TE OGH 2022/3/24 9Ob11/22s

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Veröffentlicht am 24.03.2022
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Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei * H*, vertreten durch Dr. Franz Dorninger, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagte Partei * H*, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in Ried/Innkreis, wegen 30.000 EUR sA, über die Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz vom 1. Dezember 2021, GZ 2 R 170/21i-20, mit dem der Berufung der beklagten Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Wels vom 7. Oktober 2021, GZ 36 Cg 24/21p-15, nicht Folge gegeben wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei hat die Kosten ihrer Revisionsbeantwortung selbst zu tragen.

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

[1]       Das Berufungsgericht ließ nachträglich die ordentliche Revision wegen einer nicht auszuschließenden Fehlbeurteilung des Prozessvorbringens des Klägers zu. Die Revision des Beklagten zeigt jedoch keine Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO auf, die in ihrer Bedeutung über den Einzelfall hinausginge. Die Zurückweisung der Revision kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 ZPO).

[2]            1. Ob im Hinblick auf den Inhalt der Prozessbehauptungen eine bestimmte Tatsache als vorgebracht anzusehen ist, ist eine Frage des Einzelfalls, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung keine erhebliche Bedeutung zukommt. Auch ob das bisher erstattete Vorbringen so weit spezifiziert ist, dass es als Anspruchsgrundlage hinreicht beziehungsweise wie weit ein bestimmtes Vorbringen einer Konkretisierung zugänglich ist, ist eine Frage des Einzelfalls (RS0042828). Dabei gibt allein das Vorbringen des Klägers das Substrat, aus dem die Berechtigung des Begehrens abzuleiten ist (vgl RS0037870).

[3]             2. Im Hinblick auf den Rechtsgrund entspricht es der Rechtsprechung, dass das Tatsachenvorbringen vom Gericht nach allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen ist. Nur dann, wenn das Klagebegehren ausdrücklich und ausschließlich auf einen bestimmten Rechtsgrund beschränkt ist, ist es dem Gericht nach der herrschenden Rechtsprechung verwehrt, dem Begehren aus anderen Gründen stattzugeben (RS0037610 [T43]). Wenn der Klage nicht unzweifelhaft entnommen werden kann, dass der Kläger eine andere rechtliche Beurteilung ausschließen wollte, kann im Berufungsverfahren die rechtliche Qualifikation geändert werden, wenn dies das Tatsachenvorbringen in erster Instanz zulässt und die tatsächlichen Behauptungen keine Änderung erfahren haben (RS0037610 [T12]). Maßgebend für den Entscheidungsspielraum des Gerichts sind der vom Kläger vorgetragene Sachverhalt und die hiefür angegebenen Tatsachen (RS0037610 [T34]). Im Zweifel ist die Beschränkung auf einen von mehreren nach dem Sachvortrag in Frage kommenden Rechtsgründen nicht anzunehmen (RS0037610 [T36]).

[4]             3. Die Revision des Beklagten richtet sich im Wesentlichen dagegen, dass die Vorinstanzen den Zuspruch des Klagebegehrens mit § 1435 ABGB begründet hatten, während es vom Kläger auf die Rückzahlung eines Darlehens gestützt worden sei. Der darin liegende Verfahrensmangel sei schon in der Berufung aufgezeigt worden, ohne dass das Berufungsgericht darauf explizit eingegangen sei.

[5]       Der Vorwurf ist nicht berechtigt. Das Berufungsgericht hat sich ausführlich mit dem entsprechenden Tatsachenvorbringen des Klägers (s ON 14.1: der Beklagte habe ihn dazu verleitet, ein Darlehen aufzunehmen und ihm in Aussicht gestellt, dieses fristgerecht zurückzuzahlen oder ihm allenfalls Miteigentumsanteile am erworbenen Haus einzuverleiben) wie auch mit den vom Kläger genannten Rechtsgründen auseinandergesetzt. Es ist hier auch nicht korrekturbedürftig, wenn die Vorinstanzen das Vorbringen zu letzteren im Gesamtzusammenhang nicht dahin verstanden, dass sich der Kläger im Sinn der dargelegten Rechtsprechung ausdrücklich und ausschließlich auf eine vertragliche Grundlage gestützt hätte und eine bereicherungsrechtliche Rückforderung ausschließen hätte wollen (arg: „sowie …“).

[6]             4. Die Revision übergeht aber auch, dass das Berufungsgericht selbst unter Berücksichtigung des erst im Berufungsverfahrens erstatteten Vorbringens des Beklagten seine Mängelrüge wie auch seine Tatsachenrüge für erfolglos erachtet hatte. Mit den Argumenten des Berufungsgerichts (Berufungsurteil S 4 f) setzt sich die Revision entgegen den Erfordernissen der Rechtsprechung (RS0043603 [T9] ua) nicht auseinander. Damit liegt auch keine gesetzmäßige Ausführung des geltend gemachten Revisionsgrundes vor.

[7]             5. Da damit insgesamt keine korrekturbedürftige Fehlbeurteilung des Berufungsgerichts aufgezeigt wird, die die Qualität einer Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO hätte, ist die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

[8]            Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 40, 50 ZPO. Der Beklagte hat auf die Unzulässigkeit der Revision nicht hingewiesen (vgl RS0035979).

Textnummer

E134635

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2022:0090OB00011.22S.0324.000

Im RIS seit

06.05.2022

Zuletzt aktualisiert am

06.05.2022
Quelle: Oberster Gerichtshof (und OLG, LG, BG) OGH, http://www.ogh.gv.at
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