das Landesverwaltungsgericht Tirol §1 litd der angefochtenen Verordnung in dem bei ihm anhängigen Verfahren anzuwenden hat. Diese Bestimmung steht mit den übrigen Bestimmungen der angefochtenen Verordnung in einem derart engen Regelungszusammenhang, dass von einem untrennbaren Zusammenhang auszugehen ist. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich der Hauptantrag somit als zulässig, sodass auf den Eventualantrag nicht weiter einzugehen ist.

2. In der Sache

2.1. Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken zu beschränken (vgl VfSlg 11.580/1987, 14.044/1995, 16.674/2002). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist (VfSlg 15.644/1999, 17.222/2004).

2.2. Der Antrag ist begründet.

2.3. Im Rahmen der Prüfung der angefochtenen Verordnung ist folgender Regelungszusammenhang zu beachten:

2.3.1. Die vom Landesverwaltungsgericht Tirol angefochtene Verordnung der Stadtgemeinde Kufstein stützt sich auf §4 Abs3 TFWAG. Mit dem TFWAG hat der Landesgesetzgeber in §1 Abs1 festgelegt, dass für die Verwendung eines Freizeitwohnsitzes eine Freizeitwohnsitzabgabe zu erheben ist. Als Freizeitwohnsitz werden in Abs2 leg cit – der Legaldefinition des §13 Abs1 Tiroler Raumordnungsgesetz 2016 folgend – Gebäude, Wohnungen oder sonstige Teile von Gebäuden bestimmt, die nicht der Befriedigung eines ganzjährigen, mit dem Mittelpunkt der Lebensbeziehungen verbundenen Wohnbedürfnisses dienen, sondern zum Aufenthalt während des Urlaubs, der Ferien, des Wochenendes oder sonst nur zeitweilig zu Erholungszwecken verwendet werden. Nach §1 Abs3 TFWAG ist die Abgabe eine ausschließliche Gemeindeabgabe. §4 Abs3 leg cit ermächtigt die Gemeinden die Abgabe durch Verordnung festzulegen, wobei in Abhängigkeit von der Nutzfläche des Freizeitwohnsitzes Mindest- und Höchstsätze durch den Landesgesetzgeber festgelegt sind. Die Vorschrift bestimmt ferner, dass die Gemeinde innerhalb dieser Bandbreiten bei der Festlegung der Abgabe auf den Verkehrswert der Liegenschaften in der Gemeinde und auf die finanziellen Belastungen der Gemeinde durch Freizeitwohnsitze Bedacht zu nehmen hat.

2.3.2. Nach ihrer gesetzlichen Konzeption ist die Tiroler Freizeitwohnsitzabgabe als Zweitwohnsitzabgabe iSd §16 Abs1 Z4 FAG 2017 zu qualifizieren (Erläuternde Bemerkungen zum Entwurf eines Gesetzes über die Erhebung einer Freizeitwohnsitzabgabe [Tiroler Freizeitwohnsitzabgabegesetz – TFWAG], Tiroler Landtag, GZ167/19, 1 f.). Zweitwohnsitzabgaben sind als Aufwandsteuern einzuordnen, die einerseits die in der Einkommensverwendung (im Aufwand) für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende Leistungsfähigkeit, die die Innehabung eines Zweitwohnsitzes indiziert, belasten (VfSlg 18.792/2009). Andererseits sollen diese Abgaben den Gemeinden ermöglichen, jene Aufwendungen abzudecken, die durch Zweitwohnsitze in Gemeinden entstehen und weder durch Benützungsgebühren oder Fremdenverkehrsabgaben (Ferienwohnungsabgaben) abgegolten werden, ohne dass diesen Kosten Einnahmen aus – an den Hauptwohnsitz anknüpfenden – Ertragsanteilen gegenüberstehen (RV 867 BlgNR 18. GP, 20). Dabei unterliegt die Zweitwohnsitzabgabe nicht einem derart strengen Äquivalenzprinzip, dass ihre Höhe strikt von bestimmten Aufwendungen der Gemeinde abhängig und durch diese begrenzt ist (VfSlg 18.792/2009).

Der Landesgesetzgeber bringt in §4 Abs3 TFWAG zweifelsfrei zum Ausdruck, dass bei der Festlegung der Abgabe auf den Verkehrswert der Liegenschaften in der Gemeinde und die finanziellen Belastungen der Gemeinde durch Freizeitwohnsitze Bedacht zu nehmen ist. Dabei liegt es im rechtspolitischen Gestaltungsspielraum des Landesgesetzgebers, wenn er innerhalb des überlassenen Besteuerungsbereiches das Besteuerungsobjekt präzisiert und wie im vorliegenden Fall die Zweitwohnsitzabgabe auf Freizeitwohnsitze im Sinne §1 Abs2 TFWAG beschränkt (Ruppe, Zweitwohnungssteuern, in: Funk [Hrsg.], Grundverkehrsrecht, 1996, 229 [241]).

