Kopf
Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als Vorsitzende sowie die Hofrätinnen und Hofräte des Obersten Gerichtshofs Mag. Ziegelbauer, Hon.-Prof. Dr. Dehn, Dr. Hargassner und Mag. Korn in der Rechtssache der klagenden Partei * P*, vertreten durch Stanek Raidl Konlechner Rechtsanwälte OG in Wien, gegen die beklagte Partei G* GmbH, *, vertreten durch Reiffenstuhl & Reiffenstuhl Rechtsanwaltspartnerschaft OG in Wien, und den Nebenintervenienten auf Seiten der beklagten Partei * G*, vertreten durch Mag. Dr. Rainer Böhm, Rechtsanwalt in Wien, wegen 42.663,12 EUR sA und Feststellung (Revisionsinteresse: 11.000 EUR sA), über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Wien vom 23. Dezember 2021, GZ 3 R 101/21a-158, in nichtöffentlicher Sitzung den
Beschluss
gefasst:
Spruch
Die außerordentliche Revision der klagenden Partei wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.
Text
Begründung:
[1] Das Berufungsgericht hat einen Teil des Schmerzengeldbegehrens der Klägerin infolge einer mangelhaft durchgeführten operativen Zahnbehandlung abgewiesen, weil es ihr nach Abschluss des von ihr angestrengten Beweissicherungsverfahrens zumutbar gewesen sei, eine Ersatzbehandlung auf eigene Kosten durchzuführen; sie habe insoweit ihre Schadensminderungsobliegenheit verletzt.
[2] In ihrer dagegen gerichteten außerordentlichen Revision zeigt die Klägerin keine Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO auf:
Rechtliche Beurteilung
[3] 1. Aus § 1304 ABGB ergibt sich die Verpflichtung des Geschädigten, den eingetretenen Schaden möglichst gering zu halten, wenn und soweit ihm ein entsprechendes Verhalten möglich und zumutbar ist (RS0027043). Eine Verletzung der Schadensminderungspflicht liegt ua dann vor, wenn der Geschädigte Handlungen unterlassen hat, die geeignet gewesen wären, den Schaden abzuwehren oder zu verringern, obwohl sie – objektiv betrachtet – von einem verständigen Durchschnittsmenschen gesetzt worden wären, um eine nachteilige Veränderung des eigenen Vermögens hintanzuhalten (RS0023573). Ob eine Verletzung der Schadensminderungsobliegenheit vorliegt, ist ex ante zu beurteilen (RS0026909 [T1a]). Was dem Geschädigten dabei zuzumuten ist, bestimmt sich nach den Interessen beider Teile und nach den Grundsätzen des redlichen Verkehrs. Es kommt daher wesentlich auf die Umstände des Einzelfalls an (RS0027787). Allgemein hat der Geschädigte die ihm zumutbaren Maßnahmen aber auch ohne Rücksicht auf das Verhalten des Schädigers zu treffen (RS0027015). Der Geschädigte verletzt seine Schadensminderungspflicht, wenn er schuldhaft Handlungen unterlässt, die von einem verständigen Durchschnittsmenschen gesetzt worden und geeignet wären, den Schaden abzuwehren oder zu verringern (RS0027787 [T21]).
[4] 2. Die Klägerin ist der Ansicht, dass sie auch die Klärung der Rechtsfrage, ob die Beklagte zur Verbesserung berechtigt sei, abwarten habe dürfen, obwohl die Frage alleine durch die Bestreitung der Beklagten bzw das Angebot der Verbesserungsbereitschaft verursacht worden sei. Die Durchführung der Verbesserung sei bis zur (rechtskräftigen) Feststellung des Mangels vorbehalten worden.
[5] Nach dem festgestellten Sachverhalt lag der Grund für ihr Zuwarten mit der Korrekturoperation in erster Linie allerdings darin, dass sie einen Beweisverlust im gegenständlichen Verfahren befürchtete, und weiter in ihrer mangelnden Bereitschaft, die Operation ohne vorherige Geldleistung durch die Beklagte zu finanzieren. Dass sie die Korrekturoperation dann, wenn die Beklagte mit dem Einwand der Verbesserungsbereitschaft durchgedrungen wäre, durch die Beklagte durchführen hätte lassen oder sonst von einer Korrektur Abstand genommen hätte, geht daraus nicht hervor. Damit ist auch nicht erkennbar, warum ein verständiger Betroffener unter Inkaufnahme sehr langer Schmerzperioden vorerst die Klärung der Berechtigung des Verbesserungseinwands abwarten hätte sollen. Die Beurteilung des Berufungsgerichts verlässt daher den Rahmen der Rechtsprechung nicht.
[6] 3. Da das Berufungsgericht in nicht weiter korrekturbedürftiger Weise davon ausging, dass bereits nach Abschluss des Beweissicherungsverfahrens eine Ersatzbehandlung durchzuführen gewesen wäre, sind die weiteren späteren Ereignisse, die die Klägerin in diesem Zusammenhang nennt (Zuwarten wegen Ablehnung des Sachverständigen durch die Beklagte; Zuwarten wegen gerichtlichen Gutachtensauftrags), nicht mehr zielführend.
[7] 4. Die Klägerin sieht auch einen Verfahrensmangel des Berufungsgerichts im Zusammenhang mit seiner Begründung zu den Ausführungen des Erstgerichts, wonach es ihr „nicht leicht möglich“ gewesen sei, die notwendigen Kosten der Ersatzbehandlung aus eigenen Mitteln zu finanzieren.
[8] Der geltend gemachte Verfahrensmangel wurde geprüft, liegt jedoch nicht vor (§ 510 Abs 3 ZPO). Die Klägerin trifft die Behauptungs- und Beweispflicht für die Unzumutbarkeit der Ersatzbehandlung (s nur RS0026909), zu der aus dem festgestellten Sachverhalt nichts Ausreichendes ableitbar ist. Das Berufungsgericht konnte dazu auch kein ausreichendes Vorbringen der Klägerin und keine ausreichenden Beweisergebnisse erkennen, was in der Revision nicht widerlegt wird.
[9] 5. Mangels einer Rechtsfrage von der Qualität des § 502 Abs 1 ZPO ist die außerordentliche Revision der Klägerin daher zurückzuweisen.
Textnummer
E134637European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:OGH0002:2022:0090OB00013.22K.0324.000Im RIS seit
06.05.2022Zuletzt aktualisiert am
06.05.2022