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L3730 Aufenthaltsabgabe, Nächtigungstaxe, OrtstaxeNorm
B-VG Art139 Abs1 Z1Leitsatz
Gesetzwidrigkeit einer Verordnung der Stadtgemeinde Kufstein betreffend die Höhe von Freizeitwohnsitzabgaben; Ermächtigung der Gemeinde zur Erhebung einer Freizeitwohnsitzabgabe innerhalb von Mindest- und Höchstsätzen zur Abdeckung von durch Zweitwohnsitzen entstehende Aufwendungen, soweit diese nicht durch Benützungsgebühren oder Fremdenverkehrsabgaben abgedeckt sind; keine Ausführungen betreffend die Art der – nicht durch Benützungsgebühren und das Freizeitwohnsitzabgabepauschale abgedeckten – finanziellen Belastungen für die Gemeinde; Wahl des höchsten Abgabensatzes kann nicht allein auf die Höhe des Verkehrswerts des Freizeitwohnsitzes gestützt werdenRechtssatz
Aufhebung der Verordnung des Gemeinderates der Stadtgemeinde Kufstein vom 11.12.2019 über die Höhe der Freizeitwohnsitzabgabe (Antrag des Landesverwaltungsgerichts Tirol - LVwG).
§4 Abs3 Tir FreizeitwohnsitzabgabeG stellt eine vom Gleichheitssatz determinierte Rechtsgrundlage dar, die abhängig von der Nutzfläche des Freizeitwohnsitzes jeweils eine Bandbreite für die Freizeitwohnsitzabgabe festlegt. Innerhalb dieser Bandbreite hat die Gemeinde die Höhe der Abgabe durch Verordnung festzulegen, wobei sie auf die Belastungen durch Freizeitwohnsitze unter Berücksichtigung der erhobenen Benützungsgebühren und Fremdenverkehrsabgaben und auf die Verkehrswerte der Freizeitwohnsitze Bedacht zu nehmen hat.
Vor diesem Hintergrund treffen die Bedenken des LVwG insoweit nicht zu, als es aus der geringen Anzahl von Freizeitwohnsitzen auf das Vorliegen geringer Aufwendungen schließt. Aus dem Umstand einer im Vergleich geringen Freizeitwohnsitzquote kann nicht abgeleitet werden, dass die Festsetzung der Abgabe im Höchstausmaß schon deshalb gesetzwidrig sei: Eine die Festlegung mit dem Höchstsatz rechtfertigende Belastung mit besonderen durch Freizeitwohnsitze bedingten Aufwendungen kann auch in Gemeinden mit niedriger Freizeitwohnsitzquote nicht von vornherein ausgeschlossen werden, zumal Aufwendungen auch unabhängig von der Anzahl an Freizeitwohnsitzen anfallen können.
Keine Berücksichtigung des Freizeitwohnsitzpauschales bei der Festsetzung der Freizeitwohnsitzabgabe:
Bei der Bemessung der Zweitwohnsitzabgabe sind Aufwendungen zu berücksichtigen, die diesen Wohnsitzen zuzurechnen sind, allerdings nur insoweit, als diese nicht bereits im Wege von Benützungsgebühren oder Fremdenverkehrsabgaben für Ferienwohnungen abgegolten werden. Überlässt der Landesgesetzgeber den Gemeinden als Verordnungsgeber die Berücksichtigung der Fremdenverkehrsabgabe bei der Bemessung der Zweitwohnsitzabgabe, so obliegt es diesen, das Ausmaß der jeweils erhobenen Fremdenverkehrsabgabe auch tatsächlich als Kriterium für die Zweitwohnsitzabgabe heranzuziehen (VfSlg 18792/2009).
Dies gilt auch im vorliegenden Fall, in dem das Freizeitwohnsitzpauschale als ausschließliche Landesabgabe eingehoben wird und dem jeweiligen Tourismusverband zugutekommt. Eine Berücksichtigung ist insofern geboten, als es auszuschließen gilt, dass im Rahmen der Festlegung der Freizeitwohnsitzabgabe besondere Aufwendungen der Gemeinde berücksichtigt werden, die bereits durch Einnahmen aus Fremdenverkehrsabgaben abgegolten sind.
Weder dem Verordnungsakt noch den im Verfahren erstatteten Äußerungen sind aber Ausführungen dazu zu entnehmen, welcher Art die nicht durch Benützungsgebühren und das Freizeitwohnsitzpauschale abgegoltenen finanziellen Belastungen sind, auf die von der Gemeinde im Rahmen der Festlegung der Höhe der Abgabe Bedacht zu nehmen ist. Die Verordnung erweist sich daher schon aus diesem Grund als gesetzwidrig.
Vor diesem Hintergrund kann dahinstehen, ob die zu den Verkehrswerten vorgebrachten Bedenken zutreffen: Zwar befindet sich nach der Äußerung der Tiroler Landesregierung die Höhe der Grundstückspreise "[i]m tirolweiten Vergleich [...] in der Stadtgemeinde Kufstein [...] deutlich im oberen Bereich und weit über dem Medianwert [...]." Auch teilt der Verfassungsgerichtshof die Auffassung, dass der Umstand, dass Verkehrswerte unterhalb der Höchstpreise liegen, der Ausschöpfung des Höchstsatzes nicht entgegensteht. Eine Ausschöpfung im Höchstsatz kann allerdings nicht allein auf die Höhe der Verkehrswerte gestützt werden, ohne die durch Freizeitwohnsitze bedingten überdurchschnittlichen Belastungen der Gemeinde für Freizeitwohnsitze darzulegen.
Entscheidungstexte
Schlagworte
Wohnsitz Zweit-, Wohnsitz Freizeit-, Abgaben, Fremdenverkehr, Finanzausgleich, VfGH / Gerichtsantrag, VerordnungserlassungEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2022:V157.2021Zuletzt aktualisiert am
09.05.2022