2.3.3. Freizeitwohnsitze unterliegen in Tirol neben der Freizeitwohnsitzabgabe auch dem Freizeitwohnsitzpauschale, das nach dem Tiroler Aufenthaltsabgabegesetz 2003 als ausschließliche Landesabgabe erhoben wird: Diese Abgabe orientiert sich weder an den Belastungen der Gemeinden noch an den Verkehrswerten, sondern wird nach einer in Abhängigkeit von der Wohnnutzfläche pauschal festgelegten Nächtigungszahl festgelegt (§6 Abs6 Tiroler Aufenthaltsabgabegesetz 2003) und belastet damit – vergleichbar mit der von Beherbergungsbetrieben je Person und Nächtigung eingehobenen Abgabe – jenen Nutzen, der aus Fremdenverkehrseinrichtungen gezogen wird.

2.3.4. Vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes ist der Landesgesetzgeber berechtigt, neben einer Fremdenverkehrsabgabe gemäß §16 Abs1 Z6 FAG 2017 in Gestalt des als Aufenthaltsabgabe erhobenen Freizeitwohnsitzpauschales eine Zweitwohnsitzabgabe gemäß §16 Abs1 Z4 leg cit in Gestalt der als ausschließliche Gemeindeabgabe erhobenen Freizeitwohnsitzabgabe vorzusehen (VfSlg 15.973/2000), zumal die Abgaben nach ihren Tatbestandsmerkmalen nicht als gleichartige Abgaben einzuordnen sind (zur Gleichartigkeit von Abgaben vgl VfSlg 10.827/1986, 14.688/1996).

2.4. Bei Festlegung der Abgabenhöhe der im hier anhängigen Verfahren zu beurteilenden Freizeitwohnsitzabgabe hat sich die Gemeinde innerhalb der vom Landesgesetzgeber vorgegebenen Bandbreite an den durch Freizeitwohnsitze verursachten Belastungen, soweit diese nicht durch Benützungsgebühren oder Fremdenverkehrsabgaben abgedeckt werden, und dem Verkehrswert der Liegenschaften in der Gemeinde zu orientieren (vgl Rz 30).

2.5. Zu den Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Tirol ist im Einzelnen Folgendes auszuführen:

2.5.1. Die Bedenken richten sich gegen die mit 11. Dezember 2019 beschlossene Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Kufstein, mit der gestützt auf §4 Abs3 TFWAG die Freizeitwohnsitzabgabe mit dem gesetzlich vorgesehenen Höchstbetrag festgesetzt wurde. Die Stadtgemeinde verfüge über eine überaus geringe Anzahl von Freizeitwohnsitzen, woraus ableitbar sei, dass für die Stadtgemeinde mit Zweitwohnsitzen keine besonderen Belastungen verbunden seien. Auch könne im Fall der Stadtgemeinde Kufstein nicht von einem besonders hohen Verkehrswert der Liegenschaften ausgegangen werden, da der Verkehrswert im Bezirk Kufstein deutlich unter den Verkehrswerten in anderen Bezirken liege. Zudem sei bei der Festsetzung der Freizeitwohnsitzabgabe der Umstand außer Acht gelassen worden, dass neben der Freizeitwohnsitzabgabe auch das Freizeitwohnsitzpauschale nach dem Tiroler Aufenthaltsabgabegesetz 2003 eingehoben werde. Insgesamt ergäben sich sohin Bedenken dahingehend, dass die in Rede stehende Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Kufstein nicht den Kriterien des §4 Abs3 TFWAG entspreche.

2.5.2. §4 Abs3 TFWAG stellt eine vom Gleichheitssatz determinierte Rechtsgrundlage dar, die abhängig von der Nutzfläche des Freizeitwohnsitzes jeweils eine Bandbreite für die Freizeitwohnsitzabgabe festlegt. Innerhalb dieser Bandbreite hat die Gemeinde die Höhe der Abgabe durch Verordnung festzulegen, wobei sie auf die Belastungen durch Freizeitwohnsitze unter Berücksichtigung der erhobenen Benützungsgebühren und Fremdenverkehrsabgaben und auf die Verkehrswerte der Freizeitwohnsitze Bedacht zu nehmen hat.

2.5.3. Vor diesem Hintergrund treffen die Bedenken des Landesverwaltungsgerichtes Tirol insoweit nicht zu, als es aus der geringen Anzahl von Freizeitwohnsitzen auf das Vorliegen geringer Aufwendungen schließt. Aus dem Umstand einer im Vergleich geringen Freizeitwohnsitzquote kann nicht abgeleitet werden, dass die Festsetzung der Abgabe im Höchstausmaß schon deshalb gesetzwidrig sei: Eine die Festlegung mit dem Höchstsatz rechtfertigende Belastung mit besonderen durch Freizeitwohnsitze bedingten Aufwendungen kann auch in Gemeinden mit niedriger Freizeitwohnsitzquote nicht von vornherein ausgeschlossen werden, zumal Aufwendungen auch unabhängig von der Anzahl an Freizeitwohnsitzen anfallen können.

2.5.4. Soweit das Landesverwaltungsgericht Tirol Bedenken dahingehend geltend macht, dass die Stadtgemeinde Kufstein bei der Festsetzung der Freizeitwohnsitzabgabe offenbar den Umstand außer Acht gelassen habe, dass die im Anlassverfahren beschwerdeführende Partei auch die Freizeitwohnsitzpauschale nach dem Tiroler Aufenthaltsabgabegesetz 2003 zu entrichten habe, treffen diese zu:

2.5.4.1. Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind bei der Bemessung der Zweitwohnsitzabgabe Aufwendungen zu berücksichtigen, die diesen Wohnsitzen zuzurechnen sind, allerdings nur insoweit, als diese nicht bereits im Wege von Benützungsgebühren oder Fremdenverkehrsabgaben für Ferienwohnungen abgegolten werden (vgl oben Rz 29). Überlässt der Landesgesetzgeber den Gemeinden als Verordnungsgeber die Berücksichtigung der Fremdenverkehrsabgabe bei der Bemessung der Zweitwohnsitzabgabe, so obliegt es diesen, das Ausmaß der jeweils erhobenen Fremdenverkehrsabgabe auch tatsächlich als Kriterium für die Zweitwohnsitzabgabe heranzuziehen (VfSlg 18.792/2009).

Dies gilt auch im vorliegenden Fall, in dem das Freizeitwohnsitzpauschale als ausschließliche Landesabgabe eingehoben wird und dem jeweiligen Tourismusverband zugutekommt. Eine Berücksichtigung ist insofern geboten, als es auszuschließen gilt, dass im Rahmen der Festlegung der Freizeitwohnsitzabgabe besondere Aufwendungen der Gemeinde berücksichtigt werden, die bereits durch Einnahmen aus Fremdenverkehrsabgaben abgegolten sind.

2.5.4.2. Weder dem Verordnungsakt noch den im Verfahren erstatteten Äußerungen sind aber Ausführungen dazu zu entnehmen, welcher Art die nicht durch Benützungsgebühren und das Freizeitwohnsitzpauschale abgegoltenen finanziellen Belastungen sind, auf die von der Gemeinde im Rahmen der Festlegung der Höhe der Abgabe Bedacht zu nehmen ist. Die Verordnung erweist sich daher schon aus diesem Grund als gesetzwidrig.

2.5.5. Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die zu den Verkehrswerten vorgebrachten Bedenken zutreffen: Zwar befindet sich nach der Äußerung der Tiroler Landesregierung die Höhe der Grundstückspreise "[i]m tirolweiten Vergleich […] in der Stadtgemeinde Kufstein […] deutlich im oberen Bereich und weit über dem Medianwert […]." Auch teilt der Verfassungsgerichtshof die Auffassung, dass der Umstand, dass Verkehrswerte unterhalb der Höchstpreise liegen, der Ausschöpfung des Höchstsatzes nicht entgegensteht. Eine Ausschöpfung im Höchstsatz kann allerdings nicht allein auf die Höhe der Verkehrswerte gestützt werden, ohne die durch Freizeitwohnsitze bedingten überdurchschnittlichen Belastungen der Gemeinde für Freizeitwohnsitze darzulegen.

V. Ergebnis

1. Die Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Kufstein vom 11. Dezember 2019 über die Höhe der Freizeitwohnsitzabgabe ist daher wegen Verstoßes gegen §4 Abs3 TFWAG als gesetzwidrig aufzuheben.

2. Die Verpflichtung der Tiroler Landesregierung zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art139 Abs5 erster Satz B-VG und §59 Abs2 VfGG iVm §2 Abs1 litj Tiroler Landes-Verlautbarungsgesetz 2021.

3. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Wohnsitz Zweit-, Wohnsitz Freizeit-, Abgaben, Fremdenverkehr, Finanzausgleich, VfGH / Gerichtsantrag, Verordnungserlassung

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2022:V157.2021

Zuletzt aktualisiert am

09.05.2022
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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